Von Baden-Württemberg bis Sachsen setzen Kinder und Jugendliche gemeinsam mit ihren Lehrern zahlreiche Aktionen am „Tag des Schulgartens“ um. Schüler führen Interessierte durch ihre Gärten und bieten selbst hergestellte Produkte wie Radieschenbrot und Honig an. An einigen Schulen gibt es Pflanzenflohmärkte, Spatenversteigerungen oder Spiele wie ein Duftquiz. Ein vielfältiges Angebot an Mitmachaktionen lädt dazu ein, eigenes Wissen rund ums Gärtnern zu erweitern und mit anzupacken – auf einer Forscherstation am Komposthaufen, während des Herstellens von Ringelblumensalbe und Kräutersalz sowie beim Bau von Mandalas aus Naturmaterialien und dem Verteilen von selbst hergestellten Wildblumen-Samenbällchen auf dem Schulhof.
In der Erich-Kästner-Gemeinschaftsschule Weinstadt wird eine Elterngartenschule vorgestellt, im Agricolagymnasium Hohenmölsen hingegen gibt es etwas Theorie und zwar zum Thema „Zeitgemäße Schulgartenarbeit - Was ist das überhaupt?“ und die IGS Oppenheim bietet eine Lehrerfortbildung zum Thema Gärtnerische Kreislaufwirtschaft an. Slow Food Deutschland, das Slow Mobil Karlsruhe und das Gartenbauamt Karlsruhe schenken der Eichendorffschule in Karlsruhe zum Tag des Schulgartens die Bepflanzung von drei Hochbeeten. Anlässlich der Übergabe wird mit den Kindern das Gemüse und die Kräuter geschnippelt, gebrutzelt und gekocht, welche es im Hochbeet zu bestaunen gibt.
Alle teilnehmenden Schulen erhalten eine Urkunde. Am 22. Juni lädt die Bundesarbeitsgemeinschaft Schulgarten e. V. in Kooperation mit Slow Food Deutschland e. V. zum ersten Bundesschulgartentag in Berlin ein. Auch hier werden die Aktionen vom „Tag des Schulgartens“ präsentiert und gewürdigt.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Schulgarten e. V.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Schulgarten e. V. unterstützt, fördert und vernetzt Multiplikatoren und andere Aktive in der Schulgartenarbeit. Dazu baut sie ein bundesweites Kompetenz-Netzwerk auf, entwickelt und koordiniert die Aus- und Weiterbildung in diesem Bereich, arbeitet konzeptionell an der Entwicklung von Lehrplänen mit, organisiert Tagungen und andere Veranstaltungen zum bundesweiten Erfahrungsaustausch und unterstützt lokale Aktivitäten vor Ort. Ihre Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit trägt dazu bei, die Schulgartenidee bundesweit bekannt zu machen und Unterstützungsstrukturen für den Schulgarten aufzubauen. Unter der Adresse www.bag-schulgarten.de sind viele Informationen zusammengetragen, unter anderem findet man hier Ansprechpartner in den verschiedenen Bundesländern.
Quelle: Gemeinsame Pressemitteilung von Slow Food Deutschland e. V. und der Bundesarbeitsgemeinschaft Schulgarten e. V. vom 15. Juni 2017
Bild oben: Erdbeer-Ernte im Schulgarten. | © Birigitta Goldschmidt
Mehr Informationen:
Ausführliche Informationen zum „Tag des Schulgartens“ und zur Anmeldung
Info-Flyer "Tag des Schulgartens 2017"
Tag des Schulgartens: Veranstaltung von Slow Food Karlsruhe
Fachtagung: Bundesschulgartentag "Heute für morgen säen" in Berlin
Slow-Food-Broschüre: Essgärten für Kinder
Slow-Food-Engagement: Gärten für Kinder
Generationen-Schulgarten von Slow Food Rhein-Mosel
Fortbildung Schulgarten: Lehren aus der grünen Schule
15.4.2017 – Die Produktzulassung für den "Markt des guten Geschmacks – die Slow Food Messe" erfolgt erst, wenn die Slow-Food-Messekommission grünes Licht gibt!
Lesen Sie hier die gemeinsame Pressemeldung von der Landesmesse Stuttgart und Slow Food Deutschland e. V. vom 13. April 2017:
Immer mehr Verbraucher wollen genau wissen, was sie essen: unverfälschter Geschmack, verlässliche Qualität, sowie Transparenz bei Zutaten, Inhaltsstoffen und Herkunft. Sie möchten Lebensmittel, die in traditionell handwerklicher Art, umwelt- und ressourcenschonend hergestellt werden. Auf dem Stuttgarter „Markt des guten Geschmacks – die Slow Food Messe“ werden Verbraucher fündig: Zwischen dem 20. und 23. April präsentieren rund 550 Genusshandwerker und landwirtschaftliche Erzeuger aus Deutschland und dem europäischen Ausland eine einzigartige Vielfalt regionaler Köstlichkeiten und Spezialitäten, die nach diesen Kriterien produziert werden.
Das ganz besondere Qualitätskonzept
Es ist das charakteristische Qualitätskonzept, das den „Markt des guten Geschmacks“ von anderen Food-Messen unterscheidet. So müssen alle in Stuttgart angebotenen Produkte gemäß den Qualitätsrichtlinien von Slow Food Deutschland in traditionell handwerklicher Art sowie weitestgehend ohne technologische Hilfs-, Zusatz- und Aromastoffe hergestellt sein. Erst wenn klar ist, dass die Produktanforderungen dieser Ausstellerordnung entsprechen, werden die Produkte für die Messe zugelassen.
Um solche Lebensmittel zu produzieren, braucht es sachkundige Produzenten, die sich zu Gunsten eines guten Lebensmittels für eine handwerkliche und gegen eine industrielle Produktion entschieden haben. Auf dem „Markt des guten Geschmacks“ angebotene Lebensmittel sollen möglichst frei von Zusatzstoffen sein, die in erster Linie technologische Wirkung entfalten. Zusatzstoffe, die beispielsweise natürliche Reifezeiten verkürzen und damit die Handwerkskunst der Produzenten überflüssig machen.
So finden Besucher auf dem „Markt des guten Geschmacks“ keinen Gelschinken und keinen Analogkäse. Vielmehr erwarten sie auf der Messe beispielsweise Biere, die mit echtem Hopfen gebraut wurden und Brot, das ohne Lebensmittelzusatzstoffe zur Verlängerung der Haltbarkeit auskommt und bei dem der Teig ausreichend Zeit zur Reife bekommen hat.
„Die Liste der für den Markt des guten Geschmacks – die Slow Food Messe ausgeschlossenen Inhalts- und Zusatzstoffe ist lang“, erklärt Messe-Projektleiter Nikitas Petrakis und verweist auf die detaillierte Übersicht aller von der Messe ausgeschlossenen Produkte und Herstellungsmethoden unter www.messe-stuttgart.de/slowfood/besucher.
Drin ist, was drauf steht
„Unsere Besucher können sich darauf verlassen, dass sie auf der Messe genau das kaufen, was auf der Produktinformation steht. Hierfür nehmen wir einen sehr großen zeitlichen und auch finanziellen Aufwand in Kauf. Dies ist im Messewesen absolut unüblich“, so Petrakis weiter. „Erst wenn die Qualität stimmt, werden die Aussteller mit ihrem Angebot zugelassen.“ Sollten Aussteller gegen die Ausstellungsordnung verstoßen, so müssen die beanstandeten Produkte unverzüglich vom Stand entfernt werden. Bei groben Verstößen können sogar die Schließung des Messestands sowie ein Ausschluss von künftigen Messen angeordnet werden. Stichprobenartige Kontrollen während der Messe sichern den hohen Qualitätsanspruch.
Bild oben: Aussteller mit Wurstwaren auf dem Markt des guten Geschmacks – die Slow Food Messe. | © Holger Riegel
Quelle: Gemeinsame Pressemeldung von der Landesmesse Stuttgart und Slow Food Deutschland e. V. vom 13. April 2017
Alle aktuellen Informationen zum Markt des guten Geschmacks – die Slow Food Messe 2017 Messe finden Sie hier:
]]>Ein wachsender Anteil davon betrifft auch die konventionelle Züchtung. Obwohl das Patentamt Ende 2016 offiziell einen Stopp der Patentierung konventioneller Züchtung verkündet hatte, wurden auch letztes Jahr rund 40 Patente in diesem Bereich erteilt. Insgesamt hat das EPA bereits rund 200 Patente auf konventionelle Züchtung erteilt.
Bild oben: (Noch?) nicht patentiert – samentragende Salatpflanze in einem Hausgarten. | © Katharina Heuberger
Juristische Tricksereien bei der Patenterteilung
Wie die genauere Recherche zeigt, hat das EPA 2016 die Erteilung mehrere Patente auf konventioneller Pflanzenzucht tatsächlich aufgeschoben, nachdem die EU erheblichen Druck gemacht hatte. Die EU-Kommission, die Regierungen der Mitgliedsländer und das Europäische Parlament hatten sich gleichermaßen gegen derartige Patente ausgesprochen. Doch es zeigt sich, dass das Amt gleichzeitig versucht, unbemerkt möglichst viele Schlupflöcher offen zu halten. Das EPA plant demnach keineswegs, konventionelle Züchtung generell vom Patentschutz auszunehmen. Viele Firmen und Patentanwälte haben sich offensichtlich bereits auf die neue Situation eingestellt und passen die Patentanträge entsprechend an.
„Es ist erschreckend, wie leicht es für Konzerne und Patentlobby ist, sich dem politischen Druck zu entziehen. Man formuliert einfach die Ansprüche etwas anders und kann sich weiterhin Patente vom Saatgut bis zur Ernte und damit die Kontrolle über die Lebensmittelproduktion und Landwirtschaft sichern“, sagt Christoph Then für „Keine Patente auf Saatgut!“
Mutter Natur erfindet, der Mensch patentiert.
Ein häufig genutzter Trick ist es dabei, nicht länger den Züchtungsvorgang selber als Erfindung zu beanspruchen, sondern züchterische Merkmale wie genetische Veranlagungen oder Änderungen im Erscheinungsbild der Pflanzen. Die Reichweite derartiger Patente erstreckt sich dann auf alle Pflanzen mit diesen Merkmalen, unabhängig davon, wie sie hergestellt wurden. Zudem werden oft auch zufällige Mutationen als Erfindung deklariert. Dagegen hatte die EU-Kommission darauf verwiesen, dass auf Grundlage der bestehenden Gesetze nur gentechnische Verfahren als patentfähig gelten. Rund 65 Prozent der Patente auf konventionelle Züchtung, die 2016 erteilt wurden, basieren auf zufälligen Mutationen.
Ein Beispiel dafür, wie diese Schlupflöcher genutzt werden, sind Patente auf Bier der Firmen Carlsberg und Heineken. Ausgehend von zufälligen Mutationen werden alle Gerstenpflanzen beansprucht, die eine bestimmte Brauqualität haben. Zudem werden auch das Brauen und das Bier selbst als Erfindung beansprucht. Gegen dieses Patent wurden inzwischen in mehreren Europäischen Ländern Protestaktionen gestartet. Ähnliche Patente auf zufällige Mutationen wurden 2016 auch für die Firmen Bayer (Raps), Monsanto (Ölpflanzen) und DuPont (Mais) erteilt. Das Patentamt weist in den Prüfbescheiden die Firmen sogar darauf hin, dass sie ihre Ansprüche ändern sollen, um entsprechende Patente auch in Zukunft zu erhalten.
Bayer wird zum Patentgiganten.
Konzerne wie Bayer, Monsanto, BASF und DuPont haben 2016 verhältnismäßig am meisten Patente erhalten. Wenn man die jeweiligen Firmenableger miteinbezieht, sind BASF und Monsanto mit jeweils rund 30 Patenten führend, gefolgt von Bayer (20), DuPont und Dow AgroSciences (zusammen 14) sowie Syngenta (8). Falls Monsanto wie geplant von der Firma Bayer übernommen würde, läge der neu formierte Konzern bei weitem an der Spitze. Bayer hat bereits angekündigt, dafür sorgen zu wollen, dass Verbote im Bereich der Pflanzenzucht nicht verschärft werden.
„Keine Patente auf Saatgut!“ fordert, dass die Vertragsstaaten des EPA bei ihrer nächsten Sitzung im Juni die Weichen für lückenlose Verbote im Bereich der konventionellen Züchtung stellen. Ein Vorschlag mit entsprechenden Formulierungen wurde dem Ausschuss Patentrecht des EPA übermittelt. Dieser tagt Ende April und will über die zukünftige Auslegung der bestehenden Verbote diskutieren. Bei der Sitzung sind auch die Industrie und die Lobby der Patentanwälte als Beobachter zugelassen. „Keine Patente auf Saatgut!“ fordert deswegen ebenfalls Zugang zu dieser Sitzung.
Quelle: Pressemeldung der Initiative "Keine Patente auf Saatgut!" vom 6. April 2017
Mehr Informationen:
Aufruf: Keine Patente auf Bier!(15.3.2017)
Einspruch gegen Patent auf Bier (20.1.2017)
Lebensmittelpatente: EU-Kommission nimmt Stellung (4.11.2016)
Slow Thema: Agrarpolitik (Positionen, Informationen, Aktionen)
Unter dem Motto "Essen, was man retten will!" bewahrt die Arche des Geschmacks Nutztierrassen und Nutzpflanzenarten vor dem Vergessen und Verschwinden. "Die große Mehrheit der Arche-Passagiere ist aus der 'Mode' gekommen, weil deren Anbau oder Verarbeitung oft arbeitsintensiver sind. Die Lebensmittelindustrie findet für solche Sorten und Tierrassen keine Verwendung, weil sie gemäß dem Gesetz 'Wachse oder Weiche' so schnell wie möglich hohe Erträge erzielen will," sagt Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland. Slow Food möchte die Produkte bekannter machen, damit sie wieder nachgefragt, erzeugt und verkauft werden können. Die drei neuen Arche-Passagiere kommen aus dem Süden Deutschlands.
Ismaninger Kraut: stattliche Weißkrautköpfe aus dem Münchner Norden
Beim Ismaninger Kraut handelt es sich um eine eigene botanische Weißkraut-Variante, die seit Jahrhunderten in Ismaning angebaut und gepflegt wird. Die Vermehrung der Samen erfolgt durch die Anbauer in Eigenregie. Die Wuchsform, das Gewicht und ein ungleicher Erntezeitpunkt der einzelnen Krautköpfe auf einem Feld bedingen einen arbeitsintensiven Anbau des Ismaninger Krautes, der es aus wirtschaftlicher Sicht kaum noch konkurrenzfähig macht. Zunächst braucht es spezielle Maschinen zum Anhäufeln des jungen Krautes, damit der lange Strunk genügend Halt hat und der Krautkopf im Laufe des Wachstums nicht aus der Pflanzreihe fällt. Zum anderen ist der ungleichmäßige Erntezeitpunkt einer maschinellen Ernte nicht förderlich. Es muss häufiger durch die Reihen gegangen werden, um die einzelnen reifen Krautköpfe mit der Hand zu ernten. Das Ismaninger Kraut schmeckt mild, weich und süß und wesentlich intensiver als andere rundköpfige Krautsorten. Es eignet sich gut für Sauerkraut, Krautsalat, Kohlrouladen und Bairisch Kraut, eine traditionelle Zubereitung mit Speck und Schmalz.
Bild oben: Landwirt Max Kraus, einer der letzten beiden Erzeuger des Ismaninger Krauts. | © Rudolf Böhler
Bamberger Rauchbier traditioneller Herstellungsart: ein geschmacklicher Anklang an Räucherschinken
Der Geschmack des Bamberger Rauchbieres traditioneller Herstellungsart wird bestimmt von der Herstellung des Rauchmalzes, die in der Stadt Bamberg eine lange und durchgängige Tradition hat. Dabei wird das sogenannte grüne, also noch feuchte Malz nicht in den heute allgemein üblichen rauchfreien Trocknungsanlagen, den Darren, sondern durch den heißen Rauch offenen Holzfeuers in brauereieigenen Rauchdarren getrocknet. Erst seit der Einführung der rauchfreien Trocknungstechnik in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde Rauchbier zu einer Besonderheit, die sich nur in Bamberg eine treue Anhängerschaft bewahren konnte. Ab ca. 1935 waren die Bamberger Brauereien Schlenkerla und Spezial die einzigen, die dem Rauchbier traditioneller Herstellungsart treu blieben, ihre Rauchdarren modernisierten und auf eine je eigene Art weiterentwickelten. Aus dem Traditionsbier machten sie so eine lokale Spezialität.
Bild oben: Traditionelle Herstellung des Bamberger Rauchbiers – Ofenbefeuerung der Rauchdarre. | © Spezial-Brauerei
Mangold Sennfelder Stiel: mildes Gemüse mit breitem Stängel
Der Mangold Sennfelder Stiel ist eine lokale Varietät des Stielmangolds aus dem unterfränkischen Gärtnerdorf Sennfeld bei Schweinfurt und ist ca. 100 Jahre alt. Sie wurde gegen Ende des 19. und zu Anfang des 20. Jahrhunderts von der Sennfelder Gemüsebäuerin Maria Bandorf durch traditionelle Auslese vorhandener Mangoldpflanzen, die breitere Stiele bildeten, gezüchtet. Die Sennfelder Bauern lieferten vor dem zweiten Weltkrieg nicht nur nach Schweinfurt, sondern bis ins Thüringische hinein Gemüse. Der Sennfelder Stiel war ein typisches Produkt für die Sennfelder Gemüsebauern. Er wurde gerne gekauft, weil er sehr gut schmeckte und den Speisezettel bereicherte. Mit dem Rückgang der regionalen Vermarktung ist auch die Anzahl der Gärtnereien in Sennfeld gesunken. Von den einst etwa 20 Sennfelder Gartenbaubetrieben existieren noch fünf.
Bild oben: Mangold Sennfelder Stiel. | © Hans Werner Bunz
Quelle: Pressemitteilung von Slow Food Deutschland vom 16. März 2017
Weitere Informationen:
Arche-Passagier Bamberger Rauchbier traditioneller Herstellungsart
Arche-Passagier Ismaninger Kraut
]]>20.10.2017 – "Nicht die Rinder an sich sind eine Gefahr für unser Klima", sagt die Veterinärin, Buchautorin und Slow-Food-Aktivistin Anita Idel im Interview. Viel mehr gelte: Der Klima-Killer ist immer der Mensch! Gefährlich ist das industrielle Agrarsystem – mit Zucht auf Höchstleistung, Lebensmitteln im Futtertrog, Gülle und synthetischem Stickstoffdünger.
Rinder können Gras verdauen und bei nachhaltigem Weide-Management die Böden und ihre Fruchtbarkeit sowie die biologische Vielfalt erhalten und fördern. So haben sie das Potenzial zum Klimaschützer auf der Weide.
Slow Food: Kühe sind Klimakiller, wird behauptet. Wie konnte unser Nutztier so in Verruf geraten?
Anita Idel: Tatsächlich rülpsen Kühe Methan, das 25-mal so relevant für das Klima ist wie CO2, während Geflügel, Schwein, Rind und Mensch ansonsten nur vergleichbar geringe Mengen an Methan pupsen. Seit Jahrzehnten führt unwissenschaftliches Design der Klimastudien zwangsläufig zu der Schlussfolgerung, Rinder seien Klima-Killer. Denn fast alle Studien messen nur Emissionen und dabei häufig nur Methan (CH4). Aber eine Rinderhaltung auf Spaltenböden und Beton statt auf der Weide stellt der Belastung der Atmosphäre durch Methan keine Entlastung durch Humusbildung mehr gegenüber. So ist der Klima-Killer immer der Mensch. Er verhindert, dass Rinder durch nachhaltige Beweidung zur Bildung von Humus und damit zur Speicherung von CO2 beitragen.
Seit mehr als zwei Jahrzehnten werden stattdessen Millionen für die Forschung ausgegeben, um ihnen – salopp formuliert – das (Methan-) Rülpsen abzugewöhnen. Hingegen verursachen weltweit Landnutzungsänderungen – Waldrodung und Grünlandumbruch – den größten Anteil am Klimawandel. Und innerhalb der Landwirtschaft bewirkt synthetischer Stickstoffdünger den Löwenanteil: Schon seine Herstellung, das Haber-Bosch-Verfahren, ist extrem energieaufwendig und setzt pro Tonne des benötigten Ammoniaks (NH3) circa fünf Tonnen CO2 frei. Den größten Beitrag der Landwirtschaft zum Klimawandel verursacht seine Anwendung auf dem Acker: Dabei entsteht Lachgas (N2O), das mehr als 300-mal so klimarelevant ist wie CO2. Freigesetzt werden jeweils zwei bis fünf Prozent – je mehr, desto verdichteter die Böden sind.
Rinder müssen dem Klima nicht schaden, sie können sogar zur Begrenzung des Klimawandels beitragen – wie das?
Auch in Europa liegen fruchtbarste Äcker auf Steppenböden. Denn wie die Prärie und die Pampa verdanken diese ihre enorme Fruchtbarkeit der jahrtausendelangen Ko-Evolution von Grasland und Weidetieren. Auerochsen besiedelten den Doppelkontinent Eurasien von der westeuropäischen Atlantikküste bis an die ostasiatische Pazifikküste – einschließlich Indien – und zudem Nordafrika. Um die weltweite Bedeutung von Dauergrasland zu verstehen, reicht es nicht, nur das oberirdische Wachstum wahrzunehmen; denn dann führt insbesondere der Vergleich mit Wald fast zwingend zu dem Glauben, Wald- und Ackernutzung seien grundsätzlich produktiver.
Die Kuh trägt zur Bodenfruchtbarkeit viel mehr bei, als Kot und Urin zu produzieren. Andere Pflanzen wehren sich gegen den sogenannten Verbiss, indem sie Bitterstoffe, Toxine oder Stacheln bilden. Aber das Gras benötigt die Kuh! Denn ohne Beweidung würde Gras erstens verbuschen und zweitens löst sie den nötigen Wachstumsimpuls und damit die CO2-Aufnahme durch Photosynthese aus. (Diese Effekte kann auch Mähen auslösen, nicht aber die Effekte hinsichtlich der biologischen Vielfalt.) Dauergrasland ist eine Permakultur mit besonders langer Vegetations- und CO2-Speicherperiode. Nicht nur der oberirdische, sondern auch der Zuwachs an Biomasse im Boden (Wurzeln) stammt überwiegend aus dem CO2 der Luft. Regenwürmer und andere (Mikro-)Organismen bilden dann aus verrottenden Pflanzenbestandteilen Humus: Die Wurzeln von heute sind der Humus von morgen. Er besteht zu mehr als der Hälfte aus Kohlenstoff. So entlastet jede zusätzliche Tonne Humus im Boden die Atmosphäre um 1,8 Tonnen Kohlendioxid (CO2). Und umgekehrt belastet jeder Schwund von Humus die Atmosphäre entsprechend mit CO2.
