In Deutschland landen in privaten Haushalten zu viele, noch genießbare Lebensmittel in der Tonne. 2020 waren es etwa 78 Kilogramm pro Person und Jahr. Mit dem Dialogforum private Haushalte 2.0 fördert das BMEL jetzt die Fortsetzung eines ersten Dialogforums und breit angelegten Akteursprozesses, der von Sommer 2020 bis Herbst 2023 Evaluationstools zur Messung der Wirksamkeit von Maßnahmen entwickelt und die Vernetzung relevanter Akteur*innen vorangetrieben hat. Das Projekt Dialogforum private Haushalte 2.0 wird die im Vorgängerprojekt entwickelten Tools jetzt noch nutzer*innenfreundlicher ausgestalten. Höhepunkt wird die Entwicklung und Verbreitung einer anwenderfreundlichen, web-basierten App-Funktion zur Messung von Lebensmittelabfällen sein, die in die existierende Zu gut für die Tonne!-App integriert wird.
Das Dialogforum läuft von Oktober 2023 bis September 2026, wird durch Slow Food Deutschland (SFD) geleitet und im Verbund mit der Abteilung Bildung für Nachhaltige Ernährung und Lebensmittelwissenschaft der TU Berlin durchgeführt. Beide Projektträger setzen damit ihre im ersten Dialogforum begonnene Kooperation fort. Auf ihrer Agenda steht auch die Fortführung der Netzwerkarbeit: Gemeinsam mit relevanten Akteur*innen aus Wirtschaft, Verbraucherinitiativen und Zivilgesellschaft sollen u.a. Best-Practice-Beispiele für die Reduktion von Verschwendung in Privathaushalten verbreitet werden. Möglichst viele Verbraucher*innen sollen erreicht werden.
Verbraucher*innen für einen nachhaltigen und Lebensmittel wertschätzenden Konsum zu gewinnen, ist auch ein Kernanliegen von Slow Food. Mit Bildungsangeboten, Netzwerkarbeit, Rezepte-Tipps und generationenübergreifenden Aktionsformaten wie der legendären Schnippeldisko engagiert sich die Bewegung seit drei Jahrzehnten dafür, dass Menschen wieder intrinsisch motiviert sind, Verschwendung zu reduzieren. Dazu Dr. Nina Wolff, SFD-Vorsitzende: „Wir freuen uns sehr, unser fundiertes Know-how in das Dialogforum 2.0 zu investieren. Die Reduzierung der Lebensmittelverschwendung ist im Kontext multipler Krisen unerlässlich. Wir brauchen zukunftsgerichtetes Handeln und einen wertschätzenden Umgang mit Lebensmitteln. Slow Food versteht es, Verbraucher*innen einen niedrigschwelligen Einstieg in solch verantwortungsvolle Aufgaben zu schaffen.“
Das Dialogforum private Haushalte 2.0 wird im Rahmen der Nationalen Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gefördert. Es arbeitet eng mit der BMEL-Initiative Zu gut für die Tonne! zusammen. Die Projektträgerschaft erfolgt über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) über den Zeitraum Oktober 2023 bis September 2026. Das Dialogforum wird von Slow Food Deutschland zusammen mit dem Fachgebiet Bildung für Nachhaltige Ernährung und Lebensmittelwissenschaft der TU Berlin durchgeführt.
Als Teil des Projektes wurden unter anderem Ansätze zur Reduzierung der Lebensmittel-verschwendung in privaten Haushalten evaluiert. Im Rahmen von fünf Kochkursen wurden die Themen ganzheitliche Verwertung, Haltbarmachung, Lebensmittel-Lagerung, Mengenplanung und Verwertung aufgearbeitet. Die entstandenen Rezepte und Tipps finden sich in dieser Handout Sammlung.
]]>Die Schnippeldisko zählt zu den beliebtesten Veranstaltungsformaten des Slow Food Youth Netzwerks. Entstanden ist sie 2012 in Berlin und inzwischen weltweit erfolgreich. Mit dem World Disco Soup Day engagieren sich seit 2017 Mitglieder von Slow Food Youth in verschiedenen Ländern, um am letzten Aprilsamstag zu schnippeln und zu tanzen, was das Zeug hält. Sie bereiten aus Gemüse, das beispielsweise wegen Größe oder Druckstellen aus der marktüblichen Norm fällt, Suppen zu. Denn rund ein Drittel aller erzeugten Lebensmittel erreicht nicht die Teller – vor dem Hintergrund weltweiter ökologischer wie sozialer Krisen ist das für Slow Food eine schreiende Ungerechtigkeit. Dazu Janina Hielscher aus dem Youth-Leitungsteam: „Es ist skandalös, dass jährlich allein in Deutschland 11 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen werden, während wir es gleichzeitig nicht schaffen, alle Menschen auf unserem Planeten zu ernähren. Diese Verschwendung verursacht außerdem klimaschädliche Emissionen. Auf all diese Folgen wollen wir aufmerksam machen und möglichst viele Verbraucher*innen dafür sensibilisieren, weniger wegzuschmeißen.“ Die Slow-Food-Bewegung fordert ein aufeinander abgestimmtes Handeln entlang der Wertschöpfungskette sowie von der Politik einen verbindlich gesetzten Reduzierungsrahmen für alle Akteur*innen.
Treffpunkt Rosengarten: Mitstreiter*innen für gutes und gerechtes Essen
Am diesjährigen World Disco Soup Day veranstaltet Slow Food Youth gemeinsam mit der Akademie Schloss Kirchberg eine Schnippeldisko. In die Töpfe wandert Gemüse von ökologisch bewirtschafteten Höfen aus der Region. Verbraucher*innen sind eingeladen mitzukochen, zu diskutieren, zu essen und zu tanzen. Slow Foodies reichen Informationshäppchen darüber, wie ein wertschätzender Umgang mit Lebensmitteln und deren Erzeuger*innen im Alltag gelingt. Die Bio-Musterregion Hohenlohe stellt regionale, ökologisch-nachhaltige Projekte vor. Es gibt abwechslungsreiche Musik-Acts und spätestens, wenn die Suppe fertig ist, zieht es viele Teilnehmende auf die Tanzfläche. Zu den Pogramm-Highlights gehören das Johannes Ludwig Duo, zwei Jazzmusiker aus München, sowie die DJane Barbara Bös.
Wann? 29.04.2023 von 18 bis 22 Uhr | Wo? im Rosengarten vom Schloss Kirchberg in Kirchberg an der Jagst. Die Schnippeldisko findet im Rahmen der Kampagne Our Food Our Future statt – eine paneuropäische Kampagne, in der sich Slow Food mit 16 anderen Organisationen für Lieferketten einsetzt, die Menschenrechte und Umweltschutz respektieren. Im Fokus stehen die Rechte von Arbeitsmigrant*innen und Klimaschutz.
» Informationen zum Aktionstag und Events in verschiedenen Ländern.
Slow Food Magazin:
Herr Mukiibi, Sie sind Agrar-
wissenschaftler, Aktivist, Pädagoge und seit Sommer vergangenen Jahres der neue Präsident von Slow Food International. Welche Rolle hatte Slow Food bis dahin in Ihrem Leben gespielt?
Edward Mukiibi:
Ohne Slow Food und Terra Madre wäre mein Leben ganz anders verlaufen. 2008 stieß ich zum ersten Mal auf die Bewegung, als ich nach einer großen Enttäuschung in meiner Karriere als Agrarberater damals nach neuen Lösungen suchte, um kleinbäuerlichen Betrieben in meinem Heimatland Uganda zu helfen.
Was war passiert?
Als engagierter Student wurde ich 2007 eingeladen, an einem Projekt zur Förderung von Hybridmais-Saatgut mitzuwirken. Dies Sorte galt als dürreresistent, und ich arbeitete gemeinsam mit einem Team daran, Bäuer*innen über den Anbau dieser Sorte zu informieren und sie zu schulen. Die versprochenen hohen Erträge konnten nur erzielt werden, wenn gleichzeitig die empfohlenen synthetischen Düngemittel eingesetzt wurden. Viele kauften das Saatgut und den Dünger für die
Anbausaison und waren bereit, diese neue Sorte anzupflanzen – die am besten in Monokultur gedeihen sollte, ohne traditionelle Zwischenfrucht- und Agroforstsysteme.
Aber gleich mit der ersten Pflanzperiode erlebte die Region eine extreme Dürreperiode und alle, die einen Teil ihrer Flächen ausschließlich für den Maisanbau genutzt hatten,
erlitten enorme Verluste. Ich konnte es kaum fassen, welchen Schaden das angerichtet hatte. Die Enttäuschung, Frustration und Verunsicherung der Betroffenen war groß. Das löste bei mir ein Umdenken aus in der Frage, welche Landwirtschaft für afrikanische Gemeinschaften funktionieren kann, um Hunger, Armut, Unterernährung und andere Ungerechtigkeiten wirksam zu bekämpfen. Noch während ich die Menschen um Verzeihung bat und mein Mitgefühl ausdrückte, begann ich, über eine neue Form der Zusammenarbeit mit ihnen nachzudenken.
Ich wollte ein Anbausystem mit aufbauen, das sich auf einheimische Ressourcen, überliefertes Wissen und traditionelle, vielfältige Kulturen stützte – und das ebenso widerstandsfähig ist wie frühere Systeme. In der Terra-Madre-Familie fand ich Gleichgesinnte, die mich ermutigten. Ich war überwältigt von den wunderbaren Menschen bei Slow Food, die alle an einer Wende zu einem nachhaltigen Ernährungssystem arbeiten und mich sehr inspirierten. Außerdem boten sich mir
Fortbildungsmöglichkeiten für den Aufbau von Schulgärten. Die sind wichtig, um jungen Menschen eine nachhaltige und resiliente Landwirtschaft, die auf den Erkenntnissen der Agrarökologie beruht, zu vermitteln und sie fürs Gärtnern und die Landwirtschaft zu begeistern. Dafür braucht es auch mediale Aufmerksamkeit, die wir
mithilfe von kommunalen Radiosendern schaffen. Auch dabei half das Netzwerk von Terra Madre.
