Kritischer Agrarbericht 2017

19.1.2017 –  Zum Auftakt der Internationalen Grünen Woche in Berlin – vom 20. bis 29. Januar – präsentierte das AgrarBündnis, dem auch Slow Food Deutschland angehört, den Kritischen Agrarbericht 2017. Das Kompendium belegt die Notwendigkeit eines nachhaltigen Umgangs mit der Ressource Wasser in der Landwirtschaft und Lebensmittelerzeugung.

Kritischer Agrarbericht 2017: „Mit bäuerlicher Landwirtschaft Ressourcen schonen“

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Schwerpunkt des 320 Seiten starken Jahrbuches ist diesmal das Thema „Wasser“. Ohne Wasser ist Leben auf unserem blauen Planeten nicht möglich. Für die Menschen ist Wasser als Trinkwasser unverzichtbar, aber ohne Wasser wachsen auch alle anderen Lebensmittel nicht. In vielen Regionen dieser Welt ist Wasser eine enorm knappe Ressource und gleichzeitig sind Quantität und Qualität des Wassers durch zu intensive Formen der Landwirtschaft bedroht.

Frieder Thomas, Geschäftsführer des Bündnisses von 25 Verbänden aus Landwirtschaft, Umwelt-, Tier- und Verbraucherschutz sowie Entwicklungsarbeit, machte deutlich, dass enorme Anstrengungen zum Schutz des Wassers notwendig sind. Gleichzeitig müssen Rahmenbedingungen unterstützt und geschaffen werden, die es den Landwirten ermöglichen, wasserschonend zu wirtschaften.

Verschärfung des Düngerechts

Wegen der massiven Boden- und Gewässerverunreinigungen durch die intensive Landwirtschaft forderte der Vorsitzende des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Hubert Weiger, eine deutliche Verschärfung des Düngerechts. Leider habe es erst der Klage der EU-Kommission gegen Deutschland bedurft, damit Agrarminister Christian Schmidt die Novelle der Düngeverordnung nicht länger verschleppe. Aber auch was derzeit geplant sei, reiche nicht aus. Nötig seien grundsätzliche Veränderungen bei der Nutztierhaltung. „Die Hälfte der 700 Messstellen unter landwirtschaftlich genutzten Flächen weist deutlich erhöhte Nitratwerte auf, an jeder vierten Messstelle wird der Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat pro Liter Wasser überschritten. Drei Viertel unseres Trinkwassers werden aus Grundwasser gewonnen, immer aufwändiger müssen es die Wasserwerke reinigen und am Ende werden die Kosten einer falschen Agrarpolitik auch noch der Allgemeinheit aufgebürdet. Künftig muss die Landwirtschaft weniger Gülle produzieren, die Methoden der Düngung müssen sich verändern und die industrielle Tierhaltung muss zurückgefahren werden. Es dürfen nur noch so viele Tiere gehalten werden wie Fläche zum Futteranbau vorhanden ist“, sagte Weiger.

Nationale Nutztierstrategie und Kennzeichnung

Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, verwies auf den aktuellen Bericht der Bundesregierung zur Nitrat-Belastung des Grundwassers: „Der Bericht verdeutlicht eindrücklich, dass die auf höchste Produktivität ausgerichtete Intensivtierhaltung ein hohes Kontingent an Wasser benötigt und die Umwelt belastet. Je pflanzlicher unsere Ernährung, desto höher der Schutz unserer Wasserressourcen. Dies ist auch der direkteste Weg zu mehr Tierschutz.“ Um Transparenz und Planungssicherheit für Landwirte zu gewährleisten und um dem gesellschaftlichen Wunsch nach mehr Tierschutz im Stall Rechnung zu tragen sprach sich Schröder für eine nationale Nutztierstrategie aus. Er begrüßte die Bestrebungen von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt, ein staatliches Tierschutzlabel zu etablieren. Dieses müsse jedoch von Änderungen des Tierschutzgesetzes flankiert werden. So dürften beispielsweise Tiere nicht mehr aufgrund von Ausnahmen im Gesetz manipuliert werden, um Defizite in der Haltung auszugleichen oder bestimmte Produktionsziele zu erreichen.

