Runder Tisch: Zeichen setzen gegen Lebensmittelverschwendung

9.11.2016 - Lebensmittelverschwendung ist im Laufe der letzten Jahre in Deutschland ein in der Öffentlichkeit breit diskutiertes Thema geworden. Und das ist gut so, denn Lebensmittelverschwendung findet bei uns wie weltweit in einem ungeheuren Ausmaß statt. Um den Gründen der Verschwendung weiter auf den Grund zu gehen und Lösungsansätze zu diskutieren fand am 2. November in Hamburg ein Runder Tisch zum Thema Lebensmittelverschwendung statt, der vom Amt für Verbraucherschutz, Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen der Hansestadt Hamburg, in Partnerschaft mit der Berufsschule G11, Stiftung Kinderjahre, Thomas Sampl und Slow Food Deutschland organisiert wurde.
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Man sprach beim Runden Tisch zum Thema Lebensmittelverschwendung in Hamburg über die aktuellen Zahlen der Lebensmittelverschwendung weltweit. Diese sind beschämend, und zwar vor allem, wenn man bedenkt, wie viele endliche Ressourcen dabei sinnlos verbraucht werden: Wasser, Energie, Boden, sowie investierte Arbeitszeit und Geld wandern gemeinsam mit dem auf dem Acker liegen gebliebenen Gemüse, mit Essensresten vom Mittagstisch oder aus dem Restaurant und den durch verpassten Verzehr verdorbenen Lebensmitteln, direkt in die Tonne. Das Ganze kostet dann noch zusätzlich Geld zur Entsorgung.

Bild oben: Viele Tonnen Gemüse werden auch in Deutschland nur aufgrund sogenannter optischer Mängel aussortiert. | © Wolfgang Borrs

Mehr als ein Drittel aller weltweit produzierten Lebensmittel werden verschwendet

Beim Thema Lebensmittelverschwendung sprechen die Zahlen ganz eindeutig für sich: 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel sind es ungefähr, die weltweit pro Jahr nicht ihrer Bestimmung, dem menschlichen Verzehr zugeführt werden, das heißt: Etwas über ein Drittel aller Lebensmittel, weltweit. Sie werden entweder direkt weggeworfen oder sind Verluste entlang der Wertschöpfungskette.

In Deutschland werfen wir, so hat es die Studie, die vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz 2012 in Auftrag gegeben worden ist, erbracht, pro Person und Jahr 82 Kilogramm Lebensmittel weg – betrachtet wurden in dieser Studie ausschließlich die privaten Haushalte. Dabei wird noch nicht berücksichtigt, dass das industrielle Lebensmittelsystem, welches zur Zeit den Weltmarkt beherrscht, von der Erzeugung bis zum Konsum hin auf Überproduktion und damit Verlust angelegt ist. So wurde während der Besprechung der Zahlen in Hamburg bestätigt, dass die Verschwendung schon vor der Bestellung der Felder beginnt: Viele Erzeuger rechnen bei 100 Prozent angebautem Gemüse mit einem Ertrag von 67 Prozent; die restlichen über 30 Prozent machen einen eingebauten Sicherheitspuffer aus, der nur in Fällen wie Wetterproblemen oder Krankheitsbefall genutzt wird. Im Normalfall, wenn es keine äußeren Einwirkungen gibt, wird dieser nicht unbedeutende Prozentsatz einfach eingepflügt und bleibt ungenutzt.

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Lebensmittelverschwendung ist ein Symptom für ein nicht-nachhaltiges und ungerechtes Lebensmittelsystem

