Teichwirtschaft ist die ursprünglichste, zugleich fisch- und umweltfreundlichste Form heimischer Aquakultur. Deutschland verzeichnete zuletzt 5.600 Teichanlagen. Teiche sind fester und unverzichtbarer Bestandteil unserer Kulturlandschaft, vor allem in Franken, der Lausitz und der Oberpfalz. Sie sind Quelle für eine naturnahe, saisonale sowie gesunde Versorgung mit Fischereiprodukten. Doch ihr Potenzial ist sehr viel weitreichender: Lebendige Teichwirtschaften leisten einen bedeutenden Beitrag zur biologischen Vielfalt. Als Feuchtgebiete sind sie wertvolle Rückzugsräume für viele unter Naturschutz stehende Tiere und Pflanzen. An den Teichen und in ihrem Umfeld haben Wissenschaftler*innen ein auffallend hohes Aufkommen an Insekten, Vögeln und Amphibien gezählt – ein echter Jackpot der Natur. Der Naturschutzbeitrag von Teichwirtschaften ist sogar um ein Vielfaches höher als der rein monetäre Ertrag aus der Fischproduktion. Die Teiche eignen sich auch für die Reproduktion gefährdeter heimischer Fischarten. Hinzu kommt ihre positive Wirkung auf Mikroklima und Wasserhaushalt.
Dieses Potenzial, so Nina Wolff, Vorsitzende von Slow Food Deutschland, werde bislang viel zu wenig genutzt. Den Teichwirtinnen und -wirten fehlt die gesellschaftliche Wertschätzung. Vor dem Hintergrund des weiter voranschreitenden Verlusts von Biodiversität können und dürfen wir uns das als Gesellschaft nicht länger leisten: „Gerade in Deutschland haben Teichwirtschaften echtes Wachstumspotenzial, weil ausreichend geeignete Naturräume vorhanden sind. Die Wiederbewirtschaftung brachliegender Teiche sollte daher ein Kernziel für Naturschutz und Fischerei sein. Das Bewusstsein von Verbraucher*innen für den Wert nachhaltiger Teichwirtschaften muss gestärkt werden, denn sie sind eine wichtige Quelle für gesunde Lebensmittel mit kurzen Transportwegen.“ Dazu möchte Slow Food beitragen und formuliert in seinem jetzt veröffentlichten Leitfaden Kriterien, mit denen auch Laien eine Bewertung von ökologischer Teichwirtschaft gelingt.
Die wichtigsten Fischarten der deutschen Teichwirtschaften sind der Karpfen und die Forelle. Schleien, Zander, Hechte, Rotaugen, Äschen, aber auch Barsche und Maränen sind weitere Bewohner von Teichanlagen, die hier einen weitgehend naturnahen Lebensraum finden.
]]>Der kürzlich von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) herausgegebene Abschlussbericht des internationalen Jahrs der handwerklichen Fischerei und Aquakultur (IYAFA) hob hervor, dass 492 Millionen Menschen für ihre Subsistenz zumindest teilweise von der handwerklichen Fischerei abhängen sowie dass 40% der Beschäftigten in der Fischerei und in damit verbundenen Tätigkeiten Frauen sind.
Wir dürfen den Einfluss der Meere und Ozeane auf das Klima nicht unterschätzen, ebenso wenig wie die Tatsache, dass unser Verhalten an Land tiefgreifende Auswirkungen auf die Gesundheit der Gewässer hat. Wir müssen die besten Handlungsweisen und Methoden im Bereich der nachhaltigen Fischerei, aber auch bei verschiedensten Aktivitäten an der Küste fördern. In diesem Zusammenhang spielen auch die Städte eine grundlegende Rolle, da sie wichtige Knotenpunkte für den Austausch von Menschen, Kulturen und Gütern sind. Nicht zu vernachlässigen sind auch die Maßnahmen, die wir alle an Land ergreifen können, um die aquatischen Ökosysteme zu schützen: vom richtigen Umgang mit Wasser über pestizidfreie Landwirtschaft bis hin zum Verzicht auf Einwegplastik. In diesem Zusammenhang würdigt und unterstützt der IYAFA-Bericht den Beitrag der handwerklichen Kleinfischerei zur Ernährungssicherheit.
Konferenzen und Treffen im Rahmen der Fischerei-Plattform bieten eine Gelegenheit, sich über die wichtigsten Themen zu informieren und über unsere Kaufgewohnheiten nachzudenken. In der Slow-Fish-Arena finden vertiefende Diskussionen mit Meeresbiolog*innen, Wissenschaftler*innen, Schriftsteller*innen, Klimaforscher*innen und Vertreter*innen von Institutionen sowie Fischer*innen und Muschelzüchter*innen statt, die über ihre Erfahrungen mit ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Fragen berichten.
Am 1. Juni geht es bei der Konferenz Wo Land und Meer aufeinandertreffen um Küstenökosysteme als Knotenpunkte, an denen die vielfältigen Verbindungen zwischen Land und Meer am besten sichtbar werden. Ihre Fragilität aus einer ganzheitlichen Perspektive heraus zu betrachten, ist grundlegend, um systemische Lösungen für die großen Herausforderungen unserer Zeit zu entwickeln. „Das Land speist das Meer, vor allem über die Flüsse. Die Lebewesen der Meere brauchen für ihre Entwicklung Horte wie Küstenwatte und Flussmündungen, wo die Mikroorganismen des Bodens sich zersetzende pflanzliche Stoffe verdauen", erklärt Pierre Mollo, Biologe und Planktonforscher, der auf der Konferenz sprechen wird. „Die biologische Vielfalt der Meere hängt von der Erhaltung dieses natürlichen Gleichgewichts ab. Wir können also sagen, dass wir heute das Leben an Land schützen müssen, wenn wir morgen von den Reichtümern der Meere leben möchten.
Am 2. Juni steht dann die Konferenz Wasser, Wasser überall: Tagebuch eines Wassernotstandes auf dem Programm, bei der es um die Wasserkrise als drastischen Indikator des Klimawandels geht; am 3. Juni kommen bei dem Thema Die Schönheit des Meeres wiederherstellen diejenigen zu Wort, die sich aktiv für die Säuberung der Meere einsetzen, unter Mitwirkung von Franco Borgogno vom Europäischen Forschungsinstitut. Zu guter Letzt sprechen wir am 4. Juni bei der Konferenz Vom Meer geküsst: Die Wiedergeburt der Küstenstädte darüber, wie Küstenstädte zu Zentren des Austauschs und zu Triebkräften des Wandels werden können, die zum Wohle der Umwelt und aller Lebensformen beitragen.
Bei der Fischer-Plattform können Besucher*innen Einblicke in das Leben derer erhalten, die tagtäglich am und mit dem Meer leben und sich seiner Schönheit und seinen Herausforderungen stellen, von der Verschmutzung bis hin zu Umweltveränderungen.
