Reisen auf Slow Food Art heißt, auf Wege sich einlassen abseits der Massen. Vor Ort sind unsere Vorschläge eher Wanderungen oder da und dort vielleicht auch interessant mit dem Fahrrad zu erfahren. Es sind also kleinräumige Örtlichkeiten. Sie erlebt man anders, entdeckt verborgene Artifakte und erfreut sich bei Pausen in gastlichen Gasthäusern an regionalen Genüssen. Tipps fürs Einkaufen lokaler Spezialitäten gehören auch dazu.
Andreas Schneider: Herr Trum, es gibt derzeit einiges Neues in Bamberg in Sachen Bier. Ich meine nicht die neuen Brau- und Schankstellen, die in den letzten Monaten in Bamberg aufgemacht haben (wie Landwinkl- oder das Sternla-Bräu). Es gibt eine weitere Entwicklung: Ihr habt in Eurer Brauerei selbst eine neue Sorte aufgelegt, die eigentlich was Althergebrachtes ist?
Matthias Trum: Ja! Ich bin unter anderem über Sudprotokolle meines Ur-Ur-Ur-Großvaters auf ein vergessenes Bamberger Brauverfahren gestoßen. Bis Ende des 19. Jahrhunderts stellten die Bamberger Brauer nach diesem Verfahren ein alkoholarmes Bier für die körperlich schwer arbeitende Bevölkerung und sogar für Kinder her (letzteres ist heute natürlich nicht mehr zulässig). Dieses Getränk war damals die sichere Alternative zum oft keimbelasteten Wasser. Es gibt Quellen, die darauf hindeuten, daß bis zu einem Drittel der damaligen Produktionsmenge der Bamberger Brauereien nach diesem Verfahren hergestellt wurde. Wir haben in längeren Versuchen dieses alte Brauverfahren wieder aufleben lassen. Seit Mitte letzten Jahres gibt es das Schlenkerla Rauchbier Hansla alkoholarm (seit heuer auch in Flaschen zum Mitnehmen), und jetzt ganz neu und ohne Rauch das Heinzlein alkoholarm, als dunkles und helles alkoholarmes Bier mit nur 0,9% alk./vol. und nur 10 kcal je 100ml.
AS: Wann hatten Sie das Rezept dafür entdeckt? Gibt es andere Quellen als euer Sudprotokoll, die von dieser alten Sorte berichten?
Matthias Trum: Ich bin vor ca. fünf Jahren das erste mal drüber gestolpert. Das alkoholarme Bier wird in mehreren alten Schriften zum Bamberger Bier erwähnt, unter anderem dem Buch von Johann Albert Seifert "Das Bamberger Bier" von 1818. Und es findet sich sogar in Enzyklopädien der Zeit, muß also mithin über die Grenzen Bambergs hinaus einen gewissen Bekanntheitsgrad gehabt haben. Details zum angewendeten Brauverfahren war etwas schwerer zu finden, aber auch hier finden sich in Publikationen aus dem 19. Jahrhundert wertvolle Hinweise.
AS: Findet sich da auch Bezeichnung bzw. Name des Biers?
Matthias Trum: Ja, der Begriff findet sich so in alten Unterlagen bis Mitte des 19. Jahrhunderts, in unterschiedlichen Schreibweisen, und meist im Kontext um Bamberg. Alkoholarme Biere gab es aber natürlich überall, in den Klöstern nannte man diese zum Beispiel Covent/Kovent. Ich denke, da steckt der "kleine Heinz" drin, weil es eben auch ein Kinderbier war.
AS: Und wie ist das Brauverfahren? Das ist ja doch etwas Besonderes, da es ja kein alkoholfreies Bier ist, dem der Alkohol z.B. nach dem Brauvorgang entzogen wird. Was ist da anders, und wie entsteht dieses besondere Bier?
