Klimaschutzziele müssen nicht nur diskutiert, sondern vor allem umgesetzt werden!

30.7.2018 – Maike und Michael Recktenwald betreiben auf der autofreien Nordseeinsel Langeoog ein Biohotel, ein Restaurant sowie eine Bäckerei und sind Slow-Food-Unterstützer. Mit ihrem täglichen Handeln möchten sie die einzigartige Landschaft nicht nur für sich, sondern vor allem auch für nachfolgende Generationen erhalten. Deshalb sehen sie auch nicht tatenlos zu, wenn es um die Umsetzung dringend notwendiger Klimaschutzziele geht.

Klimaklage: "Klimaschutzziele müssen nicht nur diskutiert, sondern vor allem umgesetzt werden!"

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Familie Recktenwald ist eine von zehn Familien aus fünf EU-Staaten sowie aus Kenia und Fidschi, die im Mai 2018 bei der Europäischen Union eine Sammelklage eingereicht haben. Die Klagebegründung: Die Europäische Kommission komme mit ihren Klimazielen ihrer Verantwortlichkeit, Leib, Leben und Gesundheit der Bürger zu schützen, aktuell nicht nach. Die Familien fordern die EU zu einem entschiedeneren Handeln auf!

Sarah Niehaus führte für Slow Food Deutschland ein Gespräch mit Michael Recktenwald.

Was waren Ihre Beweggründe, sich an dieser Klage zu beteiligen?

Die Fakten, dass dieser Klimawandel für alle sichtbar stattfindet, die politisch Verantwortlichen aber ihre Köpfe in den Sand stecken und dabei die Interessen der Wirtschafts- und Agrarlobby befriedigen. Anders lässt es sich nicht erklären, dass Massentierhaltung sowie weitere Auswüchse der industriellen Lebensmittelproduktion weiter gefördert werden. All das möchten wir nicht stillschweigend hinnehmen, deswegen haben die Personen, die die Klage angeregt haben, offene Türen bei uns eingerannt.

Wie ist der aktuelle Stand des Rechtsverfahrens?

Die Klage wurde Anfang Juni eingereicht. Sie umfasst rund 6.000 Seiten auf Englisch. Unterstützt wurden wir dabei von einem emeritierten Professor für Rechtswissenschaften aus Bremen. Aktuell wird dieses umfangreiche Schriftstück gekürzt und im Anschluss prüft der Europäische Gerichtshof, ob die Klage zulässig ist. Das dauert etwa drei Monate. Die Antwort darauf erhalten wir sicher erst 2019.

Blicken wir auf Ihren Alltag, wie äußern sich hier ganz konkret Konsequenzen des Klimawandels?

Um den Strand zu sichern, müssen wir beispielsweise unsere Küstenschutzmaßnahmen in immer kürzeren Zeitabschnitten durchführen. Dabei wird Sand aufgepumpt, damit der Strand erhalten bleibt. Das ist von besonderer Relevanz an der Stelle der Insel, wo sich unsere Süßwasserversorgung befindet. Hier ist der Strand sehr schmal. Wenn wir hier nicht aufpassen und schnell handeln, haben wir irgendwann kein Trinkwasser mehr. Der Klimawandel äußert sich außerdem durch wärmere Winter und eine veränderte Windrichtung. Heute haben wir ganz oft Südwest anstatt Nordwest-Wind. Das gab es früher nie. Hinzu kommen höhere Niederschläge in den Wintermonaten. Alleine von Mitte November 2017 bis Mitte Januar 2018 hatten wir mehr Regen als sonst in einem ganzen Jahr. Da Langeoog unter dem Meeresspiegel liegt, haben wir das Wasser kaum wegbekommen.

Herr Recktenwald, Sie betreiben ein Hotel, ein Restaurant und eine Bäckerei. Mithilfe welcher Maßnahmen führen Sie diese möglichst klimagerecht?

Unser Hotel ist ein zertifiziertes Biohotel und damit halten wir uns konsequent an die strengen Kriterien des Vereins der BioHotels. Das heißt zum Beispiel, dass es bei uns im Hotel ausschließlich Bio-Lebensmittel gibt, zu 100 Prozent. Im Restaurant und in der Bäckerei liegen wir bei etwa 85 Prozent Bio-Anteil, sowohl bei den Lebensmitteln also auch bei Putz- und Wasch-mitteln, biologisch abbaubarem Verpackungsmaterial für den Strandkiosk und die Bäckerei. Wir nutzen außerdem in allen Betrieben Ökostrom. Die Nicht-Bio-Lebensmittel kommen überwiegend von regionalen Partnern, lediglich ohne Zertifikat. Wir beziehen sie so weit wie möglich aus einem Umkreis von 50 Kilometern. Tierische Produkte aus Massentierhaltung sind für uns natürlich völlig ausgeschlossen. Für unser Personal gibt es einmal die Woche Fleisch. Was früher der Sonntagsbraten war, ist für unsere Team-Essen heute der Samstagsbraten. An allen anderen Tagen gibt es in der Regel gar kein Fleisch, höchstens mal Speckwürfel im Eintopf. Es ist mir besonders wichtig, dass wir so gemeinsam Vorbild für unsere Gäste sind.

Das klingt nach Maßnahmen, die weitestgehend jeder von uns im Alltag umsetzen könnte. Was denken Sie?

Absolut, und anfangen sollten wir mit einem deutlich geringeren Verzehr von Fleisch und an-gemessenen Preisen für tierische Produkte. Denn die Schäden durch Massentierhaltung zahlen wir früher oder später eh – wenn nicht direkt an der Supermarktkasse dann indirekt etwa für die Grundwasserreinigung aufgrund der Nitratbelastung. Das was Verbraucher glauben, billig einkaufen zu können, ist am Ende extrem teuer. Ich weiß alleine vom Oldenburgisch-Ostfriesischen Wasserverband, wie schwierig es zum Beispiel in Südoldenburg ist, für sauberes Trinkwasser zu sorgen. Denn hier liegt eine hohe Konzentration von Massentierhaltung vor.

Wie blicken Sie in die Zukunft?

Also zunächst einmal hoffnungsvoll. Ich wünsche mir, dass unsere Klage zugelassen wird und die politischen Verantwortlichen zum Nachdenken anregt. Sollte sie gewonnen werden, wären sie sogar gezwungen zu handeln. Das wäre großartig, auch wenn damit noch lange nicht über einen konsequent umgesetzten Klimaschutz weltweit entschieden wäre. Aber irgendwann wird sich etwas ändern müssen. So weiter wie bisher können wir nicht machen. Ausbaden müssen all das in erster Linie unsere Kinder. Die werden uns irgendwann fragen „Ihr habt das doch alles gewusst, warum habt ihr denn nichts getan?“. Alleine das sollte uns ins Handeln bringen. Leider aber gibt es sowohl bei uns auf Langeoog als auch im Rest von Deutschland und weltweit weiterhin zu viele Menschen, die einen Lebenswandel im Sinne von ‚Nach mir die Sintflut‘ führen. Jeden, den wir mit unserer Klage zum Nachdenken anregen, ist deshalb ein Gewinn!

Foto: © Daniela Skrzypczak

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