Slow Fish 2023 bietet in erster Linie Gelegenheiten zum Lernen und Vertiefen, auch dank der Bildungsaktivitäten, die Slow Food und das Aquarium von Genua mit Unterstützung von Unicredit organisiert. Wir beleuchten die zentralen Themen der Veranstaltung durch Konferenzen und Foren in der Slow-Fish-Arena, aber auch durch Geschmackserlebnisse, Verabredungen zum Abendessen und Kochkurse mit Köch*innen.
Bei der Veranstaltung gibt es auch einen Bereich für Food Trucks, Straßenküchen und handwerklich gebrautes Bier, eine Önothek mit über 300 Weinetiketten, einen Markt, auf dem Stände und regionale Gemeinschaften das Beste aus Fischerei und Landwirtschaft der Küstenregionen anbieten, und natürlich die Slow Food Presidi, die die reiche biologische Vielfalt der Küstenökosysteme schützen.
Slow Fish 2023 wird von Slow Food und der Region Ligurien mit Unterstützung der Stadt Genua organisiert. Ermöglicht wird die Veranstaltung dank der Unterstützung zahlreicher Partner, die an das Projekt glauben, angefangen bei den Hauptpartnern BBBell, Pastificio Di Martino, Quality Beer Academy, Reale Mutua und UniCredit. Nicht zu vergessen auch die Zusammenarbeit mit dem Porto Antico von Genua, die Unterstützung der Carige-Stiftung, und die Unterstützung der Handelskammer von Genua. Kulturpartner ist das Zentralinstitut für immaterielles Kulturerbe.
Mehr Informationen über das Event gibt es unter: https://slowfish.slowfood.it/en/
Fotos und Videos sind hier verfügbar: https://media.slowfood.it/Slow-Fish-2023
]]>Obwohl Fisch ein so beliebtes Lebensmittel ist, wird er von den meisten Verbraucher*innen in seiner Vielfalt verkannt. Zubereitet werden immer wieder die gleichen Arten, und zwar der Statistik nach überwiegend die, die in Discountern und Supermärkten verfügbar, unkompliziert zuzubereiten oder gar Teil von Fertiggerichten sind. Die großen Mengen zu möglichst geringen Preisen führen dazu, dass viele der populären Bestände stark unter Druck sind oder dass die Auswirkungen ihrer Zucht zur Umweltbelastung werden. Die Klimakrise ist eine zusätzliche Belastung und führt zu Veränderungen nicht nur der Umweltbedingungen, sondern auch der Zusammensetzung von Ökosystemen.
Deshalb fordert Slow Food Handel, Gastronomie und Verbraucher*innen auf, sich den Fischarten zuzuwenden, die im Schatten stehen. Darunter Wildfische, die in der Natur immer artgerecht leben und fressen, und von denen einige unbeachtete Arten in genügend großer Zahl vorhanden sind. Dazu zählen Weißfische aus Seen und Flüssen wie Schleie, Rotauge und Brassen, oder Meeresfische wie Kliesche, Flunder oder Sprotte. Zu den oft verkannten Fischen aus Teichwirtschaft zählen Hecht, Karpfen und Waller, die Slow Food empfiehlt, sofern sie aus einer nachhaltigen und artgerechten Zucht stammen. Sie sollten in der Gunst von Handel, Gastronomie und Verbraucher*innen steigen und den Erzeuger*innen faire Preise einbringen. Ein Umdenken beim Fisch habe Vorteile für alle, so Dr. Nina Wolff, amtierende Vorsitzende von Slow Food Deutschland: „Wenn wir uns bei der Auswahl von Fisch breiter aufstellen, haben kleine Fischereibetriebe an Küsten und Seen sowie Teichwirtschaften eine größere Chance, mittel- und langfristig zu überleben. Damit erhalten wir ganze Kulturlandschaften und die Vielfalt in Ökosystemen. Mut zur Vielfalt wird außerdem maßgeblich darüber entscheiden, wie wir trotz des voranschreitenden Klimawandels die Versorgung aller mit hochwertigen Nahrungsmitteln sicherstellen. Das gilt für Fisch ebenso wie für Nutzpflanzen. Und wir Verbraucher*innen profitieren von viel mehr Geschmacksnuancen auf unseren Tellern. Für Slow Food ist das die Verbindung von Genuss mit Verantwortung und Wirtschaftlichkeit.“
Das Wissen über eine geschickte Zubereitung der eher unbekannten Fischspezies wird für ihren Kauf entscheidend sein. Denn viele von ihnen haben Gräten und davon – aus Sicht vieler Verbraucher*innen – zu viele. Das verlangt Können und Wissen um die richtige Zubereitung, ist aber – einmal erklärt – kinderleicht. Hier kommen Gastronom*innen als Mittler*innen zwischen Handel und Verbraucher*innen ins Spiel, indem sie diese Fische auf ihre Speisekarte setzen und ihre Gäste von Geschmack und handhabbarer Zubereitung überzeugen. Das tun auch die Mitglieder der Chef Alliance, dem Köch*innen-Netzwerk von Slow Food. Jens Witt, Leiter der Chef Alliance ergänzt: „Unser Ziel ist es auch, dass Menschen sich an den ganzen Fisch ‚wagen‘, von Kopf bis Flosse alles probieren, nicht nur das Filet“.
Anfang Dezember bin ich mit Klaus Bächer auf seinem Fischhof verabredet, zur Mittagszeit. So ganz einfach ist die Anfahrt nach Muckenthal nicht, vor allem ohne Auto. Aber zum Glück sind wir motorisiert. Dass ich auf dem richtigen Weg bin, ist an den vielen Karpfenteichen zu sehen, an denen ich vorbeifahre. Kein Wunder, dass der Landkreis Tirschenreuth auch „Land der 1 000 Teiche“ genannt wird.
Keine Angst vor Gräten
Seit 1995 gehört zum „Fischhof Bächer“ auch ein kleines Restaurant, das „Fischstüberl“. Dort treffe ich nicht nur Klaus Bächer, von Beruf Fischwirtschaftsmeister, sondern auch Ehefrau Manuela und Oma Elsa, die heute für uns gekocht hat. Karpfen natürlich, genauer gesagt Stiftlandkarpfen blau, also gegart in säuerlichem Sud mit Zwiebeln, Wurzelgemüse und Gewürzen. Ich bin skeptisch, denn Karpfen hat doch so viele Gräten. Vor allem für seine Y-Gräten ist der Süßwasserfisch berüchtigt. Sie stecken auch im Fischfilet – und sind einer der Gründe, warum der Karpfen nicht unbedingt zu den beliebtesten Speisefischen gehört. „Die sind in unserem Karpfenfilet kein Problem“, beruhigt mich Elsa, „denn wir schneiden die Gräten, bevor wir den Fisch zubereiten“. Sie zeigt mir den Grätenschneider, ein spezielles Küchengerät für die Gastronomie. Und wer Karpfen in der eigenen Küche zubereiten will? Geht auch – dafür Filets im Abstand von zwei bis vier Millimetern einschneiden. „Schröpfen“ sagen Karpfenprofis dazu. Doch wie geht man nun mit den Gräten von einem Karpfen um, der im Ganzen zubereitet wurde? „Langsam essen! Karpfen ist somit Slow Food vom Feinsten“, sagt Manuela Bächer.