Und die Veganer – wie können sie ökologisch nachhaltig leben?
Tatsächlich verursacht die Massentierhaltung grenzenloses Tierleid sowie den größten Anteil der landwirtschaftlich bedingten ökologischen und klimatischen Schäden. Aber im Verzicht auf tierische Produkte liegt nur eine vermeintliche Lösung. Denn die Düngung der pflanzlichen Produkte erfolgt zu einem großen Teil mit der Gülle von Rindern und Schweinen oder Trockenkot von Hühnern aus der Massentierhaltung. Synthetischer Stickstoffdünger ist keine Alternative! Dieser weltweit wichtigste nicht tierische Dünger schädigt Gewässer, Bodenfruchtbarkeit, Gesundheit und das Klima. Bei seiner Ausbringung entsteht Lachgas (N2O), das mehr als 300-mal so klimarelevant ist wie CO2 und damit den größten Beitrag der Landwirtschaft zum Klimawandel darstellt.
Bio-Kompost ist ein wichtiger Dünger, aber nur in begrenzten Mengen verfügbar und deshalb eher im Gartenbau einsetzbar. Das größte vegane Potenzial liegt in der Wiederinwertsetzung menschlicher Exkremente. Am bekanntesten ist die fruchtbare Schwarzerde (portugiesisch: Terra Preta) der Inkas: Geschaffen vor 500 Jahren auf den nährstoffarmen Böden im Amazonasregenwald – aus ihren Exkrementen, Bioabfällen und Pflanzenkohle. Dieses „Rezept“ ist keine Ausnahme: ob seit Jahrtausenden in Asien, über Jahrhunderte im Wendland oder heute in Westafrika und im Botanischen Garten in Berlin. Neben den Tabus ist angesichts der Rückstände von antibiotisch und hormonell wirksamen Medikamenten die verbreitete Skepsis sehr verständlich. Aber mit traditionellem Wissen und der Wissenschaft des 21. Jahrhunderts können Mikroorganismen, diejenigen Lebewesen, die bisher noch alle(s) überlebt haben, letztlich alles abbauen, was wir eliminieren wollen.
Wie muss ein anderes, nachhaltiges Agrarsystem mit einer klimaschonenden Tierhaltung aussehen?
Um die wahren Kosten des kranken Agrarsystems wahrnehmen zu können, müssen sie internalisiert werden: Denn billig ist nur scheinbar billig und nachhaltiges Bio nur scheinbar teuer. Wir brauchen Potenzialentwicklung statt Schadensbegrenzung! Das übliche weniger vom Schlechten ist keine Lösung! Es ändert nicht die falsche Richtung, sondern verzögert nur den Niedergang. Die Tier- und Pflanzenzucht muss sich auf Gesundheit und Widerstandskraft fokussieren. Der Konsum tierischer Produkte muss auf das Potenzial der Landschaften abgestimmt sein, statt Nahrungskonkurrenz zum Menschen zu verursachen.
Zur Düngung gilt es, tierische und menschliche Exkremente wieder in Wert zu setzen – mit Strohmist und Trockentrenntoiletten. Böden, die zum Ackern zu steinig, zu steil, zu trocken oder zu nass sind, bieten mit nachhaltiger Beweidung riesige Potenziale für die Lebensmittelversorgung und bestäubenden Insekten Lebensraum. Nachhaltig genutzte Weidelandschaften sind eine überlebenswichtige Ressource für die biologische Vielfalt und die Grundwassererneuerung. Zudem ist temporäre Beweidung der Schlüssel, um die Fruchtbarkeit von Ackerböden zu erhalten und erodierte Ackerböden wieder zu revitalisieren.
Meine Vision: Optimieren! Statt mit Konkurrenz und Monokulturen die Mengenleistung von Pflanzen und Tieren zu maximieren. Ob (Mikro-)Organismus, Pflanze, Tier oder Mensch: Win-win durch Kooperation zwischen den Bewohnern von Landschaften ist die Chance und Herausforderung in der Forschung und Praxis für Ernährungssouveränität im 21. Jahrhundert. Ob vegane, vegetarische oder omnivore Lebensweise: Nachhaltiger Konsum durch Denken und Handeln in fruchtbaren Landschaften.
Anita Idel
Anita Idel ist Tierärztin, Mitglied der Arche-Kommission von Slow Food Deutschland und Mediatorin in den Spannungsfeldern Landwirtschaft und Tierschutz sowie Landwirtschaft und Naturschutz. Außerdem ist sie als Lehrbeauftragte, Projektmanagerin und Beraterin für die Ökologisierung der Land(wirt)schaft tätig. Zu ihren herausragenden Leistungen als Autorin gehören der Schweisfurth-Forschungspreis 1993 für ihr Buch „Gentechnik, Biotechnik und Tierschutz“, ihr Beitrag als Lead-Autorin am UN-Weltagrarbericht (IAASTD) (2005 bis 2008) sowie der Salus-Medienpreis 2013 für ihr Buch "Die Kuh ist kein Klima-Killer! Wie die Agrarindustrie die Erde verwüstet und was wir dagegen tun können", 6. Auflage 2016.
Idel ist Mitbegründerin der Arbeitsgemeinschaft Kritische Tiermedizin AGKT (1982), des Gen-ethischen Netzwerks GeN (1986); der Gesellschaft für Ökologische Tierhaltung GÖT (1991), des Conseil Mondial des Elveurs (CME 1997) und des Forums für verantwortbare Landwirtschaft (2012). Ihre besonderen Interessen gelten der Kultur(Geschichte) des Mensch-Tier-Verhältnisses und der Bedeutung nachhaltiger Nutzung von Tieren unter der Devise „Denken und Handeln in fruchtbaren Landschaften“.
Bild oben: Anita Idel mit Rindern. | © Andreas Schoelzel
Mehr Informationen:
Publikationen unserer Partner: "Die Kuh ist kein Klimakiller!" von Anita Idel
Salus-Medienpreis geht an die Autorin Anita Idel (10.10.2013)
Slow Thema: Tiere in der Landwirtschaft
Vom 29. September bis 31. Dezember 2017 läuft die internationale Slow-Food-Kampagne „Menu for Change – mit Genuss und Verantwortung gegen den Klimawandel“. Mehr über die Kampagne und die Mitmach-Aktionen finden Sie unter Menu for Change
Die Lebensgrundlage indigener Völker ist in vielen Weltregionen durch die Folgen des Klimawandels sowie die zunehmende Verknappung ihrer Lebensräume und Lebensgrundlagen bedroht. Die Veranstaltung in Ahrensburg widmet sich dem Thema „Saatgut“, welches für die Kultur und Identität von uns allen eine besondere Bedeutung hat. Nicht nur uns, auch indigenen Völkern ist der freie Zugang zu Saatgut inzwischen oft verwehrt und insbesondere durch die Macht der Saatgutkonzerne bedroht.
Damit werden sie zunehmend einer wichtigen Lebensgrundlage beraubt. Dabei hält die Natur grundsätzlich einen schier unglaublichen Reichtum an Saatgut bereit, welcher unsere Sorten- und Geschmacksvielfalt sowie Ernährung sichert: Getreidearten, Hülsenfrüchte, Gemüse und Kräuter sowie andere Nutzpflanzen.
Wie kann die Versorgung der indigenen Bevölkerung mit Saatgut sichergestellt werden? Und wie kann Saatgut zukunftsfähig bewahrt und ohne laborlastige Methoden wie Hybridisierung und Gentechnik gezüchtet werden? Wie können standortangepasste und zugleich geschmacksintensive Sorten entwickelt werden? Das und vieles mehr erfahren und diskutieren die Gäste in der Saatguthalle auf Gut Wulfsdorf.
Die Referenten:
Das Programm
Nach einer kurzen Begrüßung durch Christina Henatsch, folgt das Grußwort von Ursula Hudson. Markus Walkusch-Eylandt führt anschließend in das Thema „Der Schatz der Ahnen, kostbares Saatgut in unseren Händen“ mit einem kurzen Impulsvortrag ein. Dann geht es von der Theorie über zur Praxis: Eine Führung durch die Gärtnerei und die Saatguthalle mit Christina Henatsch zeigt, wie Saatgut aus biologisch-dynamischer Züchtung gewonnen und damit verschiedene Gemüsesorten angebaut werden können. Um die Geschmacksvielfalt zu erleben, verkosten die Teilnehmenden zum Abschluss Tomatensorten aus unterschiedlichen Sämereien und haben die Möglichkeit, ihre Fragen zu stellen.
Datum: Mittwoch, 09.08.2017
Uhrzeit: 18:30 Uhr
Titel: Tag der indigenen Völker: Der Schatz der Ahnen, kostbares Saatgut in unseren Händen
Ort: Ahrensburg, Hofladen Gut Wulfsdorf, Bornkampsweg 39, 22926 Ahrensburg
Um Anmeldung unter projektbeauftragte@slowfood.de wird gebeten.
Schamanisches Netzwerk Europa
Das Schamanische Netzwerk Europaist ein Verein zur Entwicklung und Förderung einer schamanischen Heilkunde in Europa. Das alte Wissen traditioneller SchamanInnen ist nicht nur Teil ferner, exotischer Kulturen, sondern es ist das universelle menschliche Wissen, das in alle - auch in alten europäischen Kulturen existiert. Die modernen Industrieländer haben dieses Erbe verworfen. Der Verein will mithelfen, das Verborgene und oft scheinbar nicht mehr Zugängliche wieder in seiner Kostbarkeit nutzbar zu machen. www.schamanisches-netzwerk-europa.de
Internationaler Tag der indigenen Völker.
Weltweit werden laut den Vereinten Nationen rund 370 Millionen Menschen indigenen Bevölkerungsgruppen zugerechnet. Ihre Lebensgrundlage ist bedroht: durch den zunehmenden Abbau natürlicher Ressourcen, die Folgen des Klimawandels und die fehlende Anerkennung ihrer Rechte. Darauf macht jedes Jahr am 9. August der UN-Tag der indigenen Bevölkerungen aufmerksam. www.unric.org/de/pressemitteilungen/25337
Indigenes Terra Madre
Das Indigene Terra Madre ist ein Netzwerktreffen der indigenen Gemeinschaften im Terra-Madre-Netzwerk von Slow Food, das vom dritten bis siebten November 2015 zum zweiten Mal stattgefunden hat. Nach dem ersten Treffen 2011 in Jokkmokk in Schweden fand es dieses Mal in Shillong (Meghalaya) in Nord-Ost-Indien statt (siehe Bild). 650 Delegierte aus 150 Terra-Madre-Lebensmittelgemeinschaften und 58 Ländern kamen dort eine Woche zusammen, um sich über ihr tradiertes Wissen und ihre Sichtweise auf Lebensmittel, Ernährung, Landwirtschaft und den Erhalt der Artenvielfalt auszutauschen.
Indigeneous People: Slow Food Engagement (Link zur englischen Website von Slow Food International)
25 Jahre Slow Food Deutschland
Unter dem Motto „25 Jahre Slow Food Deutschland – Weil uns die Zukunft des Essens und unserer Lebensmittelerzeuger wichtig ist“ feiert Slow Food Deutschland gemeinsam mit den rund 14.000 Mitgliedern das 25-jährige Vereinsjubiläum. Veranstaltungen in ganz Deutschland rücken Erzeuger und Produkte in den Fokus, die schon heute im Zeichen eines zukunftsfähigen Lebensmittelsystems und ökologischer Nachhaltigkeit stehen.
Veranstaltungen im Jubiläumsjahr
Mehr Informationen:
Bild oben: Kolumbianischer Schamane aus dem Amazonasgebiet auf dem internationalen Terra-Madre-Netzwerktreffen in Turin. | © Katharina Heuberger
Das Organisationsbündnis der Zivilgesellschaft richtet sich in seinem Aufruf vor allem an die EU-Landwirtschaftsminister, die sich heute bei einem Treffen in Brüssel zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) beraten. „Slow Food und viele weitere Organisationen aus dem Bereich Landwirtschaft, Umwelt, Entwicklung, Klima, artgerechte Tierhaltung und Ernährungssystem sind der Meinung, dass die Gemeinsame Agrarpolitik mit der Reform 2020 dringend neu ausgerichtet werden muss, denn weder die aktuelle noch die GAP der Vergangenheit sind die Herausforderungen im Bereich Landwirtschaft und Umwelt ganzheitlich und mit Blick auf Zukunftsfähigkeit angegangen und haben auch die dadurch vielfältig entstandenen systemimmanenten Probleme nicht beheben können,“ so die Vorsitzende von Slow Food Deutschland, Ursula Hudson.
„Wenn wir in Europa wirklich auf ein ökologisch nachhaltiges Ernährungssystem hinarbeiten wollen - und wir müssen - , dann müssen wir die Probleme an der Wurzel und entlang der ganzen Wertschöpfungskette bekämpfen. Fest steht: Wir brauchen ein Ernährungssystem, das Lebensmittel im kulturellen, gesellschaftlichen und ökologischen Kontext sieht, ebenso wie im sozialen und im wirtschaftlichen, und wir brauchen politischen Willen, um dies zu unterstützen. Um dies zu erreichen ist die Umsetzung einer ganzheitlichen Gemeinsamen Nachhaltigen EU-Ernährungspolitik unausweichlich."
Mehr als 130 Organisationen unterzeichen europaweiten Appell
Die über 130 unterzeichnenden Organisationen des Positionspapiers sind der Meinung, dass Europas aktuelles Lebensmittelsystem nicht mehr funktioniert und dass es fundamental umstrukturiert werden muss, um dessen unzählige Probleme zu bewältigen, angefangen beim Höfesterben, der Existenzsicherung der Erzeuger und den Auswirkungen der Landwirtschaft auf die lokale Wirtschaft, bis hin zu den großen Umweltproblemen, den Tierwohlfragen und vielem mehr.
Die Auswirkungen der GAP und von Agrarpolitiken, die die industrielle Lebensmittelproduktion begünstigen, sind besorgniserregend:
Um die oben angesprochenen Probleme zu lösen und den UN-Nachhaltigkeitszielen (SDGs) gemäß des Pariser Klimaabkommens gerecht zu werden, muss die EU die GAP dringend von grundauf reformieren. Statt der Agrarindustrie Vorteile zuzugestehen, sollten agrarökologische Strukturen und Erzeuger begünstigt werden, die ökologisch nachhaltig wirtschaften.
Agrarwende aus Respekt vor Mensch, Tier und Umwelt
Die über 130 unterzeichnenden Organisationen rufen dazu auf, die GAP auf folgende Ziele auszurichten:
Die über 130 unterzeichnenden Organisationen rufen dazu auf, schädlichen Subventionen ein Ende zu setzen und fordern Unterstützung und Anreize für sozial, ökologisch, ökonomisch zukunftsfähig arbeitende Betriebe.
Bild oben: Angler Sattelschweine in Weidehaltung. Die robuste alte Schweinerasse aus Schleswig-Holstein ist seit 2008 Passagier auf der Arche des Geschmacks, einem internationalen Projekt der Stiftung für Biodiversität von Slow Food. | © Stefan Abtmeyer
Quelle: Pressemeldung von Slow Food Deutschland vom 6. März 2017
Weitere Informationen:
]]>Verliehen haben diese Auszeichnung die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie in Kooperation mit der GASAG, der BSR, dem Sealife & Aquadom Berlin und in diesem Jahr neu mit der BUND-jugend. Eine dreizehnköpfige Expertenjury prüfte die eingereichten Dokumentationen, Präsentationen und Filme. Neben Projekten wie z.B. „Nachhaltiger Kiez“ (Hunsrück-Grundschule), „Migration, Integration – gegen Rassismus“ (Litfaß-Schule, OSZ) und „Schutz von Ressourcen“ (Goethe-Gymnasium-Lichterfelde) überzeugten die Schulen durch die Verankerung der Nachhaltigkeit im Schulleben. So gibt es beispielsweise in der Mühlenau-Grundschule eine halbjährliche Planungskonferenz, um Klimaschutzprojekte zu strukturieren. Im Carl-Friedrich-von-Siemens-Gymnasium werden in den schulinternen Curricula verbindlich Umweltthemen festgeschrieben und in der Oberstufe gehört die Beschäftigung mit „nachhaltigen Berufsfeldern“ zum Unterrichtsinhalt. In der Heinrich-Mann-Schule (Sekundarschule) sind jährliche Projektwochenthemen festgeschrieben, ebenso wie der regelmäßige Unterricht der Willkommensklassen in der Gartenarbeitsschule Neukölln.
Mark Rackles, Staatssekretär für Bildung: „Allen 24 Umweltschulen ist es gelungen, das Thema Nachhaltigkeit umfassend im Schulleben zu verankern. Sie zeigen anschaulich, wie das übergreifende Thema ,Nachhaltige Entwicklung/Lernen in globalen Zusammenhängen‘ im Unterricht umgesetzt werden kann. Hiermit sind sie auch ein Vorbild für die immer größere Zahl von Schulen, die sich an den fächerübergreifenden Themen des neuen Rahmenlehrplans orientieren.“
„Engagement für den Klimaschutz sollte so früh wie möglich beginnen. Daher unterstützen wir seit Jahren sehr gerne Schülerinnen und Schüler, die sich eigenständig in ihrem privaten und schulischen Umfeld mit Klima- und Umweltschutz auseinanderzusetzen. Für uns ist es eine Inspiration zu sehen, welchen Blick die jungen Berlinerinnen und Berliner auf den Klimawandel haben, wie sie sich dem Thema kreativ widmen und klassenübergreifend an die Fragen heran gehen. Mit ihren Ideen geben sie auch Beispiele für andere Schulen“, begründet Vera Gäde-Butzlaff, Vorstandsvorsitzende der GASAG, die Unterstützung.
Angela Sonnenschein, Umweltbildung bei der Berliner Stadtreinigung (BSR): „Die Umwelt und Ressourcen zu schonen, ist für uns bei allen Dienstleistungen ein wichtiges Anliegen. Unser Motto ,global denken, lokal handeln‘ wurde von den Schülerinnen und Schülern aufgegriffen. In zahlreichen kreativen Umweltschutzprojekten haben sie in diesem Schuljahr wieder gezeigt, wie wichtig nachhaltiges Handeln ist. Als kommunales Umweltunternehmen ist uns praktische Umweltbildung besonders wichtig. Daher unterstützen wir die Umweltschulen gerne durch die Verleihung des Nachhaltigkeitssiegels.“
Claudia Büchner, SEA LIFE & AquaDom Berlin, Marketing Manager for Schools and Networks, Midway Germany and Austria: „Die Entwicklung der Umweltschulen ist auch in diesem Jahr erfreulich. Die neuen und bestehenden Umweltschulen können stolz auf Ihre Projekte sein. Die engagierten Lehrerinnen und Lehrer und Schülerinnen und Schüler haben fachübergreifend verschiedenste Wege gefunden, um das Thema Nachhaltigkeit im Unterricht und den Rahmenlehrplan zu verankern. Das SEA LIFE Berlin versteht sich dabei als Botschafter der Unterwasserwelt. Mit einem eigenen Umweltprogramm und verschiedenen lokalen Projekten in Berlin und Brandenburg setzen wir uns für den Schutz des Lebensraumes Wasser und seiner Bewohner ein.“
Christina Rode, Vorstandsmitglied der BUNDjugend Berlin: „Schule muss mehr sein als Klausuren und Hausaufgaben. Schule muss ein Zukunftsort sein, an dem sich Schülerinnen und Schüler ausprobieren können. Bei den Umweltschulen ist toll zu sehen, wie vielseitig sich die ausgezeichneten Schulen mit dem Thema Umwelt beschäftigen und wie intensiv die Schüler daran beteiligt sind und die Projekte aktiv mitgestalten. So werden sie auch befähigt, sich eigene Meinungen zu bilden und das Thema Umwelt- und Klimaschutz in die Gesellschaft zu tragen.”
Zusätzlich zur Prädikatsverleihung würdigte die Jugend- und Familienstiftung des Landes Berlin drei ausgewählte Kooperationspartner der Gewinnerschulen, mit einer finanziellen Anerkennung. Katrin Fleischer, stellv. Vorstandsvorsitzende der Jugend- und Familienstiftung des Landes Berlin: „Wir freuen uns, dass wir bereits seit fünf Jahren jeweils drei Kooperationspartner der Umweltschulen mit einem Ehrenpreis der Jugend- und Familienstiftung des Landes Berlin auszeichnen können. Sie werden ausgezeichnet, weil sie besonders erfolgreich mit der Schule im Bereich Umwelt und Ökologie über den Unterricht hinaus zusammengearbeitet haben. Mit dem Preisgeld von insgesamt 1.500 € möchten wir die Fortsetzung ihrer erfolgreichen Kooperation unterstützen.“
Andreas Fischer, Leiter des Slow-Food-Schulprojekts "Iss Fair-Netzt!" erläutert die Projektarbeit, für die Slow Food Deutschland ausgezeichnet wurde: "Die Kooperation mit dem Emmy-Noether-Gymnasium fand anlässlich einer Erasmus-Projektwoche statt, in der die Schule Besuch von nordirischen Austauschschülern hatte, insgesamt waren es 34 Teilnehmer aus der 11. Klasse. Da bei Iss Fair-Netzt! die komplexen Zusammenhänge in der Wertschöpfungskette eines ausgewählten Lebensmittels im Mittelpunkt stehen, haben wir uns nach einer allgemeinen Einführung im Klassenzimmer speziell dem Thema Brot gewidmet. Es gab dazu drei Projektaktivitäten.
In der Markthalle Neun haben wir über unterschiedliche Vertriebsformen diskutiert und die Situation von Kleinproduzenten im Kontext der Wertschöpfungsette Brot reflektiert. In der Bäckerei Endorphina sind wir dann selbst aktiv geworden, haben beim Teigkneten und Baguettebacken grundlegende Techniken des Bäckerhandwerks kennengelernt und sind mit den Betreibern eines kleinen Handwerksbetriebs ins Gespräch gekommen. Beim abschließenden gemeinsamen Essen beim Verein Restlos Glücklich haben wir besprochen, was mit dem Brot und Lebensmitteln ganz allgemein nach dem Verkauf geschieht und welche Möglichkeiten es gibt, der Lebensmittelverschwendung entgegenzutreten.
Gemeinsam mit dem Emmy-Noether-Gymnasium planen wir, auch nächstes Jahr wieder im Rahmen ihres Erasmuprojekts zusammenzuarbeiten."
Weitere Informationen:
Slow-Food-Schulprojekt "Iss Fair-Netzt!"