Warum liegen Ihnen Schulgärten besonders am Herzen?
Das liegt wahrscheinlich auch an meinen persönlichen Erfahrungen, die ich während meiner Schulzeit gemacht habe. Da galt Feld- oder Gartenarbeit immer als Strafe. Es wurde als etwas Negatives angesehen und deshalb hatten junge Menschen darauf keine Lust. Das wollte ich ändern, zumal meine Eltern eine kleine Landwirtschaft hatten, die mich prägte. Ich möchte zeigen, wie sinnvoll es für die Ernährungssicherheit
der eigenen Familie und des Dorfes ist, ein Stückchen Land zu bewirtschaften. Übrigens ernähren kleine landwirtschaftliche Betriebe mehr als die Hälfte der Menschen weltweit, so die Statistik der Welternährungsorganisation FAO. In Afrika ist der Anteil noch viel höher.
2010 haben Sie dann das erfolgreiche Slow-Food-Projekt »1 000 Gärten Afrikas« initiiert.
Heute sind es bereits um die 3 600 Gärten, die viel zu einer lokalen Ernährungssouveränität der Bevölkerung beitragen, aber auch Wissen und Bildung vermitteln. Inzwischen heißt das Projekt »Gärten in Afrika« und es bekommt weltweit große Aufmerksamkeit. Ohne eine global vernetzte Organisation wie Slow Food wäre ein solches Riesenprojekt gar nicht möglich.
Sie kritisieren die Handelspolitik der EU mit ihren negativen Auswirkungen auf den
Globalen Süden. Können Sie konkrete Beispiele nennen, wie wir Europäer*innen die Ernährungssysteme zum Beispiel in afrikanischen Ländern beeinflussen?
Bis vor der Corona-Pandemie war die EU mit 200 Milliarden Euro pro Jahr der größte Investor auf dem afrikanischen Kontinent. Aktuelle Zahlen gibt es noch nicht. Und gleichzeitig ist Europa der wichtigste Absatzmarkt für Afrika.
Das hört sich doch erst einmal nicht schlecht an.
Ja, Investitionen sind für uns wichtig, aber wir brauchen gute Investition. Viele Investitionen zerstören jedoch unsere Umwelt, schaden dem Klima und den Menschen vor Ort, wie z.B. die Minen im Kongo oder die Abholzung von Regenwald für den Anbau von Soja. Die einheimische Bevölkerung hat meistens keine Wertschöpfung durch die Investitionen, nur der Investor selbst erhöht seine Gewinne. Ein anderes Beispiel ist China, das auch massiv in Afrika investiert: In seinem eigenen Land hat es sich zur Reduktion der CO 2 -Emissionen verpflichtet, dafür lagert es CO 2 -intensive Wirtschaftszweige in afrikanische Länder aus. Investitionspolitik ist oftmals Protektionspolitik, etwa beim Weinbau in Südafrika. Die meisten Weingüter gehören Europäer*innen, die die dort produzierten Weine dann wieder nach Europa verkaufen. Wo der Gewinn bleibt, ist klar.
Aber liegt es nicht auch in der Verantwortung afrikanischer Politiker*innen, wenn sie Lizenzen, zum Beispiel für Fang- und Schürfrechte, an die Meistbietenden verkaufen und ihrer eigenen Bevölkerung das Land und die Lebensgrundlage entziehen?
Das stimmt. Korruption stellt ein großes Problem dar. Aber für Landgrabbing sind in erster Linie ausländische Investoren verantwortlich, unterstützt von korrupten Politiker*innen. Die Leute, die vor Ort leben, sind dann die Leidtragenden. Lassen Sie mich ein anderes Beispiel nennen: An der westafrikanischen Küste haben Fischergemeinschaften, deren Ernährung von kleinen lokalen Fischarten abhängt, Schwierigkeiten, ihren Eigenbedarf zu decken. Der Grund: Europäische
Fischereikonzerne plündern die Bestände, um daraus Futtermittel für europäischen Zuchtlachs herzustellen.
...der Lachs, der bei uns in Deutschland mit großem Appetit verspeist wird.
Das zeigt: Was wir in einem Teil der Welt tun, hat große Auswirkungen auf Menschen in anderen Teilen der Welt.
Wenn Sie sich von der EU etwas wünschen dürften: Was wäre das?
Zuerst einmal sollte sie aufhören, ihre subventionierten tierischen Produkte zu Dumping-Preisen an afrikanische Länder zu verkaufen. Hühnchen, Eier, Milch aus der EU sind damit billiger als einheimische Produkte von afrikanischen Bäuerinnen
und Bauern. Das ruiniert diese. Aber auch billigeConvenience-Gerichte in Dosen, die ernährungsphysiologisch schlecht sind, weil sie oft zu viel Zucker enthalten, verhindern, dass die Menschen frische landwirtschaftlich erzeugte Hülsenfrüchte
aus der Region kaufen und selbst zubereiten. Afrika hat eine so große Vielfalt an Bohnen. Wenn die nicht mehr gekauft werden, führt das auch zu einem Verlust der Artenvielfalt.
Ebenso wie der großflächige Anbau von Mais?
Genau. Monokulturen, die viel Kunstdünger und Pestizide benötigen und abhängig von den großen Saatgutkonzernen machen, führen dazu, dass traditionelle Kulturen aus dem Blick geraten. Zum Beispiel gibt es auf dem afrikanischen Kontinent Hunderte verschiedene Sorten von Hirse, ein Getreide, von dem sich die Bevölkerung früher hauptsächlich gut ernährte. Überall dort, wo vielfältige traditionelle Kulturen auch in Agroforstsysteme angebaut werden, geht es der Bevölkerung besser als in Gegenden, die von industriellen Monokulturen geprägt sind.
Welche Kulturen außer Hirse sind noch typisch für afrikanische Länder?
Wir haben zum Beispiel über 50 Bananensorten. Außerdem Maniok und Yams, wie die Kartoffel Wurzelgewächse. Aber auch Hülsenfrüchte wie diverse Bohnen und Straucherbsen sind wichtige Nahrungspflanzen in Afrika.
Kommen wir zurück auf die Politik. Was würden Sie sich noch von der EU wünschen?
Investitionen in agrarökologische Projekte mit Humusaufbau und eigenem Kompost. In regenerative Agroforstprojekte, die dem Boden helfen, Wasser zu speichern. Und die Förderung von kleinbäuerlichen Strukturen sowie generell die Subventionierung von nachhaltiger Landwirtschaft, nicht nur in Afrika, auch in Europa und in
Deutschland selbst. Ich bin mir sicher, dass nur eine ökologische, kleinteilige Landwirtschaft – gemeinsam mit den Landwirt*innen – zur Ernähungssicherheit und einer gerechten Verteilung eitragen wird. Mit den Herausforderungen
durch den Klimawandel kommt die Agrarökologie auch besser zurecht als die industrielle Landwirtschaft mit Kunstdünger und chemisch-synthetischen Pestiziden.
Was servieren Sie mir als typisches Gericht Ihrer Region, wenn ich Sie in Uganda besuche?
In Bananenblätter gewickelte und gedämpfte Erdnusspaste mit verschiedenen gedämpften einheimischen Gemüsen.
Und andersherum gefragt: Haben Sie schon mal das typisch deutsche Gericht Bratwurst mit Sauerkraut probiert?
Ja, als ich in Bayern auf dem World Organic Forum war, und es hat mir geschmeckt. Ich bin immer neugierig auf typische Gerichte anderer Kulturen. Das interessiert mich sehr.
Welche Ziele haben Sie sich als Präsident von Slow Food für die nächsten Jahre gesetzt?
Ich möchte das Slow-Food-Netzwerk als globale Bewegung weiter stärken, damit wir weltweit größeren Einfluss auf eine gerechte Agrar- und Ernährungswende haben. Und ich lade alle herzlich ein, Teil dieser Bewegung zu werden.
Quelle: Erschienen im Slow Food Magazin 2/2023
>> Mehr Informationen zum Slow Food Magazin
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Rund ein Drittel aller erzeugten Lebensmittel erreicht nicht die Teller – vor dem Hintergrund weltweiter ökologischer und sozialer Krisen ist das aus Sicht von Slow Food ein beschämendes Ausmaß. Deswegen macht sich die Bewegung seit über zehn Jahren für die Wertschätzung von Lebensmitteln und deren Erzeuger*innen stark, unter anderem im Rahmen des „Wir haben es satt!“-Protests (WHES). Am Vorabend der Demonstration kommen Jung und Alt zusammen und verleihen ihrem Unmut Ausdruck. Sie bereiten aus optisch nicht marktfähigen, aber geschmacklich einwandfreien Gemüsen wie zweibeinigen Karotten und knubbeligen Kartoffeln Suppen zu, die am Abend selber und am darauffolgenden Tag während der Demonstration kostenlos verteilt werden. Unterstützt werden die Teilnehmenden dabei von Wam Kat und der Fläming Kitchen.
Die Schnippeldisko ist eine abendfüllende Veranstaltung: Neben der Gemüseverarbeitung gibt es ein umfangreiches Programm mit Workshops und Podien u.a. zu Hülsenfrüchten, Schokolade sowie der Transformation in der Tierhaltung. Die drei DJs Katka, Kataya und Frau Kaufmann sorgen für abwechslungsreiche Musik-Acts. Spätestens wenn die Suppe fertig ist, geht es für viele Teilnehmende auf die Tanzfläche. Zu den diesjährigen Höhepunkten zählt der Besuch des 2022 gewählten internationalen Slow-Food-Präsidenten Edward Mukiibi. Er spricht um 20 Uhr darüber, wie sich die EU für faire Lieferketten im globalen Süden einsetzen kann und sollte.