Artgerechte Zucht
Auf meine Frage an Klaus Bächer, ob Fischwirtschaftsmeister der Traumberuf von ihm war, antwortet er: „Land- und Teichwirtschaft gehören bei uns in Muckenthal schon immer zusammen, ich hab mich halt dafür entschieden, die Teichwirtschaft zu lernen.“ 1985 bis 1988 war das. Und: Bei der Karpfenzucht in Muckenthal war Nachhaltigkeit schon immer Thema – ohne dass sie früher so benannt wurde. Die Fische haben viel Platz in den Teichen, können schwimmen, ihrer Natur nachgehen und im Teichboden gründeln. Und wie ist Klaus Bächers Meinung zum Thema Aquakultur im Allgemeinen? Die Lösung oder eher kritisch zu sehen? „Auf keinen Fall, wenn es sich um industrielle Zuchtanlagen handelt, wo Fischmehl verfüttert wird!“, empört er sich, “für ein Kilo Forelle Fischmehl aus 10 Kilo anderem Fisch? Das geht gar nicht!“
Fetter Fisch – denkste!
Seit Generationen führen die Bächers als Familie die traditionelle Fischzucht. Die Oberpfalz und Franken gelten in Deutschland als die Zentren der Teichwirtschaft, Karpfen war und ist in der Region beliebt. In anderen Regionen Deutschlands geht die Nachfrage zurück. War Karpfen blau im vergangenen Jahrhundert noch ein traditionelles Weihnachtsessen von so manchen unserer Großeltern, wollen die Enkel davon nichts mehr wissen – außer in der Oberpfalz. „Für die Leute, die hier leben, ist es eben selbstverständlich, Karpfen zu essen. Das liegt auch an den Teichen, die hier zu jeder Landwirtschaft gehören. Ist aber in Sachsen oder auch in der Oberlausitz und Meck-Pomm ähnlich. Woanders kennen viele Karpfen aber nur als sagenhaft fetten Fisch, weil er gemästet wurde. So war das vor nicht allzu langer Zeit mit Karpfen aus Ungarn, der bekam Mais zu fressen.“ Ganz anders der „Oberpfälzer Karpfen“, anerkannt durch das gelb-blaue EU-Siegel für „Geschützte geographische Angabe“, mit magerem (geprüft unter 10 Prozent Fett), sehr wohlschmeckendem Fleisch von feinster Qualität und unbedingt wert, mehr beachtet zu werden.
Fischgenuss ohne Reue
Normalerweise beginnt die Saison für Karpfen im September und geht bis April. In den Teichen wird das Wasser abgelassen, die Fische kommen alle raus und in frisches. Und Exemplare mit einem Gewicht von 1 200 bis 1 500 Gramm landen nach und nach im Laden und in der Küche vom „Fischstüberl“. In dem Familienbetrieb hat jeder seine Aufgaben. Tochter Sophia macht in der Saison als Oberpfälzer Teichnixe Werbung für den Karpfen. Klaus schlachtet – neben der Teichwirtschaft – die Karpfen, filetiert sie und räuchert auch welche. Im Restaurant agieren Elsa und Manuela, im Service hilft Klaus abends ebenfalls mit. So wie Tochter Lena, die jetzt Landwirtschaft studiert und ihren Vater bei der Arbeit mit den Teichen und auf den Feldern unterstützt. Auch Tochter Paula hilft bei den Teichen und im Service. Und zu guter Letzt fehlt noch Opa Alfons, der sich um Landwirtschaft und Technik kümmert. Eine tolle Auswahl an Karpfenschmankerl steht im „Fischstüberl“ auf der Karte – neben Stiftlandkarpfen blau: Elsas Karpfensalat nach Matjesart, Karpfen in Aspik, sauer eingelegt wie Brathering oder in ungarischer Sauce sind nur einige der kalten Fischspezialitäten. Es gibt Oberpfälzer Fischsuppe, Karpfenbratwürste – auch als saure Zipfel –, Karpfenfilet mediterran, mit Champignonkruste oder als Dim-Sum und natürlich Gebackenes Karpfenfilet in Bierteig.
Ob sich der „Nose to tail“-Gedanke, also alles vom Tier zu verwenden, auch beim Karpfen umsetzen lasse, frage ich zum Abschluss? Die Köchinnen nicken: „Na klar! Von den Gräten machen wir Fischfond, allerdings ohne Kopf und Kiemen, weil dann beim Kochen weniger Trübstoffe entstehen. Und wenn es mal einen ganzen, blauen Karpfen gibt, essen manche ja auch den Kopf.“ Ach wie schön, Fischessen mit gutem Gewissen kann doch einfach sein, in der Oberpfalz und mit Karpfen auf dem Teller auf jeden Fall!
Ein Beitrag von Martina Tschirner
Fischhof Bächer
Muckenthal 4, 95676 Wiesau, Tel 09634. 536, Öffnungszeiten Fischladen noch bis Ende April Fr, Sa 10-14 Uhr; “Fischstüberl« Fr, Sa ab 18 Uhr; www.baecher-fischhof.de
Bild: (c) Ingo Hilger
]]>An der Diskussionsrunde auf dem Fischhof Bächer in Muckental bei Wiesau nahmen teil: Dr. Martin Oberle, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, Bereich Karpfenteichwirtschaft; Klaus Bächer, Teichwirt; Lena Bächer, Tochter von Klaus Bächer und stellvertretende Vorsitzende der "ARGE Fisch im Landkreis Tirschenreuth"; Sophia Bächer, Oberpfälzer Teichnixe. Slow Food Deutschland wurde von Vorstandsmitglied Dr. Rupert Ebner vertreten.
Den Auftakt machte Ebner, der erläuterte, dass Slow Food ein großes Augenmerk auf das Thema Fisch lege. „Von den fünf Fischarten die in Deutschland am meisten verkauft werden, gelten inzwischen vier als bedroht. Das sind der Lachs, der Thunfisch, der Hering und natürlich der Seelachs, aus dem Fischstäbchen gemacht werden. Nur die Forelle kann derzeit noch halbwegs bedenkenlos gekauft und verzehrt werden.“ Es sei höchste Zeit, sich Alternativen zu suchen, die nachhaltig und naturnah produziert werden. „Ich bin tief beeindruckt von der Teichführung und der Art, wie hier Karpfen produziert wird. Ich habe selten erlebt, dass ein Lebensmittel so naturnah erzeugt wird.“ In Verbindung mit den kurzen Wegen, die der Karpfen zurücklegt, sei der Fisch im Sinne nachhaltiger Ernährung ein ideales Produkt.
Bild oben: Klaus Bächer mit einem Prachtexemplar aus dem Karpfenteich.