Slow Food Deutschland war bei der Veranstaltung durch die Vorstandsvorsitzende Ursula Hudson (im Bild links im Vordergrund) vertreten, die mit ihrem Impulsvortrag deutlich machte, dass ein grundlegender Systemwechsel notwendig ist, wenn man das Problem an der Wurzel behandeln will: „Lebensmittelverschwendung ist ein Symptom für ein nicht-nachhaltiges und ungerechtes Lebensmittelsystem: Stellt man Überproduktion einerseits und globale Lebensmittelverschwendung andererseits in den Kontext von Ressourcenverbrauch, Boden, Wasser, Energie und Klimawandel, sowie der Fragen nach Welternährung bei steigender Weltbevölkerung und Hunger auf der Welt, so wird sehr schnell deutlich, dass es so in keinem Fall weitergehen darf. Denn während auf der einen Seite Millionen von Tonnen von Lebensmitteln auf dem Müll landen, steigt die Zahl der Menschen, die keinen Zugang zu einer ausreichenden Nährstoffversorgung haben. Laut Eurostat 2010 sind in der Europäischen Union 81 Millionen Menschen von Armut bedroht (das sind 17 Prozent der Bevölkerung) und 42 Millionen Menschen leben bereits unter der Armutsgrenze. Doch werden auf der Erde heute bereits Lebensmittel für zwölf Milliarden Menschen produziert. Nur landet eben 40 Prozent der gesamten Lebensmittelproduktion auf dem Müll, bevor sie auch nur auf irgendeinen Tisch gelangt sind. Vergegenwärtigt man sich, wie wenig Lebensmittel In anderen Regionen der Erde vorhanden sind, wie destruktiv sich Überfluss und Verschwendung in den Industrieländern auf die Nahrungssysteme im Globalen Süden auswirken, denn wir greifen – global besehen – auf dieselben Ressourcen zurück, wird einmal mehr deutlich, dass Handeln und vor allem Aufklärung nottut.“

Bild oben: Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland, bei einem Slow-Food-Aktionstag gegen die Verschwendung von Lebensmitteln. | © Markus Rabisch

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Was tut Slow Food Deutschland gegen Lebensmittelverschwendung?

Slow Food beleuchtet die Prozesse des Lebensmittelsystems - zu der auch die Lebensmittelverschwendung gehört – stets mit einem holistischen Ansatz und hat sich hierbei zur Aufgabe gemacht, über die globalen Zusammenhänge des Lebensmittelsystems aufzuklären, um Erzeuger, Verbraucher und alle Beteiligten der Wertschöpfungskette zu befähigen, bessere, nachhaltigere Entscheidungen zu treffen. Seit Ende des Jahres 2011 macht Slow Food Deutschland Aktionen gegen Lebensmittelverschwendung. Die erste Aktion im Dezember fand mit jungen Leuten in Berlin im Schul-Umweltzentrum statt. Anlass war damals die Kontaktaufnahme von Valentin Thurn (links im Bild), der in der Vorbereitung seines 2011 in die Kinos kommenden Films Taste the Waste war. Diese erste Aktion brachte zum ersten Mal die Akteure zusammen, mit der wir seither in wechselseitiger Inspiration zur Lebensmittelverschwendung zusammengearbeitet haben. Junge Menschen, den Aktionskoch Wam Kat uvm.

Außerdem führt Slow Food Deutschland z. B. seit September 2011 unter dem Motto "Teller statt Tonne" bundesweit Aktionen gegen Lebensmittelverschwendung durch und das Slow-Food-Youth-Netzwerk organisiert seit 2012 regelmäßig so genannte Schnippeldiskos, kulinarische Protestaktionen bei denen knubbeliges und verwachsenes Gemüse gemeinsam in eine leckere Suppe verarbeitet wird.

Das Engagement von Slow Food Deutschland gegen die Verschwendung von Lebensmitteln findet inzwischen beachtlichen Anklang – so wurde Slow Food Youth im Frühling 2016 mit der Schnippeldisko für den „Zu gut für die Tonne“ Bundespreis des BMEL nominiert, und SFD-Vorsitzende Ursula Hudson erhielt 2016 den B.A.U.M.-Umweltpreis nicht zuletzt wegen des Engagements des Vereins zu diesem Thema.

Bild oben: Filmemacher Valentin Thurn (li.) und ein Slow-Food-Aktivist bei der ersten Slow-Food-Aktion gegen Lebensmittelverschwendung in Berlin 2011. | © Margret Artzt

Text: Ursula Hudson, Redaktion: Sharon Sheets

Weitere Informationen:

Slow Thema Lebensmittelverschwendung: Aktionen, Positionen und Informationen

Video-Tipp: B.A.U.M-Umweltpreis für Ursula Hudson

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