Für gutes Essen und gute Landwirtschaft: bäuerlich, umweltverträglich, klimafreundlich und fair

30.10.2018 – Am Samstag, den 27. Oktober, fand in 19 Ländern und mehr als 63 europäischen Städten der Aktionstag Good Food Good Farming statt. Auch in Stuttgart. Unter dem Motto „Schlag Alarm“ organisierten die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und Slow Food Stuttgart ein Kochtopforchester und protestierten laut gegen immer neue Megaställe. Die Verbände riefen zu einer Kehrtwende in der Land- und Ernährungswirtschaft auf.

Für gutes Essen und gute Landwirtschaft: bäuerlich, umweltverträglich, klimafreundlich und fair!

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Im Rahmen einer Tagung wurde darüber hinaus intensiv diskutiert, wie denn die Landwirtschaft in Baden- Württemberg in Zukunft aussehen könnte.

Sterne- und Fernsehkoch Vincent Klink vom Stuttgarter Restaurant Wielandshöhe äußerte sich so wie man ihn kennt mit einem humoristischen Unterton: „Eine Grube graben, Kunstdünger hineingeben und die industrielle Landwirtschaft dann darin bestatten lassen.“

Rupert Ebner, Tierarzt und Vorstandsmitglied von Slow Food Deutschland vertritt die These,dass mit zunehmender Betriebsgröße das Tierwohl sinkt. Er stellt außerdem fest: „Mit zunehmender Betriebsgröße steigt auch der Antibiotikaeinsatz im Stall.“

In ihrer Verantwortung für die Bereitstellung von sauberem Trinkwasser warnte Christa Hecht von der Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft eindringlich: „Was zu viel an Dünger, Gülle oder Jauche auf die Felder aufgebracht wurde, finden wir später in Flüssen, Seen und dem Grundwasser wieder. Dort kann es Schaden anrichten und führt zu höheren Wasseraufbereitungskosten für das Trinkwasser. Vermeidung ist das Zauberwort dafür.“

Vertreterinnen von Bürgerinitiativen, die sich gegen den Bau von neuen großen Ställen wehren, berichte- ten von ihrer Arbeit vor Ort. Anna Maria Waibel vom Bund für Umwelt und Naturschutz Pfullendorf sieht in dem geplante 1000-Kühe-Stall in Ostrach-Hahnennest (Landkreis Sigmaringen) eine Form der Massentierhaltung nach einem veralteten Konzept aus dem letzten Jahrhundert. „Agrarindustrielle Land- wirtschaft zerstört weltweit unsere Lebensgrundlagen: Wasser, Böden, Luft, Artenvielfalt. Sie verhindert Tierwohl und Tierschutz und führt zur globalen Verarmung der Bäuerinnen und Bauern.“

Landwirt Martin Häring, der sich im Ellwanger Bündnis gegen Agrarfabriken engagiert, machte deutlich, dass die neu entstehenden Agrarfabriken enorme soziale Schäden verursachen: Bäuerliche Betriebe wür- den durch Landentzug verdrängt, Pachtpreise würden steigen und es gebe viel Unfrieden in den Dörfern.

Franz Häussler, Landesvorsitzender der AbL in Baden-Württemberg machte am eigenen Betrieb deutlich: Weniger kann mehr sein. Er füttert seine Kühe ohne Kraftfutter. Sie geben ein bisschen weniger Milch als bei seinen Kollegen, aber in der Endabrechnung steht er besser da als die meisten seiner Berufskollegen. Er plädierte vehement an Berater und Ausbilder: Ein Paradigmenwechsel sei notwendig. Eine ressourcen- schonende und von der Gesellschaft akzeptierte Landwirtschaft sei wirtschaftlich möglich; nur müsse sie auch in der Ausbildung gelehrt werden.

Patrick Rapp, Landtagsabgeordneter der CDU will die bäuerlichen Familienbetriebe im Land bestmöglich unterstützen und erhalten. Aus seiner Sicht sei es wichtig, dass die Wertschätzung für deren Arbeitsleis- tung sowie die erzeugten Produkte wieder stärker in den Vordergrund gerückt und honoriert wird.

Jonas Weber, Landtagsabgeordneter für die SPD betonte, dass seine Partei keine industrielle Landwirt- schaft in Baden Württemberg möchte.

Harald Ebner, Bundestagsabgeordneter der Grünen ging auf die Verantwortung der Bürger ein: "Wir alle bestimmen beim Einkaufen darüber mit, wie Landwirtschaft betrieben wird und damit auch, wie wir mit unseren natürlichen Lebensgrundlagen umgehen. Faire Preise für faire Produkte sind ein zentrales Ziel der dringend notwendigen Agrarwende. Dafür muss aber die Politik die Rahmenbedingungen schaffen."

Für eine engere Zusammenarbeit von Bauern und Bäuerinnen, Bürgerinnen und Bürgern, lokaler Politik und regionaler (Ernährungs)Wirtschaft setzt sich Anna Wissmann ein. Sie koordiniert das Netzwerk der Ernährungsräte. Ihr geht es darum, aus passiven Konsumenten aktive Bürger zu machen: "Die Transformation unseres Ernährungssystems schaffen wir nicht, wenn wir in der Rolle der Konsumentin und des Konsumenten verharren. Darum schließen sich gerade überall in Deutschland und darüber hinaus Men- schen in Ernährungsräten zusammen, um als Bürgerinnen und Bürger die Idee der Ernährungsdemokratie umzusetzen." Die Tagungsteilnehmer forderten die anwesenden Politkern auf, sich für eine bäuerliche Landwirtschaft einzusetzen, auch in Hinblick auf die anstehende Reform der Europäischen Agrarpolitik.

Im Anschluss an die Tagung trafen sich zahlreiche Initiativen aus Stuttgart und Umgebung, um einen Ernährungsrat zu gründen. Ihre Vision ist eine Landwirtschaft mit vielen bäuerlichen Betrieben, die umwelt- und klimafreundliches Essen herstellen und Insekten Lebensräume geben.

Quelle: Pressemeldung der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und Slow Food Stuttgart vom 29. Oktober 2018

Bild oben: Protestaktion der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und Slow Food Stuttgart in Stuttgart. Rupert Ebner, Mitglied im Vorstand von Slow Food Deutschland (Mitte, roter Pullover), war ebenfalls vor Ort. |  © Torsten Rieck

Mehr Informationen zum Thema:

Europäische Aktionstage „good food – good farming“: Seien Sie dabei!

www.goodfoodgoodfarming.eu

Slow Thema: Agrar- und Ernährungspolitik

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