Matthias Trum: Bei modernen alkoholfreien Bieren wird entweder die Gärung durch Pasteurisation gestoppt oder der Alkohol wird extrahiert. Nur letzteres Verfahren erzeugt wirklich alkoholfreie Biere; auf den Etiketten steht dann meist prominent die 0,0% (wegen des hohen Aufwandes findet man dies de facto nur bei Großbrauereien). Bei ersterem hat das Bier (knapp) unter 0,5% und man kennt dies von vielen Weizenbieren. Gemein ist beiden ein häufig etwas süßlicher Geschmack und etwas fehlender Biercharakter. Historisch gesehen waren beide Technologien nicht verfügbar, daher mußten sich die Brauer damals etwas anderes einfallen lassen. Ich möchte nicht alle Details verraten, aber eine besondere Art und Weise des Maischens und des Läuterns ermöglichte es den Bamberger Brauern ein Bier mit weniger als 1% Alkohol herzustellen. Und das mit echtem Biergeschmack. Übrigens: Die Grenze, was als alkoholfrei gilt, ist ein Stück weit willkürlich gesetzt. Beim Bier liegt diese bei 0,5% ; bei Traubensaft dagegen bei 1%. Wäre das Heinzlein ein Traubensaft, dürfte es als alkoholfrei bezeichnet werden.
AS: Eine letzte Frage noch zu den Zutaten. Mir ist besonders die ansprechend frische Hopfennote aufgefalllen. Was verwendet ihr?
Matthias Trum: Das intensive Hopfenaroma war auch schon im 19. Jahrhundert ein wesentliches Merkmal des Heinzlein. Nicht nur für den Geschmack, sondern auch für die Haltbarkeit des Bieres war das von Vorteil. Wir verwenden Aromahopfen aus Spalt bei Nürnberg. Das nichtrauchige Malz fürs Heinzlein bekommen wir von der Bamberger Mälzerei.
AS: Herr Trum, wir danken für das Gespräch und wünschen uns allen einen süffigen Sommer!
Bamberg ist eine Talstadt auf fruchtbaren Schwemm- und Flugsandböden, die ein paar Hügel der Regnitzterrasse hinauf geklettert ist. Eine zusammengewachsene Ansiedlung in der Fuge einer abgelegen ruhenden, und herb anmutenden Mittelgebirgslandschaft zwischen Steigerwald, Hassbergen und Fränkischer Schweiz. Die einzelnen Bereiche der ältesten Siedlungen sind noch heute gut auf dem Stadtplan erkennbar.
Mit dem in Sichtweite liegende Maintal trifft hier Wein- auf Bierfranken. Frankens östlichste Weinbauzone erreicht hier dessen bierseeliges Zentrum. Das Gebiet mit der höchsten Brauereidichte der Welt. Klerus und Bürger förderten einst beides. Und so gab es Wein bauende Häcker am Hügel neben Gemüse bauenden Gärtnern im Tal, die gern ein Bier zur Arbeit und zur Bratwurst am Festtag getrunken haben. Von Bambergs Weinbau-Tradition künden neben dem Weinbau am Michaelsberg noch einige versteckt liegende Weinstuben. Dessen ungeachtet haben die Bierliebhaber der Stadt eine nicht zu übersehende Anzahl an Schankstellen hervorgebracht. Und diese erleben derzeit eine Renaissance. So kommt es nach Jahrzehnten des Rückgangs kleiner familiengeführter Brauereien aktuell zu einer Trendwende. Denn nicht nur das Interesse am Thema Bier ist neu erwacht. Auch die wachsende Anzahl der Besucherströme in der Welterbe-Stadt führt zu neuen Brau-Start-Ups, die die Szene beleben und die Brauereidichte weiter aufrecht erhalten.
So entstehen neue Sorten und Sud-Experimente, alte Marken werden wieder belebt und das an Vielfalt ohnehin nicht schon arme Koordinatensystem der städtischen Lager- und Kellerbiere wird zusätzlich bereichert. Für die unangefochtenen Stars der Szene aber - das kohlensäurearme Ungespundete und das traditionelle Rauchbier - ist das jedoch nur eine illustre Ergänzung und keine echte Konkurrenz.