Die Schnippeldisko hat sich auch 2023 zum Ziel gesetzt, die Teilnehmenden als Mitstreiter*innen für gutes und gerechtes Essen zu gewinnen und den gesellschaftlichen Druck auf Politik und Wirtschaft hochzuhalten. Dazu SFD-Vorsitzende Nina Wolff: „Um die Verschwendung genießbarer Lebensmittel zu reduzieren, ist ein aufeinander abgestimmtes Handeln entlang der gesamten Wertschöpfungskette erforderlich. Dafür wird ein von der Politik verbindlich gesetzter Reduzierungsrahmen für alle Akteur*innen benötigt. Gleichzeitig geht es Slow Food darum, Verbraucher*innen darüber aufzuklären, dass die Reduzierung von Lebensmittelverschwendung ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz ist, und ihnen einfache und wirksame Alltagstipps mit an die Hand zu geben. Mit der Schnippeldisko auf freudige und lustvolle Weise.“ Dafür ist Slow-Food-Bündnispartner der WHES Demo und ruft Menschen bundesweit auf, sich zu beteiligen.
Wann? 20.01.2023 ab 18:00 Uhr | Wo? Festsaal Kreuzberg, Am Flutgraben 2, 12435 Berlin; die Schnippeldisko findet in diesem Jahr im Rahmen der Kampagne Our Food Our Future statt.
» Details zur Schnippeldisko am 20.1. | » Alltagstipps, um Lebensmittelverschwendung zu vermeiden
Über die Schnippeldisko: Slow Food Youth Deutschland rief die Schnippeldisko 2012 ins Leben. Seither wird sie bundesweit umgesetzt und weltweit in über 20 Ländern. Seit 2017 findet jährlich im April der World Disco Soup Day statt. Die Schnippeldisko zur WHES Demo ist die weltweit größte.
]]>Der Kochkurs widmete sich unter anderem den Fragen:
Brot und Backwaren
Milchprodukte und Käse
Käse:
Milchprodukte:
Hafermilch:
Butter:
Tofu:
Gemüse und Salate
Kartoffeln:
Gemüse:
Sprossen:
Salate:
Obst
Nach dem inhaltlichen Teil ging es über zum gemeinsamen Kochen und Essen. Das Menü des Abends bestand aus:
Alle Tipps inklusive der Rezepte finden Sie >> hier im Handout.
Es kommt in den besten Haushalten vor. Die weiche Möhre, die trockene Brotkante, der abgelaufene Joghurt, die matschige Tomate – sie wandern in den Abfalleimer, obwohl sie mit ein bisschen Fantasie und Kocherfahrung durchaus noch hätten verwertet werden können. Etwa zehn Prozent des Haushaltsmülls, so Schätzungen, sind essbare Lebensmittel.
Doch Lebensmittelverschwendung ist immer auch eine Verschwendung der wertvollen Ressourcen Boden, Wasser und Energie. Außerdem haben Ernährung und Landwirtschaft einen großen Einfluss auf die Erderwärmung – je mehr produziert wird, umso stärker sind die Auswirkungen auf den Klimawandel. „Wir essen auf fürs Klima“ hieß folgerichtig der vierte und letzte politische Online-Kochkurs, zu dem die Slow Food Youth eingeladen hatte. Der Abend war Teil der Kampagne „Zukunft würzen: Für eine Ernährungspolitik, die schmeckt!“, mit der Slow Food und die Slow Food Youth für eine Transformation unseres Ernährungssystems eintreten.
Verantwortung liegt nicht nur bei den privaten Haushalten
Nach Schätzungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO gehen jährlich etwa 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel zwischen Acker und Teller verloren. Die Verantwortung liegt also nicht nur bei den privaten Haushalten, das machte Valentin Thurn, Dokumentarfilmer sowie Regisseur und Produzent des 2011 erschienenen Films „Taste the Waste“, direkt anfangs in seinem inhaltlichen Beitrag zum Abend klar. Die Bäuer*innen ernten die Felder nicht komplett ab, sondern pflügen krummes oder unansehnliches Gemüse einfach unter. In vielen der Bäckereien sind bis kurz vor Ladenschluss die Regale voll bestückt, obwohl so viel gar nicht mehr verkauft werden kann. Supermärkte werfen immer noch Lebensmittel weg, die unansehnlich geworden sind oder das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht haben. „Da hat sich in den vergangenen zehn Jahren seit Erscheinen des Films leider nicht viel getan“, bedauerte Thurn. „Obwohl das Problembewusstsein deutlich gewachsen ist, verharren wir in Deutschland bei der Lebensmittelverschwendung weiter auf einem hohen Niveau.“
Dabei ist es Ziel der Bundesregierung, der EU und der Vereinten Nationen, die Lebensmittelabfälle bis 2030 zu halbieren. Es wird also höchste Zeit, dafür etwas zu tun. In Frankreich, Belgien oder Tschechien gibt es beispielsweise schon Gesetze, die es Supermärkten untersagen, essbare Lebensmittel in den Abfall zu geben. Aber auch ohne gesetzliche Vorschriften sei viel machbar, meinte Thurn: „Mit ökonomischen Anreizen wie Steuerersparnissen lässt sich die Wirtschaft gut beeinflussen. Unternehmen, die weniger wegwerfen, könnten finanziell belohnt werden. Und umgekehrt: Wer viel wegwirft, der muss eben dafür bezahlen.“
Früher galt es vielen als Sünde, Essen wegzuwerfen
Weniger volle Regale wären vielleicht die Folge, für deutsche Verbraucher*innen ein ungewohnter Anblick. Aber gerade das übergroße Angebot in den Supermärkten, Discountern und anderen Lebensmittelgeschäften verführe ja auch zum Kaufen. Warum nachdenken, was wirklich gebraucht wird, wenn alles jederzeit in großen Mengen verfügbar ist? Und da kommen dann doch wieder die privaten Haushalte ins Spiel. Nach einer vom Bundesernährungsministerium in Auftrag gegebenen Studie wirft jede*r Deutsche etwa 75 Kilogramm Lebensmittel im Jahr weg – was zusammengerechnet die stolze Summe von über 6 Millionen Tonnen ergibt.
„Für meine Mutter war das Wegwerfen von Essen noch Sünde, sie hatte den Hunger am eigenen Leib erlebt“, erzählte Valentin Thurn. Heute spielten optische Kriterien dagegen eine große Rolle: Der Apfel sieht zu schrumpelig aus, die Banane zu braun, die Kartoffel keimt – schon sind sie ein Fall für die Mülltonne. Auch Lebensmittel, deren Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten ist, landeten viel zu oft im Abfall, obwohl sie noch essbar sind. „Der Slow-Food-Gründer Carlo Petrini hat schon recht, wenn er meint, dass viele Städter*innen die Fähigkeit verloren haben, gute von schlechten Lebensmitteln zu unterscheiden.“ Thurn plädierte für möglichst praktisch angelegte Kochkurse in den Schulen: „Es geht um eine kulturelle Fähigkeit, die wir zu verlieren drohen – nämlich die Fähigkeit, uns aus möglichst naturbelassenen Zutaten ein leckeres Essen zuzubereiten.“
Mit Fantasie statt mit Rezept kochen
Darum ging es dann auch im praktischen Teil des Abends: Im Kochkurs sollte aus Resten etwas geschmacklich Überzeugendes entstehen. Dem Problem, dass natürlich nicht jeder der über 60 Teilnehmer*innen die gleichen Reste zu Hause hatte, begegnete Koch Bernd Gröning vom Fabulose-Team direkt zu Beginn mit dem Ratschlag: „Vergesst das Rezept. Rezepte sind nur in Apotheken und der Patisserie wichtig. Wir kochen mit Herz und Fantasie.“ Und so ließ sich tatsächlich fast jede Zutat des eigentlichen Rezepts ersetzen – je nachdem, was gerade übrig war und verarbeitet werden musste.
Mit dem Verwerten von Resten kennt sich Gröning bestens aus, denn das Fabulose ist ein Dortmunder Pop-Up Restaurant, in dem mit Lebensmitteln gekocht wird, die sonst in der Tonne gelandet wären – weil sie nicht verkauft wurden oder nicht „schön genug“ für den Einzelhandel sind. So entstehen Mittagsangebote, 5-Gänge-Menüs oder Caterings – ein bisschen Aufklärungs- und Bildungsarbeit gibt es kostenlos dazu.
Mit Witz und angenehmer Ruhrpott-Herzlichkeit erzählten Gröning und seine Kollegin Sophia Neuendorf von ihren Erfahrungen aus der Gastronomie und dem Kochen mit Resten. Fast nebenbei köchelte die Soße auf dem Herd, wurde Gemüse in Streifen gehobelt und Dressings angerührt. Und es gab jede Menge Tipps: Aus den Gemüseschalen lässt sich noch eine schöne Brühe kochen, das Grün der Tomatenrispen bringt eine Extraportion Geschmack an die Nudelsoße, Marmeladen- oder Grillsaucen-Reste passen gut ins Salatdressing. Auch mit überreifen Bananen lässt sich viel mehr machen als nur Bananenbrot. Wer die Früchte aus biologischem Anbau kauft, kann sogar die Schale zum Essen geben: Hier lohnt sich dann doch der Blick ins Rezept…
Autorin: Birgit Schumacher
]]>Köch*innen stehen ebenso wie ihre Gäste unter dem Eindruck des Lockdowns. Dieser hat verdeutlicht: Restaurants und Lokale sind mehr als „nur" Orte des Essens und Genießens. Sie sind Orte für soziales Miteinander und die kulinarischen Visitenkarten einer Region. Es sind Orte, an denen Gastronom*innen die Brücke zwischen Bauch und Kopf schlagen können: Indem sie ihre Gäste über den Genuss für eine planetenfreundliche Ernährungsweise inspirieren. Köch*innen aus dem Slow-Food-Netzwerk haben bereits vor Jahren damit begonnen, den Genuss um die Verantwortung zu ergänzen. Dass sich immer mehr auf diesen Weg machen, spiegelt sich im stetig wachsenden Netzwerk der Chef Alliance sowie im Genussführer wieder. Beides sind wichtige Orientierungshilfen für Verbraucher*innen bei der Suche nach Gastronom*innen, die nachhaltig wirksam sind; die neue Genussführer-App ebnet den Weg mit nur wenigen Klicks. „Wir hoffen, dass Verbraucher*innen die App nutzen, um die Gastronomie nach den langen herausfordernden Monaten des Lockdown zu unterstützen", erklärt Wieland Schnürch, Leiter des Genussführer-Herausgeberteams.