Informationen zu allen ausgezeichneten Schulen, Kooperationspartnern und der Jury finden Sie auf der Website der Senatsverwaltung
Quelle: Pressemitteilung der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie vom 17. Juli 2017 und eigene Ergänzungen
Bild oben: Projekttag des Slow-Food-Schulprojekts "Iss Fair-Netzt!" am Emmy-Noether-Gymnasium. | © Dirk Lehmann
]]>Galt die Diepholzer Gans in den 1980er-Jahren als fast ausgestorben, gewinnt sie in jüngster Zeit wieder an Popularität in der Region Diepholz. Die Diepholzer Gans ist ein Weidetier und eine der wenigen noch existierenden Landgänserassen in Deutschland. Sie wird heute ausschließlich von Hobbyzüchtern gehalten, von denen nur wenige mehr als 50 Tiere besitzen. In den Handel gelangt sie deshalb derzeit noch nicht. In den Genuss des zarten Fleischs kommen damit zumeist Gänseliebhaber, die sie von Kleinzüchtern als Martins- und Weihnachtsgans erwerben.
Die Diepholzer Gans zeichnet sich durch ihre hohe Widerstandsfähigkeit, ausgezeichnete Marschfähigkeit, Futterdankbarkeit sowie Fruchtbarkeit aus. Das prädestiniert sie für nachhaltige Geflügelhaltung. Für eine extensive Haltung ist ihr jedoch der passende Lebensraum abhandengekommen: Gemeindeweiden wurden abgeschafft, Moorweiden kultiviert. Ihre wirtschaftliche und agrarische Bedeutung in Zeiten von Hochleistungszucht und Gewinnmargen ist gering. „Für den konventionellen Fleischhandel wiegt die Diepholzer Gans nicht schwer genug. Bei reiner Weidehaltung mit geringer Zufütterung erreicht sie knapp fünf Kilogramm“, so Hudson. „Heutige Hybridgänse werden mit Kraftfutter gemestet und erzielen rund zehn Kilogramm,“ berichtet Hudson.
Als Arche-Passagier wird die Diepholzer Gans von Slow Food Diepholz unterstützt.
Bild oben: Gans mit Gösseln. | © Wolbert Schnieders-Kokenge
Langlebiger Baum mit mächtiger Krone und kleinen, süß-aromatischen Früchten
Die Münsterbirne ist seit Mitte des 17. Jahrhunderts im Großraum Aachen heimisch. Ihr Baum mit mächtiger Krone erreicht mehr als 15 Meter Höhe, und wird bis zu 200 Jahre alt. Ende August bis Anfang September sind die Birnen pflückreif, genussreif sind sie dann nach zwei bis drei Wochen. Die klassischen Standorte der Münsterbirne sind große Garten- und Wiesenflächen, angrenzend an landwirtschaftliche Gehöfte. Flächen, die in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen sind. Aber es lässt sich auch eine positive Entwicklung verzeichnen: Im Rahmen landschaftsrechtlicher Kompensationsmaßnahmen und Biotopverbesserungen wurden neue Münsterbirnen gepflanzt. Das Slow Food Convivium Aachen schätzt den Bestand auf einige hundert Exemplare, wobei die Sterberate weiterhin um ein Mehrfaches höher ist als die Rate der Neupflanzungen.
Vom Erwerbsobstbau wird die Münsterbirne verschmäht, denn die Höhe der Bäume erfordert eine arbeitsintensive Erntetechnik per Hand. Der konventionelle Handel kann zudem die kurze Haltbarkeit der Frucht bis zum Verzehr und zur Verarbeitung aufgrund mangelnder Flexibilität nicht handhaben. Optisch scheitert sie am Raster des glattpolierten, gewachsten Plantagenobsts. „Mit der Aufnahme in die Arche bauen wir Strukturen auf, die den Erwerb der Münsterbirne fördern. Die Menschen können so ihren außergewöhnlich süßen, aromatischen und würzigen Geschmack wieder genießen“, erklärt Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland.
Als Arche-Passagier wird die Münsterbirne von Slow Food Aachen unterstützt.
Bild oben: Die Münsterbirne wird traditionell als Hochstamm veredelt und ist an ihrer charakteristischen Wuchsform gut zu erkennen. | © Hans-Jürgen Serwe
Quelle: Pressemeldung von Slow Food Deutschland e. V. vom 18. Dezember 2017
Mehr Informationen:
]]> Oberpfälzer Weihnachtsgans, gefüllt mit Sellerie und Majoran. | © Winkler Braustüberl
22.12.2017 – Du dumme Gans? Von wegen! Du herrlicher weihnachtlicher Festbraten! Die Gans bedroht zwar unseren Waschbrettbauch und verhöhnt alle diätetischen Handreichungen. Aber sie ist ein Urgestein deutscher Küche und unsere honigbepinselte Wonne. Einen schöneren Vogel gibt es nicht. Wir haben in drei Slow-Food-Genussführer-Lokalen tief in den Backofen geschaut. Von Manfred Kriener.
Es ist eine unerschütterliche Konstante unserer Ernährungsgewohnheiten, die sich in einer simplen Zahl ausdrückt: 0,5 Kilo. Soviel Gänsefleisch isst der Deutsche jedes Jahr. Dreimal dürfen Sie raten, wann er das tut. Jetzt, zum Jahresende! Nicht nur zuhause, sondern gern auch in einem auf Gänsebraten spezialisierten Gasthaus. Unter den mehr als 500 Adressen unseres Genussführers haben wir drei Lokale für Sie ausgesucht, die für ihren Gänsebraten bekannt geworden sind. Es sind gewiss nicht die einzigen Gänsespezialisten: Beim Blättern in unserem Gastronomieführer finden Sie mehrere Dutzend Lokale, die ab Martini den großen Wasservogel anbieten. Zubereitung, Gartechnik und Füllung variieren von Haus zu Haus.
Gans anders gefüllt: Sellerie und Majoran
Erste Station der Slow-Food-Gänse-Fluglinie ist das Winkler Bräustüberl in Lengenfeld zwischen Nürnberg und Regensburg. Nicht weniger als 500 Gänse gehen während der Saison durch die Hände von Küchenchef Robert Seitz. Und die Saison fängt ungewöhnlich früh an. Schon nach der großen Kirchweih im Oktober muss die erste Gans raus aus den Federn und rein ins Rohr.
Die Gänse-Wohlfühltemperatur in Lengenfeld: 140 Grad im Kombigarer bei zweieinviertel Stunden Garzeit. Die Seitz-Füllung ist wieder ganz anders: kein Apfel, keine Kastanien, sondern Selleriewürfel und Majoran. Gewürzt wird mit einem selbst zusammengestellten Bratgewürz, dazu Salz und Pfeffer. Die Gänse werden im Winkler Braustüberl ausschließlich im Ganzen gebraten, der Arbeitsaufwand ist entsprechend hoch, sagt Seitz, zumal jeder Vogel präpariert, gefüllt und während der Bratzeit viermal gedreht wird. Nach 135 Minuten im Kombigarer heißt die Devise im Bräustüberl: erst mal ruhen lassen. „Wenn ich sofort tranchiere und serviere, läuft mir der Bratensaft davon!“ Nach einer längeren Ruhepause werden die abgekühlten Gänse tranchiert. Die Gäste können ein Viertel oder ein Sechstel bestellen. Die Portion wird dann bei 200 Grad nochmal 12 Minuten kross gebraten.
Vom Schnabel bis zum Sterz
Vorab bekommen die Gäse ein Gänseschmalz mit Apfel und Zwiebeln oder ein süßsaures Gänseklein. Dazu werden Mägen und Herzen zwei Stunden im Fond weichgeköchelt und in feine Streifen geschnitten. Mit einer intensiven, aus Gänseabschnitten reduzierten Sauce und einem Serviettenknödel ist das ein schöner Extra-Gang, ebenso wie der Strudel vom Gänseklein mit Apfel-Sellerie-Salat. „Mir hom nix über vom Ganserl, bei uns ned!“ sagt der Küchenchef.
Vom Schnabel bis zum Sterz wird das ganze Tier verarbeitet und aufgegessen. Und wenn doch mal was übrig ist, dann bekommt der Donnerstag-Stammtisch ein bayerisches Fingerfood serviert: Flügel, Kragen, Magen, Herzen. „Die Flügel san am besten“, sagt Seitz. Und tatsächlich ist bei diesem unterschätzten Gänseteil das Verhältnis zwischen krosser Haut und zartem Fleisch zum Niederknien.
Im Winkler ist die Gänsesaison zu Weihnachten noch nicht vorüber. Die geräucherte Gänsebrust wird auch noch im Januar serviert. Die eingelegten Gänsebrüste werden nur kurz geräuchert, damit sie nicht trocken werden. Sanft angebraten und in Streifen aufgeschnitten, serviert Seitz sie mit Salat und frischem Baguette. Erst Mitte Januar hat die Gans ihre Ruh! Es sei denn, der Küchenchef macht irgendwann ernst und kreiert doch noch seine Gänsebratwurst. Sie ist das nächste Projekt auf der Wunschliste der Winkler-Küche. Die Gänse vom Geflügelhof Klaus und Resi Heiselbetz im nahen Rocksdorf werden das nicht so gerne hören. Sie empfehlen ganz dringend: Wildbratwurst.
Gans gemächlich bei 130 Grad
Im Pfälzer Fischerdorf Neupotz liegt das Restaurant „Zum Karpfen“. Hier wird nicht nur der prächtige Friedfisch und Namensgeber serviert. Hier bruzzelt im Winter einer der besten Pfälzer Gänsebraten im Rohr. Herrin über die Ikone der Weihnachtszeit ist Daniela Gehrlein, die Tochter der Chefin: „Wir sind eine reine Frauencombo – da geht richtig was ab!“ Bei der Gans geht es allerdings eher gemächlich zu. Gehrlein schwört auf 130 Grad Heißluft und vier Stunden Garzeit. Danach brät der Vogel – fürs knusprige Finish – noch einige Minuten mit eingepinselter Haut unterm Grill.
Weil jede einzelne Gans frisch zubereitet und langsam gebraten wird, kann Gehrlein täglich nur drei Gänse zubereiten. Wohl dem, der in den Genuss dieses Bratens kommt. Natürlich wird das ganze Tier, frisch aus dem Ofen, in seiner vollen Schönheit an den Tisch gebracht, um die Ahhhs und Ohhhs der Gäste abzuholen. Dann wird in der Küche sorgsam tranchiert. Es kommen nicht nur die Edelteile auf den Tisch. Gehrlein legt auch Hals und Flügel auf die Fleischplatte und verzichtet dafür auf einen Extragang mit Gänseklein. Vorab gibt es nur einen Feldsalat. Der Vitaminstoß soll die Gänseesser für die bevorstehenden größeren Aufgaben wappnen, sagt die Köchin.
Der Sechs-Kilo-Vogel für die große Runde
Auch und gerade bei der Gans bleibt der „Karpfen“ seiner regionalen Orientierung treu. Die Gänse stammen vom Ritzmann-Hof aus Winnweiler bei Kaiserslautern, der auch andere Genussführer-Lokale beliefert. Der spezielle Deal: Gehrlein kann die Größe der angelieferten Gänse variieren und exakt auf die Vorbestellungen abstimmen. Die fünfköpfige Familie bekommt ein kleines Tier. Für eine größere Gruppe darf der schöne Vogel auch mal stramme sechs Kilo auf die Waage bringen.
Die Füllungen der Gans sind höchst unterschiedlich und manchmal ein gut gehütetes Betriebsgeheimnis. Karpfen-Köchin Gehrlein ist ganz offenherzig: Zuerst schiebt sie einen ganzen Boskoop-Apfel in die Höhle. Danach wird die eigentliche Füllung nachgestopft, ein kleingehackter Mix aus Gänseleber, Semmeln, etwas Zwiebel und den Gewürzen. Vom Beifuß nur ein Hauch – „der ist sehr kräftig im Geschmack“ – dafür etwas mehr Majoran und noch mehr Pfeffer. Zum Schluss wieder ein ganzer Apfel. Kein Honig: weder innen, noch außen.
Daniela Gehrleins Lieblingseskorte für den krossen Vogel ist neben Kartoffelknödeln und Rotkohl ein erfrischender Blanc de Noir aus der Spätburgunder-Traube vom Weingut Bruno Leiner. Wer’s lieber rot mag, dem empfiehlt sie auf ihrer eigens eingerichteten Gänse-Weinkarte eine Cuvée aus Cabernet-Sauvignon und Merlot vom Pfälzer Weingut Theo Minges.
Bild oben: Vor dem Tranchieren wird die Gans im Pfälzer Gasthaus "Zum Karpfen" in voller Schönheit präsentiert und selbstverständlich in allen Lagen fotografiert. | © Ralf Honsberg
Gans heiß mit 230 und 190 Grad
Wechseln wir in den hohen Norden! Das Landhaus Schulze-Hamann liegt in Blunk bei Bad Segeberg. Für Küchenchefin Angela Schulze-Hamann ist der Martinstag der erste Gänsetag. Bis Weihnachten fliegen dann 80 knusprige Gänse aus ihrem Ofen. Und der wird mit Volldampf angeheizt: „230 Grad“, sagt die Chefin ohne zu zögern, „danach schalte ich runter auf 190“. Sie habe alle Gartechniken und Temperaturen ausprobiert, diese klassische Methode sei ihr die liebste. Die Garzeit hängt dann von der Größe des Tiers ab.
Das Haus ist berühmt für seine Gänsegerichte. Hier kommt auch mal ein Fernsehteam vorbei, um die Gänsekeulen formatfüllend in die schleswig-holsteinischen Wohnstuben zu zoomen. Schulze-Hamann serviert nicht nur den Braten, sondern gleich ein ganzes Gänsemenü. Auch einzelne Keulen können geordert werden.
Die Eskorte: Apfelperlen und Feigen-Rotkohl
Wenn die Esser im Gänsemarsch reinkommen und ihre fröstelnde Gänsehaut langsam auftaut, beginnt das Vorspiel: Reichlich Gänseschmalz mit Röstzwiebeln, Äpfeln und frisch gebackenem Brot. Da weint der AOK-Ernährungsberater, aber der Gast freut sich. Jetzt die heiße Consomée von der Gans mit Apfelperlen und feinen Streifen vom Kräuter-Pfannkuchen. Die ersten Wangen schimmern schon rosarot.
Derart gut eingestimmt, werden Brust und Keulen aufgetragen. Dazu kugelrunde Kartoffelknödel, Rosenkohl und ein feiner Feigen-Rotkohl. Um dieses Menü zu genießen, „kommen die Leute aus Sonstwoher angefahren“, sagt die stolze Chefin. Auf die Gäste warten aber noch weitere, sehr spezielle Zubereitungen. Zum Beispiel ein „Gänseklein in Sauer mit Bratkartoffeln“, ein typisch norddeutsches Gericht. Oder die im Würz-Essig-Sud gegarte Gänsekeule, anschließend karamellisiert und von einer süß-sauren Sauce begleitet.
Die Köchin kann, wenn sie einen kleinen Ausflug unternimmt, ihren Gänsen beim Grasen zusehen. Die Tiere kommen vom Schönmoorer Hof, nur 15 Kilometer vom Restaurant entfernt: „Eine sehr gute Gans, von der weiß ich, dass sie gut gelebt hat und mit Genuss gegessen werden kann.
Hier finden Sie die Genussführer-Lokale im Buch:
Slow Food Deutschland e.V. (Hrsg.)
Slow Food Genussführer Deutschland 2017/2018
Oekom-Verlag, München
ISBN 978-3-86581-809-6
24,95 Euro [D], 25,70 Euro [A]
Erhältlich im Online-Shop des Oekom-Verlags
Mehr Informationen zum Slow Food Genussführer Deutschland:
Informationen zu den Kriterien und zum Siegel
Weihnachtsgänse in spe. | © Katharina Heuberger
Mehr Informationen zum Thema Weihnachtsgans:
Kommentar: Die richtige Gans zum Lichterglanz
]]>Die Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL) möchte mit dieser Veröffentlichung dazu beitragen, die anhaltende Diskussion um die mittlerweile zurückgezogenen Bauernregeln zu versachlichen.
Ein Blick auf die vorliegenden Fakten zeigt, dass die Situation für Natur, Arten und Lebensräume in weiten Teilen der Landwirtschaft sehr ernst ist. Immer mehr Arten sind in ihren Beständen rückläufig und somit bedroht – dies betrifft besonders Tiergruppen wie Wiesenbrüter und Wildbienen, aber auch Einzelarten wie Rebhuhn und Hamster.
Die Gründe hierfür sind steigende Nährstoffeinträge, der Wegfall wichtiger Begleitstrukturen und Ausweichflächen sowie die Steigerung der Bewirtschaftungsfrequenz, zum Beispiel die häufige Mahd im Grünland. Die Produktionssteigerung und der gewaltige Strukturwandel in der Landwirtschaft in den letzten Jahrzehnten gehen zu Lasten von Natur und Umwelt. Der Artikel zeigt jedoch, dass dies nicht nur ein Problem der Landwirtschaft alleine ist, geschweige denn eines einzelnen Bauern, sondern als eine Herausforderung an uns alle zu sehen ist, die uns zum Umdenken anspornen soll.
Im Rahmen der Zeitschrift „ANLiegen Natur“ wurde ein Kommentar "Faktencheck zu den neuen Bauernregeln“ auf der Website der Bayerischen Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege veröffentlicht: Kommentar: Faktencheck Bauernregeln
Quelle: Pressemeldung der Bayerischen Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL) vom 10. März 2017
Bild oben: Selten geworden und bestaunt - blütenreiches Grünland mit Schmetterlingen, Käfern und Wildbienen. Im Bild: Besucher eines Magerwiesenprojekts der Gemeinde Haar bei München, die sich seit 1997 bei der Erhöhung der Artenvielfalt heimischer Pflanzen und Insekten engagiert.| © Katharina Heuberger
Mehr Informationen:
Angriff auf Hendricks: Slow Food stärkt Umweltministerin den Rücken (10.2.2017)
]]>Fakt ist, dass die vollmundigen Zusagen und die politische Realität der vergangenen Großen Koalition skandalös weit auseinanderklafften. Mit Sicherheit wird Deutschland sein CO2-Ziel für 2020 – eine Reduktion der Treibhausgase um 40 Prozent gegenüber 1990 – krachend verfehlen. Mit Zähnen und Klauen haben die angebliche Klimakanzlerin und ihr SPD-Koalitionspartner in der vergangenen Legislaturperiode die Braun- und Steinkohleverstromung verteidigt und bei rund 40 Prozent im Energiemix gehalten.
Industrielle Landwirtschaft – der Klimakiller schlechthin
Der Ausbau der Solarenergie ist eingebrochen, und auch der Windenergie wurden existenzgefährdende Flautejahre verordnet. Besonders fahrlässig agierte die Große Koalition in der Agrarpolitik. Die Landwirtschaft ist einer der größten Klima- und Umweltsünder überhaupt. Sie verursacht rund 40 Prozent der Kohlendioxidemissionen und den größten Anteil des Feinstaubs in Deutschland. Vergüllung, Nitratverseuchung, Artensterben oder Antibiotika-Missbrauch: Die bei uns vorherrschende Form der industriellen Landwirtschaft schadet Mensch, Tier und Natur.
Deutschland verstößt auch hier gegen seine Verpflichtungen. So eklatant, dass es jetzt von der EU auf Einhaltung der Vorgaben für Grundwasser- und Gewässerqualität verklagt wurde. Ähnlich bei der tödlichen Feinstaubbelastung in den Städten: Hier müssen die Bürger den mühsamen Weg über die Amtsgerichte gehen und die Abhilfe per Urteil erzwingen.
Die industrielle Ausbeutung von Boden und Tier ist vielerorts zu einem beherrschenden Wirtschaftszweig geworden. Wer sich einmal die Zeit nimmt und durch die schier endlosen Maislandschaften Niederbayerns fährt oder die düsteren Tierfabriken im Norden Deutschlands besucht, bekommt ein Gefühl für dessen Potenz. Die Agrarindustrie ist eine ökonomische Supermacht. Gegen ihre superschädlichen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt mochte Landwirtschaftsminister Schmidt nur wenig unternehmen.
Subventionen – teurer Witz auf Kosten der Steuerzahler
Klimaschutz, ja bitte! Und das Wohl der Tiere noch dazu. Schade nur, dass diese Themen im Bundestagswahlkampf 2017 so gut wie keine Rolle gespielt haben. Dabei böte sich der kommenden Regierung eine Chance, Großes zu leisten. Zum einen steht nach dem Brexit das gesamte Agrarbudget der Europäischen Union auf dem Prüfstand. Ohne die Briten fließt erheblich weniger Geld in Brüssels Kassen. Zum anderen signalisiert Präsident Macron in Frankreich, dass er gemeinsam mit Deutschland eine grundlegende Reform der Union anstrebt – und zu Kompromissen bereit ist.
Auch bei der Agrarpolitik? Die bisherige Subventionspraxis in der Landwirtschaft ist ein Relikt aus den Anfängen der Europäischen Einigung. Wer mehr hat, bekommt mehr. Dies ist ein teurer Witz auf Kosten der europäischen Steuerzahler. EU-Gelder darf es nur noch geben, wenn landwirtschaftliche Erwerbsprojekte das öffentliche Gemeinwohl in den Bereichen Umwelt-, Klima- und Tierschutz fördern. Hierzu gehören Flächenstilllegungen im großen Stil. Zwischen acht und zehn Prozent des landwirtschaftlich genutzten Bodens in Deutschland könnten naturnah brachfallen, ohne dass die Ernährung der Bevölkerung gefährdet wird.
Ökologische Kreislaufwirtschaft – Gebot des Klimaschutzes
Dies wäre ein substanzieller Beitrag für den Artenschutz bei Wildpflanzen und -tieren. Und mehr noch: Die Böden dieser Welt sind der größte terrestrische Kohlenstoffspeicher. Doch seit Beginn der Landwirtschaft vor etwa 12 000 Jahren wurden weltweit rund 130 Milliarden Tonnen Kohlenstoff aus den oberen zwei Metern der Bodenschicht freigesetzt. Leider unterstützen die EU-Subventionen die ungebremste Fortsetzung dieser Atmosphärenschädigung durch den Menschen.
Die Nutztierhaltung muss im Sinne von Klimaschutz und Tierwohl auf Weidehaltung und artgerechte Stallunterbringung umgestellt werden.Förderungswürdig ist eine ökologisch ausgerichtete Kreislaufwirtschaft. Nach Vorbild des europäischen Biosiegels sollte zudem ein verbindliches Tierwohl-Label eingeführt werden, gültig für alle tierischen Lebensmittel und verbunden mit der Einführung eines robusten Kontrollsystems.
Regionale Erzeugung – Förderung guter, fairer und sauberer Praktiken
Slow Food fordert eine radikale Wende in der Agrarpolitik. Zukunftsfähig wirtschaften und nachhaltig produzieren ist gleichbedeutend mit der Verankerung guter, sauberer und fairer Praktiken in der Lebensmittelherstellung. Dies betrifft uns schließlich alle, denn Essen ist eine politische Handlung. Wie wir unsere Nahrung erzeugen, hat Konsequenzen: Dreimal am Tag finden wir sie auf dem Teller vor. Die Förderung der regionalen Erzeugung und Versorgung auf Basis einer kleinteiligen Landwirtschaft löst die Probleme, die vor Jahrzehnten aufgrund falsch gestellter Weichen verschuldet wurden.