Wenig bekannt sind die Saisonvarianten, in denen das traditionelle Slow Food Arche-Rauchbier erhältlich ist: Im Herbst wird mit einem populären Bock-Anstich die Starkbier-Saison eröffnet (im Schlenkerla-Ausschank im Oktober, im Spezial-Bräu im November). Das Schlenkerla ergänzt die Saison ab Dezember noch mit dem Schlenkerla-Eiche. Das Malz wird dabei über Eichen- statt Buchenholz gedarrt, das dem schweren Trunk (Vol. 8%) eine gediegen weiche Note gibt. Frisch und leicht kommt im Sommer hingegen das „Kräusen“ zum Ausschank. Dabei mischt das Schlenkerla helles Lager mit einem gesprudeltem Schuss Jung-Märzen (diese Misch-Methode nennt das Brau-Handwerk „aufkräusen“). Unabhängig davon sind in beiden Schankstätten stets vom Fass erhältlich: Ein Kupferfarbenes Lagerbier (in der Brauerei Spezial und am Spezial-Keller) und ein würziger eingebrautes dunkles Märzenbier (erhältlich im Schlenkerla-Brauerei-Ausschank).
Weltweit einmalig ist zudem Bambergs Anzahl an Arche-Passagieren: Neben dem Rauchbier bringt der urbane Gartenbau gleich fünf historische Lokalsorten traditioneller Feldfrüchte in das Slow-Food-Projekt ein, die - je nach Saison - lohnende Fixpunkte auf einem Bamberg-Einkaufszettel sind. Rund 20 Gartenbaubetriebe gibt es noch, die in und um Bamberg und Hallstadt gewerblich aktiv sind, Jungpflanzen ziehen, Blumen und Kräuter hegen, Gemüsebau betreiben und selbst vermarkten.
Im Lauf der Jahrhunderte hat sich um diesen innerstädtischen Erwerbsgartenbau ein ganz eigener Kosmos mit Dialektsprache, Brauchtum, Volksreligiosität, Tracht und ein Vereinswesen entwickelt. Seit 2016 zählt diese Lebenswelt zusätzlich zum immatriellen Kulturerbe in Deutschland. Der Begriff „Erbe“ macht dabei deutlich: In den letzten Jahrzehnten ist der Zahl der aktiven Betriebe dramatisch geschrumpft und nahezu erloschen.
Denn abseits aller Trends, gehen die Bamberger Gärtner ihren eigenen Weg. Ein Phänomen mit Fluch und Segen. Denn auch wenn in diesem Refugium nun Projekte, wie Selbsternte-, Sortengarten und Solidarische Landwirtschaft oder eine Umstellung auf Bio-Anbau und mehr Direktvermarktung einen zarten Hauch frischen Wind in diese einmalig-urbanen und historisch gewachsenen Flächen der Gartenbaukultur tragen, bleiben das bisher zähe und singuläre Unternehmungen. Trotz der Nähe von Erzeugern zu Verbrauchern. Denn in Bamberg gilt der Grundsatz: „Nur wer sich nicht ändert bleibt sich treu“. Und so haben sich das Rauchbier und manch pittoreske Prozessionen erhalten, und so wurde die urbane „Gaertnerey“, neben Kaiserdom und Barockensemble – für die Betroffenen verblüffend – zum Weltkulturerbe der Menschheit.
Tipps für kulinarische Erkundungen, für den Einkaufszettel, einen Rundgang und eine Genussreise nach Bamberg:
Gärtnerstadt:
Gut erkunden lassen sich die typischen Häuserzeilen mitten im Stadtgebiet vom Bahnhof aus zu Fuß. Die Straßenzüge mit den markanten Toreinfahrten und den schmalen Flurstücken hinter den Gärtnerhäusern liegen zwischen der Sebastianikapelle, Theuerstadt und dem Stadtteil Wunderburg. Allein dies lohnt einen eigenen Ausflug nach Bamberg. Auf dem Weg gibt es zahlreiche Möglichkeiten zur Einkehr, Hofläden von Gärtnerfamilien und das Gärtner-und Häckermuseum in der Mittelstraße. Seit der Landesgartenschau gibt es einen Rundweg mit 18 Stationen und Info-Tafeln. Unser Tipp: Ein Seidla (Krug) Bier im nahe beim Museum gelegenen Brauerei Spezial (Bambergs weniger bekannte Rauchbier-Brauerei). Das Lager ist dort rauchzart. Es gibt vorzügliche Bamberger Küche. Abends Brotzeit, zum Mittagessen Braten mit Klöß, zur Saison mit dem Arche-Passagier „Bamberger Spitzwirsing“ serviert.