Chefs und Chefinnen aus dem SFD-Netzwerk sind Multiplikator*innen zwischen Erzeugung, Verarbeitung und Gast. Der Weg zum Ursprung ihrer Lebensmittel ist für ihre Gäste transparent. Indem die Köch*innen vielfältige, frische und regionaltypische Lebensmittel mit kurzen Transportwegen bevorzugen, tragen sie zum Schutz von Mensch, Tier sowie Umwelt und Klima bei. Dieses Engagement habe Vorbildcharakter und verdiene Wertschätzung, meint Jens Witt. Er leitet die Chef Alliance: „Wenn diese ‚Netzwerkgastronomie' weiter wächst, sich ihr immer mehr Köch*innen der Außerhausverpflegung anschließen, gewinnen wir an Strahlkraft und ermutigen eine wachsende Anzahl an Menschen, ganzheitlich gesunde Ernährung mit guten Grundnahrungsmitteln auch in den eigenen vier Wänden umzusetzen. Wir brauchen diesen Dominoeffekt für die so wichtige Ernährungswende, die wir nicht aufschieben können."
Um nachhaltigen Gastronom*innen ihre wichtige Arbeit zu erleichtern, fordert Slow Food politische Unterstützung und Förderung. Stätten regionaler Wertschöpfung, vor allem die des Lebensmittelhandwerks, sind vielerorts der Industrialisierung zum Opfer gefallen. Hier braucht es eine Kehrtwende. „Seit der Corona-Pandemie genießt Regionalität bei vielen Verbraucher*innen wieder einen höheren Stellenwert. Diesem Interesse sollte die Politik Folge leisten und Anreize für verlässliche Versorgungsangebote in den Regionen schaffen", fordert Nina Wolff, amtierende SFD-Vorsitzende. Und die Verbraucher*innen? Auch sie können ihren Beitrag leisten, in dem sie bereit sind, für gute Erzeugnisse faire Preise zu zahlen.
Am Tag der nachhaltigen Gastronomie laden Köch*innen der Chef Alliance zu verschiedenen Events ein, u. a. in Hamburg, Ebersbach/Stuttgart und Holzkirchen/München (» Details).
» Informationen und Details zur Genussführer App.
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Tag der nachhaltigen Gastronomie: Am 18. Juni ist der Tag der nachhaltigen Gastronomie. Dieser wurde durch die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen ins Leben gerufen.
Seit 1983 wird alljährlich der Weltverbrauchertag begangen, um den Schutz der Rechte von Verbraucher*innen zu stärken. In Anbetracht der globalen Herausforderungen durch Klimawandel, Artensterben, Zerstörung fruchtbarer Böden und Pandemie, ist es aus Sicht von Slow Food jedoch an der Zeit, den Verbraucher*innen-Begriff einmal grundlegend zu überdenken. Dazu gehört es, die Konsummuster der letzten Jahrzehnte zu reflektieren und neu zu schreiben. Denn diese heizen einen übermäßigen Verbrauch an. Wir Verbraucher*innen berauben uns so zunehmend unserer eigenen Lebensgrundlagen – auch durch die Art und Weise uns zu ernähren.
„Die Logik des Verbrauchs unserer Lebensmittel steht im Widerspruch zur notwendigen Achtung der planetaren Grenzen.", sagt Nina Wolff, amtierende Vorsitzende von Slow Food Deutschland (SFD). „Deshalb muss eine zukunftsintelligente Gestaltung der Ernährungwelt an die Stelle des Verbrauchs treten. Und wir Verbraucher*innen können und sollten dabei aktive Mitgestalter*innen sein.” Gestalten statt Verbrauchen bedeutet aus Sicht von Slow Food, dass sich Menschen vorwiegend aus regionalen Netzwerken und im Einklang mit den planetaren Grenzen ernähren. Bürger*innen können eine nachhaltige Zukunft mitgestalten, indem sie regionale, saisonale und ökologisch produzierte Erzeugnisse einkaufen und akzeptieren, dass ständige Verfügbarkeit und Überfluss weder für eine gesunde noch für eine genussvolle Ernährung nötig und förderlich sind. Aus Sicht von Slow Food liegt in der Post-Corona-Zeit die Chance, dieses ‚Umdenken‘ zu beschleunigen.
Für mehr Fairness und Durchblick
Der enorme Preisdruck im Lebensmittelsystem führt zu neuen Formen der Ausbeutung. In der Obst- und Gemüseernte sprechen Expert*innen von neuen Formen der Sklaverei in Europa, Corona-Ausbrüche in Schlachtbetrieben haben ein Schlaglicht auf die teils unwürdigen Arbeits- und Lebensbedingungen der Beschäftigten vor unserer Haustür geworfen. Hier sind wir gefordert, durch unser Handeln als Gestalter*innen einer gerechten Lebensmittelwelt aktiv zu werden und ausbeuterische Praktiken nicht länger mitzutragen – weder in Supermärkten, noch in Wahlprogrammen. Auch Transparenz und Aufklärung sind die Basis für die nachhaltige Gestaltung unserer Lebensmittelwelt. „Menschen haben das Recht zu erfahren, was in ihren Lebensmitteln steckt“, so Lea Leimann, SFD-Vorstandsmitglied. „Das gilt nicht nur für Inhaltsstoffe, sondern auch für Anbau und Produktionsbedingungen.“ Aufklären würden hier „wahre Preise“. Denn die Preise z.B. für “Billig-Fleisch” spiegeln bei weitem nicht die (Folge-)Kosten der Erzeugung wider. „Solche systemischen Schieflagen müssen offengelegt werden, um den Menschen bewusste Entscheidungen zu erleichtern,“ fordert Leimann.
Das an vielen Stellen sich wandelnde Selbstverständnis der Menschen, gerade innerhalb der jungen Generation begrüßt Slow Food. Der Verein möchte mehr Menschen ermutigen, sich von ihrer Rolle als Verbraucher*innen zu emanzipieren und stattdessen zu Gestalter*innen einer zukunftsfähigen Lebensmittelwelt zu werden.
]]>Der jährlich am 5. Dezember stattfindende Weltbodentag weist auf die Bedeutung der natürlichen Ressource Boden hin. 95% Prozent aller Nahrungsmittel entstehen im, auf oder durch den Boden. Auch durch Trinkwasser und Atemluft sind die Gesundheit von Mensch und Boden aufs Engste miteinander verknüpft. Ursula Hudson, die langjährige, im Sommer verstorbene Vorsitzende von SFD wusste: Nur im harmonischen Miteinander von Boden und Pflanzen gedeihen Lebensmittel, die gleichermaßen schmackhaft wie nahrhaft sind. Ihr Credo: „Nur fruchtbare Böden bringen im Sinne der Slow-Food-Philosophie gute, saubere und faire Lebensmittel hervor. Nur indem man Böden erhält und aufbaut, werden sie künftig überhaupt noch die Lebensmittel liefern, die uns wirklich nähren. Für die Ernährungssicherung sind fruchtbare Böden daher das A und O.“
Slow Food Deutschland fordert daher seit vielen Jahren, Agrarflächen für eine bodenschonende Erzeugung von Grundnahrungsmitteln zu nutzen. Die Leistung von Landwirten, die für einen gesunden, humusreichen Boden sorgen, sollte gegenüber „konventionellen“, sprich bodenschädlichen Wirtschaftsweisen klar begünstigt werden. Nur mit einer konsequenten Neuausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU und ihrer nationalen Umsetzung in den GAP-Strategieplänen kann die notwendige Transformation hin zu einem Agrar- und Ernährungssystem, das für biokulturelle Vielfalt und lebendige Böden sorgt, gelingen.
Slow Food sieht an erster Stelle Politik und Landwirte in der Verantwortung. Doch auch Verbraucher*innen können einen Beitrag zu gesunden Böden und damit zur langfristigen Verfügbarkeit nährstoffreicher Lebensmittel leisten. Hier unsere fünf einfachen Boden-Tipps:
Rund 75 Teilnehmer*innen durften sich am 18. Juni auf eine kulinarische Reise mit einem 6-Gänge Menü begeben sowie interessanten Themen zur nachhaltigen Gastronomie lauschen. Die sechs Köch*innen zeigten mit ihren kulinarischen Kreationen, wie sie „ihr“ Nachhaltigkeitsthema in der Praxis umsetzen.
Zukunftsfähig arbeitende Gastronom*innen wollen wissen, wo ihre Lebensmittel herkommen und stellen durch den direkten Kontakt zu ihren Lieferant*innen sicher, dass der Weg zum Ursprung ihrer Lebensmittel transparent und für ihre Gäste nachvollziehbar ist. Diese Art der ‚Netzwerkgastronomie‘, die Erzeuger*in, Gastronomie und Endverbraucher*in miteinander ins Verhältnis setzt, ist zukunftsweisend. Die Moderatorin des Abends, Tanja Busse, erläuterte ferner, dass die nachhaltige Gastronomie eine zentrale Rolle im Erreichen der UN-Ziele der nachhaltigen Entwicklung (SDGs) spielt. Sie tue dies durch landwirtschaftliche Entwicklung, dem Beitrag zur Ernährungssicherheit, der nachhaltigen Lebensmittelerzeugung und durch den Erhalt der biologischen Vielfalt: „Lebensmittel, die an ihren Herkunftsort gebunden sind, sind für ländliche Regionen wirtschaftlich und sozial von großer Bedeutung und fördern eine nachhaltige Entwicklung. Sie haben einen jährlichen Handelswert von über 50 Milliarden Dollar weltweit. Solche Produkte haben spezifische Eigenschaften, Qualitäten, Geschmack und Prägung, die sich aus ihrer geographischen Herkunft ergeben“, zitierte Busse in diesem Kontext die Ansage der FAO, Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen.
