Foto: © Familie Andres
Wer die Seele eines Dorfes, eines Städtchens in fränkischen Landen erkunden will, muss dort anfangen, wo dessen Herz schlägt: im Zentrum. Hier, wo Rathaus, Stadtkirche und Marktplatz auf engem Raum versammelt sind, lässt sich der Charakter des Orts erspüren, das Auf und Ab von Erfolg und Einfluss und Bürgerstolz. Die regionstypische Identität erwächst jedoch aus der Bodenverbundenheit. Die einstigen Baumeister nutzten, was die Umgebung an Baumaterial reichlich bot. Am bayerischen Untermain waren dies über Jahrhunderte die Stämme von Buchen und Eichen des Spessarts und des Odenwalds. Und der rote Buntsandstein beider Bergwelten.
Viele alte Ortskerne in Churfranken und Spessart bieten sehenswerte Bauwerke mit fränkischem Fachwerk und aus oder mit rotem Buntsandstein. Leuchtende Beispiele freilich sind die historischen Zentren von Lohr, Wertheim und Miltenberg, alle drei am Main gelegen. Eingepresst zwischen Fluss und Berg, die Topografie geschickt nutzend, bilden die hochragenden spitzgiebeligen Häuser mit ihrem nicht nur Funktion erfüllendem Fachwerk eine homogene Kulisse trotz verschiedener Stile. Gebäude aus dem regionalen Sandstein waren über lange Zeit den Bürgern meist verwehrt; selbst fürs gemauerte Parterre brauchte es die Erlaubnis des Stadtrates oder gar des Landesherrn. Aber für die wehrhaften und repräsentativen Gebäude wie Burg, Schloss, Kirche, Rathaus kam nichts anderes in Frage.
Die Stadtbürger freilich hatten auch ihren Stolz. Mit vielstöckigen Häusern, steilen Dächern, und fränkischem Schmuckfachwerk - komplizierte Formen vom Andreas-Kreuz über Kreise bis zu schachbrettartigen Muster zwischen den tragenden und stabilisierenden Stützen – zeigten sie Rang und Vermögen. Nicht genug damit, Eckbalken und tragende Querbalken erhielten feine Profilierungen, oft farblich betont. Und so manches bunt bemalte Medaillon, geschnitzt in die Konstruktion, hält den Blick des Betrachters.
*Mit Slow Food verbundene Betriebe
Gut essen in der Nähe:
Bürgstadt (3 km bis Miltenberg): ADLER Landhotel*, Hauptstr. 30
Lohr-Halsbach (8 km bis Lohr): Gasthaus „Am Dorfbrunnen“*, Am Dorfbrunnen 1
Wertheim: Altstadthotel Baunachshof*, Friedleinsgasse 2
Gut einkaufen beim Erzeuger:
Bürgstadt (3 km bis Miltenberg): Weingut Rudolf Fürst*, Hohenlindenweg 46, Bio-Weingut Burkhard Hench,* Hauptstr. 32
Partenstein (7 km bis Lohr): Metzgerei Pfaffenberger, Am Lohrbach 6
Erkundungs-Spaziergang durch die Weinlagen des Centgrafenberg.
Wer Wein liebt, will auch wissen, woher dieser kommt, wer ihn macht und wie. Da guter Wein im Weinberg entsteht, liegt es nahe, die Weinlagen kennen zu lernen. Eine der großen historischen ist der Centgrafenberg in Churfranken; an seinem Fuß lockt das sehenswerte Bürgstadt - und zwei Kilometer weiter westlich auch das Fachwerk-Juwel Miltenberg. An des Berges Südhängen und Steillagen gedeihen auf Buntsandstein-Verwitterungsböden hervorragende Burgunder-Rotweine, wo der Sandstein mit Lehm vermischt ist, auch vorzügliche Weißweine wie Riesling und Silvaner. Die Rundwanderung auf Allwetter-Wegen dauert ca. zwei Stunden und führt auch zur 2011 wieder aufgelebten historischen Steillage Hundsrück mit ihren Terrassenmauern. Unterwegs erfährt man etwas über Boden, Anbau und die Zerstückelung der Grundstücke durch das einstige Erbrecht der Realteilung. Deshalb müht sich seit Jahrzehnten jedes der zehn Bürgstädter Weingüter, seine über beide Lagen verteilten Weingärten durch Tausch und Kauf bearbeitungsfreundlicher zu vergrößern.
Vom Bürgstadter Renaissance-Rathaus (erbaut 1590 – 92) wandern wir die Maingasse hinauf, biegen links in die Streckfuss-Straße und wieder links in den Höhenbahnweg, dann gleich rechts in den Hohenlindenweg, dem wir folgen aus der Stadt hinaus bis rechts das seiner Früh- und Spätburgunderweine gerühmte Weingut Fürst* auftaucht. Diesen Panoramaweg weiter gehend, begleitet von Erklärungstafeln, wählen wir bei der Gabelung den Abzweig nach rechts, vorbei an der überdachten Gesteinsinformation zum wenige Schritte weiter gelegenen Centgrafen-Pavillion: ein idealer Platz für eine kleine mitgebrachte Vesper mit Blick auf die herrliche Kulisse des Miltenberger Beckens.