Hofläden der Bamberger Gärtner:
Einen Einkauf und Besuch ist die Bio-Kräutergärtnerei „Mussärol“ (=Majoran) wert. Dort erhält man einen beeindruckenden Blick in die Gärtner-Flur. Die Gärtnerei hat ein riesiges Angebot an Gewürzen, Heil- und Duftkräutern und neben dem traditionellen Bamberger Süßholz Spezialitäten wie Lavendel-Öl und in Gläschen eingelegte Ware. Für Interessierte gibt es Führungstermine und Gruppen können geführte Rundgänge durch die Gärtnerstadt buchen.
Nahe beim Gärtner- und Häckermuseum liegen zwei weitere Betriebe:
Die Hofstadt-Gärtnerei der Familie Dechant (Heiliggrabstraße). Dort gibt es viel zu entdecken: Anbau von Arche-Passagieren, Tee, liebevoll Selbstgemachtes ab Hof (Kräutersalz) und für ein Mitbringsel ein Kräuter- und Genuss-Körbchen. Neben Führungen gibt es hier individuelle Beratung rund um Pflanzenkauf, Kochrezepte, Gärtnern mit dem Mond und ohne Chemie.
Gleich gegenüber hat die auf Gemüseanbau spezialisierte Gärtnerei Neubauer schon seit zweihundert Jahren ihren Betrieb. Die Erzeugnisse vermarkten die Neubauers an mehreren Tagen der Woche direkt am Hoftor. Die Gärtnerfamilie hat sich intensiv bei der Erhaltung der alten Bamberger Lokalsorten und bei der Anlage des Sortengartens engagiert.
In der Mittelstraße vermarktet die Bioland-Gärtnerei der Familie Niedermaier. Der Hofladen ist eine ideale Adresse für den Wochen-Einkauf mit saisonal-frischer Ware. Entsprechend beliebt ist der so historische wie sympathische Familienbetrieb. Das aktuell verfügbare Angebot findet sich stets auf der Homepage.
Bamberger Süßholz:
Einmalig in nördlichen Breiten ist der Süßholz-Anbau. In Bamberg war dies seit dem Mittelalter eine Tradition. Die Bamberger Süßholz-Gesellschaft hat diese Sonderkultur wieder aufleben lassen und vermarktet daraus Tee und kleine Packs mit lakritzigen Stangen. Neben dem kleinen Museums-Lädchen im Gärtner-und Häckermuseum und den beteiligten Gärtnerei-Betrieben gibt es im Welterbe-Zentrum und der Tourist-Information weitere Verkaufsstellen im gesamten Stadtgebiet, die auf der Homepage der Gesellschaft zu finden sind. Ein Hersteller für geistige Getränke mischt Süßholz-Likör, der ebenso in vielen Geschäften zu erwerben ist. Und die Metzgerei Kalb in der Theuerstadt fertigt Süßholz-Schinken und Süßholz-Rohwurst, die mit den Spänen der Stangen gewürzt werden.
Streetfood in Bamberg:
Es ist Brauch in Bamberg, die halbe Bier am Brauerei-Ausschank im Stehen zu trinken. In der „Schwemm“ – also in Fass-Nähe – im Gang, oder vor der Tür. Unser Foodpairing-Tipp zu dieser Bamberger Tradition: Ein „Leberkäsbrödla“ und eine Halbe Rauchbier in der Sandstraße. Das Brötchen bekommt man in der nur wenige Schritte vom Schlenkerla (Slow Food Unterstützer) entfernt liegenden Metzgerei Liebold. Dazu passt das Glas Märzen im Straßenverkauf. Achtung: Außerhalb der Hauptessenzeiten dürfen Brödla, Breze oder Salzstange vom Bäcker oder Metzger in die Gaststätte mit genommen werden! Das ist in etlichen Brauereien noch gute Bamberger Tradition. Wichtig ist jedoch die korrekte Einhaltung der passenden Zeiten. Praktisch: Die Bäckerei Kerling (Slow-Food-Unterstützer) hat ihr Geschäft direkt neben der Brauerei Spezial (Inhaber Christian Merz ist Slow Food Mitglied) und die Hofbäckerei (Bäcker Seel) ebenso direkt im Nebenhaus zum Schlenkerla.