Video-Clipp vom Abend
Nachhaltigkeitsthemen in der Gastronomie
Und warum zukunftsweisende Gastronomie, wie die Slow Food Chef Alliance, wirklich was bewegen kann, zeigten die Köch*innen des Abends ihrem Publikum. Bei der Präsentation des ersten Ganges beschrieb Luka Lübke, was Gastronomie mit Klimawandel zu tun hat und dass Kreativität in der Küche für ein besseres Weltklima gefragt sei. Indem die Mitglieder der Chef Alliance möglichst mit regionalen und saisonalen Lebensmitteln und möglichst verschwendungsfrei arbeiten, sie alle Teile von Tier und Pflanze verwenden sowie auf ökologisch und möglichst verpackungsfreie Lebensmittel setzen, könne man für das Klima schon viel tun, vor allem wenn viele Gastronom*innen auf solch eine klimafreundliche Gastronomie umstellen. An diesem Abend hatte Luka Lübke Ceviche op Platt vom Weiß Fisch zubereitet. Die Krabben kamen ungepult, aus Respekt vor den Krabbenpuler*innen, die das sonst unter prekären Bedingungen machen müssen.
Das Nachhaltigkeitsthema von Sebastian Junge aus dem Wolfs Junge in Hamburg war Tierwohl und Ganztierverarbeitung. Zur Veranschaulichung und passend zu seinen Themen hat er ein Onsen-Ei mit Kartoffelschaum und selbst geräuchertem Schinken vom Klosterseer Demeter Schwein zubereitet. Weil ihm der Respekt gegenüber dem Tier beim Verzehr tierischer Lebensmittel so wichtig ist, nimmt er dem Klosterseer Betrieb immer ein ganzes Schwein ab und verarbeitet das ganz im Restaurant. Eine maximale Wertschätzung gegenüber dem Tier. Durch die Demeter-Kriterien stellt Sebastian sicher, dass das Tier ein möglichst artgerechtes Leben hatte und Tierwohlstandards im Zentrum der Haltung standen.
Jochen Strehler sprach im Kontext seines Gerichts "Traventhaler Quinoa mit schwarzen Champignons" über die Bedeutung von Regionalität und globalen Ernährungszusammenhängen, denn sein Quinoa kommt nicht wie gewöhnlich aus Südamerika, sondern wird in Schleswig-Holstein angebaut. Damit machte er auf die Problematik des Superfood-Imports in der Ernährungsindustrie aufmerksam, denn der Anbau von Quinoa richte in den Anbaugebieten der Ursprungsländer Umweltschäden an von denen wir hier oft nichts mitbekämen. Sein Plädoyer lautet deshalb: Regionalität, Stärkung der lokalen Erzeuger*innen und Erhalt lokaltypischer Lebensmittel.
Auch die weiteren drei Köch*innen des Abends präsentierten kreative Gerichte und sprachen dabei über ihre Herzens-Themen: Barbara Stadler legte ihren inhaltlichen Fokus auf die Bedeutung des Hülsenfrucht-Anbaus für die Bodenqualität und den Erhalt der Biodiversität; der Gastgeber des Abends in der Hobenköök Thomas Sampl stellte sein einzigartiges Restaurant-Markthallen-Konzept vor, den Einfluss von transparenten Wertschöpfungsketten um Qualität sicherzustellen sowie die Vermeidung von Lebensmittelverschwendung. Einer seiner Erzeuger*innen - Gemüsebauer Malte – war auch eingeladen und wies an diesem Abend eindrücklich auf die Bedeutung der Gastronomie aber auch der Wochenmärkte als Absatzmarkt kleiner und mittlerer Erzeuger*innen hin. Jens Witt, Koch und Gründer von Wackelpeter, wurde durch seinen Sohn Nico Puls und durch Lukas Röhr vertreten. Sie zeigten welchen Beitrag ein Bio-Catering Unternehmen wie Wackelpeter für Kitas mit 3.000 Essen pro Tag zu kurzen, regionalen und krisenfesten Lieferketten leisten kann. Auf dem direkten Kontakt zu Erzeuger*innen, kurze Distanzen sowie – neben vielen weiteren Zielen – die Sicherung nachhaltiger Milchwirtschaft, liegt ihr besonderes Augenmerk. Dies wurde beim köstlichen Dessert mit Erdbeeren von Gunnar Söth und Rohmilchquark vom Gut Wulfsdorf mit Kopf und Bauch erlebbar.
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]]>Durch die durch Corona bedingten Kontaktbeschränkungen musste sich Slow Food Youth weltweit alternative Aktionsformate für den World Disco Soup Day 2020 einfallen lassen. Slow Food Youth Deutschland hat dabei die Möglichkeit genutzt, alle Schnippelaktionen bundesweit miteinander zu verknüpfen und sie Online zur Verfügung zu stellen. Via Zoom haben Slow Food Youthies trotz Corona Alarm für eine Ernährungswende geschlagen und den Zuschauer*innen dafür virtuellen Einblick in ihre Küchen verschafft. Das gelang mit nur wenigen Klicks per Youtube Live-Übertragung. Und nicht nur das Kochen, sondern auch das inhaltliche Rahmenprogramm mit Diskussion zur Zukunft unseres Lebensmittelsystems sowie die DJ-Sets fanden unter den Zuschauer*innen Anklang. Es ging unter anderem um die Themen Lebensmittelverschwendung, Klimawandel, Einfluss der Corona-Pandemie auf verschiedene Berufszweige, traditionelle Rezepte der Großeltern und um andere brennende Themen des Lebensmittelsystems.
Der Blick in die Aufzeichnung des Abends lohnt sich!
Im Rahmen des World Disco Soup Day war Slow Food Deutschland Vorsitzende Ursula Hudson Live auch mit einem inhaltlichen Redebeitrag zur allgemeinen Lage des Ernährungssystems vertreten (Video Minute 33:55). Außerdem stellte sie ein Rezept zur Resteverwertung vor, das sich anbietet, wenn man Kartoffeln verwerten möchte oder gekochte Kartoffeln übrig hat. Für Hudson ist Howa ein traditionelles Gericht, das entweder mit Kraut oder Apfelmus gegessen wird und an dem sich die ganze Familie erfreut.
>> Zum Rezept Kartoffelschmarrn Howa und Apfelmus
Janina Hielscher von Slow Food Youth Münster und ihre WG haben während der Schnippeldisko Apfel-Michel zubereitet. Dabei haben sie einem vermeintlich hoffnungslosen Fall in der Küche eine zweite Chance gegeben. Wie sie auf das Rezept kamen berichtet Janina hier:
Lebensmittel bekommen eine zweite Chance: Aus Oster-Stein wird Apfel-Michel
„Wir hatten uns alle so auf den selbstgebackenen Osterzopf von Falko von der Youth- Leitung für den Oster-Brunch gefreut! Doch als der goldgelbe Teigklumpen auch nach 12 Stunden Gehzeit immer noch nicht wirklich größer geworden war, begannen wir misstrauisch zu werden. Andererseits wollten wir so schnell nicht aufgeben und schoben den nun ordentlich geflochtenen Zopf in den Ofen. Leider war die abgelaufene Trockenhefe, hinten aus dem Vorratsschrank, wohl doch schon gestorben. Es bewegte sich nämlich gar nichts im Ofen und das Ergebnis war äußerst bissfest. Diese Resteverwertung hatte anscheinend nicht geklappt. Doch unser Oster-Stein in Zopfform sollte noch eine zweite Chance bekommen: Als mich am Freitag meine Mitbewohnerin Anna von der Youth-Leitung fragte: „Was kochen wir eigentlich heute Abend zum World Disco Soup Day?“, fiel mir meine Oma ein. Sie hatte mir mal erzählt, dass sie altes Brot mit Milch und Eiern vermischte und es dann im Ofen als Auflauf backe. Und so versuchten wir unser Glück. Zwischendurch bei der World Disco Soup Videokonferenz fragte ich noch Konditorin Ronja von Slow Food Youth Berlin um Rat. Dadurch erfuhr ich, dass ein Brot-Auflauf in Kombination mit Kirschkompott „Kirsch-Michel“ heißt. In Ermangelung von Kirschen, warfen wir erneut einen Blick in den Vorratsschrank und entdeckten, von meiner Oma 2014 eingekochtes, Apfelmus. Hier also unsere Variante des Apfel-Michels“, so Janina.
Das Ausmaß an Lebensmittelverschwendung ist weiterhin immens: Laut Berechnungen des Thünen-Instituts landen jährlich allein in Deutschland 11,86 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Es sind sowohl die Verbraucher*innen als auch Handel, Lebensmittelverarbeitung, Gastronomie und Außer-Haus-Versorgung sowie die Erzeuger*innen, die zu diesem Abfallberg beitragen - teils erzwungenermaßen. Denn das industrielle System kalkuliert Überproduktion ein, hält gegen die Natur an optischen Marktnormen fest, klärt Verbraucher*innen nicht im erforderlichen Maße über das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) auf und sorgt mit Billigpreisen für eine Geringschätzung von Nahrungsmitteln. Dazu Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland: „Diese Verschwendung, die wir alle mitverantworten ist ethisch-moralisch untragbar. Menschen, vor allem im globalen Süden, leiden weiter Not während wir auf landwirtschaftlichen Flächen in nicht unerheblichen Maße überschüssige Nahrungsmittel für den Mülleimer oder gar Tierfutter für die industrielle Tierhaltung erzeugen. Hinzu kommt, dass die weggeworfene Nahrung höchst klimarelevant ist. Wir wissen schon lange, dass es so nicht gehen kann. Nun sind aktuell durch die Corona Pandemie Essen sowie Fragen rund um eine funktionierende regionale Versorgungssicherheit verstärkt in den Fokus vieler Verbraucher*innen gerückt. Diese Aufmerksamkeitsspanne wollen und müssen wir nutzen, um unseren Systemwandel voranzutreiben, so auch mit möglichst vielen Teilnehmer*innen am World Disco Soup Day“.