Selten waren die Umstände so günstig, das Projekt der Wende europaweit in Angriff zu nehmen!
Dieser Kommentar von Ursula Hudson ist im aktuellen Slow Food Magazin 5/2017 erschienen.
Foto: © Holger Riegel
Mehr Informationen:
]]>Gemeinsam schnippeln und kochen sie Gemüse, welches zu klein, zu dünn oder zu krumm geraten ist und damit als nicht mehr vermarktbar gilt. Begleitet wird das Zubereiten und Kochen von cooler Musik. In Deutschland können Verbraucher in Hamburg, Münster, Fulda und Blunk mitmachen.
Jährlich werden 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel weltweit weggeworfen. Das internationale Slow-Food-Youth-Netzwerk möchte diesen beschämenden Ausmaßen der Lebensmittelverschwendung und -verlusten die Stirn bieten und ruft am 29. April den ersten World Disco Soup Day (WDSD) aus. Im Rahmen des Aktionstages organisiert Slow Food Youth in 36 Ländern Schnippeldiskos.
Eine Schnippeldisko, oder Disco Soup, ist eine öffentliche, kulinarische Protestaktion, bei der nicht marktfähiges Obst und Gemüse von Erzeugern und Supermärkten eingesammelt und bei coolen Beats eines DJs, zu einem gemeinsamen Essen verarbeitet wird. In Deutschland finden Schnippeldiskos in Hamburg, Münster, Blunk und Fulda statt. Hier finden sich Menschen zusammen, die überzeugt davon sind, dass zweibeinige Möhren, Knubbelkartoffeln, großwüchsige Rote Bete und Äpfel mit kleinen Druckstellen ein Anrecht darauf haben verzehrt zu werden. Denn der Geschmack hängt in keinster Weise mit der Form zusammen. Die Realität der Marktnormen jedoch sieht anders aus: Optisch nicht passendes Gemüse wird verschmäht, gelangt erst gar nicht in die Supermarktregale und wird entsorgt.
Kulinarischer Protest
Die Schnippeldisko ist eine öffentliche, kulinarische Protestaktion gegen Lebensmittelverschwendung, wurde von Slow Food Youth und Partnern 2012 erstmals in Berlin veranstaltet und hat seitdem große und kleine Veranstaltungen in aller Welt inspiriert, von Südkorea bis São Paolo, von Irland bis Nairobi, New York bis Indien. Genuss und Verantwortung gehören zusammen, und regionales, saisonales Essen ist cool - das wollen die VeranstalterInnen mit der gemeinsamen Aktion beweisen.
Die Jugend von Slow Food
Das Slow Food Youth Network, die Jugendbewegung von Slow Food, ist ein weltweites Netzwerk von jungen Leuten, die sich für gute, saubere und faire Lebensmittel für alle einsetzen.
Quelle: Pressemeldung von Slow Food Deutschland e. V. vom 25. April 2017
Mehr Informationen:
Hamburg: Schnippeldisko am World Disco Soup Day
Münster: Schnippeldisko am World Disco Soup Day
Blunk: Schnippeldisko am World Disco Soup Day
Fulda: Schnippeldisko am World Disco Soup Day
Alle Schnippeldiskos weltweit auf einen Blick
Slow Thema "Lebensmittelverschwendung": Informationen, Positionen, Aktionen
]]>14.9.2017 – "Boden – unsere Lebensgrundlage“ heißt der Schulprojekttag, den Slow Food Deutschland regelmäßig bei der Internationalen Gartenausstellung 2017 in Berlin auf dem Gelände des 2000m²-Weltackers durchführt. Am Dienstag ging es mit der 5. Klasse aus Berlin-Biesdorf um die Wertschöpfungskette bei Getreide. Die Veranstaltungen finden im Rahmen des Slow-Food-Bildungsprojekts „Boden Begreifen“ statt. Ein Bericht von Sharon Sheets, Slow Food Deutschland.
Ein zentraler Bestandteil des Slow-Food-Schulprojektes „Boden Begreifen“ ist es, der Schulklasse zu Beginn des Projekttages näherzubringen, welche Rolle das Konsumverhalten jedes Einzelnen im Kontext der globalen Ernährungssituation spielt und ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, wie viel Ackerfläche unterschiedliche Ernährungsstile verbrauchen. Zur Veranschaulichung dient das Flächenbuffet auf dem 2000m2-Weltacker. Als Einführung erklärt Projektkoordinator Daniel Diehl das Konzept: Wenn man die gesamte, globale Ackerlandfläche durch die Anzahl der Weltbevölkerung teilt, kommt man auf 2000 Quadratmeter, die jedem Weltbürger zustünden, wenn die Flächen gerecht verteilt wären. Durch weitere Bodenversiegelung und Bodendegradation wird das in den nächsten Jahren noch weniger sein.
Bild oben: Projektvorstellung Boden Begreifen
Wie viel Acker braucht mein Essen?
Bei einem Feldrundgang auf dem 2000m2-Acker können die Schüler anhand der nach Gerichten abgesteckten Flächenbuffets vergleichen, wie viel Ackerfläche Lieblingsgerichte wie Pizza Margherita oder Pommes brauchen. Dabei wird schnell deutlich, dass Fleischgerichte wie Pizza Salami, Spaghetti mit Bolognese und Schnitzel im Vergleich zu vegetarischen Gerichten wie Linseneintopf viel mehr Fläche verbrauchen.
Flächenverbrauch verschiedener Ernährungsstile
An dieser Stelle bespricht Daniel Diehl die Ernährungszusammenhänge der Nutztierhaltung: Die Ursache für den größeren Flächenverbrauch bei tierischen Produkten ist auf die Haltung zurückzuführen. In der konventionellen Landwirtschaft werden Tiere größtenteils mit Futtermitteln, z. B. aus Soja und Getreide, gefüttert. Um die Bedeutung einer fleischlastigen Ernährung zu veranschaulichen, geht Daniel auf das Beispiel der Schweinemast ein: Wenn die 2000m2 nur dazu dienten, um Futtermittel für Schweine anzubauen, dann würde die Fläche gerade mal für die Fütterung zweier Schweine ausreichen. Das Flächenbuffet ermöglicht den Schülern anhand der Vergleiche verschiedener Ernährungsstile über den eigenen Ackerverbrauch im Kontext der Weltbevölkerung zu reflektieren. Auf den globalen Kontext geht Projektkoordinator Daniel ein, indem er hinzufügt: „Wenn wir hierzulande verhältnismäßig ‚zu viel‘ verbrauchen, dann bleibt zu wenig für andere Menschen übrig, was sich vor allem auf ärmere Länder des globalen Südens auswirkt“.
Slow Food empfiehlt deshalb schon seit langem, den persönlichen Fleischkonsum auf wenige Male pro Woche zu begrenzen und auch auf die Qualität und Herkunft des Fleisches zu achten, denn auch die Tierhaltungsform wirkt sich auf den Flächenverbrauch aus: Im Vergleich stehen hier tierische Produkte aus Weidehaltung gegenüber tierischen Produkten aus der Stallhaltung, die auf Futtermittel zurückgreifen. Im Kontext des globalen Flächenverbrauches und der Nahrungsmittelproduktion bedeutet das: Große Flächen an Acker werden weltweit genutzt, allein um Futtermittel für die Zuchttiere zu produzieren. Dadurch tritt das Zuchttier in Nahrungskonkurrenz mit dem Menschen und es stehen weniger Ackerflächen für die Produktion von Nahrungsmitteln für den Menschen zur Verfügung.
Bild oben: Flächenbuffet auf dem 2000m2-Acker
Einblick in die Produktion unserer Lebensmittel
Bevor es an das selbst Hand anlegen geht, werden die Schüler dazu ermuntert, sich zu fragen, woher ihr Essen kommt. Die Schüler kleben dazu ihre Ideen an eine Pinnwand und nachdem alle Vorschläge der Schüler wie Acker, Supermarkt, die Welt etc. diskutiert worden sind, leitet der Koordinator über zur zentralen Bedeutung der Ressource Boden für unsere Ernährung: „95 Prozent aller Nahrungsmittel entstehen im, auf oder durch den Boden unter unseren Füßen“. Der Boden ist der Ursprung fast aller unserer Lebensmittel, die restlichen 5 Prozent beziehen sich auf die Fische und Meeresfrüchte. Mit dem Boden als Star des Tages geht es nach einer kurzen theoretischen Einheit gleich an das praktische ‚Wühlen‘ im Boden, um ein Gefühl für diese wichtige Ressource zu bekommen: Die Schüler dürfen Kartoffeln für das Mittagessen ernten.
Bild oben: Boden direkt erfahren bei der Kartoffelernte.
Getreide verarbeiten
Neben der Einführung in die Prozesse der Lebensmittelverarbeitung, vom Boden bis zum Teller, und den Informationen zu den globalen Ernährungszusammenhängen, bietet der Projekttag den Schülern die Chance, um einen praktischen Einblick in die traditionelle Verarbeitungskette von Getreide zu bekommen. Die kürzlich geernteten Ähren wurden aufgehoben und werden heute von den Schülern mit einer Dreschtrommel gedroschen. Eine besondere Erfahrung, erklärt der Koordinator, denn Dreschtrommeln gibt es heute kaum noch und sie kommen erst recht nicht mehr zum Einsatz, da dies zu arbeitsintensiv ist. Wie viel Arbeit hinter der Produktion von Lebensmitteln stecken kann, erfahren die Schüler am eigenen Leib – leicht ist es nämlich nicht, diese Trommel in Gang zu setzen. Mit Engagement und Spaß probieren die Schüler nach und nach aus, was es bedeutet, die Ähren selbst zu dreschen.
Bild oben: Als besondere Erfahrung dürfen die Schüler Getreide dreschen.
Kräftig pusten und sieben
Im nächsten Schritt müssen mehrere Durchläufe des Siebens des Getreides durchgeführt werden: Angefangen beim gröbsten Sieb, arbeitet man sich langsam hin zu Sieben mit kleineren Öffnungsgraden. So wird das Getreide gesäubert, bis nur noch die Körner übrig bleiben. Diesen Prozess wiederholen die Schüler eigene Male, bis das Endprodukt zur Verfügung steht: goldglänzende Körner, die dann wiederum gemahlen und zu Mehl verarbeitet werden können.
Am Ende des Aktionstages sind alle rundum glücklich. Die Schüler fanden es interessant und hatten Spaß dabei selbst Hand anzulegen und wieder einen Bezug zur Nahrung zu bekommen. Denn: die Lebensmittelindustrie entfremdet uns immer mehr von ihr. Dieser Tendenz entgegenzuwirken ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und deshalb führt Slow Food Deutschland Projekte wie „Boden Begreifen“ durch.
Bild oben: Sieben und pusten, sieben und pusten, damit nur noch die Körner übrig bleiben.
Einige der Schüler vor der äthiopischen Slow-Food-Parzelle auf der IGA.
Alle Bilder: © Sharon Sheets
Mehr Informationen:
]]>Zu der Entscheidung Schmidts für das unter Krebsverdacht stehende Ackergift erklärt Slow Food Deutschland: Der Alleingang von Minister Schmidt ist dreist und schäbig. Er demonstriert die Haltung eines Politikers, der sich gern einen grünen Anstrich gibt, der in der Sache aber ohne Rücksicht auf den Koalitionspartner oder die Zivilgesellschaft die Interessen der alten Agrarindustrie selbstherrlich und kaltblütig durchsetzt. Die Dramaturgie seines giftigen Coups ist bis auf die Minute bestens dokumentiert. Noch unmittelbar vor der Brüsseler Entscheidung hatte Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) nochmals ihr „Nein“ zur Zulassung übermittelt und Schmidt hatte dies auch bestätigt. Noch während er von seiner Kabinettskollegin freundlich deren ablehnendes Votum entgegennahm, hatte er schon eigenmächtig Kurs auf ein deutsches „Ja“ eingeschlagen, das die Verlängerung der Glyphosat-Zulassung in der Europäischen Gemeinschaft erst möglich machte.
Minister Schmidt wusste, was er tat, als er die gebotene Stimmenthaltung in eine Zustimmung verwandelte. Seine Entscheidung für das weltweit am häufigsten verkaufte und eingesetzte Ackergift war wohlkalkuliert. Provokation, Vertrauensbruch, vergiftete Stimmung und ein Tritt in den Bauch der Zivilgesellschaft – Schmidt nahm alles in Kauf, Hauptsache die Agrarkonzerne bekommen im letzten Augenblick doch noch ihr Gift in die Scheuer. Allein in Deutschland sind inzwischen 94 glyphosathaltige Mittel zugelassen. Ohne dieses Pestizid geht offenbar nichts mehr, es ist die Allzweckwaffe unter den chemischen Keulen.
Aber Glyphosat ist mehr als nur ein Pestizid. Es ist die Leitsubstanz des alten Agrarmolochs. Es ist das Synonym für Tabula Rasa auf dem Acker: Alle Beikräuter, alle Pflanzen im Unterbewuchs, alles was sonst noch sprießt, wird mit Stumpf und Stiel ausgerottet. Nur die Wüste lebt. Glyphosat ist damit auch der Schierlingsbecher der Biodiversität. Insekten- und Vögelsterben hören auf diesen Namen, weil Breitbandherbizide jeglichen Wildpflanzenwuchs beseitigen und den Feldbewohnern damit die Nahrungsgrundlage nehmen.
Glyphosat gilt laut des – immer wieder attackierten – Gutachtens der Krebsforschungsagentur der WHO als „wahrscheinlich krebserregend“. Das Vorsorgeprinzip gebietet es, in solchen wissenschaftlichen Streitfällen vorsichtig zu sein und im Zweifelsfall für die Gesundheit und gegen das Risiko zu votieren. Auch dieses Prinzip hat Minister Schmidt über Bord geworfen. Und den Bürgerwillen gleich dazu. Zivilgesellschaft und Bürgerwille werden damit ein weiteres Mal ausmanövriert. Und dies zu einem Zeitpunkt, da sich unsere Republik politisch neu aufstellt, da Vertrauen und Zusammenarbeit mehr denn je gefragt sind. Mit solchen Alleingängen und Provokationen ist kein Staat zu machen.
Herr Minister Schmidt, Sie sind eine Zumutung für unser Land. Treten Sie zurück! Auf Ihre Mitgift kann die neue Bundesregierung allemal verzichten.
Bild oben: , dagegen war. Regelgemäß hätte sich Deutschland bei der Abstimmung enthalten müssen. | © BMEL/photothek.net/Thomas Imo
Quelle: Pressemeldung von Slow Food Deutschland vom 28.November 2017
TV-Tipp: arte: Roundup, der Prozess. Ein neuer Film der Investigativ-Journalistin Marie-Monique Robin. Zur Sendung in der Mediathek
Weitere Informationen und Slow-Food-Positionen:
Erneut keine Einigung der EU-Mitgliedstaaten (9.11.2017)
Glyphosat: Keine Einigung über Zulassungserneuerung des Totalherbizids (25.10.2017)
]]>Wir konsumieren Fleisch in ungesunden und nicht vertretbaren Mengen und Varianten. Und der Durst nach Milch steigt global: In einigen Ländern wird er künstlich erzeugt, weil die Industrie darin ein lukratives Geschäft erkennt. Neben den großen Agrarkonzernen aber gibt es sie noch: Beispielhafte Erzeuger, die nachhaltig wirtschaften und auf das Tier und sein Wohl achten. Ebenso gibt es die Verbraucher, die wissen möchten, wo und wie ihre Produkte hergestellt wurden und bereit sind angemessene Preise zu zahlen.
Um sich mit diesen Wegen und Perspektiven einer ökologischen Tierzucht auseinander zu setzen, luden Slow Food Deutschland und Misereor am 25. November 2017 auf das Hofgut Rengoldshausen am Bodensee in Süddeutschland ein. Denn hier gibt es sie: luftige, helle und angemessen große Ställe für Milchkühe, Jung-und Masttiere sowie Geflügel der ökologischen Tierzucht. Als Experten trafen an diesem Tag Rupert Ebner (Vorstand Slow Food Deutschland), Sarah Schneider (Referentin für Landwirtschaft und Welternährung bei MISEREOR), Inga Günther (Geschäftsführerin Ökologische Tierzucht gGmbH), Mirjam Neyrinck und Mechthild Knösel vom Hofgut Rengoldshausen sowie Günther Czerkus vom Bundesverband der Berufsschäfer e. V. zusammen. Bevor es in die inhaltliche Diskussion ging, stand der Einblick in die Praxis im Mittelpunkt. Inga Günther, Mirjam Neyrinck und Mechthild Knösel nahmen die rund 30 Teilnehmer mit in die Tierställe, wo diese alles rund um muttergebundene Kälberaufzucht, kraftfutterfreie Fütterung und einer ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft erfuhren.
Bild oben: Inga Günther und Mirjam Neyrinck erklärten den Gästen die ökologische Geflügelzucht.
Vom Huhn zur Kuh
Inga Günther und Mirjam Neyrinck führten die Gäste zunächst in den Hühnerstall, das Kükenhaus sowie das Freilandgehege. Günther ist Geflügelzüchterin, Geschäftführerin der Ökologische Tierzucht gGmbH und Expertin für das Öko-Huhn von morgen. Mirjam Neyrinck ist hauptverantwortliche Tierbetreuerin der Hühner am Hofgut. Bei einem Zweinutzungshuhn werden beide Produktionsrichtungen abgedeckt, es liefert Fleisch und Eier. Ausgangsrasse dafür ist u. a. das Bressehuhn, welches am Hofgut gehalten wird. Dieses Tier wird in Frankreich üblicherweise zur Fleischverwertung gezüchtet und legt deutlich weniger Eier als das herkömmliche Hybridhuhn (180 Eier Bresse versus 330 Eier Hybrid/pro Jahr). Das erklärt den Preis für ein Bressehuhn-Ei: Dieser liegt bei 60 Cent. Auf besonderes Interesse stieß während der Führung die Frage nach dem Umgang mit den männlichen Küken. Für Günther ist klar: Männliche Küken, die bei der Erneuerung des Zuchtbestandes der ökologischen Tierzucht schlüpfen, werden aufgezogen. Manipulationen an Schnäbeln, Kämmen, Flügeln sind ein Tabu. Von ihren 150 Hähnen am Hofgut ist Günther begeistert. Denn die Hahnengruppe verhält sich untereinander nicht aggressiv, verschiedene Bereiche im Stall ermöglichen außerdem das Ausweichen von Rang niederen Tieren. Um den Futterverbrauch nachhaltig zu gestalten werden die Hähne neben Getreide auch mit Kürbis, Karotten und Kartoffeln gefüttert. Diese Vielfalt hält sie gut beschäftigt. Durch diese Art der Fütterung wachsen die Tiere langsamer und der Einsatz von hoch konzentrierten Futtermitteln ist nicht nötig. Und der Kükenstall? Hier toben sich 217 Kleine Küken für die ersten 6 Wochen ihres Lebens aus – und das, gemischt geschlechtlich. Eigene Kükenaufzucht ist kosten- und arbeitsintensiv, erläuterte Günther. Ein klassischer Legebetrieb wird diesen Aufwand in der Regel nicht betreiben.
Fortbestand und Aufbau einer eigenen Züchtung wie es die Ökologische Tierzucht gGmbH versucht, ist derzeit noch von finanziellen Zuschüssen abhängig, wobei Günther hoffnungsvoll ist: Damit das langfristig funktioniert, muss ein Umdenken in der Gesellschaft stattfinden. Wenn tatsächlich die Bereitschaft besteht, hohe Preise zu zahlen, wird es mehr Tierwohl und damit auch eine höherer Nahrungsmittelqualität geben.
Mechthild Knösel vom Hofgut Rengoldshausen züchtet seit 12 Jahren deutlich größere Artgenossen: Das Schweizer Original Braunvieh. Die Rasse ist eine Zweinutzungstrasse für Milch- und Fleischproduktion. Aktuell umsorgt Knösel 50 Tiere, deren Wohl ihr am Herzen liegt. Davon zeugt das von ihr entwickelte Stallkonzept, welches die verschiedenen Phasen der muttergebundenen Kälberaufzucht berücksichtigt: In Rengoldshausen bleiben Mutterkuh und Kalb im ersten Monat zusammen. Während sie in der industriellen Viehzucht direkt voneinander getrennt werden, betont Mechthild Knösel den Vorteil, Mutter und Kind beieinander zu lassen. Denn es ist die Mutterkuh, die sich am besten um ihr Kalb kümmern kann. Diese intensive Mutter-Kalb-Bindung ermöglicht es, die Kuh zwei Mal täglich zu melken, in einer Qualität, die sich spürbar auf den Geschmack der Milch auswirkt. Und das Kalb? Das wächst gesünder und kräftiger heran. Anschließend geht es in eine Art Kindergarten-Phase und die Kälber treffen nur noch zwei Mal am Tag ihre Mutter für ein bis zwei Stunden. So verläuft die emotional-physiologische Trennung entschleunigt ab. Mechthild Knösel selber hat eine sehr enge Bindung zu ihren Tieren und weiß, wann der richtige Moment ist, die Kleinen von ihren Müttern zu trennen. Ein solch enges Verhältnis zwischen Mensch und Tier kennt Günther Czerkus vom Bundesverband der Berufsschäfer e. V. auch aus seinem Tätigkeitsfeld. Hirten hätten bisher den industriellen Weg vermieden und Schafe würden wie wohl keine andere Tierart größtenteils noch immer zuhause geschlachtet. Profit lasse sich damit natürlich nicht machen erläuterte Czerkus. Aber wegen des Geldes würde auch niemand Schafe halten.
Bild oben: Beim Essen sind die Hähne und Hennen gut beschäftigt. Sie bekommen u.a. Kürbis, Karotten, Kartoffeln und Getreide.
Für die Zukunft braucht es konsequente Entscheidungsträger und kritische Ko-Produzenten
Die Teilnehmer waren von den praktischen Einblicken in die ressourcenschonende Kreislaufwirtschaft und ökologische Tierzucht sehr berührt und es warf Fragen nach Wegen in die Zukunft auf. Diese bündelte Moderator Jürgen Maier vom Forum Umwelt und Entwicklung in der anschließenden Diskussion. Der Gesprächsrunde war insbesondere daran gelegen, die globalen Zusammenhänge zu verstehen. Welche Auswirkungen hat unsere Art, Landwirtschaft im Norden zu betreiben, auf den globalen Süden? Wie verlaufen die großen Handelsbeziehungen beispielsweise bei Produkten wie Soja? Wie kann es sein, dass die externalisierten Kosten unserer Lebensmittel dem Verbraucher nicht in Rechnung gestellt werden? Wer zahlt für Waldrodung, Pestizidverseuchte Böden, klimabedingte Extremwetterereignisse, Landraub? Das Ausmaß an Profit-Interesse der Lebensmittelindustrie sowie die Konsequenzen des Auseinanderdividierens ganzer Produktionszweige über Kontinente hinweg führte immer wieder zu Kopfschütteln im Raum. Vor dem Hintergrund globaler Zusammenhänge betonte Sarah Schneider, Referentin für Landwirtschaft und Welternährung bei MISEREOR, die Bedeutung von Solidarität zwischen Landwirten, die bäuerliche Landwirtschaft betreiben. Das „Wachse oder Weiche“ Prinzip sei ein globales Phänomen, weshalb der Kontakt und die Unterstützung über Grenzen hinweg so wichtig sei. Nur so können dezentrale Strukturen und Unabhängigkeit von den großen Konzernen vorangetrieben werden. Und alle waren sich einig: Die politischen Entscheidungsträger müssen in die Verantwortung genommen werden, um endlich Rahmenbedingungen für eine bäuerlich-ökologischen Landwirtschaft zu schaffen, die auch wirtschaftlich tragbar sei. Rupert Ebner wies darauf hin, dass sich die Politik dafür von den Lobbyisten der Agrarindustrie emanzipieren müsse und machte einen Anruf zur Teilnahme an der „Wir haben es satt!“-Demonstration, die am 20. Januar 2018 in Berlin stattfindet.