„Karpfen ist mager, schmackhaft und nachhaltig.“
Die Vorurteile dem Karpfen gegenüber rührten teilweise noch aus einer Zeit vor 1990, in der sehr viel Karpfen aus den sogenannten Ostblockstaaten importiert wurden, erklärt Martin Oberle, von der Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft im Bereich Karpfenteichwirtschaft. Damals wurden diese dort teilweise sehr intensiv gehalten, mit Körnermais gefüttert und in einer schlechten Qualität mit hohen Fettgehalten verkauft. Denn der Karpfen sei von Haus aus, wenn er vernünftig erzeugt aus den Teichen kommt, ein sehr schmackhafter und gesunder Fisch. Er ist mager und besitzt wertvolle langkettige Omega-3-Fettsäuren. Oberele ist überzeugt: „Verbraucher finden heute Karpfen von sehr hoher Qualität und werden sich mit hoher Wahrscheinlichkeit vom Geschmack überzeugen lassen.“
Um eine gute Qualität zu erhalten, dürften Teichwirte prinzipiell nicht zu viele Fische pro Hektar einsetzen und nicht zu viel Getreide dazu füttern. Denn bei zu vielen Kohlehydraten würden eben auch Fische fett. Oberle: „Die Eiweißquelle des Karpfens ist die sogenannte Naturnahrung, die aus Wasserflöhen, Hüpferlingen, Insektenlarven etc. besteht. Teichwirte füttern zu. Wenn das in einem guten Verhältnis zueinander steht, hat man beste Qualität. Wir wissen durch Tests, der Karpfen schmeckt dem durchschnittlichen Verbraucher gut, wenn er bis zu zehn Prozent Fettgehalt hat. Steigt der Fettanteil noch weiter, wird das Fleisch glibberig. Aber das liegt eben nicht am Karpfenfleisch selbst, sondern an der falschen Ernährung. Vor 30 Jahren wusste man das alles noch nicht.“
Der Fisch überzeugt heute aber nicht nur durch Geschmack, sondern auch durch seine Umweltverträglichkeit. Oberle zählt die Vorteile auf: „Der Karpfen ist ein Fisch, der alles erfüllt, was der moderne Verbraucher heute erwartet, er ist schmackhaft, gesund, aus nachhaltiger, umweltfreundlicher Erzeugung, er durchläuft kurze, regionale Wirtschaftskreisläufe, wird frisch angeboten und der CO2-Fußabdruck seiner Produktion ist vorbildlich gering.“
Bild oben: Blick in die Küche des Fischstüberls beim Fischhof Bächer
Karpfen: In der Region geliebt
In den Zentren der Teichwirtschaft in Franken und in der Oberpfalz hat die Karpfenzucht eine mehr als 1.000-jährige Tradition. Die meisten der rund 30.000 - 40.000 Teiche gibt es schon seit mehr als 400 Jahre. In der Region hat man die Vorzüge des Karpfens immer geschätzt und die Nachfrage ist steigend. Deutschlandweit dagegen stagniert diese oder fällt. Lena Bächer vom Fischhof Bächer und stellvertretende Vorsitzende der Vermarktungsbundes „ARGE Fisch im Landkreis Tirschenreuth“ berichtet, dass man Menschen außerhalb der Region im persönlichen Kontakt jedoch schnell für Karpfenfleisch begeistern kann, wenn man ihnen von den aktuellen kulinarischen und ökologischen Qualitäten berichtet. „Die Menschen verstehen, Karpfen ist ein Produkt, das man mit gutem Gewissen essen kann.“
Oberle beklagt aber, dass die finanzielle Wertschätzung für die harte Arbeit der Teichwirte fehle und wünscht sich vor allem eine faire Entlohnung für die Teichwirtschaft, damit auch die Jugend gerne weitermacht. Momentan läge der Deckungsbeitrag beim Speisekarpfen bei etwa 300 bis 500 Euro bei 100 Stunden Arbeitszeit für einen Hektar.
Bild oben: Am Fischhäuserl an den Bächerschen Karpfenteichen in Wiesau-Muckenthal
Regionale Vermarktung
Aktuell reisen 90 Prozent der Bächlerschen Karpfen nicht weiter als 100 Kilometer. Ein Drittel geht an Anglervereine zum Einsetzen und zum Essen, ein weiteres Drittel an Schlachter und Direktvermarkter, ein Drittel bleibt im Betrieb. Im Grunde soll sich nach der Vorstellung der Familie Bächer daran auch nicht viel ändern. Lena Bächer erläutert: „Wir bevorzugen eine regionale Vermarktung und sind dagegen, den Fisch hunderte von Kilometern durch Deutschland oder Europa zu fahren.“ Sie kritisiert außerdem, dass im Supermarktregal die handwerkliche Teichwirtschaft von umweltschädlicher Aquakultur gar nicht mehr zu unterscheiden wäre. „Nach europäischer Deklarationsrichtlinie fallen wir unter den Begriff Aquakultur. Diese schließt leider auch Durchlaufanlagen oder Kreislaufanlagen ein. Dabei gibt es da meilenweite Unterschiede. Intensive Aquakultur ist oft auch nur Massentierhaltung im Wasser,“ erläutert Bächer.
Karpfen auf dem Teller
Die zahlreichen Informationen, die es rund um den heimischen Fisch gab, mussten dann aber auch kulinarisch erlebt werden. Und hier hatten sich Manuela und Elsa Bächer etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Neben dem Klassiker, dem „Stiftlandkarpfen blau“ und dem allseits beliebten Karpfenfilet im Bierteig gab es auch ein mediterranes Karpfenfilet mit Stiftländer Rapsöl. Vorgestellt wurden die Gerichte von der Oberpfälzer Teichnixe Sophia. Vor allem das grätenfreie Filet hinterließ einen bleibenden Eindruck, da viele der weit angereisten Gäste dies so nicht kannten. Zur Krönung der Veranstaltung ließ es sich Klaus Bächer nicht nehmen, das Filetieren per Hand vorzuführen. Neben großem Applaus für die Familie Bächer waren ein vollkommen leergekaufter Fischladen der Familie die Folge einer weiteren rundum gelungen Veranstaltung der diesjährigen Karpfensaison.
Bild oben: Klaus Bächer beim Filetieren eines Karpfens zum grätenfreien Filet
Stehend v. l.n.r.: Andrea Lenkert-Hörrmann, Dr. Martin Oberle, Dr. Rupert Ebner
Mehr Informationen zum Thema:
Slow Thema: Aquakultur und Teichwirtschaft
Slow Thema: Genuss und Wertschätzung
© Ingo Hilger
Die Karpfen des Fischhofs Bächer werden beim Abfischen vom Teichwasser in Behälter mit frischem Wasser und Sauerstoffversorgung transportiert.