Bamberger Kellerkultur:
Im Bamberger Stadtteil Wunderburg liegen ein Bäcker und Metzger direkt am zentralen Platz, in Sichtweite der beiden Brauereien Keesmann und Mahrs. Proviantstation für viele Bewohner, manch Handwerker-Gruppe, Schulkinder und Brauerei-Besucher. Und wie auf vielen Kellern in Stadt und Land ist im Mahrs-Bräu-Biergarten noch das Mitbringen der Brotzeit erlaubt. Besonders in den Sommermonaten ist der Stadtteil eine reizvolle Anlaufstelle für ein kühles Bier unter schattigen Kastanien.
Die meisten Pilger zieht es an den warmen Abenden jedoch auf die kühlen Hügel – in Bamberg sagt man „auf die Keller“ – ins Berggebiet. Dort, wo das Bier einst im kühlen Stollen gelagert war, errichtete man die Schankstellen am Dorf- oder Stadtrand, um sich den Transport der Fässer zur Gaststätte zu sparen. An heißen Abenden ist ein Abschluss auf dem Keller für halb Bamberg kultiger Volkssport. Mit Aussicht auf die Stadt und die Turm-Skyline (ein lohnender Spazierweg) kann dort der Feierabend ausklingen. Familien wie Studierende, die sich Brotzeit gerne mitbringen, finden auf dem Wilde-Rose-Keller die ideale Anlaufstelle (Schlenkerla und Keesmann-Bier im Ausschank). Das Ambiente ist sehenswert und hat den Charme einer vergangenen Epoche. Die fraglos schönste Aussicht bietet der Spezial-Keller. Das Kellergasthaus hat ganzjährig geöffnet und ist auch im Herbst und Winter eine lohnendes Ziel.
Keinen Keller, aber einen wunderbar beschaulichen Garten mit Ausblick ins Grün hat die Brauerei Greifenklau an der Gaststätte. Dazu muss der Kaulberg erklommen werden. Ähnlich wie die Wunderburg formiert der Stadtteil um den Laurenziplatz, mit gleichnamiger Kapelle und kleinen Gassen mit Häckerhäusern, eine eigene kleine Lebenswelt. Insider-Hinweis: Im Sommer feiern die Stadtteile so traditionell verankerte wie stolz arrangierte Kirchweih-Feste, bei denen klassisch und liebenswert-fränkisch gut gegessen und getrunken wird.
Fränkisches Bauernbrot:
Zur Brotzeit ist ein guter Laib fränkisches Schwarzbrot eine schwer verhandelbare Ausgangsbasis. Aus Sauerteig, mit hohem Roggen- und geringerem Weizenmehl-Anteil (z.B. 80/20%). Außen mit legendärer Kruste, innen aber weich und kernig, nicht teigig (außer es ist backfrisch) und Brot-Gewürzen abgerundet (Kümmel, Fenchel und Koriander).
Hier drei Tipps für einen guten Einkauf: Der Frankenlaib der Bäckerei Kerling (Slow Food Unterstützer), nahe Bahnhof/Gärtnermuseum direkt neben der Brauerei Spezial. Seit einiger Zeit mit Filiale in der Karolinenstraße (in Sichtweite zum Alten Rathaus). Das Bauernbrot der Bäckerei Schüller (Demeter) im Stadtteil Hain. Donnerstag, Freitag und Samstag hat die Bäckerei einen Brotverkauf in der Hauptwachstraße (am Weg vom Bahnhof zur Altstadt gelegen). Ein Schlaraffenland fränkischer Natursauerteig-Holzofen- und Gewürzbrote aus dem Bamberger Umland ist Der Brotladen in der Fleischstraße (nahe Maxplatz/Universität). Vor dem Brotregal türmen sich Wurstwaren, Schinken und Geräuchtertes aus der Region. Irgendetwas findet man immer. Nachtrag: Allein das Brot ist eine Bamberg-Stippvisite wert. Alle drei genannten Anbieter haben Kult-Status und versenden sogar bundesweit (Schüller und Kerling mit Webshop).
