Petrini Brief

Petrini fordert Agrarwende in Europa

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13.3.2013 - Heute entscheiden die EU-Parlamentarier in Straßburg über die Ausrichtung der EU-Agrarpolitik für die kommenden Jahre. Viel steht auf dem Spiel: Es geht um 40 Prozent des EU-Haushalts, um unser Essen, unsere Umwelt, um globale Gerechtigkeit und um die Überlebenschance von Millionen Bauernhöfen. Ein offener Brief von Slow Food Gründer Carlo Petrini an die Abgeordneten.

"Sehr geehrte Abgeordnete,

Sie stehen kurz davor, über maßgebende Änderungen an der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) abzustimmen. Diese historischen Änderungen können die Zukunft der Bürger, die Sie repräsentieren, und der zukünftigen Generationen entweder sehr positiv oder sehr negativ beeinflussen. Viel wird getan, um Ihren Einsatz morgen im Parlament für die gute Sache zu beschränken. Aber Sie haben trotzdem die Möglichkeit, sich gegen Kräfte zu stellen, die selten transparent und im Interesse des Allgemeinwohls arbeiten. Wie Tomasi di Lampedusa schrieb in seinem Buch „Der Leopard“: „Alles muss sich verändern, damit alles so bleiben kann, wie es ist.“

Es ist nicht länger akzeptabel, dass Steuergelder aller Europäer die landwirtschaftliche Produktion als solche unterstützen, ohne zu sehen, dass es unmoralisch ist, Geld für die Verschmutzung und Verelendung der Erde auszugeben, und unmoralisch, sich nicht um die Bürger zu scheren, in ihrer Rolle als Konsumenten aber vor allem auch als die rechtmäßigen Besitzer von öffentlichen Geldern. Es ist auch nicht länger akzeptabel, dass das Geld aller in die Erträge von wenigen fließt. Dieses Geld muss auch dafür verwendet werden, den Schaden an Allgemeingütern zu reparieren, der durch die Erwirtschaftung dieser Erträge entstanden ist. Wir werden auch nicht weiter akzeptieren, dass die GAP denen hilft, die sich gegen umweltverträgliche Praktiken entscheiden: Nachhaltigkeit ist kein Sonderoption – sie ist ein Muss für alle, im Interesse aller.

Für diese Reformperiode der GAP wurden die an die Europaabgeordneten gerichteten Mobilisierungs- und Aufklärungskampagnen mit einer noch nie dagewesenen Intensität durchgeführt. Das ist ein Zeichen, dass die EU-Bürger ein ökologisches Bewusstsein entwickelt haben, dass nicht mehr nur dem militanten Rand angehört, sondern weit in der Zivilgesellschaft verbreitet ist. Das spiegelt unseren Zeitgeist wieder. Die EU-Bürger haben begriffen, dass dieses Thema grundlegend wichtig ist, und sind nicht länger bereit, die mächtigen Privatinteressen dahinter zu übersehen. Die GAP ist im Interesse der Öffentlichkeit. Es wäre verheerend, diese Gelegenheit für einen grundlegenden Wandel in Denkens- und Verhaltensmustern verstreichen zu lassen, um nicht zu sagen empörend.

Ich appelliere an Sie alle, diesen Fehler nicht zu machen. Setzen Sie sich dafür ein, dass Maßnahmen wie Fruchtfolge verpflichtend werden, und dass eine echte „Vergrünung“ geschieht, und nicht nur ein oberflächliches „Greenwashing“. Gleichzeitig bin ich mir sicher, dass die Bürger diesen hochwichtigen Kampf durch die Wahl ihres täglichen Essens weiterführen werden. Um einen weiteren Denker, den französischen Soziologen Edgar Morin, zu zitieren: „Alles muss neu beginnen, alles hat schon neu begonnen.“

Die Hauptakteure des Wandels bleiben die Bürger, und ich bin überzeugt, dass ein Wandel trotz allen Widrigkeiten stattfinden wird. Aber es ist höchste Zeit, dass diejenigen, die den Prozess beschleunigen können, anfangen, der Stimme der Bürger zuzuhören und konkret und verantwortungsbewusst in ihrer offiziellen Funktion handeln.


Mit freundlichen Grüßen,
Carlo Petrini
Präsident
Slow Food"

Quelle: Offener Brief von Slow Food Präsident Carlo Petrini an die Parlamentarier des Europäischen Parlaments vom 11. März 2013; Übersetzung: Slow Food Deutschland;
Im Bild: Carlo Petrini, Gründer und Präsident von Slow Food International | Slow Food Archiv


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