17.9.2018 – Es ist aktuell dringlicher denn je: Bewusste und ausgewogene Ernährung mit Verantwortung gegenüber Mensch, Tier und Umwelt zu verbinden! Wer diesem Anspruch beim Genuss von Fisch nachkommen möchte, liegt mit Karpfen sowie im Landkreis Tirschenreuth im Oberpfälzer Wald im Nordosten Bayerns genau richtig. Am Sonntag, dem 28. Oktober 2018, lädt Slow Food Deutschland alle Interessierten ein, bei der Slow Food Wurzeltour "Karpfen – vom Teich auf den Teller" mehr zu erfahren.
Karpfen gehört zu den wenigen Fischarten, deren Bestand nicht bedroht ist. Der Süßwasserfisch stammt meist aus der Teichzucht. Er ernährt sich hauptsächlich von Pflanzen und ist als Friedfisch ein ökologisch wertvoller Fisch. Die Flachwasserzonen der Karpfenteiche sind häufig Rückzugsgebiete für seltene Pflanzen- und Tierarten. Die Saison des Karpfens beginnt im September und geht bis April.
Doch ist der Karpfen in Deutschland weiterhin eine unterschätzte Delikatesse. Um sein Image zu verbessern und Verbraucherinnen und Verbraucher von seinem Genuss zu überzeugen, lädt Slow Food Deutschland dazu ein, den Wurzeln des Karpfens auf die Spur zu gehen. Wie und wo wachsen Karpfen heran? Was macht sie zu einem ökologisch nachhaltigen Nahrungsmittel? Wie lässt sich Karpfen geschmackvoll zubereiten?
Die Antworten auf diese Fragen gibt es am 28. Oktober auf dem Fischhof Bächer. Nach einer kurzen Teichführung und interaktiven Diskussionsrunde bildet die Verköstigung im Fischstüberl die kulinarische Krönung des Tages. Mit dabei sind:
Wir freuen uns auf Ihr Kommen!
Veranstaltung: Slow Food Wurzeltour „Karpfen – vom Teich auf den Teller“
Datum: Sonntag, 28. Oktober 2018
Zeit: 11-14 Uhr
Ort: Fischhof Bächer, Muckenthal 4, 95676 Wiesau
Der Unkostenbeitrag inkl. Essen beträgt 18 EUR pro Person.
Informationen zur Fischzucht, dem Fischhof Bächer und dem Land der 1000 Teiche finden Sie unter www.erlebnis-fisch.de.
Bitte melden Sie sich bis Mittwoch, den 24. Oktober, bei einer der beiden Adressen an:
Andrea Lenkert-Hörrmann
Projektbeauftragte Slow Food Deutschland e. V.
projektbeauftragte@slowfood.de
Tel: (01 51) 15 30 81 86
ARGE Fisch im Landkreis Tirschenreuth e. V.
info@erlebnis-fisch.de
Tel: (0 96 31) 8 84 26
Teichanlage beim Abfischen im Herbst. Die Landschaft lädt zum Wandern und Genießen ein.
Über die „Slow Food Wurzeltour“
Lebensmittel kommen größtenteils als anonyme Produkte in den Handel und schließlich auf den Teller. Wo kommen sie her, wo wachsen sie, wie sehen sie vor der Verarbeitung aus, wie schmecken sie frisch, vor dem langen Weg zu uns? Die Slow Food Wurzeltouren möchten Antworten auf diese Fragen geben. Die Teilnehmer machen sich auf zum Ursprung unserer Lebensmittel, zu den Wurzeln unserer Ernährung. Bei Hofbesuchen und Verkostungen stehen solche Erzeuger und ihre Produkte im Mittelpunkt, die täglich für den Erhalt und die Zukunft einer ressourcenschonenden, handwerklichen Lebensmittelerzeugung mit Rücksicht auf Mensch, Tier und Natur arbeiten und damit die Grundlagen für unsere Ernährung lokal wie global bewahren.
Weitere Informationen:
Slow Thema Aquakultur und Teichwirtschaft
Bilder: © Fischhof Bächer
]]>Dicker Karpfen sucht schlanken Sylvaner? Für heiße Tänze im Olivenöl? Von wegen! Am Montagabend in der Berliner Gourmanderie suchte der Karpfen neugierige Esser, die bereit waren, Karpfen aus fünf verschiedenen Herkünften zu probieren und zu vergleichen. Gibt es regionale Unterschiede? Kann man womöglich die Herkunft herausschmecken? Die Fischkommission von Slow Food Deutschland und die Geschmackstage Deutschland e.V. hatten eingeladen und einige der scheuen Friedfische erbeutet. Der bayerische Sternekoch Max Müller bereitete sie zu – zunächst ganz puritanisch, in etwas Butter zart angedünstet, in der zweiten Runde dann in raffinierterem Outfit.
Bild oben: Sternekoch Max Müller bereitet die Karpfenhäppchen für die Verkostung vor. | © Sharon Sheets
Der dicke Pate der Nachhaltigkeit
Als Hors d’oeuvre wurden von verschiedenen Rednern schon mal die Vorzüge des Karpfens gepriesen. Und die können sich sehen lassen. Eigentlich ist der Karpfen Asiate. Die Römer brachten ihn nach Europa, die Mönche verbreiteten ihn fast auf dem gesamten Kontinent. Heute ist der Karpfen „ein typisch deutscher Fisch, der mit vielen Regionen verbunden ist und in den Teichbetrieben in ganz Deutschland gehalten wird“, sagte Stefan Linzmaier, Berliner Fischwissenschaftler und Mitglied der Slow-Food-Fischkommission. Der Karpfen, so Linzmaier, sei vor allem ein Prototyp der Nachhaltigkeit. Er gedeihe ganz ohne Fischmehl-Pellets, er könne sogar ohne jede Zusatzfütterung auskommen und über Jahre langsam heranwachsen. Karpfen können bis zu 30 Jahre alt werden. Beim Fischhändler liegen meist junge Tiere, die maximal fünf, meistens aber zwei bis vier Jahre alt sind und 1,5 bis 2 Kilo Schlachtgewicht auf die Waage bringen. Eine Intensivmast ist auch beim Karpfen keinesfalls zu empfehlen, dann verliert das Fischfleisch seine Festigkeit.
Wovon ernährt sich der Karpfen? In der Dämmerung durchwühlt der Teichbewohner den Grund nach Würmern, Schnecken, Muscheln, Kleinkrebsen und Insektenlarven. Auch Pflanzen werden gefressen. Schwankungen der Temperatur und des pH-Werts in seinem Gewässer steckt er locker weg. Seine Teiche sind zugleich ein wichtiger ökologischer Lebensraum, der nicht nur die Landschaft auflockert, sondern auch vielen anderen Tieren und Pflanzen eine Heimat bietet. Damit ist er eine Art Pate der Biodiversität.