Aber, ganz im Slow-Food-Interesse ging es natürlich auch um die klugen und kritischen Verbraucher. Knösel wagte den optimistischen Blick nach vorne. Sie spüre bei vielen Menschen ein inzwischen deutlich kritischeres Bewusstsein und die Bereitschaft, einen angemessen Preis für Lebensmittel zu zahlen. Es sei viel in Bewegung in Richtung Nachhaltigkeit, bei Verbrauchern sowie Berufskollegen. Nichtsdestotrotz brauche es einen langen Atem. Das betonte auch Rupert Ebner und hielt außerdem fest: Genuss am Essen und Ernährung habe nicht unbedingt etwas mit viel Geld zu tun sondern vielmehr mit Wissen rund um das Lebensmittel.
Bild oben: Mechthild Knösel hat eine sehr enge Bindung zu ihren Tieren und weiß, wann der richtige Moment ist, die Kleinen von ihren Müttern zu trennen.
Bild oben: Zum Ausklang des Tages gab es Köstlichkeiten vom Hof und aus der Region.
Alle Bilder: © Slow Food / Rose Schweizer
Hintergrund:
Martin Luther hat vor 500 Jahren mit 95 Thesen auf die Missstände in der vorreformatorischen Kirche hingewiesen und damit auch die Reformation eingeleitet. Als Beitrag zum „Reformationsjahr Luther 2017“ präsentieren Slow Food Deutschland e. V. und Misereor „95 Thesen für Kopf und Bauch“ für eine "Reformation" unserer Ernährung. Sie machen damit auf die eklatanten Missstände und die Reformbedürftigkeit unserer Nahrungsmittelproduktion aufmerksam. Immer mehr Konsumenten möchten wissen, woher ihre Lebensmittel kommen, wie sie hergestellt werden und welche Auswirkungen die Produktionsweise ihres Essens auf Mensch, Tier und Umwelt hat. Slow Food und Misereor unterstützen diesen Prozess aktiv mit zehn Veranstaltungen zu Themen wie Boden, Klima, Essen, Mensch, Pflanzen oder Tiere. Ziel ist es, damit den gemeinsamen Dialog über unsere Ernährung zu verstärken und zu vertiefen.
Mehr Informationen:
Veranstaltungsreihe "95 Thesen für Kopf und Bauch"
Slow Thema: Agrarpolitik – Informationen, Aktionen und Positionen
Die Mobilisierung gegen CETA rief eine der stärksten demokratischen Protestbewegungen seit langer Zeit hervor. Dazu gehörten auch die Stimmen von 3,5 Millionen Bürgern aus ganz Europa, die eine Petition gegen CETA und das Zwillingsabkommen TTIP, das Transatlantische Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA, unterzeichneten.
"Interessen der Kleinerzeuger sind nicht geschützt."
Carlo Petrini, Präsident von Slow Food sagte: „Internationale Freihandelsabkommen sind sinnlos, wenn sie keine sozialen und umweltspezifischen Produktionsstandards garantieren, die die Interessen von Kleinerzeugern schützen. Weder CETA noch TTIP oder TPP tun das. Und auch kein ähnliches Abkommen wird das in der Zukunft tun. Solche Abkommen zu unterzeichnen, kommt einem Verzicht auf die regulatorische und politische Funktion gleich, die in der Hand der Regierungen liegen sollte, und privatisiert damit die Entscheidungsprozesse.”
José Bové, Mitglied des EU-Parlaments, ging noch weiter: „Das Freihandelsabkommen mit Kanada wird gravierende Folgen für europäische und kanadische Bauern haben, besonders in unwirtlichen ländlichen Gebieten, wie Gebirgsregionen. Ich fürchte, dass der fälschliche Schutz von Lebensmitteln mit geschützter Ursprungsbezeichnung zu starken Einbußen für einige echte Qualitätsprodukte führen wird.
Gewinner dieses heutigen Abkommens sind multinationale Großkonzerne. Diese Abstimmung ist eine Niederlage, aber der Kampf geht weiter, denn nun muss CETA von den 28 Mitgliedsstaaten ratifiziert werden. Jedes einzelne Land muss seinen Einsatz dagegen auf europäischer Ebene vervielfachen.
Ich bin überzeugt davon, dass es äußerst wichtig ist, alle bilateralen Verhandlungen zu stoppen und die multilateralen Verhandlungen wieder aufzunehmen, die Sozial- und Umweltrechte berücksichtigen, insbesondere in Bezug auf den Klimaschutz.”
Der Protest geht weiter
Slow Food ruft alle EU-Staaten dazu auf, die Zivilgesellschaft mit einzubeziehen und auf die Stimmen derjenigen zu hören, deren Lebensgrundlage damit auf dem Spiel stünde. Man darf die Bedrohung nicht vernachlässigen, die diese Abkommen für unsere Demokratie an sich darstellen. Es kann nicht sein, dass demokratisch gewählte Regierungen ihre Macht zu Gunsten von Freihandelsabkommen einsetzen, die die Rechte beschneiden, die wir uns als Bürger und Arbeitnehmer erarbeitet haben. Menschen sind wichtiger als Profit! Jetzt sind die Zivilgesellschaften der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten am Zug.
Hintergrund:
Nach der Unterzeichnung von CETA seitens der EU und der kanadischen Regierungen im Oktober 2016 sowie den kontroversen Abstimmungen in einigen Ausschüssen des EU-Parlaments, war die heutige Abstimmung der Plenarsitzung des Parlaments in Straßburg der letzte Schritt auf dem Weg zur Ratifizierung von CETA auf EU-Ebene. Ein Großteil des Abkommens wird nun im Frühjahr 2017 in Kraft treten. Aber das gesamte Abkommen wird erst nach der Ratifizierung der Parlamente in allen 28 EU-Staaten implementiert, einschließlich derer, wo CETA höchst umstritten ist und Volksabstimmungen dazu anstehen.
Mehr Informationen:
Pressemeldung des EU-Parlaments zur heutigen Abstimmung
Slow Thema: Agrarpolitik. Informationen, Aktionen, Positionen
Quelle: Pressemitteilung von Slow Food International vom 15. Februar 2016
Foto: © Stefan Abtmeyer
]]>Ein hoch industrialisiertes Lebensmittelsystem, welches den Klimawandel anheizt, die natürlichen Ressourcen ausbeutet, die Weltmeere verschmutzt und überfischt und der biologischen Vielfalt schadet: Das ist die zentrale Herausforderung, welche die Ernährungssicherung für eine wachsende Weltbevölkerung bedroht. „Zum Welternährungstag fordern wir Politik und Wirtschaft auf, endlich Schluss zu machen mit diesem nachweislich ausbeuterischen System,“ so Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland e. V. „Es gilt die politische Uhr sofort umzustellen, ohne zu zögern. Es kann nur noch gut für alle weitergehen mit einer biologisch nachhaltigen Landwirtschaft, welche kleinbäuerliche Strukturen fördert, lokale Produktionsstätten wiederaufbaut und die Sorten- und Geschmacksvielfalt erhält. Das sichert den Menschen Zugang zu Nahrung sowie Arbeitsplätze in ihrer Region,“ so Hudson weiter.
Bild oben: Bauer mit Hinterwälder Rind, einem Passagier auf der Arche des Geschmacks, einem internationalen Projekt der Slow Food Stiftung für Biodiversität. | © Stefan Abtmeyer
"Enkeltauglichkeit muss auf der politischen Agenda an erster Stelle stehen!"
Ein solcher Systemwechsel in der Lebensmittelproduktion gelingt nur mit einem entsprechenden politischen Willen und konsequentem Handeln. Enkeltauglichkeit muss auf der politischen Agenda an erster Stelle stehen. Die drängenden Ernährungsfragen müssen ganzheitlich und Ministerien übergreifend gelöst werden. Dem Einsatz von Pestiziden, Herbiziden sowie Insektiziden muss durch effektive Richtlinien deutliche Grenzen gesetzt werden und fehlgeleitete Subventionen gilt es umzuschichten.
Allein in Europa ist Landwirtschaft der größte subventionierte Sektor. Die Finanzspritzen aber fließen nicht in die Ökologisierung der Landwirtschaft, sondern in flächenstarke Ackerbaubetriebe sowie zu außerlandwirtschaftlichen Investoren mit viel Bodenbesitz. „Solange die Zukunft von Landwirtschaft und Ernährung in den Händen dieser Akteure liegt, gerät die Ernährungssicherheit immer stärker ins Wanken. Es ruiniert Kleinbauern, schädigt Umwelt und Tier und produziert Überschüsse, die in der Tonne landen oder in andere Länder exportiert werden. Dort zerstören sie die lokalen Märkte,“ erklärt Hudson und weist insbesondere auf den Skandal der Lebensmittelverschwendung hin. Rund ein Drittel der weltweit hergestellten Produkte werden überhaupt nie verzehrt, während über 800 Millionen Menschen unter- und mangelernährt sind. Für diesen ökologischen und ethischen Skandal trägt jeder Verbraucher Mitverantwortung. Denn mit unseren täglichen Kaufentscheidungen nehmen wir Einfluss darauf, welche Kultur des Essens und der Lebensmittelproduktion aufrechterhalten wird.
Veranstaltungsreihe: 95 Thesen für Kopf und Bauch
Um die Debatte zur Reformation des Lebensmittelsystems zu unterstützen, haben Slow Food Deutschland und Misereor im Reformationsjahr das Thesenpapier „95 Thesen für Kopf und Bauch“ veröffentlicht. Die begleitende Veranstaltungsreihe lädt Entscheidungsträger, Experten und Verbraucher bundesweit zu einem gesellschaftlich breit angelegten Dialog ein.
Slow-Food-Kampagne: Menu for Change
International läuft seit Oktober die Slow-Food-Kampagne „Menu for change: Mit Genuss und Verantwortung gegen den Klimawandel“. Verbrauchern werden hier konkrete Lösungen für einen täglich nachhaltigeren Konsum aufgezeigt. Im Rahmen dessen startet am Welternährung die Mitmachaktion „Eat local – Regional, nachhaltig, gut". Bundesweit sind Menschen aufgerufen, sich drei Wochen lang ausschließlich von Lebensmitteln zu ernähren, die gerade Saison haben sowie aus regionaler und handwerklicher Erzeugung stammen. Verbraucher teilen dafür ihre Rezepte und Erfahrungen.
Über den Welternährungstag
Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) hat im Jahr 1979 den 16. Oktober als weltweiten Welternährungstag ausgerufen. Der Gedenktag soll darauf aufmerksam machen, dass weltweit über eine Milliarde Menschen an Hunger leiden.
Quelle: Pressemitteilung von Slow Food Deutschland vom 11. Oktober 2017
Mehr Informationen:
Veranstaltungsreihe: 95 Thesen für Kopf und Bauch
Slow-Food-Kampagne: Menu for Change – Mit Genuss und Verantwortung gegen den Klimawandel
Mitmachaktion/Challenge: Menu for Change. Eat local – Regional, nachhaltig, gut
Slow Thema: Agrarpolitik – Informationen, Aktionen, Positionen
]]>29.9.2017 – Niemand ist vor den Folgen des Klimawandels sicher. Die Erderwärmung zeitigt unabsehbare Folgen, egal, wo wir uns auf dem Planeten aufhalten. Es ist daher höchste Zeit, dass wir Verbraucher als weltweite Gemeinschaft zur Lösung des Klimaproblems beitragen. Ein Kommentar von Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland.
Bodendegradation, überdüngte Böden, Nitratbelastung des Grundwassers, Artensterben, Gesundheitsschäden durch den Einsatz von Pestiziden, das ist nur eine kleine Auswahl an negativem Einfluss, welches das industrialisierte Lebensmittelsystem auf Mensch und Umwelt nimmt. Und dabei sprechen wir noch nicht vom Produkt selbst, sondern nur von den Bedingungen, unter denen es hergestellt wird. Dennoch deutet der fehlende politische und gesamtgesellschaftliche Wille, eine Ernährungswende in Richtung Enkeltauglichkeit konsequent umzusetzen darauf hin, dass wir uns noch nicht betroffen genug fühlen und die Dimensionen der uns bereits umgebenden Katastrophen nicht begreifen. Und das obwohl die Ausbeutung unserer Ressourcen und industrielle Produktion so weitreichende Konsequenzen nach sich zieht: Die Erwärmung des Klimas, die vielen Arten schon jetzt das Leben schwer macht und Gemeinschaften durch Dürren, Überschwemmungen, Stürme sowie durch den Anstieg des Meeresspiegels ihrer Lebensgrundlagen wie Haus und Boden beraubt. Es mag daran liegen, dass wir hierzulande von den Folgen persönlich noch verhältnismäßig wenig spüren oder zu wenig hinschauen: Denn auch unsere Landwirtschaft leidet bereits unter den Konsequenzen der klimatischen Veränderungen.
Warum niemand vor dem Klimawandel sicher ist
Es ist fatal, die Rechnung ohne das Klima zu machen, denn der Klimawandel kennt keine geografischen und nationalen Grenzen. Es gibt keinen Zaun, den wir errichten können, um den Klimawandel fernzuhalten. Wir mögen von den Folgen des Meeresspiegelanstiegs, ferner Überschwemmungen und Dürren noch nichts am eigenen Leib spüren, doch das wird sich schnell ändern, wenn wir dem nicht sofort mit tiefgreifenden Maßnahmen entgegenwirken. Schon jetzt breitet sich der Klimawandel aus und nimmt mit rasantem Tempo Einfluss auf unsere Ernährung. Er versauert unsere Ozeane, streicht vielen Erzeugern durch zu hohe Temperaturen, ausbleibende oder zu starke Regenfälle große Teile der Ernte. Bis zum Jahr 2050 werden voraussichtlich zusätzlich 20 Prozent mehr Kinder an Hunger und Mangelernährung aufgrund von Folgen des Klimawandels leiden. Zusätzlich müssen wir nur an die prognostizierte Zunahme von Klimaflüchtlingen denken und daran, dass auch in Europa Klimakatastrophen zunehmen: Man denke an die sehr heißen und trockenen Sommer in Südeuropa, die in Ländern wie Portugal zu Bränden geführt haben; an veränderte Witterungen, wie ausbleibende kalte Winter, die vor allem der Öl- und Weinproduktion Probleme machen sowie den orkanartigen Stürmen sogar in Deutschland. In puncto Klimawandel ist es fünf vor zwölf und das schon lange. Ohne zielstrebige Maßnahmen setzen wir unweigerlich die Zukunft unserer Nachkommen auf Spiel.
Bild oben: Massai mit Viehherde in Kenia. | © Barbara Assheuer
Wie die Erderwärmung unsere Teller erreicht
Das Buch „Verbrannte Mandeln - Wie der Klimawandel unsere Teller erreicht“ von Wilfried Bommert und Marianne Landzettel macht deutlich, dass der Klimawandel über kurz oder lang uns alle erreichen wird, und zwar nicht nur durch Veränderungen bei Temperaturen und Niederschlägen, sondern als dessen Folge auch über unsere Teller. Die Autoren erläutern, warum die geliebte Kaffeepause von heute Morgen bald der Vergangenheit angehören oder zu einem Luxusgut werden könnte. Von der Schokolade ganz zu schweigen. In Europa machen das Ausbleiben kalter Winter und veränderte Temperaturen der Wein- und Ölproduktion stark zu schaffen und begünstigen Schädlinge. Die Lebensmittelerzeugung wird weltweit durch den Klimawandel vor große Herausforderungen gestellt. Gleichzeitig ist das aktuelle industrielle Lebensmittelsystem auch einer der Hauptantreiber des Klimawandels: Mehr als 40 Prozent aller Treibhaus-Emissionen hängen mit unserer Nahrungsmittelproduktion zusammen, berücksichtigt man nicht nur Anbau und Tierhaltung, sondern auch internationalen Handel, Verarbeitung, Transport, Kühlung, Erhitzung, Zubereitung und Entsorgung von Lebensmitteln. Wenn wir uns dieser Entwicklungen bewusst werden, dann ist die gute Nachricht, dass wir dem Klimawandel entgegenwirken können. Und es gibt sie: Die Leuchtturmprojekte, die den Weg zu einem zukunftsfähigen Lebensmittel- und Produktionssystem weisen und Lösungen auftun. Viele Landwirte haben schon erkannt, dass sie mit und nicht gegen die Natur und ihre Ressourcen arbeiten müssen, wenn sie langfristig Nahrungsmittel erzeugen wollen. Was ist also wie zu tun, das ist die zentrale Frage, der wir uns stellen müssen. Und wenn Politik und Lebensmittelindustrie nicht bereit sind umzusteuern bis es vielleicht zu spät ist, dann müssen wir Verbraucher und Aktivisten es tun und von den Entscheidungsträgern einfordern. Wir müssen den Klimawandel als gesellschaftspolitischen Auftrag erkennen, denn: Sie und ich, entscheiden mit unseren täglichen Konsumentscheidungen und unserem Lebensstil als KoProduzenten mit, in welche Richtung wir gehen und was produziert wird.
Bild oben: Buch-Cover „Verbrannte Mandeln - Wie der Klimawandel unsere Teller erreicht“ von Wilfried Bommert und Marianne Landzettel.
Was wir als Verbraucher tun können
Es gibt viele Dinge, die wir Tag täglich tun können und sollten, um etwas zu bewegen. Die Liste ist lang und scheint erst einmal einfach: angefangen beim Transportmittel, um gute, saubere und fairere Lebensmittel aus der Region zu erwerben. Ja, Verbraucher sollten soweit wie möglich das Auto stehen lassen und stattdessen mit dem Fahrrad einkaufen fahren, oder die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen – damit wir nicht mit den letzten ‚dirty miles’ die positive Klimabilanz guter Lebensmittel zunichte machen. Der bereits angestoßene Abschied von der Plastikeinkaufstüte sollte weiter unterstützt werden, die Lebensmittel im Stoffbeutel verstaut werden. Und selbstredend sollten wir außerdem versuchen, die Menge an Verpackungsmüll, vor allem Plastik, bei Lebensmitteln deutlich zu reduzieren, indem wir lose Ware kaufen. Beim Thema Wasser sollte auf Mehrwegflaschen statt Einwegflaschen gesetzt werden. Grundsätzlich gilt es schonend mit der Ressource Wasser umzugehen, sei es aus der Flasche oder aus dem Kran. Und beim Lebensmittel selber: Hier ist das knubbelige Obst und Gemüse die charmantere und manchmal sogar geschmackvollere Alternative.
Warum regional, bio und fleischlos besser ist
Ein positiver Ansatz ist auch Lebensmittelverschwendung zu vermeiden. Dazu kann man sich vor dem Einkauf genau überlegen, was man in welchen Mengen braucht. Und bevor man ein Lebensmittel entsorgt, lohnt es sich, dieses erst mal zu probieren, denn das Haltbarkeitsdatum ist ein Richtwert, oft sind Lebensmittel aber noch weit über darüber hinaus gut und schmackhaft. Wenn man dann noch nach saisonalen Erzeugnissen aus der Region und dem Bioanbau zurückgreift, tut man dem Klima noch mehr Gutes, denn Bio-Produkte aus der Region verursachen meist geringere Treibhausgasemissionen als vergleichbare konventionelle Produkte. Beim Fleisch und anderen tierischen Produkten gilt: Empfehlenswert ist nur wenige Male pro Woche auf tierische Produkte zurückzugreifen. Dafür sollten die Produkte aber aus bodengebundener Weidehaltung stammen. Die Vorzüge und die Vielfalt fleischloser Alternativgerichte müssen noch populärer werden. Wir müssen anfangen in Kreisläufen zu denken: Wie können Ressourcen oder Produkte wieder- und weiter verwertet werden, statt zu früh auf dem Müllberg zu laden? Welche alternative Nutzungsformen gibt es? In großen europäischen Städten haben sich schon ganz bemerkenswerte Bewegungen der ‚sharing community‘ herausgebildet. Durch Kleidertausch-Events, Car-sharing, Repair Cafes, Lebensmittel-Tauschmärkte, Einkaufsgemeinschaften und „Free your stuff“-Initiativen wirken viele Bürger der Konsum- und Wegwerfgesellschaft mit einer Philosophie des gemeinsamen Handelns, Teilens, Weitergebens und Wiederverwertens entgegen!
Wie wir in der Gemeinschaft den Wandel bewältigen
Die positive Nachricht ist: Dieser respektvollere Umgang mit unserem Planeten tut auch unserem Geldbeutel gut! Wenn wir Ressourcen wie Wasser, Strom, Energie, Lebensmittel, Benzin etc. sparen, dann sparen wir bares Geld. Wenn wir unsere Alltagsgewohnheiten klimafreundlicher gestalten, tun sich viele Möglichkeiten des sozialen Miteinanders auf, denn wir blicken gemeinsam über den Tellerrand. Und das kann eine Menge bewegen, denn die Kraft vieler kann Großes bewegen! „They are giants but we are millions“ - mit diesem Satz der Bekräftigung zogen beim letzten Terra Madre Salone del Gusto Tausende von Menschen aus aller Welt durch die Turiner Innenstadt. Slow Food ist von der Energie und der Wandlungsfähigkeit durch die Gemeinschaft überzeugt und das stimmt mich hoffnungsvoll, dass die Folgen des Klimawandels begrenzt werden können.
Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland e. V. | © Holger Riegel
Mehr Informationen:
Menu for Change: Slow-Food-Kampagne gegen den Klimawandel
Slow Thema: Klimawandel und Ernährung
Vom 29. September bis 31. Dezember 2017 läuft die internationale Slow-Food-Kampagne „Menu for Change – mit Genuss und Verantwortung gegen den Klimawandel“. Mehr über die Kampagne und die Mitmach-Aktionen finden Sie unter Menu for Change
Schwerpunkt des 320 Seiten starken Jahrbuches ist diesmal das Thema „Wasser“. Ohne Wasser ist Leben auf unserem blauen Planeten nicht möglich. Für die Menschen ist Wasser als Trinkwasser unverzichtbar, aber ohne Wasser wachsen auch alle anderen Lebensmittel nicht. In vielen Regionen dieser Welt ist Wasser eine enorm knappe Ressource und gleichzeitig sind Quantität und Qualität des Wassers durch zu intensive Formen der Landwirtschaft bedroht.
