Ciolos an der Uni Pollenzo

30.1.2012 - EU-Agrarkommissar Dacian Cioloş eröffnete am 27. Januar das akademische Jahr an der Universität der Gastronomischen Wissenschaften in Pollenzo.

Cioloş an der Slow Food Uni

aktuelles-aktuelles_2012-ciolos_bra1_288.jpg

«Es ist eine Ehre für mich, an der Eröffnung des akademischen Jahres hier an der Universität der Gastronomischen Wissenschaften teilzunehmen. Landwirtschaft und Gastronomie sind eng verbunden, unsere Entscheidungen im einen Bereich betreffen notwendigerweise auch die Qualität des anderen. Und gerade deshalb sind die Projekte der Universität nicht nur relevant, sondern vor allem komplementär zur Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP), denn sie stärken die Prinzipien, auf die wir die Reform gründen wollen. Ich beziehe mich insbesondere auf eine bessere Organisation der Produktion, auf den Qualitätsanspruch für Agrarprodukte und auf die Nachhaltigkeit. Dies sind meiner Ansicht nach die Schlüsselaspekte für das Wachstum und die Zukunftsentwicklung unserer Landwirtschaft, und sie müssen es auch bleiben. Wir müssen gemeinsam entscheiden, was für eine Landwirtschaft wir wollen». Mit dieser Aufforderung eröffnete der Europakommissar für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung Dacian Cioloş das akademische Jahr an der Universität der Gastronomischen Wissenschaften in Pollenzo (Piemont), Italien.

«Diese Richtung in der Gemeinsamen Agrarpolitik ist notwendig. Sie entspringt dem Schutzbedarf für ein immenses Erbe, das die Völker des Kontinents immer mehr als gemeinsames Gut empfinden, und dem der richtige Stellenwert gegeben werden muss. Dieses Gefühl für das Wohlergehen der Gemeinschaft stellt die Umweltfrage in den Mittelpunkt, die Verteidigung der biologischen Vielfalt, Überwindung von Ungerechtigkeiten, und für ein angemessenes Einkommen der Bauern, Fischer und vielfältigen Erzeuger über faire Preise und öffentliche Unterstützung, die von positiven Praktiken abhängig gemacht wird», bestätigt Carlo Petrini, Präsident von Slow Food und der Universität, und unterstützt damit die Hoffnungen von Kommissar Cioloş. Wenn der Wirtschaftswert des Landwirtschaftssektors einen der Hauptposten in der Bilanz der EU darstellt, wie der EU-Kommissar betonte, dann ist es unerlässlich, ein größeres Bewusstsein und Sensibilität in der Zivilgesellschaft für dieses Gemeingut zu entwickeln, das sich durch eine große Vielfalt an Interessen, Ressourcen, Orten, Geschichte, Ökonomien und Savoir-faire auszeichnet. «Um den notwendigen Wandel anzugehen, sollten die neuen Ernährungs- und Landwirtschaftsmodelle das traditionelle Wissen in die Systeme wissenschaftlicher Kenntnis einbeziehen. Dies wäre eine große Innovation. Wenn man genau hinschaut, ist genau das die treibende Motivation in dem großen Projekt von Slow Food und Terra Madre, und sie leitet seit jeher die Grundsätze und praktische Umsetzung an dieser kleinen Universität», betont Petrini.

Der Erfolg dieser Motivation wird auch durch den der Hochschule in Pollenzo bestätigt: «In nur acht Jahren haben über tausend Studenten aus mehr als 60 Ländern die Studiengänge an der Universität der Gastronomischen Wissenschaften absolviert», erläutert Piercarlo Grimaldi, Rektor der Hochschule, und fügt hinzu: «Bis heute haben 74% der Absolventen eine Beschäftigung. Im Durchschnitt fanden 60% von ihnen innerhalb von zwei Monaten nach dem Abschluss Arbeit».

Die zentrale Rolle der Lebensmittel und ihrer Produktion ist heute mehr denn je evident. Petrini und Cioloş stimmten darin überein, dass ihre kulturelle, ökologische, soziale, politische und wirtschaftliche Dimension noch stärker hervorzuheben sei. Die außerordentliche Komplexität der Ernährungskultur ist die Basis der Hochschule in Pollenzo, die dazu einlädt – genau wie es der Europakommissar in seinem Beitrag erhoffte –, über die besonderen Arbeitsbedingungen des Landwirts nachzudenken: Es handelt sich nicht nur um eine wirtschaftliche und produktive Tätigkeit, sondern auch um eine Praxis, die Einfluss auf Umwelt, Gesundheit und Gemeinschaft hat.

Die Zukunft der Kleinlandwirtschaft ist gefährdet, und bisher reichen die Bestimmungen für die ländliche Entwicklung nicht aus, um die Herausforderungen zu erfüllen. Die Bevölkerung altert, und immer weniger junge Menschen arbeiten in der Landwirtschaft: In Europa sind die Landwirte unter 35 Jahren im Zeitraum von 2000 bis 2007 drastisch – um bis zu 42% – zurückgegangen. In Italien kommen auf jeden Landwirt unter 35 rund 15 im Alter von über 65.

Die Einführung der „Ökologisierungszuschläge“ ist eine bemerkenswerte Neuheit, und zu den Vergabekriterien gehören im Wesentlichen die Fruchtfolge – sie trägt entscheidend dazu bei, dass die Landwirte die Umweltresistenz ihrer Betriebe verbessern können, und garantiert die Fruchtbarkeit des Bodens –, eine geringere Abhängigkeit von Pestiziden und mittelfristig ein agronomischer und ökonomischer Gewinn für den Landwirtschaftsbetrieb.

Wir hoffen, dass der Weg, der zur Genehmigung der GAP-Reform führen wird, in diese Richtung geht und aktiv die gesamte Zivilgesellschaft – von Landwirten bis zu Ko-Produzenten – einbezieht.

Quelle: Slow Food Pressemeldung vom 30.1.2011

Foto: EU-Agrarkommissar Dacian Cioloş (re.) und Slow Food Präsident Carlo Petrini auf dem Campus in Pollenzo | Slow Food Archiv
 
Weitere Informationen:

www.unisg.it

www.slowfood.com

Positionen von Slow Food zur EU-Agrarpolitik

Inhaltspezifische Aktionen