„Der mooselt nicht, wenn er vernünftig behandelt wird!“
Karpfenzüchterin Ramona Oppermann aus dem Spreewald klärte über die Notwendigkeit einer langen, am besten einwöchigen „Aushälterung“ des Karpfens auf: Die Fische werden nach dem Fang in sauberes Wasser gesetzt, wo sie ihren manchmal leicht muffigen Geschmack vom Gründeln komplett verlieren. Oppermann: „Der mooselt nicht, wenn er vernünftig behandelt wird!“
Der Karpfenkörper hat sehr unterschiedliche Genusspartien. Oppermann sezierte den Fisch mit klinischer Präzision von Kopf bis Schwanz und verwies auf verschiedene Zubereitungen für die einzelnen Partien. So eigne sich das grätenreichere Schwanzstück am besten für Fischbällchen. Als reines Filet sollte der Karpfen eher nicht angeboten werden, weil nur ein Drittel des Fischkörpers dafür geeignet sei. Salzt man den Karpfen kräftig ein, verliert er entsprechend an Feuchtigkeit und das Fleisch wird fester.
Die Zeiten, in denen der lebend eingekaufte Fisch zuhause die Badewanne besetzt, während die übrigen Hausbewohner Katzenwäsche praktizieren, sind übrigens lange vorbei. Denn das Mitnehmen noch lebender Fische ist auch bei den Direktvermarktern inzwischen verboten. Und wie schlachtet man einen Karpfen fachgerecht? Er wird mit einem Stockschlag betäubt und per Herzschnitt getötet.
Bild oben: Karpfen aus Oberpfälzer Teichwirtschaft. | © Katharina Heuberger
Karpfengenuss aus fünf Regionen
Nach der Theorie freuten sich die Seminarteilnehmer über die Teller mit Karpfenhäppchen pur aus fünf Regionen: Schleswig-Holstein, Oberpfalz, Lausitz, Spreewald und aus dem Schaalsee unweit von Hamburg. In jeder Runde gab es klare Favoriten, Konsistenz und Geschmack waren durchaus unterschiedlich. Das „Terroir“ herauszuschmecken, also Herkunft und Handwerk, das war indes so gut wie unmöglich. Nach zweimal Karpfen pur folgten zwei Teller mit Karpfen samt Eskorte. Favorit am Journalistentisch: Der gebratene Fisch im gut gemachten Bett aus feinen Linsen mit knackigen Rote-Bete-Würfeln. Fazit: „Man kann unglaublich viel mit diesem Fisch machen“ (Linzmaier).
Im Bild: Verkostungsteller – Karpfenfleisch puristisch in Butter gedünstet. | © Sharon Sheets
Mehr Informationen zu der Veranstaltung:
Teichwirtschaft: Nachhaltiger Fischkonsum ist möglich und schmeckt (15.11.2017)
Geschmackserlebnis: Karpfen - die unterschätzte Delikatesse (28.10.2017)
"Fische in Seenot - Aquakultur als Ausweg?"
Dossier von Manfred Kriener
im Auftrag von Slow Food Deutschland e. V.
erschienen am 4. Dezember 2014
Dossier als PDF herunterladen:
Fisch in Seenot – Aquakultur als Ausweg?
Nach einer Begrüßung zur Veranstaltung im Gourmanderie Club Culinaire in Berlin durch Ursula Hudson (Vorsitzende von Slow Food Deutschland e. V.) und Ulrich Frohnmeyer (Koordinationsbüro Geschmackstage Deutschland e. V.) gab Stefan Linzmaier (Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, Fisch-Kommission Slow Food Deutschland) einen Einblick in die Binnenfischerei. Ramona Oppermann (Geschäftsführerin von Peitzer Edelfisch) berichtete aus der Praxis der Peitzer Teichwirtschaft. Für die anschließende Karpfenverkostung bereitete Max Müller, freischaffender Koch, sechs Karpfen unterschiedlicher Herkunft gleich zu.
Nachhaltigen Fisch zu finden und zu kaufen ist für Verbraucher oftmals keine leichte Aufgabe: Viele Fische, die man im Supermarkt findet, stammen aus überfischten Beständen. Und die verschiedenen Label für nachhaltigen Fischfang sind nicht durchweg transparent. Als Alternative zur Überfischung wilder Arten ist weltweit die Aquakultur auf dem Vormarsch. Diese bietet auf konventioneller Weise aus Slow-Food-Sicht allerdings keine zukunftsfähige Alternative für Fischkonsum, da die Errichtung der Aquakulturen vielerorts traditionelle Ökosysteme zerstört und damit Lebewesen ihren Lebensraum nimmt. Konventionelle Aquakulturen sind mit der Massentierhaltung bei Tieren in der Landwirtschaft vergleichbar: Auch hier finden sich hohe Besatzdichten und der Einsatz von Antibiotika.
Bild oben: Ursula Hudson (re., stehend), Vorsitzende von Slow Food Deutschland, begrüßt die Gäste. | © Sharon Sheets
Karpfen verbindet Genuss und Verantwortung auf ganz natürliche Weise
Trotz vielfältiger Herausforderungen beim Fischkauf ist nachhaltiger Fischkonsum durch lokale Fischarten aus der Binnenfischerei möglich: „Wer nachhaltig Fisch kaufen möchte, liegt mit Karpfen genau richtig. Er gehört zu den wenigen Fischarten, deren Bestand nicht bedroht ist. Und, ganz wichtig für Slow Food, Genuss und Verantwortung treffen beim Karpfen ganz natürlich zusammen“, so Ursula Hudson zur Einführung des Abends. Karpfen ernährt sich im Binnengewässer eigenständig von vorhandenen Pflanzen und ist nicht auf Zufütterung angewiesen. „Problematischer hingegen sind Fische, für deren Fütterung Fischmehl oder ähnliche Futtermittel eingesetzt werden. Das ist so absurd wie es klingt: Fisch wird erzeugt und zu Fischmehl verarbeitet, damit man anderen Fisch züchten kann. Das hat mit Nachhaltigkeit nichts zu tun. Deswegen sollten wir die unterschätzte Delikatesse Karpfen wieder mehr wertschätzen. Seine Aufzucht ist nicht nur ressourcenschonend sondern durch die nachhaltige Teichwirtschaft werden auch Lebensräume für viele geschützte Arten erhalten“, erläutert Hudson weiter.
Nachhaltige Alternative beim Fischkonsum: Karpfen aus Teichwirtschaft. | © PeitzerEdelfisch/Landkreis Spree-Neiße
Regionale Fischarten wiederentdecken und wertschätzen
Für den Erwerb von Karpfen nehmen Verbraucher am besten Kontakt zu Binnenfischern ihrer Region auf. Städter können einen verlässlichen Fischhändlersuchen, der ihnen etwas über Herkunft und Bezugsquelle der Tiere sagen kann. Bei der Veranstaltung berichtet Stefan Linzmaier über die lange Tradition der Karpfenteichwirtschaft und weist auch darauf hin, dass es weitere nachhaltige Alternativen aus der Binnenfischerei gibt: „Die Karpfenteichwirtschaft hat in vielen Regionen Deutschlands eine lange Tradition. Die Anfänge reichen 1.200 Jahre zurück. Als traditionell extensive Bewirtschaftung ist sie besonders wertvoll für die Landschaft. Die Flachwasserzonen der Karpfenteiche sind häufig Rückzugsgebiete für seltene Pflanzen- und Tierarten. Es gibt aber auch weitere weniger bekannte Fischarten, die nicht auf Zufütterung angewiesen sind und die ebenso ökologisch nachhaltig und regional wertvoll sind. Neben Karpfen gibt es bei vielen Karpfenzüchtern auch eine sekundäre Teichwirtschaft mit unbekannten oder vergessenen Arten, die es nicht mehr auf den Verkaufstisch schaffen, weil sie nicht nachgefragt werden. Zu diesen fast vergessenen traditionellen Fischarten zählen zum Beispiel Schleie und Barsch. Es lohnt sich also beim Händler oder Fischer nachzufragen, welche anderen lokalen Fischarten erhältlich sind, denn damit tut man nicht nur was für die lokale Wirtschaft und den Erhalt lokaler Ökosysteme, sondern auch der Verbraucher hat was davon: Diese regionalen Alternativen sind auf Grund der Regionalität auch zu angemessenen Preisen erhältlich“.