Am Samstag (25.4.) sind alle diejenigen, die sich ein anderes Lebensmittelsystem wünschen, eingeladen, in ihrer eigenen Küche eine Schnippeldisko zu initiieren. Online können sie live an einem vielfältigen Rahmenprogramm teilnehmen, virtuell miteinander in Kontakt treten, sich mit Erzeuger*innen und Köch*innen aus dem Slow-Food-Netzwerk austauschen und den Beats verschiedener DJs lauschen. Der diesjährige Aktionstag lädt außerdem zum Austausch zwischen den Generationen ein. Louise Duhan, Koordinatorin von Slow Food Youth erklärt: „Wir wissen, dass die Kontaktsperren aufgrund der Pandemie vielen zu schaffen macht. Deshalb möchten wir dazu animieren, dass Menschen ihre Großeltern oder ältere Personen im Bekanntenkreis kontaktieren und altbewährte Rezepte einholen, mit denen sie vorhandene Lebensmittelreste sinnig aufbrauchen können. Davon inspiriert werden am Samstag sicher kreative Gerichte entstehen. Und so sehr ich es bedauere, den World Disco Soup Day ‚nur‘ virtuell mitzuerleben, so sehr bin ich erleichtert, dass das politische Engagement im Youth Netzwerk trotz der aktuellen Beschränkungen weitergeht. Das Thema Essen steht genau jetzt hoch im Kurs und deswegen werden wir noch kreativer und tragen unsere Botschaften in die Welt.“
Alle Informationen zum Mitmachen und Mitverfolgen des WDSD finden Sie >> hier.
]]>Die Buchführung ist mustergültig: Immer neue Studien berechnen die Lebensmittelverschwendung in Deutschland und Europa. Die Wissenschaft will es genauer wissen, als es die alte Faustregel – ein Drittel aller Lebensmittel wird weggeworfen – besagt. Dazu werden Mülleimer und Biotonnen auf Lebensmittelreste untersucht, Verbraucher*innen befragt, Wareneingang und -ausgang der Supermärkte geprüft, Computer mit Zahlenreihen gefüttert. Bis auf die zweite Kommastelle hat das Thünen-Institut zuletzt den weggeworfenen Überfluss berechnet. Danach landen jährlich in Deutschland 11,86 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Hauptangeklagter sind weiter die Verbraucher*innen, die für 6,14 Millionen Tonnen verantwortlich gemacht werden, das entspricht mehr als der Hälfte aller Lebensmittelabfälle: 75 Kilogramm pro Kopf und Jahr. Daneben tragen auch die Erzeuger*innen, Handel, Lebensmittelverarbeitung, Gastronomie und Außer-Haus-Versorgung (s. Grafik) reichlich zum Abfallberg bei.
Weggeworfene Nahrung ist klimarelevant
Seit einigen Jahren macht die große Verschwendung auch als politisches Thema Karriere. Sie soll bis 2030 halbiert werden, so die deckungsgleichen Ziele der Bundesregierung, der EU und UN. Meist wird mit ethisch-moralischem Blick auf die Ressourcenvergeudung geschaut. Auch die enormen ökonomischen Verluste werden hochgerechnet. Dass die Verschwendung aber auch die Erderwärmung anheizt, ist noch nicht überall durchgedrungen. Als Klimakiller Nummer eins in Sachen Ernährung gilt unser großer Fleischkonsum. Doch der riesige Abfallberg an weggeworfener Nahrung ist ebenfalls in hohem Maß klimarelevant. Lebensmittel, die in unserem Vorratsschrank landen, haben nämlich einen Fußabdruck, also reichlich Klimagase auf ihrem Konto. Denn bei jedem Glied der Nahrungsmittelkette, vom Acker bis zum Teller, werden Treibhausgase erzeugt: in der Landwirtschaft, bei der Verarbeitung der Lebensmittel, bei der Verpackung, beim Transport, bei der Auslieferung und Kühlung, zuhause beim Kochen und schließlich beim Entsorgen der Reste. Umso wichtiger wäre es, Lebensmittel vollständig zu nutzen, anstatt sie wegzuwerfen.
Es geht um die weltweite Ernährungssicherheit
Der Weltklimarat hat in seinem letzten Gutachten dem Thema Ernährungssicherheit ein langes Kapitel gewidmet. Kernsatz: „Wenn wir Nahrungsmittel-Verluste und Verschwendung reduzieren, dann reduzieren wir auch die Treibhausgas-Emissionen und den Bedarf an zusätzlichen landwirtschaftlichen Flächen, um überschüssige Nahrungsmittel zu erzeugen.“ Ein Weniger an Verschwendung würde außerdem der weltweiten Ernährungssicherheit und dem Kampf gegen Hunger helfen.
Die enge Verbindung zwischen Lebensmitteln und Klima hat noch eine ganz andere Seite: Die Erdüberhitzung durch den Klimawandel gefährdet mit Dürren und Extremwetterlagen wiederum direkt die Lebensmittelerzeugung der Landwirtschaft. Die Folgen können Verknappung von Nahrungsmitteln sein, Qualitätseinbußen und Preisexplosionen, die direkt die Verbraucher*innen treffen. Umso wichtiger ist es, Treibhausgase durch Lebensmittel-Verschwendung zu verringern.
Überschuss und Verschwendung sind systemimmanent
Auch die Überproduktion an Lebensmitteln führt zu Verschwendung und ist, wie Slow Food Deutschland kritisiert, fester Bestandteil unseres Ernährungssystems. Das baut auf schnellen Warenumschlag und ein Überangebot, was Verschwendung zur Folge hat. Vertragsbäuer*innen mit Großabnehmer*innen bauen zudem bis zu 40% mehr an, damit sie 100% ihrer Vertragsverpflichtungen einhalten können. Da wird also bereits ganz am Anfang, fast noch bevor ein Saatkörnchen in den Boden gepflanzt wird mit über einem Drittel Überschuss geplant, damit im Falle von schlechter Witterung oder Schädlingsbefall die 100% für die Vertragspartner geerntet werden können.
Mindeshaltbarkeitsdatum heizt Verschwendung an
Nicht alle Lebensmittelabfälle sind allerdings vermeidbar. Bananenschalen oder die welken Außenblätter eines Salatkopfs gelten ebenso wie Knochen oder harte Käserinden als „unvermeidbarer“ Abfall. Die Studie des Thünen-Instituts rechnet vor, dass etwa die Hälfte unserer Abfälle Vergeudung ist, weil die Lebensmittel zum Zeitpunkt des Wegwerfens noch uneingeschränkt genießbar waren oder bei rechtzeitigem Verzehr genießbar gewesen wären. Das sture Festhalten am Mindesthaltbarkeitsdatum ist nach wie vor ein Treiber für die Vernichtung wertvollen Essens. Fast ein Drittel (28 Prozent) der in den Supermärkten entsorgten Lebensmittel landen nur wegen überschrittenen Haltbarkeitsdatums im Müll. 56 Prozent der aussortierten Waren zeigen leichte optische Mängel. Zusammen wären also 84 Prozent der Abfälle im Handel noch genießbar.
Es fehlt an Wertschätzung
Sucht man bei den Verbraucher*innen nach Gründen für die Verschwendung, wird oft eine schlechte Haushaltsplanung verantwortlich gemacht, aber auch die mangelnde Wertschätzung von Lebensmitteln und ihr geringer Preis. Sozialforscher*innen erinnern daran, dass in unserer Wegwerf- und Konsumgesellschaft der hohe Verbrauch von Gütern allgegenwärtig und Kennzeichen unserer Einkaufskultur ist. Das gilt nicht nur für Kleidung oder Gebrauchsgüter, sondern auch für Lebensmittel. Das Haben-Wollen von möglichst vielen appetitlichen Waren reicht bis zum Suchtverhalten.
Slow Food begeistert Verbraucher*innen seit mehr als zehn Jahren für krummes Gemüse und überzeugt sie bei verschiedenen Aktionen und Bildungsprojekten davon, Lebensmittelverschwendung zu vermeiden. Sie bekommen praktische Tipps zu Einkauf, Lagerung und Verzehr. Höhepunkt sind die Schnippeldiskos, die Slow Food seit 2012 organisiert. Hunderte Freiwillige, meist junge Leute, sammeln bei Erzeuger*innen unverkäufliches Gemüse, das nicht den optischen Marktstandards entspricht. In einer „Disko“-Atmosphäre mit Musik schnippeln die Teilnehmenden das nicht marktkonforme Gemüse zu Suppen. Das daraus zubereitete Essen wird bei öffentlichen Veranstaltungen mit teilweise Tausenden Besucher*innen kostenfrei verteilt. Nicht nur den Verbraucher*innen, auch den Handel erinnert Slow Food an seine Verantwortung. Er lege es mit geschickter Platzierung der Lebensmittel, mit riesengroßen Einkaufswagen, überdimensionierten Verpackungseinheiten, aggressiven Sonderangeboten und anderen Tricks darauf an, dass wir möglichst viel kaufen. Und die Politik? Von ihr fordert Slow Food verbindliche und tragfähige Strategien, die über Anreize für freiwillige Maßnahmen hinausgehen und bei der Ur-Produktion ansetzt. Das sind Voraussetzungen, um das Ziel 2030 zu erreichen.