Frieder Thomas, Geschäftsführer des Bündnisses von 25 Verbänden aus Landwirtschaft, Umwelt-, Tier- und Verbraucherschutz sowie Entwicklungsarbeit, machte deutlich, dass enorme Anstrengungen zum Schutz des Wassers notwendig sind. Gleichzeitig müssen Rahmenbedingungen unterstützt und geschaffen werden, die es den Landwirten ermöglichen, wasserschonend zu wirtschaften.
Verschärfung des Düngerechts
Wegen der massiven Boden- und Gewässerverunreinigungen durch die intensive Landwirtschaft forderte der Vorsitzende des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Hubert Weiger, eine deutliche Verschärfung des Düngerechts. Leider habe es erst der Klage der EU-Kommission gegen Deutschland bedurft, damit Agrarminister Christian Schmidt die Novelle der Düngeverordnung nicht länger verschleppe. Aber auch was derzeit geplant sei, reiche nicht aus. Nötig seien grundsätzliche Veränderungen bei der Nutztierhaltung. „Die Hälfte der 700 Messstellen unter landwirtschaftlich genutzten Flächen weist deutlich erhöhte Nitratwerte auf, an jeder vierten Messstelle wird der Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat pro Liter Wasser überschritten. Drei Viertel unseres Trinkwassers werden aus Grundwasser gewonnen, immer aufwändiger müssen es die Wasserwerke reinigen und am Ende werden die Kosten einer falschen Agrarpolitik auch noch der Allgemeinheit aufgebürdet. Künftig muss die Landwirtschaft weniger Gülle produzieren, die Methoden der Düngung müssen sich verändern und die industrielle Tierhaltung muss zurückgefahren werden. Es dürfen nur noch so viele Tiere gehalten werden wie Fläche zum Futteranbau vorhanden ist“, sagte Weiger.
Nationale Nutztierstrategie und Kennzeichnung
Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, verwies auf den aktuellen Bericht der Bundesregierung zur Nitrat-Belastung des Grundwassers: „Der Bericht verdeutlicht eindrücklich, dass die auf höchste Produktivität ausgerichtete Intensivtierhaltung ein hohes Kontingent an Wasser benötigt und die Umwelt belastet. Je pflanzlicher unsere Ernährung, desto höher der Schutz unserer Wasserressourcen. Dies ist auch der direkteste Weg zu mehr Tierschutz.“ Um Transparenz und Planungssicherheit für Landwirte zu gewährleisten und um dem gesellschaftlichen Wunsch nach mehr Tierschutz im Stall Rechnung zu tragen sprach sich Schröder für eine nationale Nutztierstrategie aus. Er begrüßte die Bestrebungen von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt, ein staatliches Tierschutzlabel zu etablieren. Dieses müsse jedoch von Änderungen des Tierschutzgesetzes flankiert werden. So dürften beispielsweise Tiere nicht mehr aufgrund von Ausnahmen im Gesetz manipuliert werden, um Defizite in der Haltung auszugleichen oder bestimmte Produktionsziele zu erreichen.
EU-Agrarreform und Freihandel: Gerechte Gestaltung von Agrarpolitik und Agrarmärkten
Für den Vorstandssprecher des AgrarBündnis e.V., Bernd Voß von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), ist sauberes Wasser Ergebnis und Antrieb für eine Wende hin zu einer neuen Agrarkultur: „Wir müssen die Agrarpolitik auch schon vor 2020 sozial gerechter und ökologisch effizienter gestalten. Die letzte EU-Agrarreform hat den Mitgliedsländern Möglichkeiten eröffnet, die kaum genutzt werden. Es ist möglich, das Greening wirksamer zu gestalten oder mehr Mittel auf die ersten Hektare je Betrieb umzuverteilen. Man könnte auch 15 Prozent anstatt, wie in Deutschland, nur 4,5 Prozent der Direktzahlungen für zielgerichtete Maßnahmen der ländlichen Entwicklungsprogramme verwenden. Die Entscheidungen für eine Umschichtung muss jedoch bis August 2017 gefallen sein – und zwar bei uns in Deutschland. Das Geld wird dringend benötigt, beispielsweise um den Umbau der Tierhaltung auf möglichst vielen bäuerlichen Betrieben einzuleiten.“ Gleichzeitig forderte Voß wirksame Instrumente am Markt: „Wir müssen die auf billigen Export setzende Überproduktion ausbremsen. Ruinöse Preise sind eine Entwertung bäuerlicher Arbeit.“ Voß sprech sich deutlich für internationale Zusammenarbeit aus: „Die Verbände des Agrarbündnisses sind seit Jahrzehnten global aktiv und unterstützen einen fairen Austausch von Ideen, Waren und Dienstleistungen. Was uns aber in den Freihandelsverträgen wie CETA oder TTIP aufgetischt wird, dient nur den Interessen multinationaler Konzerne und zerstört vielfältige bäuerliche und regionale Strukturen.“
Zugang zu Land für bäuerliche Landwirtschaft und die Generation der Einsteiger
„Bauernland in Bauernhand, dieser Grundsatz des deutschen Grundstückverkehrsgesetzes wird zunehmend Makulatur und von der Agrarpolitik selbst unterlaufen“, kritisiert Demeter-Vorstandssprecher Alexander Gerber die Situation am landwirtschaftlichen Bodenmarkt. Da sich die Preise je Hektar nicht mehr am Ertragswert des Bodens orientieren, sondern das Preisniveau um bis zu 380 Prozent darüber liegt, können Bauern ihr Vorkaufsrecht nicht mehr ausüben. Das Land fällt Investoren zu. „Landgrabbing findet mitten unter uns statt“, sagt Gerber. Durch falsche Anreize hat die Agrarpolitik zu dieser Entwicklung beigetragen; beispielsweise durch eine unverhältnismäßig hohe Förderung von Biogas. So wird für landwirtschaftliche Quereinsteiger, die in vielen Berufsschulen bereits die Mehrheit bilden, die Übernahme eines Hofes nahezu unmöglich. Initiativen aus dem Demeter-Umfeld – wie die BioBoden-Genossenschaft, die Kulturland-Genossenschaft oder die Regionalwert-AGen — stellen der Entwicklung am Bodenmarkt zukunftsfähige Modelle entgegen. Sie kaufen Land auf, entziehen es damit der Spekulation und stellen es Bauern für die ökologische Landwirtschaft zur Verfügung. Gerber entlässt die Politik aber nicht aus Ihrer Verantwortung: „Ein erster wichtiger Schritt muss sein, dass künftig nur noch das Erbringen ökologischer und sozialer Leistungen durch aktive Landwirte finanziell von der EU honoriert wird“, schlussfolgert Gerber. Bürgerprotest für eine bäuerliche Landwirtschaft Um einer bäuerlichen Landwirtschaft zum Durchbruch zu verhelfen, sei es gut, die besseren Argumente zu haben; die könne man im Kritischen Agrarbericht finden, so AgrarBündnis-Geschäftsführer Frieder Thomas. Man müsse jedoch nicht nur gut argumentieren, sondern auch in der öffentlichen Diskussion hartnäckig bleiben und zeigen, wie stark der Wunsch nach einer Veränderung in der Gesellschaft verbreitet sei.
Deshalb ruft das AgrarBündnis auf, sich am 21. Januar 2017 in Berlin an der von über 40 Organisationen der Zivilgesellschaft getragenen Demonstration „Wir haben es satt“ zu beteiligen. Die Veranstalter der Demonstration erwarten am Samstag in Berlin wieder mehrere 10.000 Menschen.
Der kritische Agrarbericht 2017
Broschiert, 320 Seiten, 24 Euro
Verlag: Abl Bauernblatt Verlag;
Auflage: 1 (19. Januar 2017)
ISBN: 978-3-930413-60-7
Quelle: Pressemitteilung des AgrarBündnisses vom 19. Januar 2017
Mehr Informationen:
Kritischer Agrarbericht (Online Version)
]]>Für den Gourmand World Cookbook Award reichen Verleger und Herausgeber jedes Jahr Bücher bzw. Magazine ein, die zwischen Oktober des Vorjahres und September des laufenden Jahres publiziert worden sind. In der Jury sitzen professionelle Literaturkritiker und Experten der Kulinaristik, u.a. Edouard Cointreau, der den Award 1995 ins Leben gerufen hat. Jeweils Mitte Dezember gibt die Jury die Finalisten aus rund 200 Ländern in unterschiedlichen Kategorien bekannt, die im Folgejahr an der internationalen Best-of-the-World-Auszeichnung in Yantai/China teilnehmen.
Das Journal Culinaire erscheint zwei Mal im Jahr zu einem ausgewählten Thema der Kulinaristik. Durch kenntnisreiche und engagierte Artikel von wissenschaftlich und praktisch arbeitenden Menschen im faszinierend-vielfältigen Lebensfeld „Essen und Trinken“ wird der Blick des Lesers nicht nur geschärft, sondern für das Thema auch grundlegend vertieft und geweitet. Das Heft-Profil ist multiperspektivisch. Das macht das Journal Culinaire zu einem raren „Pflänzchen“ in der Magazinlandschaft. Stilsicher bewegt es sich mit vielen anderen in einem vollen Pool und stellt jetzt eindrucksvoll unter Beweis, dass es als Trendsetter-Magazin große Wellen schlagen kann!
Martin Wurzer-Berger
Herausgeber Martin Wurzer-Berger (links) aus Münster ist seit zwei Jahrzehnten im kulinarischen Literaturbetrieb unterwegs. Er ist Herausgeber und Chefredakteur des Journal Culinaire, Buch- und Zeitschriftenautor, Lektor, Referent auf ernährungspolitischen Podiumsdiskussionen, Lehrbeauftragter an der FH Münster und dort Mitbegründer des food lab, Vorsitzender der Deutschen Akademie für Kulinaristik und Initiator der alljährlichen „Münsteraner Kamingespräche zur Kulinaristik“.
Der 54-Jährige ist auch ein Brückenbauer zwischen den Disziplinen Wissenschaft und Lebensmittel-Handwerk. Bislang gibt es fast 300 Autorinnen und Autoren, die besten ihrer Zunft: Bäckermeister, Winzer, Köche, Produzenten und Erzeuger herausragender Lebensmittel. Den wissenschaftlichen Kontext der Kultur des Essens und Trinkens liefern namhafte Natur-, Geistes- und Kulturwissenschaftler. Der Journal-Charakter ist zwischen Magazin und Dokumentation angesiedelt. Eine klare, leicht verständliche Kommunikation auch bei längeren Textstrecken ist gewährleistet. Fotos, Zeichnungen, Grafiken sind pur und pointiert in die Gestaltung eingebunden. Der Verlag feierte im November 2017 sein „No.-25-Journal-Culinaire-Jubiläum“.
Bei Slow Food Deutschland leitet Martin Wurzer-Berger die Wein-Arbeitsgruppe in der Qualitätskommission.
Thomas Vilgis
Mitherausgeber Thomas Vilgis ist Physiker am Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz. Er arbeitet in vielen Publikationen die naturwissenschaftlichen Grundlagen des Kochens und Essens heraus.
Leseproben:
Journal Culinaire, Heft 24/2017: Noch einmal Schokolade
Journal Culinaire, Heft 25/2017: Obst und Gemüse konservieren
Mehr Informationen:
]]>Empörung, Schelte, Hohn und Spott. Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) hat mit seiner Verbotsforderung für die Bezeichnungen vegetarischer und veganer „Würste“ und „Schnitzel“ eine heftige Abfuhr bekommen. Nicht nur der Deutsche Vegetarierbund und die Herstellerfirmen wehren sich gegen den Vorstoß. Auch von den Verbraucherschutz-Ämtern kommt deutlicher Gegenwind. Und das zu Recht: Das zentrale Argument von Schmidt, dass die Pseudo-Fleischgerichte eine „komplett irreführende“ Bezeichnung hätten und damit den Verbraucher verunsichern oder gar täuschen, ist barer Unsinn. Niemand wird hinter einer Veggie-Salami etwas anderes vermuten als ein Produkt, das von der Lebensmittelindustrie mit vegetarischen oder veganen Zutaten auf einen salamiähnlichen Geschmack und entsprechendes Aussehen hingetrimmt wurde. Dasselbe gilt für vegetarische Bratwürste, Soja-Rinderfilet, vegane Griller und ähnliche Ersatzangebote. Die Verbraucher wünschen sich sogar solche Bezeichnungen als grobe Orientierung. Bisher sind deutschlandweit auch kaum Einkäufer aufgefallen, die eine echte Wurst kaufen wollten und irrtümlich mit der Veggievariante aus dem Laden rauskamen.
Bild oben: Jaap Korteweg ist Landwirt in neunter Generation und Gründer von "Der Vegetarische Metzger". Wenn der das Beil schwingt, muss die Möhre bluten. | © Der Vegetarische Metzger
Schaurige Zutatenlisten
Das Problem ist nicht der Name, sondern das was häufig drin ist: nämlich eine hochprozessierte, mit unzähligen Zusatz- und Konservierungsstoffen zusammengerührte Nahrungsmasse. Typisch dafür sind die Ergebnisse beim „Test“ vegetarischer „Fleischprodukte“: Fünf Bratwürste und ein Schnitzel enthielten Besorgnis erregende Mengen an Mineralölbestandteilen. Was haben die in Lebensmitteln zu suchen? Gute Frage! Dazu kommt der gummiartige Geschmack etlicher Produkte. Kein Mensch, der sich ernsthaft um eine vernünftige Ernährung mit weniger Fleisch bemüht, hat solche Fleisch-Alternativen verdient.
Schmidt stößt sich aber nicht an den indiskutablen Zutatenlisten und der Denaturierung solcher Produkte, sondern an ihrer Bezeichnung. Dass der Minister im engen zeitlichen Zusammenhang auch noch mehr Schweinefleisch in der Gemeinschaftsverpflegung für Schulen und Kindergärten fordert, verstärkt den Verdacht, dass es ihm im Kern nicht um Verbraucherschutz geht, sondern um Interessenpolitik für die kriselnde heimische Fleischindustrie.
Verbraucher flüchten vor den Perversionen
Eine wachsende Zahl von Verbrauchern reduziert inzwischen ihren Fleisch- und Wurstkonsum. Wir von Slow Food finden das richtig. Das beunruhigt aber die Fleischbranche. Als Konsequenz versucht man jetzt, die Ersatzprodukte mit einer Verbotspolitik zu überziehen. Schmidt sollte sich lieber um die Ursachen des Veggiebooms kümmern. Es sind vor allem die Perversionen der Massentierhaltung, die immer mehr Verbraucher in die ethisch-moralisch begründete Flucht treiben, notfalls hin zu Veggiewürstchen aus dem Chemiebaukasten.
Es ist sicher nicht zufällig, dass der Minister mit seinen Verbotsforderungen zu einem Zeitpunkt um die Ecke kommt, da die Fleischersatzprodukte ein rasantes Wachstum hinlegen und der Fleischverbrauch stagniert. Wenn es Schmidt tatsächlich um den Kampf gegen Verbrauchertäuschung ginge, dann hätte er ein weites Feld zu beackern. Dann müsste dies der Auftakt für eine großartige Kampagne für kulinarische Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit sein. Fangen wir doch mal an: Kalbsleberwurst enthält kaum Kalb, dafür aber reichlich Schwein. Vanilleeis kommt meist ohne jede Vanille aus, aber nicht ohne das weich gezeichnete Bild der entsprechenden Schote auf der Verpackung. Karottensaft wird zu großen Teilen aus Orangen gewonnen, Thüringer Buttermilch kommt aus Bayern, schwarze Oliven sind geschwärzt. Und der Himbeer-Rhabarbersaft von Netto enthält – Tusch! – amtlich festgestellte 0,1 Prozent Saft aus den bezeichneten Quellen.
Wenn in Wildpasteten das Schweinchen grunzt
Es geht endlos weiter. In der Wildpastete grunzt munter das Hausschwein, ein Granatapfel-Erfrischungsgetränk aus der Region Saar-Hunsrück hat nie einen Granatapfel gesehen, dafür aber eine doppelte Portion Granatapfel-Aroma. Und wie viel Milligramm Leber sind eigentlich in Leberkäse und Leberwurst enthalten? Verbrauchertäuschung, Irreführung, Betrug – es gäbe viel zu tun. Der Minister packt es lieber nicht an und bekämpft stattdessen die neue Veggiebewegung mit bezeichnungsrechtlichen Pirouetten. Die Antwort auf sein inkriminiertes Veggieschnitzel wird er am 21. Januar zu hören bekommen. Dann heißt es wieder: Wir haben es satt! Verbraucher demonstrieren für eine andere Landwirtschafts- und Verbraucherschutzpolitik. Die muss sehr viel mehr zu bieten haben als die Umbenennung von Veggie-Wurst zu Veggie-Vurst oder Veggieschnitzel zu vegetarischem Bratstück.
Quelle: Pressemeldung vom 3. Januar 2017 von Slow Food Deutschland
Weitere Informationen:
]]>Die Verzichts Vokabel, das böse V-Wort, wird immer wieder gern bemüht, um verantwortungsvolle Ernährungsstrategien zu diskreditieren. Verzicht ist ein angstbesetzter Begriff, der gesellschaftlich auf wenig Gegenliebe stößt. Verzicht, das klingt nach Fahrrad-Hosenklammer, nach Kerzenlicht und kaltem Hintern. Für die Ernährung heißt das: Hier der pralle Einkaufskorb des fröhlichen Genussmenschen mit Fisch und Fleisch, Wurst und Käse satt – dort die sauertöpfischen Verzichtsmoralisten mit Dinkelauflauf und Kamillentee.
Im Bild oben: Saisonales, farbenfrohes, wärmendes und schmackhaftes Wintergericht - Kürbissuppe. Ein Verzicht? | © Katharina Heuberger
Wir verzichten! ... auf Vielfalt, Qualität, Gesundheit und Glück
Was bei dieser Sichtweise immer wieder und ganz systematisch ausgeblendet wird: Gerade der Status quo unserer gegenwärtigen Lebensweise wird mit ständigen gravierenden Verzichtsleistungen erkauft. Wir müssen, angesichts unseres absurd hohen Fleischkonsums, auf eine artgerechte Haltung unserer Nutztiere verzichten. Wir verzichten auf intakte Ökosysteme, auf ein schönes Landschaftsbild mit vielen Tieren auf der Weide. Wir verzichten zunehmend auch auf biologische Vielfalt, auf den herrlichen Jackpot der Natur mit all ihren Spielarten.
Wir verzichten nicht nur auf glückliche Kühe, sondern vor allem auch auf glückliche Landwirte, Tierhalter, Fischer. Auch die eigene Gesundheit bleibt teilweise auf der Strecke, wie die Zunahme ernährungsbedingter Krankheiten von Diabetes bis Adipositas zeigt. Wir verzichten auch auf die Gesundheit unserer Nutztiere, auf ihr Wohlbefinden, ihre Integrität. Wir verzichten auf das gute Gefühl beim Essen, das zunehmend mehr Menschen nur dann haben, wenn auch die „inneren“ Werte eines Lebensmittels stimmen. Es reicht eben nicht, wenn das Produkt nahrhaft ist und schmeckt. Zur Qualität eines Lebensmittels gehört nicht nur die schöne Optik und der feine Gaumenabdruck. Qualität heißt auch, dass die Herstellung der Nachhaltigkeit gehorcht, ohne Pestizidorgien und Antibiotika, ohne Tierquälerei – dafür mit fairer Bezahlung in der gesamten Herstellungs- und Handelskette. Die Produkte und Lebensmittel sollen authentisch sein und nicht durch künstliches Geschmacks-Tuning verfälscht werden. Sie müssen gesund sein und dürfen nicht mit hohen Zucker- und Fettanteilen suchtähnliche Abhängigkeiten schaffen.
Beim Fisch verzichten wir seit vielen Jahren auf angemessene Erträge der Wildfischerei. Unsere überdimensionierten Schiffsflotten haben die Meere in vielen Regionen der Welt weit übernutzt. Deshalb stagnieren die Wildfänge seit den 1990er Jahren oder gehen sogar zurück. Es ist reine Mathematik: Mit kleineren Fischportionen auf unserem Teller könnten wir dafür sorgen, dass die Fischbestände sich erholen und nach einigen Jahren wieder intakt sind. Die Konsequenz: Selbst bei einer streng nachhaltigen Fischerei wären dann womöglich größere Entnahmen möglich. Wer dagegen bei ohnehin schon abgefischten Meeren die immer kleineren Fische vor der Geschlechtsreife wegfängt, darf sich am Ende nicht wundern, wenn die Erträge weiter schrumpfen.
Im Bild oben: Selten geworden – eine Herde Rotes Höhenvieh auf einer artenreichen Wiese. Das Rote Höhenvieh ist Passagier in der Arche des Geschmacks, einem internationalen Projekt der Slow Food Stiftung für Biodiversität. | © Rotviehof am Jurasteig, Familie Graml
Ein wenig Verzicht könnte langfristig viele Teller füllen.
Ein wenig Verzicht könnte sich im besten Fall umkehren zur reich gedeckten Tafel. Es ist immer wieder erstaunlich, dass selbst so einfache Zusammenhänge ignoriert werden. Denunziert werden nicht die Gier und Maßlosigkeit, sondern der verantwortliche Umgang mit Ressourcen, die Vernunft. Aber was steht eigentlich unserer Vernunft im Wege, um uns herum und in uns selbst? Dass weniger mehr sein kann, spürt jeder. Und dass unser gegenwärtiger Fleisch- oder Fischkonsum nicht zukunftsfähig ist und auf Kosten anderer erkauft wird, ist keine neue Erkenntnis. Dann ziehen wir daraus doch endlich Konsequenzen und freuen uns über die neue eigene Ernährungskompetenz – oder über die spannende Wegstrecke des Erlernens von Kompetenzen auf dem Teller und weit über seine Ränder hinaus! Freuen wir uns über die Bereicherung durch das Weniger. Dann schmeckt’s auch gleich besser!
Eine Bewegung formiert sich.
Menschen, die gut, sauber und fair essen und z. B. Fleisch und Fisch in Maßen genießen, sind natürlich alles andere als Kostverächter. Mit dieser Einstellung bin ich nicht alleine! Eine neue Studie der Universität Göttingen hat ergeben, dass 10 Prozent der Deutschen mittlerweile als „Foodies“ charakterisiert werden können, Menschen also, die sich durch eine überdurchschnittliche Kochleidenschaft, eine rege Teilnahme an kulinarischen Events sowie ein ausgeprägtes Genussempfinden von anderen Verbrauchergruppen unterscheiden. Zudem zeichnet sie eine Vorliebe für neuartige Lebensmittel und Gerichte sowie ein hohes subjektives Wissen über und ein großes Interesse an Ernährung aus.
