Milch-Workshop: die gute Milch

Der Workshop „Die gute Milch“ nahm die beiden unbehandelten Milchen - die naturbelassene (Roh-)Milch ab Hof und die Vorzugsmilch - in den Blick. Zur Bewertung gesundheitlicher Risiken und der Qualität naturbelassener (Roh-)Milch wurde Professor Dr. Ton Baars, Senior Researcher am FIBL, eingeladen.

Workshop 3: „Die gute Milch“ - Rohmilch, Vorzugsmilch und ihr neuer Vertriebsweg des Milchautomaten“, 8. März 2018, Reyerhof Stuttgart

Er berichtete über den neuesten Forschungsstand auf dem Gebiet der Rohmilch. In einer europaweiten Studie wurde festgestellt, dass Kinder, denen eine Milchallergie diagnostiziert wurde, nicht allergisch auf Vorzugsmilch reagierten. Erste Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass die Erhitzung der Milch auf über 60 °C und die Zeitdauer der Erhitzung ausschlaggebend für Allergien seien, da sich ab dieser Temperatur die Aminosäuren verändern. Auch einige Teilnehmenden berichteten über Rückmeldungen von Kunden, die ab Hof gekaufte Rohmilch im Gegensatz zu pasteurisierter Milch aus dem Supermarkt besser vertragen würden. Fazit von Professor Ton Baars: „Die weitverbreitete Annahme der Gefährlichkeit von Rohmilch wird überbewertet“.

Deutlich wurde in der Diskussion, dass nicht allein die Erhitzung der Milch sich wertmindernd auswirken kann, sondern auch die lange Zeitdauer zwischen Melken, Lagerung auf den Höfen (bis zu drei Tagen) und erneute Lagerung der Milch auf der Molkereiebene. Bis diese Milch den Verbraucher erreicht, kann sie über eine Woche alt sein. Daher wurde auch bei diesem Workshop das Thema des eigentlich irreführenden Mindesthaltbarkeitsdatums MHD diskutiert und Teilnehmende sprachen sich für die Nennung des Abfülldatums aus. Die Frische der Milch könnte dann vom Verbraucher beurteilt werden. Umstritten hingegen war, ob das den Vorzugsmilcherzeugern gesetzlich vorgeschriebene MHD von 96 Stunden als Handelshemmnis wirkt und es den Verbrauchern selbst überlassen werden sollte, wie lange sie die Vorzugsmilch lagern möchten.

Intensiv befasste sich der Workshop mit der Vermarktung über Milchautomaten, zumal es deutschlandweit keine einheitlichen Regeln diesbezüglich gibt. Das Betreiben eines Milchautomaten muss lediglich beim Veterinäramt angemeldet werden. Allgemein als notwendig erachtet wurde, dass der Verkauf von Rohmilch über einen Milchautomaten (wie allgemein ab Hof) über den gesetzlichen Standard hinausgehende Eigenkontrollen erforderlich machen würde. Die Wirtschaftlichkeit der Automaten hängt vom Absatz ab. Allgemein wird gerechnet, dass Automaten an Supermärkten sich erst dann lohnen, wenn mindestens 90 Liter am Tag verkauft werden. Bei den Automaten ab Hof schwankt die erforderliche Mindestabsatzmenge zwischen 30 und 60 Litern pro Tag, je nach Automatenmodell und örtlichen Gegebenheiten. Ein Automat am Hof erreicht u.U. nicht so viele Kunden, ist aber für die Kunden von höherer Transparenz und höherem Erlebniswert. Was lohnend ist, was geleistet werden kann (Arbeitsaufwand, Befüllen, Reinigen etc.), muss jedoch immer im Einzelfall entschieden werden.

Die Frage, ob es erstrebenswert ist sich dafür einzusetzen, dass Rohmilch über Automaten auch außerhalb der Höfe verkauft werden kann, wurde von den Teilnehmenden kritisch bewertet und tendenziell eher abgelehnt. Gerade Vorzugsmilchbetriebe und Rohmilchkäsereien, die selbst einen hohen Standard an Eigenkontrollen leisten müssen, lehnen einen „unkontrollierten“ Verkauf von Rohmilch ab. Sie wissen aus Erfahrung, dass Krankheitsfälle, die mit Rohmilch in Verbindung gebracht werden, negativ auf alle Betriebe zurückfallen könnten. Weiterhin sind der Betreuungsaufwand und die Kosten der Automaten hoch, so dass ein bestimmter Absatz erreicht werden muss, damit es sich rechnet.

Aufgrund der hohen Auflagen und insbesondere seit dem EHEC-Vorwurf in den 90er Jahren, hat die Produktion von Vorzugsmilch deutschlandweit stark abgenommen. Das ist bedauerlich, weil die Vorzugsmilch ein guter und sicherer Weg ist, den Verbrauchern Rohmilch zur Verfügung zu stellen. Aus diesem Grund plädierten viele Erzeugende dafür, die strengen gesetzlichen Vorschriften etwas zu lockern, v.a. die mit der Überschreitung von Prozesskeimen (nicht: Krankheitskeimen) verbundenen sofortigen Liefersperren aufzuheben.

Weitere Workshop-Berichte:

Workshop 1 | „Direkt und fair“: Neue und alte Wege der Vermarktung.
Workshop-Bericht hier lesen

Workshop 2 | „Gute Milch von gesunden Tieren“: nachhaltiges Wirtschaften in regionalen Kreisläufen
Workshop-Bericht hier lesen

Workshop 4 | „Das gute Milchprodukt“ “: Käse und handwerkliche Milchverarbeitung
Workshop-Bericht hier lesen

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