Wir sollten uns klarmachen: Die Klimakrise, das sind nicht nur qualmende Kohlekraftwerke und spritfressende SUV-Monster. Das sind auch überquellende Einkaufswagen mit Lebensmitteln, von denen zwölf Prozent im Müll landen, ohne dass sie benutzt, teilweise nicht einmal ausgepackt werden.
Text: Manfred Kriener
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World Disco Soup Day am 25.4.2020: >> Live verfolgen oder in den eigenen vier Wänden mitschnippeln und tanzen
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Alltagstipps:
1) Einkaufszettel helfen, um nur die Lebensmittel zu kaufen, die Sie wirklich benötigen und nutzen.
2) Lagern Sie die Lebensmittel richtig – sowohl in der Vorratskammer als auch im Kühlschrank.
3) Vertrauen Sie Ihren Sinnen statt blind dem Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD).
4) Alle essbaren Teile verwenden – sowohl von Pflanzen als auch von Tieren!
5) Machen Sie Lebensmittelüberschüsse haltbar, etwa durch fermentieren!
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Tipp 1: Eiswürfel mit Espresso oder Kakao
Starken Espresso kochen, abkühlen lassen und mit Milch im Verhältnis eins zu eins vermischen. Anschließend in einen Eiswürfelbehälter füllen und ins Tiefkühlfach legen.
Für ein anregendes Getränk für zwischendurch oder nach dem Essen: Vermengen Sie zwei Kaffeeeiswürfel mit etwas Milch in einem kleinen Glas.
Für ein erfrischendes Getränk an heißen Sommertagen: Geben Sie Kaffeeeiswürfel in ein Glas und verrühren Sie sie mit frischer Milch und etwas Orangensaft. Mit geschlagener Sahne bedecken oder pur servieren. Als koffeinfreies Getränk für Kinder lässt es sich mit einem starken Kakao zubereiten.
Für einen Cocktail verrühren Sie einige Kaffeeeiswürfel zusammen mit etwas Milch und Whiskey im Glas. Mit geschlagener Sahne bedecken und mit zerstoßenen Kaffeebohnen bestreuen.
Tipp 2 Milchkefir
Sie haben noch reichlich frische Milch im Kühlschrank und wissen nichts mit ihr anzufangen? Kein Problem, wir sagen es Ihnen. Geben Sie Milchkefirknollen in die Milchflasche und stellen Sie alles zusammen in den Kühlschrank. Während der Kefir bei Zimmertemperatur bereits in ein oder zwei Tagen fermentiert, bildet er sich im Kühlschrank sehr langsam und ist schön sauer, wenn Sie beispielsweise zwei Wochen später aus dem Urlaub zurückkommen.
Hierfür benötigen Sie natürlich Kefirknollen. Es lohnt sich, ein Glas Kefir mit Knollen im Kühlschrank zu halten. Dort können die Knollen über mehrere Wochen aufbewahrt werden; wenn Sie alle paar Wochen etwas Milchpulver hinzugeben, halten sie sich sogar über Monate. Dann müssen sie vielleicht erst aus dem Winterschlaf geholt werden, denn sie entwickeln den vollen, guten Geschmack meist erst im zweiten Fermentierdurchgang. Nutzen Sie daher für die erste Runde idealerweise eine bereits abgelaufene Milch.
Tipp 3: Joghurtgetränk
Joghurt hält sich in der Regel noch lange über sein Mindesthaltbarkeitsdatum hinaus. Sie essen den Joghurt nicht vollständig auf und haben noch Reste im Glas? Dann ist das die ideale Möglichkeit, um Ayran, Dugh oder Lassi zuzubereiten. Diese erfrischenden und teils sättigenden Joghurtgetränke stammen aus dem Nahen und Mittleren Osten und Indien. Sie sind ideale, nicht-alkoholische Essensbegleiter, die zudem die Schärfe im Essen ausgleichen. Dafür Joghurt mit kaltem Mineralwasser im Verhältnis zwei zu eins, Kräutern oder Gewürzen und Salz mischen. Es gibt unendlich viele Rezepte.
Eine klassische Variante wird mit frischer Minze, gemahlenem Pfeffer und Salz zubereitet.
Eine wohltuende Kombination lässt sich mit Kreuzkümmel, Chili und geriebener Zitronenschale herstellen. Nehmen Sie für ein großes Glas einen gestrichenen Teelöffel Kreuzkümmelpulver, ein wenig Zitronenabrieb von einer unbehandelten Zitrone und Chilipulver oder -flocken nach Belieben.
Ein edles Rezept stammt aus der ayurvedischen Küche: Echter Safran mit Kardamom und Ingwer. Für ein großes Glas nehmen Sie ungefähr ein Dutzend Safranfäden und lassen Sie diese und einige Stücke frisch geschnittenen Ingwer und 2 bis 3 Kardamomkapseln eine halbe Stunde in etwas warmer Milch ziehen. Entfernen Sie dann Ingwer und Kardamom und vermischen Sie die Safranmilch mit dem Joghurt und geben Sie Zucker nach Ihrem Geschmack bei.
Genießen Sie ein süßes Getränk für zwischendurch oder ein Dessert, indem Sie frisches Obst mit etwas Zucker oder Honig mischen und zusammen mit Joghurt und Mineralwasser im Mixer pürieren.
Tipp 4 Joghurt-Creme
Wenn Sie noch einen eher flüssigen Joghurt auf Vorrat haben und aufbrauchen möchten, können Sie diesen durch ein Leinentuch über Nacht abtropfen lassen. Bei stichfestem Joghurt bietet sich das nicht an. Die entstandene Molke können Sie trinken, einer Gemüsesuppe hinzufügen oder zum Fermentieren von Gemüse und Obst nutzen. Aus dem Joghurt ist eine leicht säuerliche Creme geworden. Diese hält sich gekühlt einige Tage. Sie kann wie Crème fraîche verwendet werden und hat erfreulicherweise einen geringeren Fettgehalt.
Mit Knoblauch, frischen Kräutern, Chili und Salz ist sie eine pikante Begleiterin von Pellkartoffeln und Gemüse.
Für ein leichtes Dessert rühren Sie etwas geriebene Zitronenschale unter und servieren Sie es zu Birnen oder Äpfeln, die Sie zuvor in Zimt, Anis und Ingwer pochiert haben.
Tipp 5 Sahne zum Kochen
Einen noch nicht geöffneten Becher Sahne können Sie einfrieren. Wieder aufgetaut können Sie die Sahne zwar nicht mehr aufschlagen, dafür eignet sie sich aber wunderbar für die Alltagsküche. Beispielweise um:
eine pürierte Gemüsesuppe damit abzuschmecken.
einen Gemüseauflauf oder ein Kartoffelgratin zuzubereiten.
eine kräftige Salatsauce mit einem Esslöffel Sahne abzurunden.
den morgendlichen Smoothie zu bereichern.
Mehr zum Slow Food Deutschland Jahresthema: #GuteMilch
Text und Bilder: Barbara Assheuer
]]>„Schade, es ist ein Junge“, denkt so manche*r Landwirt*in, wenn ein Bullenkalb zur Welt kommt. Für reine Milchviehbetriebe hat der männliche Nachwuchs keinen Nutzen, schließlich geben die Tiere keine Milch. Was also tun mit den Kälbern? Normalerweise werden sie im Alter von zwei Wochen an Mastbetriebe abgegeben. Doch schon dem Transport in die oft im europäischen Ausland gelegenen Betriebe überleben viele Kälbchen nicht. Und auch die nächsten Wochen sind kritisch, denn in diesem jungen Alter ist das Immunsystem der Tiere schwach. Damit möglichst wenige Kälber erkranken, wenn sie in den Mastanlagen mit fremden Artgenossen zu großen Gruppen zusammengeführt werden, bekommen die Tiere vorbeugend regelmäßig Antibiotika. Auch die meisten ökologisch wirtschaftenden Milchbetriebe geben ihre männlichen Kälber mangels Alternativen in konventionelle Mastanlagen ab – mit all den bekannten Nachteilen wie Antibiotika-Gabe, der Fütterung mit Milchaustauschern und nicht artgerechter Haltung.
Betroffen von dieser Praxis sind viele Tiere: In Deutschland gibt es etwas mehr als 4 Millionen Milchkühe, die jedes Jahr Nachwuchs bekommen (müssen), allein damit sie weiter Milch geben und die viel zu hohe Nachfrage an Milch- und Milcherzeugnissen sättigen können. Etwa die Hälfte der geborenen Kälber ist männlich. Für sie gibt es im industriellen System keine Verwendung. Auf ökologisch wirtschaftenden Betrieben stehen etwa 225.000 Milchkühe. Nur ein sehr kleiner Teil von deren rund 110.000 männlichen Kälbern wird auf Biobetrieben weiter gemästet.
Die Bruderkalb-Initiative geht neue Wege
Mit dieser Situation sind etliche Milchviehhalter*innen äußerst unzufrieden. Einige Bio-Landwirt*innen wollen nun zumindest im kleinen Rahmen etwas daran ändern und neue Wege ausprobieren. Die „Bruderkalb-Initiative“ in der Region Hohenlohe, an der bislang zehn Demeter- und Bioland-Milchviehbetriebe teilnehmen, hat zum Ziel, dass auch die männlichen Kälber zumindest die ersten drei Monate auf dem Biohof bleiben und wie ihre Schwestern artgerecht aufwachsen. Sie dürfen am Euter säugen, Gras und Heu fressen. Wenn die Stillzeit bei Mutter oder Amme nach etwa zwölf Wochen vorbei ist, kommen die Bullenkälber entweder auf Bio-Mastbetriebe oder sie werden in der Nähe geschlachtet und verarbeitet.