Weitere 20 Prozent wurden von den Forschern als „Foodies light“ bezeichnet – insgesamt sind also fast ein Drittel der Deutschen einer vernünftigen Ernährungsweise zugetan. Damit könnten wir alle viel bewegen, doch ist, auch das ist Aussage der Studie, was wirkliche Lebensmittelkenntnis angeht, noch viel Luft nach oben. Nehmen wir es als Herausforderung! Gutes, sauberes und faires Essen, so darf man wohl sagen, ist Trend, ist von der Avantgarde fast schon auf dem Weg zum Mainstream und breitet sich in immer weitere Bevölkerungsgruppen aus. Dies beinhaltet sicherlich auch Verzicht in einzelnen Bereichen, was aber durch die Vielzahl von möglichen Entdeckungen und Wiederentdeckungen mehr als wettgemacht wird.
Bildung statt Belehrung
Eines muss aber klar sein: Andere Ernährungsformen können nicht ex cathedra verkündet werden, was das Desaster des Veggie-Days im Bundestagswahlkampf 2013 exemplarisch gezeigt hat. Vielmehr muss klar kommuniziert werden, was die Auswirkungen einer übermäßigen Ernährung sind! Dies beinhaltet nicht nur die 60 Kilogramm jährlichen Fleischverzehrs pro Kopf, welcher laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. um fast die Hälfte verringert werden sollte, sondern z. B. auch die externalisierten Kosten durch den übermäßigen Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden bei konventionellem Anbau, sowie die Erzeugung von Tierleid, wenn frisch geschlüpfte Hühnchen geschreddert werden und Schweine nie das Tageslicht sehen.
Insofern ist die Forderung an die Politik gerade im Wahljahr 2017 klar: Wacht auf und tut etwas! Bildet Verbrauchern wirklich, ganzheitlich, nicht mit verengtem Blick auf Nährstoffe und Pyramiden, bildet sie so, dass sie wissen, was gute und zukunftsfähig erzeugte Lebensmittel sind, dass sie wissen, wie gut solche Lebensmittel schmecken. Lebensmittelbildung muss zu freudvollen und verantwortungsvollen Ess-Entscheidungen befähigen.
Dazu gehört, zu erkennen und erfahren zu haben, dass Geschmacksvielfalt nicht aus den Laboren der Lebensmittelchemiekonzerne, den Baukästen von Zusatz- und Hilfsstoffen kommt, sondern nur dann entstehen kann, wenn es da draußen eine große Vielfalt an Sorten und Rassen gibt, Getreide, Gemüse, Obst und auch Tieren, die dann schonend, kenntnisreich weiterverarbeitet werden. Und diese Vielfalt ist an jedem Ort der Welt kulturell gebunden anders: D. h., wenn es bio-kulturelle Vielfalt gibt, dann besteht Voraussetzung für wirkliche Geschmacksvielfalt.
Genuss braucht seine Zeit.
Geschmack und Qualität entstehen auch nur dann, wenn Lebensmittel und ihre lebendigen „Grundlagen“ Zeit zum Wachsen und Reifen haben. Ochsen etwa, die mehrere Jahre auf die Weide dürfen, Käse, der natürlich reifen darf und nicht in Folie geschweißt wird, Fleisch und Wurst, die Zeit zur Reife bekommen, Sauerteig-Brot mit langer Gehzeit und so fort. Solche Lebensmittel bilden Geschmacksfülle und -tiefe aus, mit ihnen lernt man Freude an gutem Essen. Solche Lebensmittel sind Gewinn und Bereicherung und sie machen Lust darauf, die Zusammenhänge vom Teller hinaus in die Verarbeitung und die Urerzeugung, d. h. die Landwirtschaft, zu erkennen.
Also: Wacht endlich auf und bildet – befähigt zur Erkenntnis, dass Essen extrem politisch ist und dass Systemdenken erforderlich ist, wenn sich wirklich etwas verändern soll. Am wichtigsten ist die kulinarische Bildung der nachwachsenden Generation! Bringt den Bürgern den Wert von ressourcenschonend erzeugtem, von regionalem und saisonalem Essen nahe, lasst die Menschen endlich wieder Hand anlegen, kochen, gut und nahrhaft essen! Wenn in Brasilien 30 Prozent der Nahrungsmittel, welche in Schulkantinen verbraucht werden, von lokalen Kleinbäuerinnen und Kleinbauern stammen müssen – warum gelingt ein solches Projekt nicht in Deutschland? Was könnte denn z. B. das Höfesterben besser aufhalten und die Beziehung der jungen Generation zum Essen und zur Landwirtschaft besser stärken als das Wissen, von welchem Hof die Milch stammt und was die Kuh gefressen hat?
Lernen, was man isst.
Kurz und gut: Nur mit durchdachten, ganzheitlich und langfristig angelegten Strategien, die Wissensaufbau, Kompetenz und unmittelbare Erfahrung rund um Essen in den Mittelpunkt stellen, kann eine Situation geschaffen werden, die ökologisch nachhaltige Produktion mit besserer, fairerer, freudvollerer Ernährung kombiniert. Dies ist ambitioniert, ja, aber nicht weniger erwarten wir von den zur Wahl stehenden Parteien!
Quelle: Text mit freundlicher Genehmigung des Forums Umwelt und Entwicklungaus aus dem Rundbrief 4/2016 Gutes Essen – schlechtes Essen. Strukturwandel wohin? Seite 24f
Mehr Informationen:
Rundbrief 4/2016 des Forums Umwelt & Entwicklung (PDF)
Ort des Geschehens war das Künstlerdorf neben der Tempelanlage des „Baan Kang Wat“ in Chiang Mai. Dazu planten die Slow Food Convivien Chiang Mai, die Slow Food Youth Thailand und ein Slow-Food-Vertreter aus Düsseldorf ein gemeinsames Festival. Im Mittelpunkt des Tages stand die Förderung und Erhaltung der biokulturellen Vielfalt, der damit verbundenen kulinarischen Traditionen, sowie die Wertschätzung regionaler Esskulturen Nord- und Südthailands.
Die Gemeinde der Interessenten und Förderer wächst
Es gibt unzählige Märkte in und um Chiang Mai, die die Stadt, die privaten Haushalte und die Gastronomie mit landwirtschaftlichen Produkten versorgt. Stark behandelte und genetisch modifizierte Waren werden jedoch nach wie vor vertrieben. Unter der Bevölkerung, den Köchen und den Besuchern der Stadt zeichnet sich ein immer stärker werdendes Verlangen nach unbehandelten, d. h. biologischen und nachhaltig angebauten Waren ab.
Das erste „Good Seeds, Good Food“ Fest fand im letzten Jahr im kleineren Rahmen im Tapae-East-Kulturzentrum statt, in diesem Jahr hat sich die Anzahl der Aussteller und Besucher bereits versechsfacht. Zusammenschluss der Befürworter und Organisatoren, regionale landwirtschaftliche Betriebe, lokale und überregionale Köche sowie Fördergruppen schlossen sich zusammen, um dieses veränderte und ständig wachsende Bewusstsein zu feiern. Dieser Slow-Food-Aktionstag wurde ein „Tag der Bildung“ durch eine Vielzahl unterschiedlicher Informationsveranstaltungen und kostenloser Verkostungen für alle Teilnehmer und Besucher.
Bild oben: Zwei Jungbauern kochen und verkaufen ihre Produkte auf dem Markt
Köstliche Bildung für die heranwachsende Generation
Kinder waren nicht nur Besucher der diesjährigen Veranstaltung sondern aktive Mitwirkende. Die regionale Projektgruppe „Food for Change“ bietet interessierten Jugendlichen eine Plattform. Ein außerschulischer Lernort für Heranwachsende, die sich für Landwirtschaft, Lebensmittel und deren Zubereitung interessieren. Sie bereiteten non-GMO Kostproben für die Besucher des Festivals vor, informierten Gäste an ihrem Saatgut-Tauschstand über die Notwendigkeit von Saatvielfalt und beteiligten sich am musikalischen Rahmenprogramm des Tages.
Im Bild: Kindergruppe gegen GMOs
Das Rahmenprogramm des Tages Anbieter der Region eröffneten den „Good Seeds, Good Food“ Tag mit einem Markt. Sie boten Waren aus ausschließlich biologisch- und nachhaltiger Landwirtschaft zum Kauf an. Das landwirtschaftliche Schulungszentrum „Pun Pun“ oder „Food for Change“ informierte die Besucher beim Kauf und versorgte die Teilnehmer der späteren Kochveranstaltungen mit frischen Zutaten. Jeder einzelne Anbieter des Marktes steuerte ebenso „50 kleine Happen“ für den langen Verkostungstisch am Ende des Aktionstages bei.
Im Bild: Kinderaktivitäten auf dem Festival
Gemeinsames Kochen für einen guten Zweck
Die Kocharena lud nachmittags dazu ein, die frischen Zutaten des Marktes zu probieren. Bei der Zubereitung ihrer Speisen informierten lokale und überregionale Kochgrößen die Gäste über kulinarischen Traditionen und die Wertschätzung regionaler Esskulturen Nord- und Südthailands. Ebenso wurde ein mehrgängiges Gourmetmenü der Köche der „Slow Food Rotational Farming“ Gruppe zubereitet, sowie deutsch-thailändisches Slow Food in Form von veganen Gourmethappen von der Köchin des Conviviums Düsseldorfs. Alle Köche berichteten über die Verwendung ihrer Zutaten und boten ihre Speisen im Tausch gegen eine kleine Spende an.
Im Bild: Vorbereitungen für ein mehrgängiges Menü
Informationsveranstaltungen und Moderation aller Convivienvertreter
Die Vertreter aller Convivien moderierten die SF Veranstaltungen des Aktionstages und ermöglichten somit die Informationsweitergabe auf drei Sprachen. (Foto 16: Sprecher der SF Rotational Farmer; Foto 17: Sprecherinnen der Convivien Chiang Mai, Foto 18: Sprecherin des Conviviums Düsseldorf) Ein langer Tisch der Köstlichkeiten lud zum Ausklang des Tages gegen 20 Uhr ein. Ein letztes Mal wurden die circa 300 Gäste über die Slow Food Bewegung Thailands, über non-GMO, die Vielfalt und die Verwendung der Zutaten durch die Organisatoren und Marktanbieter informiert. Der Informations- und Bildungsauftrag erfolgte in sehr positiver Art und Weise mit Spaß und Verkostungen der frischen, regionalen Produkte.
Bild oben: Musikalische Unterhaltung auf dem Festival
Text und alle Fotos auf dieser Seite: Nadja Tokarski. Die Autorin ist ein ehemaliges Mitglied von Slow Food Düsseldorf, lebt seit einiger Zeit in Thailand und ist dort als Food-Aktivistin weiter eng mit der Slow Food Bewegung und dem Slow Food Youth Network verbunden.
Food Truck mit Verkostungsmöglichkeit
Ausstellung einiger Gerichte
Gourmetgerichte zum Probieren
Interessierte Besucher auf dem Festival
Kürbis mit Festival-Hinweiser
Probierhäppchen zum Verkosten
Kleine Häppchen
Am Slow-Food-Stand
Marktstand mit Produkten
10.10.2017 – //Im Rahmen der Kampagne "Menu for Change - Mit Genuss und Verantwortung gegen den Klimawandel" stellt Slow Food Verbrauchern im folgenden einige Tipps mit klimafreundlichen Alternativen für den Alltag zur Verfügung.//
Jedes Mal, wenn wir einkaufen, wenn wir entscheiden, was wir kochen, wenn wir uns an den Tisch setzen und essen, dann widmen wir uns etwas Genussvollem. Und das tun wir bestenfalls verantwortungsvoll, indem wir unsere Art uns zu ernähren so gestalten, dass Herstellung, Produkt und Konsum sich nicht negativ auf das Klima und die Umwelt auswirken.
1. Verschwendung vermeiden - Mindesthaltbarkeitsdatum
Jedes Jahr werden weltweit 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel verschwendet, das ist ein Drittel aller produzierten Lebensmittel. Verschwendet wird entlang der gesamten Wertschöpfungskette, auf den Feldern, im Handel, in den Schulmensen und Betriebskantinen und auch im Privathaushalt. Es handelt sich dabei um Waren, deren Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist, oder solche, die beispielsweise aus rein optischen Gründen gar nicht erst in die Supermarktregale gelangen. 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel pro Jahr: Mit dieser Menge könnten die 800 Millionen Menschen, die weltweit Hunger leiden, vierfach ernährt werden. Problematisch ist aus Klimasicht vor allem, dass diese verschwendeten Lebensmittel 3,3 Milliarden Tonnen Treibhausgase freisetzen.
Prüfen Sie daher, ob Ihr Produkt trotz Überschreitens des Mindesthaltbarkeitsdatums wirklich schon „schlecht“ oder durchaus noch gut schmeckt und problemlos zu genießen ist. Nicht umsonst heißt es, dass das Produkt mindestens bis zu einem bestimmten Datum haltbar ist. Und wählen Sie die Packungsgrößen Ihrer Lebensmittel mit Bedacht aus: Welche Menge benötigen Sie in welchem Zeitraum, damit Sie sie auch wirklich aufbrauchen? Wenn es um frische und verderbliche Waren geht: Verschenken und teilen Sie diese lieber mit Freunden, Nachbarn und Bekannten, bevor sie in der Tonne landen.
2. Verschwendung vermeiden - Lassen Sie sich beim Einkauf nicht von der Optik täuschen
Eine krumme Karotte oder ein ungewöhnlich geformter Apfel sind ebenso gesund, nahrhaft und vor allem schmackhaft wie ihre optisch einwandfreien Artgenossen. Setze nicht auf ästhetische Vollkommenheit der Lebensmittel. Diese führt dazu, dass tonnenweise Lebensmittel weggeworfen werfen.
3. Die biologische Vielfalt fördern, lokal einkaufen
75 Prozent aller Nahrungsmittel, die wir heute weltweit konsumieren, basieren auf zwölf Pflanzensorten (wie z. B. Mais, Reis, Weizen, Kartoffeln, Tomaten und Bananen) und fünf Tierrassen (Schwein, Huhn, Rind, Schaf, Ziege). Weizen, Reis und Mais liefern über 60 Prozent der Kalorien, die wir verbrauchen. Unsere biokulturelle Vielfalt ist damit in Gefahr. Diese Vielfalt aber ist zugleich Garant für unsere Ernährungssicherheit: Wir brauchen verschiedene lokale Sorten, die fähig sind, sich an jeweils spezifische Klimabedingungen anzupassen. Gleichzeitig garantiert der Erhalt der Vielfalt auch die Geschmacks- und Sortenvielfalt auf unserem Teller.
Sollte Ihr Supermarkt oder lokaler Markt keine Vielfalt lokaler Sorten anbieten, dann fragen Sie doch einfach mal nach, warum das so ist und bitten Sie die Verantwortlichen das Sortiment anzupassen, natürlich basierend auf lokalen Sorten, die gerade Saison haben. Das Zurückgreifen auf exotische Früchte und Gemüsesorten ist dabei aus Klimasicht natürlich keine Alternative. Deshalb müssen wir wieder dafür sorgen, dass sich unsere lokale Sortenvielfalt an Äpfeln, Birnen, Karotten, Kartoffeln usw. wieder in den Einkaufsregalen widerspiegelt.
4. Saisonale Lebensmittel kaufen
Produkte, die gerade nicht Saison haben, sind nicht nur deutlich weniger schmackhaft. Sie verfügen auch über weniger Nährstoffe, welche in der Regel nur durch eine natürliche (Sonnen-)reifung, ohne den Einsatz von Chemikalien, sichergestellt werden können. In der Regel haben diese Lebensmittel lange Transportwege und Lagerzeiten hinter sich und schaden damit der Umwelt. Beim Thema Saisonalität denken wir in erster Linie an Obst und Gemüse – das ist auch wichtig und richtig. Ebenso müssen wir sie aber bei Fisch bedenken. Kaufen wir bestimmte Fischarten zur falschen Zeit, z. B. während ihrer Fortpflanzungsphase, so schädigen wir damit das marine Ökosystem.
5. Entscheidung für lokale Lebensmittel
Viele Lebensmittel werden weit weg von uns hergestellt und stehen uns zwölf Monate im Jahr zur Verfügung: Je mehr Kilometer ein Produkt zurückgelegt hat, bevor es auf unseren Tellern landet, desto negativer fällt die Klimabilanz aus. Der Transport, aber auch die Lagerung und Kühlung verbrauchen Energie. Lokale Produkte zu kaufen bedeutet lokale Wertschöpfungsketten zu unterstützen, Arbeitsplätze für Menschen in der Region zu sichern sowie gesündere und schmackhaftere Lebensmittel zu essen.
6. Die richtige Wahl: Lebensmittel, die unverpackt oder in recycelbaren Materialien aufbewahrt sind
Fertiggerichte werden nicht nur unter Verwendung von Zutaten und Rohstoffen hergestellt, die aus intensivem Anbau stammen und mittels industrieller Verfahren zubereitet werden. Verpackt werden diese Gerichte oftmals in Unmengen von Plastik und Kunststoff. Verpackungsmüll, vor allem aus Plastik, kann außerdem deutlich reduziert werden, wenn man lose Produkte kauft. Wer auf die Einkaufstüte aus Plastik an der Kasse verzichtet und für den Einkauf eine eigene langlebige Tasche verwendet, spart ebenfalls Ressourcen.
7. Lebensmitteln aus nachhaltigem Anbau sind vorzuziehen
Unser vorherrschendes Lebensmittelsystem zielt auf höchstmöglichen Ertrag und Profit ab. Es basiert auf Monokulturen, intensiver Tierzucht, massivem Einsatz von chemischen Substanzen und fossilen Brennstoffen. Das hat einen sehr hohen CO2-Ausstoß zur Folge und führt zum Verlust der biologischen Vielfalt, zur Degradierung der Böden und zur Verschmutzung unserer Umwelt. Ökologische Landwirtschaft verwendet hingegen keine Dünger und Pestizide, vermeidet Monokulturen und intensiven Anbau, richtet sich nach den Jahreszeiten und praktiziert artgerechte Tierhaltung. Ihre Produkte verursachen meist geringere Treibhausgasemissionen als vergleichbare konventionelle Lebensmittel.
9. Reste-Essen: Reste vom Vortrag muss man nicht immer wegwerfen, manchmal lassen sich auch kreative Gerichte daraus zubereiten.
10. Obst und Gemüse: Ein Mixer kann bei der Weiterverwendung von überreifen Früchten sehr hilfreich sein.
11. Durch das Aufbewahren in passenden Behältern oder durch Einfrieren kann die Haltbarkeit von manchen Lebensmitteln verlängert werden.
13. Wasser: Die Produktion einer PET- Flasche verbraucht allein ungefähr die Hälfte des Wassers, das sie beim Verkauf enthält.
14. Fleisch: Fleischherstellung ist im Bereich der Nahrungsmittelindustrie der größte Verursacher von Umweltverschmutzung. Für einen Erwachsenen genügt ein halbes Kilo Fleisch pro Woche, einschließlich weißem Fleisch und Aufschnitt. Vergessen wir auch nicht die Innereien und weniger bekannten, „unedlen“ Stücke: sie sind einfach zuzubereiten, günstiger und trotzdem lecker. Sie sind oftmals Bestandteil fast vergessener Familienrezepte: Frag Deine Eltern oder Großeltern. Die wissen, was man daraus alles Schmackhaftes zubereiten kann.
15. Vermeide Fisch aus intensiver Zucht und achte auf die Herkunft und Fangmethode! Nicht nur Unmengen Fleisch kommen aus intensiver Tierzucht, sondern auch Fisch. Tropische Garnelen, Lachs oder Pangasius werden in überfüllten Käfigen gezüchtet, mit Antibiotika behandelt und oft mit Futtermitteln aus Fischmehl ernährt. Solche Zuchtmethoden verschmutzen die Umwelt und bringen ungesunde Lebensmittel hervor. Aber auch beim Wildfang ist Vorsicht geboten: Es gilt darauf zu achten, wie dieser gefangen wurde. Industrielle Fischfangmethoden zerstören oft Ökosysteme, den Meeresgrund, stören sich nicht an Überfischung und Beifang. Bezieht Euren Fisch deshalb aus verlässlichen, nachhaltigen Ressourcen, die Fischarten nicht durch Überfischung unter Druck setzen und die marinen Ökosysteme nicht gefährden.
Die Mitglieder der FLW haben den Europäischen Rat, die Kommission und das EU-Parlament eindringlich dazu aufgefordert, umgehend die Ziele zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung festzusetzen, statt die Festlegung einer Methodik abzuwarten. Aktuell werden im Trilog die nächsten 13 Jahre der EU-Politik zum Thema Lebensmittelverschwendung verhandelt. Ein Ergebnis wird für Ende November erwartet.
Lebensmittelverschwendung soll drastisch reduziert werden
Im März stimmte das Europäische Parlament mit überwältigender Mehrheit dafür, EU-weite Ziele festzulegen, um die Lebensmittelverschwendung bis 2030 vom Bauernhof bis auf den Esstisch um die Hälfte zu reduzieren. Es wurde dafür plädiert, diese Ziele auch in die Verhandlungen aufzunehmen. Der Europäische Rat jedoch versuchte, die vom EU-Parlament vorgeschlagenen Ziele zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung zu blockieren, da seiner Meinung nach zuerst eine Definition und eine Methodik zur Messung der Lebensmittelverschwendung festgelegt werden sollte.
Wenn der EU-Rat sich weiterhin querstellt, besteht die Gefahr, dass die EU-Ziele zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung komplett aufgegeben werden, was gravierende Folgen haben und dazu führen könnte, dass die EU das Nachhaltigkeitsziel 12.3 nicht erreicht, die Lebensmittelabfälle pro Kopf bis 2030 zu halbieren. Die Mitglieder der Plattform FLW, darunter Slow Food, Feedback, FoodWIN und Health Care Without Harm Europe haben heute eine Erklärung abgegeben, in der sie die Begründung des Europäischen Rates zurückweisen. Sie argumentieren, dass Ziele von Erzeuger- bis zu Verbraucherseite definitiv vor der Entwicklung einer Mess-Methodik festgelegt werden können und sollten. Eine Behinderung dieser Ziele würde ihrer Argumentation zufolge die Fähigkeit der EU, das Nachhaltigkeitsziel 12.3. zu erreichen, gravierend beeinträchtigen.