Zwetschgenbames und Ziebeleskäs:
Selten zu bekommen ist traditionell gemachter „Ziebeleskäs“. Eine Spezialität aus entrahmter, gestockter Rohmilch, die sanft erhitzt wird, bis sie eine körnige Struktur bekommt. Nachdem die Sahne wieder beigemischt ist, wird dieser Ziebeleskäs mit klein geschnittenen Zwiebeln, manchmal auch Schnittlauch oder Petersilie verfeinert und mit Salz und Pfeffer serviert. Er war im Bamberger Land einst fester Bestandteil der Brotzeit oder Zugabe zur Kellerplatte und Beilage zu Kartoffeln.
Am Keller und Gasthof werden aus lebensmittelrechtlichen Gründen (Rohmilch), aber auch weil das kaum mehr jemand macht, Hüttenkäse oder Quark aufgepeppt und als Ziebeleskäs verkauft. Echter Zieberleskäs ist inzwischen eine Rarität und schmeckt völlig anders. In einer lebensmittelrechtlich sauberen, noch fast originalen Variante, wird er von der Käserei Oeffner aus Weiher mit pasteurisierte Milch hergestellt und ist im Hofladen oder auf dem Bamberger Bauernmarkt zu erhalten (am besten vorbestellen). Manche Gaststätten werden beliefert.
Nicht ganz so rar geworden ist der Zwetschgenbames. Ein magerer, aromatischer und traditionell dünn geschnittener roher Rinderschinken. Seinen Namen verdankt das bei niedriger Temperatur geräucherte Stück aus Lende, Schale oder Nuss seiner Optik beim Anschnitt. In Farbe und Maserung gleicht er einer Scheibe, des rötlichen Holzes, vom Zwetschgenbaum.
Zwetschgenbames ist auf dem Bamberger Bauernmarkt und bei gut sortierten Metzgern (Metzgerei Liebold in der Sandstraße) erhältlich sowie auf Bierkellern und in etlichen Brauereien und Gaststätten in Bamberg und Umland auf der Brotzeitkarte.
Ein Marktrundgang:
Mittwoch, Freitag und Samstag bereichern Bamberger und Hallstädter Gärtnerfamilien mit selbst angebauten Ware den täglich stattfindenden Wochenmarkt (Standplatz Hauptwachstraße). Erworben werden können Arche-Passagiere und Saisonerzeugnisse aus dem urbanen Gemüsebau. Gratis und unbezahlbar sind dabei: Die Begegnung mit der Lebenslage der Direktvermarkter, ein Plausch über den Saisonverlauf und Tipps sowie Rezepte zur Zubereitung so manch spezieller Feldfrucht.
Nicht weit davon entfernt ist der Bamberger Bauernmarkt (an der Promenade/Ausweichquartier Maxplatz). Am Samstag-Vormittag vermarkten dort seit 1995 Erzeugerfamilien aus dem Umland. Lohnend ist der Besuch der Käserei Oeffner, der Priesendorfer Gemüsemanufaktur und das Fleischangebot vom Naturlandhof Weiß. Die Auswahl an den Ständen ist beträchtlich und eine Schatztruhe fränkischer Genusskultur: Forellen vom Bamberger Jura, Meerrettich-Spezialitäten, Wild und Geflügel, Hartkäse, Quark, Joghurt, Kuchen, saisonales Obst wie Erdbeeren, Himbeeren, Kirchen, Zwetschgen, aber auch Saft, Aufstriche und Nüsse, Brezen, fränkisches Festtagsgebäck, Blumen, Eier, Vollkornbrot, Wurst in Glas und Dose, Lammfleisch oder Frischkäse-Aufstrich. Etliche Erzeuger haben im Umland einen Hofladen.
Unser Tipp, wenn der Markt noch leer ist: Ein Auftakt am Morgen mit einer Tasse Kaffee und Gebäck von der Dinkelbackstube Landgraf, verbunden mit einer ersten Sichtung des Sortiments. Für eine spätere Stärkung halten die Anbieter Quark- und Käsebrot oder frisch gebackenen Leberkäs bereit, regelmäßig gibt’s Suppe oder Baggers (Reibekuchen).