Regionale Vielfalt
Nach einem informativen Teil zum Thema Binnenfischerei und zur Nachhaltigkeit von Karpfen, ging die Veranstaltung über zur Querverkostung sechs verschiedener Karpfenarten: Aufgetischt wurden Karpfen aus der Oberpfalz, aus dem Biosphärenreservat "Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft“, aus den Peitzer Teichen im Spreewald, aus dem Biosphärengebiet Schaalsee und aus der Nehmter Teichwirtschaft am Plöner See, Schleswig-Holstein. Die Teilnehmer konnten die regionale Vielfalt schmecken und die Unterschiede der Fische aus den verschiedenen Regionen anhand von Farbe und Konsistenz erleben. Neben einer Querverkostung der sechs Karpfen durften die Teilnehmer auch kreativ zubereitete Karpfen-Kostproben verkosten, darunter zum Beispiel Karpfenfrikadelle.
Im Bild: Querverkostung – Karpfen aus unterschiedlichen Regionen Deutschlands. | © Sharon Sheets
Mehr Informationen zu der Veranstaltung:
Geschmacksseminar: "Man kann unglaublich viel aus Karpfen machen!" (16.11.2017)
Geschmackserlebnis: Karpfen - die unterschätzte Delikatesse (28.10.2017)
Oberpfälzer Teichlandschaft | © Tourismuszentrum Oberpfälzer Wald
"Fische in Seenot - Aquakultur als Ausweg?"
Dossier von Manfred Kriener
im Auftrag von Slow Food Deutschland e. V.
erschienen am 4. Dezember 2014
Dossier als PDF herunterladen:
Fisch in Seenot – Aquakultur als Ausweg?
Der Süßwasserfisch Karpfen stammt meist aus der Teichzucht. Er ernährt sich hauptsächlich von Pflanzen und ist als Friedfisch ein ökologisch hoch zu schätzender Fisch.
Die Karpfenteichwirtschaft hat in vielen Regionen Deutschlands eine lange Tradition. Die Anfänge reichen 1.200 Jahre zurück. Als traditionell extensive Bewirtschaftung ist sie besonders wertvoll für die Landschaft. Die Flachwasserzonen der Karpfenteiche sind häufig Rückzugsgebiete für seltene Pflanzen- und Tierarten.
Karpfen ist das ganze Jahr über erhältlich, am besten schmeckt er jedoch im Herbst und Winter. Liebhaber mögen sein mageres, schmackhaftes Fleisch. Aber leider ist er eine oftmals unterschätzte Delikatesse und muss gegen ein schlechtes Image ankämpfen.
Bei einer Veranstaltung der Fisch-Kommission von Slow Food Deutschland e.V. in Zusammenarbeit mit Geschmackstage e.V. werden im Club Culinaire in einer Querverkostung Karpfen aus typischen Teichwirtschaftsregionen angeboten:
Max Müller,freischaffender Koch, bereitet die Karpfen unterschiedlicher Herkunft gleich zu. Ist Karpfen gleich Karpfen? Kann man regionale Unterschiede schmecken? Ist der Unterschied in der Aufzucht zwischen konventionell und bio „erschmeckbar“?
Stefan Linzmaier, Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei und Freie Universität Berlin, Fisch-Kommission Slow Food Deutschland, gibt Einblick in die Binnenfischerei.
Ramona Oppermann, Geschäftsführerin von Peitzer Edelfisch, berichtet aus der Praxis der Peitzer Teichwirtschaft, dem größten zusammenhängenden von Menschenhand geschaffenen Teichgebiet Deutschlands.
Dazu gibt es unterschiedlich zubereitete Kostproben, um die Vielfalt kulinarischer Möglichkeiten zu zeigen.
***** AUSGEBUCHT *****
Veranstaltung: Geschmackserlebnis „Karpfen - die unterschätzte Delikatesse“
Termin: Montag, 13. November 2017, Zeit: 19:30 Uhr
Ort: Gourmanderie Club Culinaire, Otto-Suhr-Allee 94, 10585 Berlin Charlottenburg
***** AUSGEBUCHT *****
Kontakt:
Andrea Lenkert-Hörrmann
projektbeauftragte@slowfood.de
Tel. (01 51) 15 30 81 86
Mehr Informationen zu den Geschmackstagen finden Sie unter www.geschmackstage.de
Bild oben: Karpfen aus Oberpfälzer Teichwirtschaft. | © Katharina Heuberger
25 Jahre Slow Food Deutschland
Unter dem Motto „25 Jahre Slow Food Deutschland – Weil uns die Zukunft des Essens und unserer Lebensmittelerzeuger wichtig ist“ feiert Slow Food Deutschland gemeinsam mit den rund 14.000 Mitgliedern das 25-jährige Vereinsjubiläum. Veranstaltungen in ganz Deutschland rücken Erzeuger und Produkte in den Fokus, die schon heute im Zeichen eines zukunftsfähigen Lebensmittelsystems und ökologischer Nachhaltigkeit stehen.
Veranstaltungen im Jubiläumsjahr
Peitzer Teichlandschaft | © Peitzer Edelfisch / Landkreis Spree-Neiße
"Fische in Seenot - Aquakultur als Ausweg?"
Dossier von Manfred Kriener
im Auftrag von Slow Food Deutschland e. V.
erschienen am 4. Dezember 2014
Dossier als PDF herunterladen:
Fisch in Seenot – Aquakultur als Ausweg?
Die Teilnehmer des Gesprächs waren Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland e.V.; Manfred Kriener, Journalist und Autor des Dossiers; Michael Beier, Vorstand der Heinz Sielmann Stiftung; Ullrich Simmat, Leiter Naturschutz in der Heinz Sielmann Stiftung; Francisco Marí, Referent für Agrarhandel und Fischerei bei Brot für die Welt und Werner Kratz von der FU Berlin, Aquakulturexperte und 2. Vorsitzender NABU Brandenburg. Abschließend wurde die Aquakultur als sehr komplex bewertet. Deshalb stellt sie keine Lösung für das Problem der Überfischung der Meere dar.
