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Unsere Kriterien

  • Die regionale Küche Westfalens, des Bergischen, des Rheinlandes sollte gepflegt werden.
  • Küche der Zuwanderer (Polen, Schlesier..) und ehemaligen Gastarbeiter (Italiener, Griechen, Spanier, Portugiesen, Türken) sollte aufgegriffen, erlebbar und schmeckbar sein.
  • Die verschiedenen Küchentraditionen der Region sollten kreativ und „reviertypisch“ zur Fusion gebracht werden.
  • Traditionelle Küche sollte in die Neuzeit übersetzt werden, sollte modernen gesundheitlichen Erkenntnissen folgen (Reduzierung von Fett und Kohlenhydraten).
  • Die Küche zielt darauf, Genuss und Esserlebnis zu stiften.
  • Es sollten deutlich überwiegend frische, jahreszeitgemäße Produkte eingesetzt werden.
  • Die Grundprodukte sollten zunehmend aus der nahen Region bezogen werden.
  • Luxusprodukte sollten immer nur Ausnahmen im Speiseangebot sein.
  • Der Gastronom versteht sich als Genuss-Handwerker. Er kauft Grundprodukte guter Qualität und verzichtet weitgehend auf Convenience-Produkte.
  • Synthetische Geschmacksverstärker und industrielle Aromenzubereitungen sind nicht gestattet.
  • Vom guten Gastronomen erwarten wir eine Beherrschung des Handwerks, die Essenskreationen sollten stimmig sein (Harmonie auf dem Teller). Auch die Würzung sollte gekonnt sein (kein Überwürzen).
  • Die Präsentation auf dem Teller sollte ansprechend sein (das Auge isst mit!).
  • Genuss hat mit Abwechslung zu tun. Wir erwarten von den Gastronomen eine regelmäßige Änderung ihrer Speisekarte.
  • Die Preisgestaltung sollte fair sein.
  • Gastronomie sollte gastfreundlich, leger sein, eine warme, familiäre Atmosphäre wird gewünscht.

Genussführer Ruhrgebiet

Anforderungen an eine von Slow Food empfohlene Gastronomie 

 1.      Slow Food ist eine Genuss-Bewegung mit verantwortlichem Denken für die Natur und die Zukunft sowie einem partnerschaftlichem, solidarischen Denken gegenüber Händlern und Produzenten. 

2.       Das Ruhrgebiet ist kulinarisch ein Schmelztiegel, in der westfälische, rheinische und bergische Küche im Rahmen der Industrialisierung (Mitte 19. bis Anfang 20. Jahrhundert) von den Millionen von Zugezogenen kulinarisch deutlich durchsetzt wurde. Diese zugezogenen und dann integrierten kulinarischen Einflüsse entstammen den Küchen des deutschen Ostens, aber auch Polens ... Im Zuge der Gewinnung von deutschen Gastarbeitern kamen dann noch die Küche Italiens, Griechenlands, Spaniens, Portugals und besonders die der Türken hinzu. 

3.       Während die erste Zuzugswelle zu einer Fusion der Küchentraditionen führte, ist die zweite Zuzugswelle nur teilweise integriert. Zwar ist generell ein Abnehmen der bäuerlichen, kräftigenden, nachhaltig sättigenden Küche zu beobachten, weil im Arbeitsleben die körperliche Arbeit deutlich an Boden verloren hat. Neben der Reisewelle, ist dies die wichtigste Begründung dafür, dass anstelle der traditionellen Küche, die mediterrane Küche Einzug in unsere tagtägliche Küche gehalten hat. Dabei ist nicht zu übersehen, dass sich dies auch in der Übernahme von Gerichten ausdrückt, die zunehmend als Fast Food zu sich genommen werden (Pizza, Döner). Während also Gerichte Italiens, Spaniens, Griechenlands in die Küche der Ruhrgebietler integriert wurden, ist es bei solchen aus dem Einzugsbereich der Türken und Araber kaum der Fall.

4.       Kulinarischen Genusses leidet unter der Industrialisierung der Produktion von Lebensmitteln. Je mehr Lebensmittel ihrer Natürlichkeit beraubt werden, desto mehr verlieren sie an Geschmack, an Ehrlichkeit, Authentizität und Wertigkeit. Damit liefern industrielle Lebens-mittel weniger Genuß (denaturiert). Verbunden mit der Industrialisierung  ist darüber hinaus die Zer-störung von solidarischen, fairen Beziehungen von Produzent, Handel und Verbraucher. Mächtige Lebensmittelkonzerne mit Ihren Stäben an Psychologen und Chemikern und ebenso agierende Supermarkt- / Discount-Konzerne sind heute marktbeherrschend und machen den Konsumenten zunehmend unmündiger.