Hopfen und Malz hinter dem Gleis:
Vom Ostausgang des Bamberger Bahnhofs erreicht man den Hopfengarten Bamberg in wenigen Minuten zu Fuß. 2018 hat Kris Emmerling die Gärtnerei seiner Familie auf Hopfenanbau umgestellt. Anschließend wurde im ehemaligen Ladengeschäft des Gärtner-Anwesens Bambergs kleinste Brauerei installiert.
Hopfenanbau war in Bamberg seit dem Mittelalter Tradition. Zahlreiche Gärtnerfamilien bauten die Bittergewächs einst an. Nach rund hundert Jahren Pause knüpft der Betrieb an diese Ära an. Neben vielen verschiedenen Hopfenpflanzen und dem Craft-Beer, das es zu erwerben gibt, führt das junge Team Braukurse und Führungen durch, lädt zu Events und zum Selbsternten weiterer Strauchgewächse, wie Tomaten, und vermarktet Gewürze, Chili und Gin.
Nicht weit davon entfernt betreibt die Mälzerei Weyermann (Slow-Food-Unterstützer) ihren Outlet-Shop mit spannenden Bier-Kreationen aus Weyermann-Malz aus aller Welt oder auch aus hauseigener Brauerei.
In Spazierweg-Nähe sind Ausschank und Bier-Spezialitäten-Angebot im Abseits, einer Kneipen-Institution für Bierkultur im Osten der Stadt. Die Inhaber kennen die Bier- und Brauszene um Bamberg bestens. Saisonal wechselnde Fassbier-Entdeckungen ergänzen das solid zusammen gestellten Basis-Sortiment. Eine lohnende Anlaufstelle für einen Krug an der Theke, im Lokal oder im begrünten Hinterhof.
Anmerkung:
Unsere Erkundungstour kann angesichts der Fülle an Schankstellen und Kulinarik unmöglich alle Einkaufsmöglichkeiten und Angebote zur Einkehr aufzählen. Die Vervollständigung der Hinweise, die ihren Blick vor allem auf Arche-Passagiere und auf Besonderheiten aus der Slow-Food-Welt haben, sind ein spannendes Projekt, das wir allen Entdeckungsfreudigen gerne weiter selbst noch lassen. Unsere Motivation war, Hinweise zu geben, die so nur wir geben können. Für kurze Tagestouren, um das fränkische Rom slow begehbar auszuloten.
Am Ende hier noch ein paar praktische und bewährte Hinweise
Gebrauchsanweisung Bamberg:
Vormerken: Zwischen den Reben sitzt man wunderschön! So werden im Sommer (Weinfest) und Herbst (Federweißerfest) Tische am Winzerhaus gestellt und fränkische Spezialitäten (Zwiebelkuchen) ausgepackt.
Bamberg ist eine überschaubare Stadt. Das bedingt deren Reiz. Umgekehrt sind die wenigen Gassen und Lokale, vor alle zu touristisch stark frequentierten Zeiten inzwischen schnell überlaufen. Ob Keller, Café, Garten oder Kneipe: Es ist (vor allem am Wochenende) empfehlenswert, einen Tisch zu bestellen!
Und Bamberg hat eine eigene Zeitrechnung. Für die Planung des Programms: Öffnungszeiten durch einen Blick auf Homepage, besser Anruf absichern! Das erspart Enttäuschungen. Viele Geschäfte schließen Samstag-Mittag. Manch Ausschank schon ein bis zwei Stunden vor Mitternacht. Bamberg ist keine Stadt für Nachteulen. Sympathische Provinz. Zuweilen fast zu brav-bürgerlich strukturiert. Mit viel Grün am Rand der alten Gemäuer. Ein Auto ist unnötig, in der Innenstadt gar hinderlich. Eine gute Stadt, um slow zu leben.
Wir freuen uns stets über weitere Hinweise und Feedback unter: bambergslow@web.de
Andreas Schneider
Slow Food Regionsbetreuung Bamberg Land