Slow Food Deutschland hält vor allem die Förderung der Teichwirtschaft für eine zukunftsfähige Lösung. "Eine aus Slow Food Sicht valide Alternative zu Wildfang ist die extensive, traditionelle und multifunktionale Teichwirtschaft. Sie ist eines der drei strategischen Ziele des deutschen nationalen Strategieplans zur Aquakultur: Erhaltung von Teichlandschaften und Wiederinbetriebnahme brachliegender Teiche als spezielle Form der Aquakultur mit ihrer typischen extensiven Wirtschaftsweise und ihrer Doppelfunktion für Fischwirtschaft und Gemeinwohl (Naturschutz, Landschaftsbild, Wasserhaushalt)," erklärt die Slow Food Vorsitzende Ursula Hudson.
Darüber hinaus forderte die Slow-Food-Chefin einen eingeschränkten Fischkonsum: "Aquakultur wird – seit der neuen Europäischen Fischereireform noch verstärkt – als eine Lösung des Problems der Überfischung der Meere angepriesen. Jedoch sind die allermeisten Aquakultursysteme, die derzeit existieren, ungeheure Massentierhaltungsanlagen in Besatzdichten wie in einer Sardinendose, tatsächlich keine nachhaltige Lösung. Wir müssen anfangen, Fisch als das zu sehen, was es ist: ein kostbares Gut. Nur dann können wir diese immer seltener werdende Köstlichkeit und ihren einzigartigen Lebensraum auch noch in Zukunft genießen."
Am Ende dieser Seite kann das komplette Dossier als PDF heruntergeladen werden, im Folgenden finden sich ein kurzer Überblick des Autors zu den Inhalten und Themen des Dossiers.
Bild oben: Spiegelkarpfen aus Teichwirtschaft.
Die Untiefen der Aquakultur
Es ist ein Weltrekord mit Ansage. Die globale Fischproduktion aus Aquakulturen hat eine weitere saftige Bestleistung hingelegt. Der Weltfischereireport 2014 der Welternährungsorganisation FAO beziffert die Menge der aus Teichen, Netzkäfigen, Tanks und Becken verkauften Fische, Muscheln und Krustentiere für das Jahr 2012 auf 66,6 Millionen Tonnen. Auch die Schätzung für 2013 liegt jetzt auf dem Tisch: 70,5 Millionen Tonnen. Die nächste Rekordmarke. Mit fast naturgesetzlicher Regelmäßigkeit schießt die Fischproduktion der Aquakulturen in schwindelerregende Höhen. Nominal übertreffen die Wildfänge aus dem Meer (79,9 Millionen Tonnen) zwar noch die Zahlen der Aquakultur. Doch in Wahrheit essen wir schon jetzt mehr Fisch aus der Zucht als aus dem Meer. Denn mehr als zehn Millionen Tonnen der Meeres-Wildfänge landen nicht auf unserem Teller, sondern werden zu Fischfutter verarbeitet – für die Aquakultur!
Vollkommen geräuschlos und weitgehend unbemerkt haben also die „Bauernhöfe unter Wasser“ Platz eins erobert. Bei den Wildfängen aus dem Meer sorgt die jahrzehntelange Überfischung dagegen für stagnierende Erträge. Aber: Wie nachhaltig ist die Aquakultur? Kann man sinnvoll Fische in Gefangenschaft produzieren, wenn man sie mit Fischen aus Wildfängen füttert? Und: Welche neuen Konzepte werden diskutiert, um die Aquakultur zukunftsfähig zu machen?
Lachsfarm in Nesseby in Norwegen. | © Creative Commons /Marius Fiskum /www.fototopia.no
Warum man Raubfische zu Vegetariern macht
Um den Fischverbrauch der Lachse, Doraden oder Wolfsbarsche in den Netzkäfigen zu reduzieren, werden Fischmehle und Fischöl zunehmend durch Soja, Hülsenfrüchte, Mais und Weizen oder durch Eiweiß-Rückstände aus der Biodiesel-Herstellung ersetzt.
Wenn Fische durch die Maschen schlüpfen
Hunderttausende Zuchtfische entkommen Jahr für Jahr bei Stürmen und durch Löcher im Netz aus den Netzkäfigen und bringen ihr degeneriertes Erbmaterial in die viel fitteren Wildpopulationen ein. Ein einziger Tsunami „befreite“ am 21. April 2007 im chilenischen Aysén-Fjord fünf Millionen Lachse. In einigen Flüssen Schottlands oder Norwegens schwimmen mehr Zucht- als Wildlachse.
Warum Mangroven den Garnelen weichen müssen
Pestizid- und Medikamenteneinsatz in der Garnelenzucht in Entwicklungsländern ist für die Zerstörung der für den Artenreichtum der Meere wichtigen Mangrovenwälder mitverantwortlich. In Ekuador und Bangladesch gehen 40 Prozent der Zerstörung auf die intensive Aquakultur zurück. Zusätzlich werden Menschen- und Arbeitsrechte in Zucht und Verarbeitung massiv verletzt.
Was der Afrikanische Wels in Niedersachsen treibt
Landgestützte Aquakulturen in geschlossenen Kreislaufanlagen sind der neue Trend. Die Fische werden in Tanks und Becken an Land gehalten wie in einem großen Aquarium. Wo eine Scheune ist, kann auch eine Aquakultur sein. In Niedersachsen hat sich die Zahl der Betriebe mit geschlossenen Kreislaufanlagen verdoppelt. Der Liebling in den Wasserbecken ist der Afrikanische Wels. Der dicke Brummer ist das neue Masthuhn – so robust, dass ihn auch schlecht ausgebildete Fischhalter nicht umbringen können.
Warum das schillerndste Projekt der Aquakultur Pleite ist
In Völklingen wollte die Aquakultur auf zu neuen Ufern. 600 Kilometer von der Küste entfernt sollten Meeresfische im großen Stil in einer Betonhalle mit vier riesigen Becken gehalten werden. Jetzt steht das spektakuläre Projekt vor der Pleite.
Warum die gute alte Teichwirtschaft bedroht ist
Die nachhaltigste Form der Aquakultur ist Jahrtausende alt: die Teichwirtschaft. Doch die Zahl der mit Karpfen, Forellen und anderen Süßwasserfischen besetzten und bewirtschafteten Teiche geht dramatisch zurück. Ärger mit den Behörden, Dauerattacken der Fischräuber, Absatzprobleme und anderes mehr nerven die Betreiber.
Karpfenteich in der Oberpfalz. In dieser Region Bayerns hat die Teichwirtschaft eine sehr lange Tradition.
Alle Bilder zur Teichwirtschaft auf dieser Seite: © Katharina Heuberger
Mehr Informationen:
Slow Thema Nachhaltige Fischerei
"Fische in Seenot - Aquakultur als Ausweg?"
Dossier von Manfred Kriener
im Auftrag von Slow Food Deutschland e. V.
erschienen am 4. Dezember 2014
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Fisch in Seenot – Aquakultur als Ausweg?