 5.       Die Industrialisierung der Lebensmittelproduktion macht auch vor der Gastronomie nicht halt. Der Einzug von billigsten Lebensmitteln und Vorgefertigtem (Convenience) ist unübersehbar. Gleichzeitig gibt es kaum irgendwelche, vor allem keine großhändlerischen Vermarktungs-strukturen regionaler, natürlicher, authentischer Lebensmittel. Dies ist besonders wichtig für das Ballungszentrum Ruhrgebiet, weil hier Anbau und Zucht von Getreide, Gemüse, Tieren und Fischen kaum noch im, sondern bestenfalls am Rande des Ruhrgebiets stattfindet. 

6.      Aufgabe der Convivien des Ruhrgebiets ist es daher eine Gastronomie zu fördern, die einerseits die Fusion der einzelnen Küchentraditionen fördert, sie aber auch in ihrer Tiefe versteht und erleben lässt. Slow Food muss dafür sorgen, dass Banalisierungs-Tendenzen entgegen getreten wird und Qualität gefördert werden. Besonders entgegen getreten werden muss dem zunehmendem gehetzten Imbiss-Charakter von Essen und dem Übermaß an kurzgebratenem Fleisch und Frittiertem. Slow Food möchte Genuss und dazu gehören Freude an genussvollem Essen, Verständnis für Werthaltigkeit, Natürlichkeit, Vielfalt und Tiefgang.

 7.       Slow Food muss Vielfalt fördern. Dazu gehört auch, dass die alte Küchentradition Westfalens, des Rheinlands und des Bergischen Landes gefördert wird. Es gibt starke Tendenzen, dass  Produkte wie Blutwurst, Himmel und Erde, Panhas ... vom Speiseplan verschwinden. Nicht weil diese Produkte und Gerichte keinen Genuss bieten, sondern vielmehr, weil sie in Vergessenheit geraten, oder Vorurteile bestehen. Es wäre schade, wenn diese Traditionen der vielfältigen Gerichte mit Schwein, Ziege, Kartoffel etc. verloren gingen. Traditioneller Genuss steht auf dem Spiel. Allerdings müssen diese Gerichte auch in die moderne Zeit übersetzt werden, sollten modern interpretiert werden.

 8.       Zum kulinarischen Genuss gehört Vielfalt, Frische, Handwerk und ehrlicher Geschmack. Nur die Küchen sind empfehlenswert, die kaum Convenience - Produkte einsetzen, auf konfektionierte Gewürzmischungen und insbesondere auf synthetische  Geschmacksverstärker verzichten. Genuss-Köche müssen ihre Saucen, gefüllte Nudeln, Knödel, Kohlgemüse (Rotkohl) etc. selbst herstellen. Ausnahmen sind da zu machen, wo sich diese Köche auf die Fertigkeiten von Spezialisten stützen, wie beispielsweise auf (Teil-)Produkte eines herausragenden Konditors oder einem handwerklich arbeitenden Wurstspezialisten. Ein Koch muss ein Genuss-Handwerker sein und kein Rädchen im Vertrieb der Lebensmittelkonzerne.

 9.       Köche sollten vor allem Genuss-Handwerker sein. Sie sollten ihr Handwerk so beherrschen, dass sie schmackhafte und harmonische Gerichte herstellen. Noch lobenswerter ist es, wenn sie darüber hinaus kreativ ans Werk gehen. Zum Genuss gehören Abwechslung und Abwandlungen.

 10.   Slow Food ist kein Verein elitären Genusses. Genuss, auch in einem Restaurant, muss seinen Preis wert sein. Vor allem muss es auch kleinere Restaurants mit kleinem Angebot geben, auch solche, die „wie bei Mutter“ kochen. Hier liegt sicherlich das größte Manko im Ruhr-gebiet, weil gerade dort fast ausschließlich erwärmte, frittierte Industrie-Küche stattfindet (Schnitzel-Buden).

 11.   Zur Sicherung einer genussreichen Gastronomie im Ruhrgebiet gehört ein funktionierendes Großhandelsangebot an frischen, regionalen Produkten. Hier muss Slow Food dazu beitragen, Netzwerke von Produzenten des Ruhrgebiet-Umlandes und engagierten Ruhrgebiets-Gastronomie aufzubauen. Slow Food ermuntert daher die Gastronomen von ihren Groß-Händlern eine Ausweitung regionaler Produkte zu fordern.

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