EU-Agrarreform und Freihandel: Gerechte Gestaltung von Agrarpolitik und Agrarmärkten

Für den Vorstandssprecher des AgrarBündnis e.V., Bernd Voß von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), ist sauberes Wasser Ergebnis und Antrieb für eine Wende hin zu einer neuen Agrarkultur: „Wir müssen die Agrarpolitik auch schon vor 2020 sozial gerechter und ökologisch effizienter gestalten. Die letzte EU-Agrarreform hat den Mitgliedsländern Möglichkeiten eröffnet, die kaum genutzt werden. Es ist möglich, das Greening wirksamer zu gestalten oder mehr Mittel auf die ersten Hektare je Betrieb umzuverteilen. Man könnte auch 15 Prozent anstatt, wie in Deutschland, nur 4,5 Prozent der Direktzahlungen für zielgerichtete Maßnahmen der ländlichen Entwicklungsprogramme verwenden. Die Entscheidungen für eine Umschichtung muss jedoch bis August 2017 gefallen sein – und zwar bei uns in Deutschland. Das Geld wird dringend benötigt, beispielsweise um den Umbau der Tierhaltung auf möglichst vielen bäuerlichen Betrieben einzuleiten.“ Gleichzeitig forderte Voß wirksame Instrumente am Markt: „Wir müssen die auf billigen Export setzende Überproduktion ausbremsen. Ruinöse Preise sind eine Entwertung bäuerlicher Arbeit.“ Voß sprech sich deutlich für internationale Zusammenarbeit aus: „Die Verbände des Agrarbündnisses sind seit Jahrzehnten global aktiv und unterstützen einen fairen Austausch von Ideen, Waren und Dienstleistungen. Was uns aber in den Freihandelsverträgen wie CETA oder TTIP aufgetischt wird, dient nur den Interessen multinationaler Konzerne und zerstört vielfältige bäuerliche und regionale Strukturen.“

Zugang zu Land für bäuerliche Landwirtschaft und die Generation der Einsteiger

„Bauernland in Bauernhand, dieser Grundsatz des deutschen Grundstückverkehrsgesetzes wird zunehmend Makulatur und von der Agrarpolitik selbst unterlaufen“, kritisiert Demeter-Vorstandssprecher Alexander Gerber die Situation am landwirtschaftlichen Bodenmarkt. Da sich die Preise je Hektar nicht mehr am Ertragswert des Bodens orientieren, sondern das Preisniveau um bis zu 380 Prozent darüber liegt, können Bauern ihr Vorkaufsrecht nicht mehr ausüben. Das Land fällt Investoren zu. „Landgrabbing findet mitten unter uns statt“, sagt Gerber. Durch falsche Anreize hat die Agrarpolitik zu dieser Entwicklung beigetragen; beispielsweise durch eine unverhältnismäßig hohe Förderung von Biogas. So wird für landwirtschaftliche Quereinsteiger, die in vielen Berufsschulen bereits die Mehrheit bilden, die Übernahme eines Hofes nahezu unmöglich. Initiativen aus dem Demeter-Umfeld – wie die BioBoden-Genossenschaft, die Kulturland-Genossenschaft oder die Regionalwert-AGen — stellen der Entwicklung am Bodenmarkt zukunftsfähige Modelle entgegen. Sie kaufen Land auf, entziehen es damit der Spekulation und stellen es Bauern für die ökologische Landwirtschaft zur Verfügung. Gerber entlässt die Politik aber nicht aus Ihrer Verantwortung: „Ein erster wichtiger Schritt muss sein, dass künftig nur noch das Erbringen ökologischer und sozialer Leistungen durch aktive Landwirte finanziell von der EU honoriert wird“, schlussfolgert Gerber. Bürgerprotest für eine bäuerliche Landwirtschaft Um einer bäuerlichen Landwirtschaft zum Durchbruch zu verhelfen, sei es gut, die besseren Argumente zu haben; die könne man im Kritischen Agrarbericht finden, so AgrarBündnis-Geschäftsführer Frieder Thomas. Man müsse jedoch nicht nur gut argumentieren, sondern auch in der öffentlichen Diskussion hartnäckig bleiben und zeigen, wie stark der Wunsch nach einer Veränderung in der Gesellschaft verbreitet sei.

Deshalb ruft das AgrarBündnis auf, sich am 21. Januar 2017 in Berlin an der von über 40 Organisationen der Zivilgesellschaft getragenen Demonstration „Wir haben es satt“ zu beteiligen. Die Veranstalter der Demonstration erwarten am Samstag in Berlin wieder mehrere 10.000 Menschen.

Der kritische Agrarbericht 2017
Broschiert, 320 Seiten, 24 Euro
Verlag: Abl Bauernblatt Verlag;
Auflage: 1 (19. Januar 2017)

ISBN: 978-3-930413-60-7

Quelle: Pressemitteilung des AgrarBündnisses vom 19. Januar 2017

Mehr Informationen:

Kritischer Agrarbericht (Online Version)

Slow Food auf der Demo "Wir haben es satt!" in Berlin

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