Gestärkt folgen wir dem Panoramaweg weiter bis zum Ende und wenden uns bergab. Nun sind wir auf dem Rotwein-Wanderweg und folgen seinem Logo (Römer-Rotweinglas). Beim Abzweig folgen wir dem linken Weg, einem mit Gras bewachsenen Flurweg. Nun sind wir am Fuße der Lage Hundsrück mit seinen rechter Hand bergaufstrebenden da und dort verwilderten terrassierten Weingärten. Auch an den Weinbergshäuschen erkennt man, dass hier die Weinbergskultur von gestern zuhause ist. Und wie es künftig hier wieder aussehen kann, erzählen die bereits restaurierten Weingärten, die schon heute vorzügliche Weine liefern. Bergauf blickend wird man der Steile dieser Lage gewahr, ein Eindruck, der sich noch vertieft beim Blick durch die verwilderten Obstbäume hinunter ins Tal der Erft. Und zugleich versteht man beim Betrachten der restaurierten und mit Reben bepflanzten Terrassen, warum im Fränkischen der Winzer einst Häcker genannt wurde: Hier muss der Boden von Hand mit der Hacke bearbeitet und belüftet werden – auch vom modernen Winzer. Das lässt Bewunderung aufkommen für die Kühnheit, den Fleiß und den Wagemut dieser einstigen Weinbauern.
Unsere Wanderung mündet bei den ersten Häusern in die St. Urbanus-Straße. Ihr folgen wir bis zur schon bekannten Streckfuß-Straße und von ferne das Rathaus erblickend.
Gut essen und trinken in der Nähe (* = mit Slow Food verbundene Betriebe):
Bürgstadt: Adler Landhotel*, Hauptstr. 30
Gut einkaufen beim Erzeuger:
Bürgstadt: Weingut Rudolf Fürst* (Verkauf nach Anmeldung), Hohenlindenweg 46,
Bio-Weingut Hench*, Hauptstr. 32
Kurzer historischer Ausflug
Das unterfränkische Land des Mainvierecks zwischen dem gemütlichen Gemünden und dem geschäftigen Aschaffenburg – Aschebersch sagen die Einwohner im rheinfränkischen (hessischen) Dialekt zu ihrem nordwestlichen Vorposten Bayerns – fasziniert durch seinen landschaftlichen Kontrast. Hie das relativ wenig besiedelte Waldgebirge, da das dichter bevölkerte Flusstal, das sich Churfranken nennt. Der Main als traditionelle Verkehrsader umschlingt den buntsandsteinernen Spessart U-förmig, ihn trennend im Süden vom gesteinsgleichen Odenwald. Deide Regionen verwalteten Jahrhunderte lang die kurfürstlichen Erzbischöfe von Mainz, der einstigen Hauptstadt Westfrankens. Aschaffenburg war ihre beliebte Nebenresidenz, auch der ergiebigen Jagdgründe des Spessarts wegen, weshalb sie erst ab dem 12. Jahrhundert eine Besiedelung des Waldberglandes duldeten. Das 1552 niedergebrannte kurmainzische Domizil, eine stattliche Burg, ersetzt seit 1614 an gleicher Stelle das imposante rote Renaissance-Schloss Johannisburg, eines der bedeutendsten Deutschlands.
Wie alle Wäldler galten die Spessarter als arme Leut. Ihr Wald war zu gewissen Zeiten auch Rückzugsgebiet von Räubern und Spitzbuben. Ein darauf reduziertes Vorstellungsbild ist falsch. Bergbau (Gesteine, Mineralien und Erze), Holz, Wasserkraft und die Handwerke Köhlerei, Töpferei, wasserbetriebene Eisenhämmer und Spiegelproduktion brachten über lange Zeit Geld ins Land. Landwirtschaft freilich war der mageren Böden wegen wenig verbreitet; in unserer Zeit werden nur in günstigen Lagen Kartoffeln, Roggen und Hafer angebaut. Begünstigter war immer Churfranken durch den Weinbau im Maintal, durch Fischfang und Handel; denn der Fluss war ein geschätzter Transportweg.
Roter Bundsandstein und Fachwerk
Vorherrschend ist Buntsandstein als Baumaterial in der Region, zugleich die Ursache für die wunderbaren Rotweine, die hier wachsen. Unbedingt einen Stadtspaziergang wert sind die mit herrlichem, fränkischem Fachwerk geschmückten Städte Lohr, Wertheim, Klingenberg und Miltenberg. 17 Ruinen, Burgen, Herrensitze und Schlösser künden von Wehrhaftigkeit und Adelsstolz.
Bei Miltenberg lockt südlich eine wahre Perle im Naturpark bayerischer Odenwald: die Barockstadt Amorbach. Im 8. Jahrhundert als Benediktinerabtei gegründet, entwickelte sich parallel der bürgerliche Ort. 1253 erhielt er Stadtrecht und war sogar für drei Jahre (1803 bis 1806) Residenzstadt des kurzlebigen Fürstentums Leiningen, deren Nachkommen bis heute die im 18. Jahrhundert zum Schloss umgebaute ehemalige Benediktinierabtei bewohnen. Balthasar Neumanns Sohn Ignaz erbaute die repräsentative Bibliothek, die ebenso besichtigt werden kann wie der festliche Grüne Saal (01.03. – 31.10., Di-Sa 10 – 17 Uhr, So 11 – 17.30 Uhr). Sehr sehenswert ist die im 18. Jahrhundert prachtvoll barockisierte Abteikirche am Schlossplatz.
Gut essen in der Nähe (*mit Slow Food verbundener Betrieb):
Amorbach (3 km): Schenk's Landgasthof*, Neudorf 7, (2 km): Der Schafhof Amorbach, Schafhof 1
Bürgstadt (12 km): ADLER Landhotel*, Hauptstr. 30
Gut einkaufen beim Erzeuger:
Bürgstadt (12 km): Weingut Rudolf Fürst*, Hohenlindenweg 46, Bio-Weingut Burkhard Hench*, Hauptstr. 32