Produzenten sollen nicht in Methodik aufgenommen werden
Die Plattform FLW wurde von der Europäischen Kommission ins Lebens gerufen, um eine Methodik zur Messung der Lebensmittelverschwendung in der EU zu entwickeln. Diese Methodik sollte bis 2018 entwickelt werden. Wenn die EU im Laufe des Jahres 2017 Ziele zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung verabschiedet, wird es mindestens zwei Jahre dauern, bis dieses Gesetz in die Rechtsprechung der Mitgliedsstaaten übergeht, wonach es möglich wäre, die Methodik der Plattform in die Ziele einzubinden. Als Teil der von This Is Rubbish gegründeten EU-Kampagne zu Lebensmittelverschwendung fordern 67 Organisationen aus 20 EU-Ländern und über 100.000 Unterzeichner der Petition den Europäischen Rat und die Kommission auf, die vom Europäischen Parlament vorgeschlagenen Ziele zu unterstützen, die Lebensmittelverschwendung in der EU bis 2030 vom Bauernhof bis zum Esstisch um die Hälfte zu reduzieren. Sie warnen, dass dies die letzte Chance sein könnte, die nächsten 13 Jahre der EU-Politik zur Lebensmittelverschwendung zu retten.
Im September bekannt gewordenen Dokumenten zufolge könnte ein möglicher Kompromissvorschlag von Rat und Kommission darauf ausgerichtet sein, die EU-Ziele zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung um 50 Prozent nur auf Handels- und Verbraucherebene festzusetzen. Allerdings erfolgt schätzungsgemäß bis zu 59 Prozent der Lebensmittelverschwendung in der EU – bis zu 84 Millionen Tonnen pro Jahr – , bevor die Produkte im Handel in den Verkehr gebracht werden, auf dem Bauernhof oder im Vertrieb. Dieser Anteil würde außen vor bleiben, wenn der Europäische Rat diese Werte nicht in die EU-Ziele zur Lebensmittelverschwendung aufnimmt. Aktivisten starten europaweit den Aufruf an den Europäischen Rat, sich hinter die Ziele des Europäischen Parlaments zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung vom Bauernhof bis zum Esstisch zu stellen (Link siehe unten).
Bild oben: Gerettet vor der Tonne bei einem Slow-Food-Aktionstag gegen die Verschwendung von Lebensmitteln - eine krumme, dreibeinige Bio-Karotte, die wegen ihrer Wuchsform nicht vom Handel akzeptiert wird. | © Friedemann Lätsch
Fehlende Wertschätzung von Lebensmitteln
Ursula Hudson, Mitglied des geschäftsführenden Vorstands von Slow Food und Mitglied der Plattform FLW: „Die EU darf keinesfalls die Gelegenheit verpassen, Ziele zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung festzusetzen. Die Kommission hat es bereits verpasst, ehrgeizige Vorhaben vorzulegen, die nicht in erster Linie dazu dienen sollen, ein nicht funktionierendes Lebensmittelsystem zu reparieren, sondern die sich vielmehr darauf richten, die Lebensmittelverschwendung von Grund auf strukturiert und radikal zu bekämpfen oder zu vermeiden. Dazu muss man anerkennen, dass Lebensmittelverschwendung die Folge der fehlenden Wertschätzung von Lebensmitteln und des Prozesses ihrer Herstellung in allen Stufen der Erzeugungskette ist. Wenn der Rat die Ziele weiterhin blockiert, wie sollen wir das verstehen, wenn nicht als Zeichen der mangelnden Bereitschaft der EU, das Problem der Lebensmittelverschwendung wirklich zu lösen? Wenn Lebensmittelverlust und –verschwendung eine inakzeptable, ethisch nicht vertretbare und unmoralische Vergeudung knapper Ressourcen sind, die die Ernährungsunsicherheit erhöhen”, wie EU-Kommissar Andriukaitis sagte, brauchen wir jetzt von der EU eine klare Positionierung. Es geht hier um Menschen und um unseren Planeten, da darf es keine weiteren Verzögerungen geben.”
Quelle: Pressemitteilung von Slow Food International vom 6. November 2017
Bild oben: Ursula Hudson (li.), Mitglied des geschäftsführenden Vorstands von Slow Food International und Vorsitzende von Slow Food Deutschland, bei einem Aktionstag gegen die Verschwendung von Lebensmitteln. | © Marcus Rabisch
Weitere Informationen:
Internationaler Aktivistenaufruf zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung
Slow Thema: Lebensmittelverschwendung – Informationen, Aktionen, Positionen
]]>Die beanspruchten Gerstenpflanzen sollen den Brauprozess vereinfachen. Die Pflanzen sind nicht gentechnisch verändert, sondern stammen aus konventioneller Züchtung. Zuvor hatten die Brauereikonzerne bereits zwei Patente auf Gerstenpflanzen erhalten, in deren Körnern – aufgrund von zufälligen Mutationen – Geschmacksstoffe fehlen, die den Geschmack von Bier beeinträchtigen können. Laut dem dritten Patent werden die beiden Gerstensorten so miteinander gekreuzt, dass deren Nachkommen eine Kombination der erwünschten Eigenschaften aufweisen. Das Patent umfasst die Gerste, den Vorgang des Bierbrauens und das mit dieser Gerste hergestellte Bier.
„Dieses Patent ist ganz offensichtlich absurd: Zufallsmutationen sind doch keine Erfindung“, sagt Lara Dovifat von Campact. „Niemand darf sich unsere Ernährungspflanzen über Patente aneignen, egal ob es um Braugerste, Reis oder Weizen geht.“
© www.no-patents-on-seeds.org | Falk Heller/argum
Viele Ausnahmen auch in Zukunft
Patente wie die auf Braugerste können auch in Zukunft erteilt werden. Zwar wollen sich – nach mehr als zehn Jahren des Protests der Zivilgesellschaft – die 38 Vertragsstaaten Ende Juni bei einer Sitzung des Verwaltungsrats des Europäischen Patentamts in Den Haag treffen, um die bestehenden Verbote im Patentrecht zu stärken. Pflanzen und Tiere, deren Züchtung ausschließlich auf Kreuzung und Selektion beruht, dürfen in Zukunft nicht mehr patentiert werden. Doch der Entwurf erlaubt weitreichende Ausnahmen: Weisen die Pflanzen oder Tiere beispielsweise zufällige Mutationen auf, sind sie weiterhin patentierbar. Das gilt auch für die Braugerste. Der geplante Beschluss steht im Widerspruch zu einer Stellungnahme der EU-Kommission von November 2016, nach der nur gentechnische Verfahren patentiert werden dürfen, bei denen gezielt auf der Ebene des Erbguts von Pflanzen und Tieren eingegriffen wird. Auch das Europäische Parlament hatte gefordert, Patente auf konventionelle Züchtung ausnahmslos zu verbieten.
„Patente auf konventionell gezüchtetes Saatgut gefährden die globale Ernährungssicherung. Die großen Konzerne orientieren sich an ihrer Gewinnmaximierung und betreiben keineswegs Züchtung für das globale Allgemeinwohl“, so Fabian Molina von der Entwicklungshilfe-Organisation Swissaid. „Die Arbeit traditioneller Züchter darf nicht durch Patente behindert werden, damit wir auch in Zukunft regional angepasste Sorten haben.“
"Das Europäische Patentamt dient nur den Interessen der Industrie."
Die Einspruch einlegenden Organisationen fordern, dass die konventionelle Zucht von Pflanzen und Tieren vollständig von der Patentierung ausgenommen wird.
„Wir geben heute möglicherweise die letzte Runde Freibier am Europäischen Patentamt aus. Das Amt hat seit seinem Bestehen immer nur den Interessen der Industrie und der Patentanwälte gedient“, sagt Georg Jansen von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). „Wir fordern, dass jetzt die Patentverbote endlich wirksam werden, die für Verbraucher, Landwirte und Züchter von größter Wichtigkeit sind.“
Die einsprechenden Organisationen
Am Einspruch beteiligt sind u. a. die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), die Arbeitsgemeinschaft der Umweltbeauftragten der Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (AGU), Arche Noah Österreich, Bioland, Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst, Bündnis gentechnikfreie Landwirtschaft, der Bund Naturschutz Bayern (BN), Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN), Campact, Copenhagen Food co- operative Dänemark, Die Freien Bäcker, Evangelischer Dienst auf dem Land in der EKD (EDL), Erzeugergemeinschaft für ökologische Braurohstoffe (EZÖB), Erzeugergemeinschaft Bördeland und Diemetal, FIAN, GAIA Portugal, Gäa e. V. – Vereinigung ökologischer Landbau, Gen-ethisches Netzwerk (GeN), HORIZONT3000 Österreich,IG Milch Österreich, IG Nachbau, Katholische Landvolkbewegung (KLB), Katholische Landvolkbewegung Freiburg, Kein Patent auf Leben!, No Patents on Seeds!, NOAH – Friends of the Earth Denmark, Plataforma transgenicos fora Portugal, ProSpecie Rara Schweiz, Sambucus, Save Our Seeds!, Slow Food Deutschland, Swissaid, Umweltinstitut München, Verband Katholisches Landvolk (VKL), Welthaus Diözese Graz-Seckau, Österreich, WeMove.EU, Zivilcourage Rosenheim und Miesbach sowie und die Zukunftsstiftung Landwirtschaft.
Mehr Informationen:
]]>Bei der Abstimmung am 27. Januar war nicht die erforderliche absolute Mehrheit erreicht worden, um eine endgültige Entscheidung über die drei Zulassungen zu erreichen. Dabei hatten einige europäische Länder, die in ihrem Gebiet den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) verboten haben – Italien, Litauen und Niederlande – für die Genehmigung auf europäischer Ebene gestimmt. Slow Food hält es für unaufrichtig, GVO im eigenen Landesgebiet zu verbieten und dann für ihre Genehmigung im übrigen Europa zu stimmen.
Bürger wollen keine Gentechnik!
Die Vertreter der EU-Länder sollten ein für allemal anerkennen, dass die Bürger keine GVO in Europa wollen. Sie sollten aufhören, über ihre eventuelle Genehmigung zu diskutieren und sich dagegen darauf konzentrieren, die wahren Herausforderungen des europäischen Lebensmittelsystems zu bewältigen: die Landflucht, das Sterben zahlreicher Landwirtschaftsbetriebe, der Verlust der biologischen und Lebensmittelvielfalt auf den Feldern und auf unseren Tischen, Verschmutzung von Wasser, Luft und Boden durch die Agrarindustrie und so weiter.
Die GVO geben auf keines dieser Probleme eine Antwort. Slow Food appelliert an die Regierungen, sich bei der nächsten Abstimmung, die für den 27. März geplant ist, mit einem klaren NEIN gegen GVO zu richten und so den von den europäischen Bürgern mehrfach ausgedrückten Willen zu respektieren. Um diesen Appell an unsere Regierenden zu untermauern, hat Slow Food in einem Dokument seine offizielle Position zu den gentechnisch veränderten Organismen zusammengefasst und analysiert dabei die Probleme, die mit dem Einsatz dieser Kulturen verbunden sind: Verweigerung des Rechts auf Nahrung, Umweltgefahren, Besorgnis um die Gesundheit von Menschen und Tieren sowie die Rolle der Wissenschaft.
Machtkonzentration bei Großkonzernen
Für Slow Food stellen GVO das extreme Ende eines landwirtschaftlichen, ökonomischen und auch politischen Systems dar, das die Macht immer weiter in den Händen Weniger konzentriert, zum Vorteil der Großkonzerne und zum Nachteil der ländlichen Gemeinschaften, der Verbraucher, der Umwelt und Artenvielfalt.
Nach der neuen Verordnung 2015/412 über den Anbau von GVO in Europa ist nach der Wahl der eventuellen Genehmigung der GVO-Produkte auf europäischer Ebene jeder Staat frei zu entscheiden, ob im eigenen Landesgebiet GVO angebaut werden dürfen oder nicht. Wenn die Mitgliedsstaaten bei der nächsten Abstimmung GVO europaweit genehmigen sollten, in der „Beruhigung“, dass im eigenen Land jeder seine eigenen Regeln festlegt, hätte dies zahlreiche neue Genehmigungsanträge für GVO zur Folge.
Bild: Maiskolben (Symbolbild). | © Katharina Heuberger
Quelle: Pressemitteilung von Slow Food International vom 21. März 2017
Weitere Informationen:
Slow-Food-Positionspapier zur Gentechnik (PDF auf Englisch)
Gentechnik: Keine Mehrheit für Genmais im EU-Parlament (Meldung vom 31.1.2017)
Slow Thema: Agrarpolitik (Aktionen, Informationen, Positionen)
]]>Bild links: Hokkaido-Herbstbrot der Berliner Demeter-Brotbäckerei Märkisches Landbrot. | © Märkisches Landbrot
13.9.2017 – Was machen ein gutes Brot und eine gute Butter im Sinne der Slow-Food-Philosophie "gut, sauber und fair" aus? Slow Food Deutschland lädt am Tag des Deutschen Butterbrots 2017, am Freitag, den 29. September, zusammen mit dem Ökodorf Brodowin und der Berliner Demeter-Brotbäckerei Märkisches Landbrot in das Ökodorf Brodowin in der Nähe von Berlin ein. An diesem Aktionstag dreht sich alles um die Qualität dieser beiden Lebensmittel und ihre Herstellung.
Die einzelnen Schritte handwerklicher Backkunst und nachhaltiger Butterherstellung werden unter die Lupe genommen. Vom Korn bis zum Brot, von der Weidehaltung und Fütterung der Kühe bis zur Weiterverarbeitung der Milch in der Molkerei. Besondere Berücksichtigung finden die regionalen Wertschöpfungsketten.
Nach der Hofführung können die Teilnehmer verschiedene Brot- und Buttersorten, verfeinert mit Salz und Kräutern und Gemüse, verkosten, Fragen stellen und sich weiter informieren.
Termin: 29. September 2017, 13:45 Uhr bis 15:15 Uhr
Titel: Was gibt es Köstlicheres als ein duftendes Brot mit frischer Butter?
Ort: Ökodorf Brodowin GmbH & Co. Vertriebs KGWeißensee 1, 16230 Chorin OT Brodowin
Die Referenten:
• Peter Krentz, Geschäftsführer Ökodorf Brodowin
• Joachim Weckmann, Geschäftsführer Märkisches Landbrot
• Marcus Baller, Meierei Brodowin
Um Anmeldung bis zum 27. September wird gebeten.
Ansprechpartnerin: Andrea Lenkert-Hörrmann
E-Mail: projektbeauftragte@slowfood.de
Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln
Für die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln empfehlen wir:
Hinfahrt: Regionalzug RE ab Berlin Hbf um 12:17 Uhr – Ankunft Chorin: 13:17 Uhr.
Rückfahrt: Chorin ab 15:42 Uhr - Ankunft Berlin Hbf 16:47 Uhr oder Chorin ab 16:42 Uhr – Ankunft Berlin Hbf 17:48 Uhr.
Für diese Zugverbindungen organisieren wir einen Shuttle vom Bahnhof Chorin zum Ökodorf Brodowin. Bitte bei Anmeldung vermerken, wenn Shuttle gewünscht!
Über den Tag des Deutschen Butterbrots: Ursprünglich wurde der Aktionstag 1999 von der Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft (CMA) als absatzförderne Maßnahme von Brot und Butter ins Leben gerufen. Die CMA wurde 2009 aufgelöst, der Tag des Deutschen Butterbrots jedoch hat weiterhin Bestand. Unabhängig vom seinen damaligen Initiatoren wird er insbesondere von Bäckereien für Werbeaktionen genutzt. Darunter auch handwerkliche Bäckereien, die den Anlass nutzen, um Brot und Butter aus handwerklicher Erzeugung die verdiente Aufmerksamkeit zu schenken.
Das Ökodorf Brodowin, 70 Kilometer nordöstlich von Berlin, zählt mit einer Anbaufläche von über 1.200 Hektar Ackerland und 30 Hektar Gemüseanbau, 230 Milchkühen, 230 Milchziegen, 1.600 mobilen Legehennen sowie Brüderhähnen und einer hauseigenen, gläsernen Meierei zu den großen Demeter-Betrieben Europas. Bereits 1991 gegründet, gehört der Betrieb zu den Bio-Pionieren Ostdeutschlands. Vor allem in Berlin und Brandenburg werden unter der Marke „Ökodorf Brodowin“ frische Trinkmilch, Butter, Quark, Käse, Gemüse, Säfte, Öle und auch Fertiggerichte aus eigener, bio-dynamischer Erzeugung verkauft. Im Bio-Fachhandel zählt „Ökodorf Brodowin“ zu den großen Regionalmarken Brandenburgs. www.brodowin.de
Bild oben: Nachhaltig hergestellte Butter aus dem Ökodorf Brodowin. | © Ökodorf Brodowin
Seit 1930 backt Märkisches Landbrot in Berlin-Neukölln. Als Joachim Weckmann 1981 die Bäckerei übernahm, wurde auf Bio-Vollkornbrote gewechselt, seit 1992 in Demeter-Qualität. Das Getreide wird fast ausschließlich von Demeter-Bauern aus dem Umland bezogen und täglich frisch auf eigenen Steinmühlen vermahlen. Das enge Verhältnis zu den Bauern umfasst gemeinsame Projekte zur Rekultivierung alter Getreidesorten sowie Vereinbarungen fairer Getreidepreise, die über den runden Tisch besprochen von den Bauern festgelegt werden. Sauerteige, Backferment und Bio-Hefe Brote werden mit Quellwasser aus dem eigenen Hausbrunnen angesetzt. Traditionelles Backhandwerk und moderne HighTech-Geräte, die den Umweltschutz fördern sowie eine nachhaltige Firmenführung – Bilanzen von Gemeinwohlökonomie und EMAS Ökoaudit – zeichnen die Brotbäckerei ganz besonders aus. www.landbrot.de
25 Jahre Slow Food Deutschland. Der Aktionstag zu den Themen Brot und Butter im Ökodorf Brodwin gehört zu den den diesjährigen Jubiläumsveranstaltungen. Unter dem Motto „25 Jahre Slow Food Deutschland – Weil uns die Zukunft des Essens und unserer Lebensmittelerzeuger wichtig ist“ feiert Slow Food Deutschland gemeinsam mit den rund 14.000 Mitgliedern das 25-jährige Vereinsjubiläum. Veranstaltungen in ganz Deutschland rücken Erzeuger und Produkte in den Fokus, die schon heute im Zeichen eines zukunftsfähigen Lebensmittelsystems und ökologischer Nachhaltigkeit stehen.
Veranstaltungen im Jubiläumsjahr
Mehr Informationen:
]]>"Fischerei ist ein Schlüsselthema für die Zukunft unseres Planeten und der Gesellschaft. Die EU muss dafür Verantwortung übernehmen und alles tun, um ihre eigene Gesetzgebung für eine nachhaltige Fischerei einzuhalten. Wir brauchen konsequentes Handeln, keine Verwässerungen", fordert Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland.
Im Jahr 2013 einigten sich die Entscheidungsträger der Europäischen Union auf eine weitreichende Reform ihrer Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP). Diese verpflichtet die EU rechtsverbindlich, die Überfischung wo immer möglich bis 2015, jedoch spätestens bis 2020, zu beenden. Ziel ist die Wiederherstellung der Fischbestände in EU-Gewässern, wobei die Größe jedes einzelnen Bestandes oberhalb des Niveaus liegen soll, mit dem der höchstmögliche Dauerertrag erzielt werden kann. Die Bestandsgröße einer Fischart in einem bestimmten Bewirtschaftungsgebiet muss so groß sein, dass sie nachhaltig befischt werden kann ohne Erträge oder Reproduktionsfähigkeit langfristig zu gefährden. Bezeichnet wird dies als Maximum Sustainable Yield (MSY).
Erholung der Fischbestände noch lange nicht in Sicht
Dies ist Voraussetzung für die Erholung der Fischbestände, den Schutz der marinen Ökosysteme sowie für die Steigerung des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Nutzen der Fischerei in der EU. Seit des Inkrafttretens der reformierten GFP Anfang 2014 nimmt die Biomasse der Bestände zwar zu, eine Erholung ist jedoch noch lange nicht in Sicht. Darauf weist der neue Bericht "Taking Stock: Progress Towards Ending Overfishing in the European Union" der international renommierten Beratungsfirma Poseidon Aquatic Resource Management Ltd. hin. Bei zu wenigen Beständen wurde eine ausreichende Erholung festgestellt. Alleine 2017 haben die politischen Entscheidungsträger 55 Prozent der Fangquoten zu hoch angesetzt, ungeachtet der wissenschaftlichen Empfehlungen. Hinzu kommen Lücken in den von der EU-Kommission veröffentlichten EU-Fischereidaten sowie mangelnde Transparenz im Verfahren von Kommission und Rat, mit dem die Fangquoten festgelegt werden. Das erschwert Rückschlüsse auf den erzielten Fortschritt bei der Umsetzung der GFP.
"Die derzeitige Situation vieler Fischbestände ist weiterhin kritisch und die aktuellen Entwicklungen schaffen weder die notwendigen Voraussetzungen noch das zivilgesellschaftliche Vertrauen dafür, dass die EU die Überfischung bis zum Jahr 2020 beendet. Dabei sprechen wir hier von Fristen, die in der EU-Gesetzgebung festgeschrieben sind. Deshalb hoffe ich für die Demokratie ebenso wie für Mensch, Tier und Umwelt, dass die Verantwortlichen anstelle von Kurzschlussreaktionen in letzter Minute ab sofort und über die nächsten drei Jahre hinweg signifikante Änderungen konsequent umsetzen", so Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland. Auch Mehrjahrespläne für Fischbestände und Meeresregionen müssen auf den Weg gebracht werden.
Handwerklich arbeitende Fischer haben zu wenig Einfluss
Um Fischerei und Aquakultur so umzugestalten, dass sie umweltverträglich sowie wirtschaftlich und sozial tragbar sind, ist aus Slow-Food-Sicht die Förderung der handwerklich arbeitenden Fischerei, die Vielfalt auf dem Teller sowie die Zusammenarbeit lokaler, öffentlicher und privatwirtschaftlicher Akteure mit Vertretern der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft über regionale und nationale Grenzen hinaus, zentral. Handwerklich arbeitende Fischer müssen in Entscheidungsprozesse und Ressourcenmanagement eingebunden werden. Sie kennen die lokale Ökosysteme und Bestände, verfügen über das Wissen, flexibel auf Änderungen in ihrer Region beispielsweise aufgrund des Klimawandels zu reagieren. Sie sind ein unverzichtbarer Faktor, wenn es um die Ernährungssicherheit in Küstenregionen geht. Die meisten Kleinfischer jedoch sind Zulieferer für Zwischenhändler, den Großhandel und Auktionen. Sie haben wenig Einfluss auf Preismechanismen und die Wertschöpfungskette. Hier muss die Politik regulierend eingreifen, um die notwendigen Voraussetzungen für Direktvermarktung und Diversifikationsmaßnahmen zu schaffen.
Quelle: Pressemeldung von Slow Food Deutschland vom 6. Dezember 2017
Bild oben: Boot eines handwerklich arbeitenden Kleinfischers am Strand in Italien. | © Valerie Ganio
Mehr Informationen:
Deutsche Kurzübersetzung des Poseidon-Berichts
Slow Thema: Nachhaltige Fischerei – Aktionen, Informationen, Positionen
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