Anja Frey vom Völkleswaldhof, der im Landkreis Schwäbisch-Hall südöstlich von Heilbronn liegt, ist die Initiatorin des Projekts Bruderkalb. Schon seit etwa 20 Jahren dürfen die (weiblichen) Kälber auf ihrem Demeter-Hof in den ersten Monaten bei der Mutter bleiben und dort am Euter trinken – in den meisten Biobetrieben werden dagegen auch heute noch die Kühe vom Nachwuchs getrennt und die Kälber bekommen Milch aus dem Eimer. Ein Teil der männlichen Kälber aber wurden auch auf dem Völkleswaldhof früher in die konventionelle Mast verkauft, da nicht für alle genug Futter oder Platz da war. Diese auch für sie persönlich unbefriedigende Situation hat die Landwirtschaftsmeisterin vor etwa fünf Jahren geändert: Seitdem dürfen auch die Bullenkälber die ersten Monate bei der Mutter bleiben und werden anschließend entweder an einen nicht weit entfernt liegenden Bio-Mastbetrieb verkauft oder direkt geschlachtet.
Auf der Suche nach interessierten Metzger*innen und Gastwirt*innen
„Die Vermarktung von solchem Bio-Kalbfleisch ist eine große Herausforderung“, weiß Frey. Zum einen hat das Fleisch seinen Preis. „Ein Kalb, das am Euter saugt, trinkt in den ersten drei Monaten etwa 1.200 Liter Milch. Wird es mit dem Eimer gefüttert, ist es weniger als die Hälfte.“ Die Milch, die den Landwirt*innen im Verkauf fehlt, muss sowohl über den Milch- als auch über den Fleischpreis verrechnet werden. Zum anderen sieht das Schnitzel oder der Braten anders aus: Die Verbraucher*innen sind helles, fast weißliches Kalbfleisch gewohnt, das bei der umstrittenen Milchmast entsteht. Hier wird den Kälbern – teilweise auch unter Zwang – nur Milch eingeflößt. Wächst das Kalb aber bei der Mutter oder Amme auf, ahmt es sie schon früh nach, frisst auch ein bisschen Gras oder Heu und trinkt Wasser. Entsprechend bekommt das Fleisch eine kräftigere rosa Farbe.
In der Region Hohenlohe sind inzwischen nicht nur Milchviehbetriebe an der Bruderkalb-Initiative interessiert, sondern auch einige Metzger*innen, Gastwirt*innen und Köch*innen. Einer von ihnen ist Max Korschinsky, gastronomischer Leiter des Restaurants „Mohrenköpfle“ und Mitglied der Slow Food Chef Alliance. „Als ich mich mit der Thematik befasst habe, ist mir klar geworden, dass die Gastronomie hier ihren Beitrag leisten muss. Wenn einem das Tierwohl wichtig ist, geht es nicht an, zwar Milch und Käse zu verwenden, aber den Rest nicht.“
Verbraucher*innen honorieren die Bemühungen ums Tierwohl
Korschinsky hat bislang schon fünf Bruderkälber in seiner Restaurantküche zerlegt und verarbeitet. Er ist vor allem ein Fan der Schmorstücke, denn das zarte Kalbfleisch nimmt beim längeren Schmoren die Aromen gut auf. Auch die Gäste sind begeistert: „Das erste Tier hatte ich innerhalb von zehn Tagen fast komplett verkauft“, erzählt der Koch. Im seinem Restaurant gibt es zum Kalbfleisch eine eigene Speisekarte, auf der neben den Gerichten auch Informationen über die Bruderkalb-Initiative steht. „Wird die Geschichte dazu präsentiert, honoriert das der Verbraucher auch“, ist sich Korschinsky sicher. Und fügt hinzu: „Nur wenn wir eine dauerhafte Abnahme der Tiere garantieren können, wird das Projekt erfolgreich sein. Und nur dann können vielleicht bald noch mehr männliche Kälber artgerecht groß werden.“
Den Wurzeln auf der Spur
Mit der Wurzeltour am 31. Januar konnte Slow Food die Gäste auch auf weitreichende Folgen der industriellen Milch- und Fleischwirtschaft aufmerksam machen: Denn „Brüder“ sind im System der Überproduktion zunehmend zum Problem geworden. Während das bei den Bruderhähnen durchaus bekannt ist, wird es bei den Kälbern noch viel zu wenig diskutiert. Das möchte Slow Food ändern. Dazu Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food: „Mit der Bruderkalb-Initiative machen wir auf eine Haltungsform von Kälbern aufmerksam, die noch neu und unendlich viel besser ist, als die weit verbreitete Kälbermast. Aber selbst ein solch artgerecht gehaltenes Kalb sollten wir nur selten und als etwas besonderes genießen. Und natürlich ist unser Wunsch, dass wir entsprechend auch mit Milch- und Milcherzeugnissen umgehen“.
Andrea Lenkert-Hörrmann, Projektbeauftragte von Slow Food und Organisatorin des Abends ergänzt: „Es war uns auch sehr wichtig, sämtliche Teile des Bruderkalbs zu verarbeiten. Das setzt natürlich ein bestimmtes Können der Küchenchefs voraus. Es ist eine dringend notwendige Inwertsetzung der Bullenkälber, die im Schatten unserer Wahrnehmung vielerorts als ‚Abfallprodukt‘ der Milchwirtschaft zu Schleuderpreisen verkauft werden oder als Hundenahrung enden. Dies ist für Erzeuger*innen, die eine artgerechte mutter- oder ammengebundene Kälberaufzucht betreiben, ein unhaltbarer Zustand. Umso mehr, wenn es sich bei ihren Tieren um alte Rassen oder Zweinutzungsrassen handelt. Als regionale Initiative sind erfreuliche Effekte des ‚Bruderkalbs‘ zudem kurze Transportwege für die Tiere, kurze Lieferwege und die Wertschöpfung und Wertschätzung der Erzeuger*innen in der Region“.
Mehr über das Slow Food Deutschland Jahresthema: #GuteMilch
Mehr über die: Slow Food Wurzeltouren.
Text: Birgit Schumacher
Bereits zum achten Mal ist der Koch der Fläming Kitchen dabei und bereitet hunderte Liter brodelnde Suppe in den hüfthohen Kesseln zu. „Klar, es ist immer ein riesiges Chaos,“ sagt er. „Man fragt sich auch manchmal, muss ich zugeben: Warum tue ich mir das jedes Jahr aufs Neue an? Aber wie soll man es nennen? Idealismus? Ein besseres Wort gibt es nicht wirklich.“
Oder man spricht von Aktivismus, wie Louise Duhan, Koordinatorin von Slow Food Youth, die den Leuten mit der Schnippeldisko zeigen möchte, „dass man Spaß haben kann, wenn man aktivistisch unterwegs ist“. Und der Politik beweist, „wie unsere Bewegung ganz viele verschiedene Akteur*innen der Lebensmittelwertschöpfungskette zusammen an einen Tisch bringt. Die sich austauschen, die teilweise schon einen Wandel auf den Weg bringen, die aber die Unterstützung der Politik brauchen, um weiterarbeiten zu können“. Von der Politik wünscht Louise sich ein offenes Ohr und die Bereitschaft anzupacken. „Und wir brauchen Budget, um Wandel zu schaffen.“
Rote Hände, rote Gesichter, rote Zeltwände.
Das Schnippelzelt ist voller Menschen, Musik und Gemüse. Mehrere hundert Helfer*innen sitzen an Biertischen, schneiden die nicht-marktfähigen Roten Beeten in Würfel und spenden sich gegenseitig Wärme. „Ich finde es sehr schön, dass wir alle zusammen etwas tun, mit Menschen, die man gar nicht kennt. Man kommt einfach ins Gespräch, schließlich sind wir alle für die selbe Sache hier,“ erzählt eine junge Frau. Für beziehungsweise gegen die selbe Sache: Lebensmittelverschwendung nämlich.
All die Kartoffeln, Kürbisse, Karotten und Kohlrabis, die sich auf dem Cabuwazi-Gelände in Kisten türmen, haben es nicht in den Handel geschafft, weil sie zu klein, zu groß, zu krumm oder zu hubbelig waren. Oder weil es nicht genügend Äpfel gab, wie im Fall der Roten Beete. Louise erzählt, ein Bauer hätte eine ganze Tonne davon übrig gehabt, weil die Äpfel für den geplanten Apfel-Rote-Beete-Saft nicht reichten. Draußen auf dem Zeltplatz werden im Duft der Suppe die deutschen Kürbisse geschrubbt, die sich gegen das günstigere Sortiment aus Polen nicht durchsetzen konnten.
Einer der Helfer erzählt, auch privat würden er und seine Frau Lebensmittel retten: „Wir sind ganz aktiv bei Foodsharing. Das heißt, wir versuchen uns zum größten Teil von Lebensmitteln zu ernähren, die sonst im Müll gelandet wären. Das macht einen super kreativ, man fängt an, Sachen zu benutzen, die man vorher vielleicht gar nicht verkocht hätte. Und wir brauchen natürlich überhaupt das auf, was wir zuhause haben statt es wegzuschmeißen.“
Raum für Dialoge und Kleinkunst bietet die Manege des Showzelts, wo verschiedene NGOs ihre Arbeit präsentieren, Slamtexte vorgetragen werden und Podiumsdiskussionen stattfinden. Wie kann ich zu besserer Landwirtschaft beitragen? „Indem ich mich zum Beispiel für Bioland, Demeter oder Naturland entscheide, entscheide ich mich gegen den Rest,“ erklärt der Herr auf der Bühne, auch er ist Koch. „Mein Bon ist mein Stimmzettel,“ sagt er auf den Beat des Basses aus dem Schnippelzelt gegenüber, wo sich langsam die Tanzfläche füllt.
Mein Bon ist mein Stimmzettel
Wie sich gerettete Lebensmittel verarbeiten lassen, kann man im Workshopzelt lernen, wo beispielsweise Kurse zur Fermentation oder zum Thema Nachhaltigkeit in der Küche stattfinden. Dass eine vom Wunsch des Handels und vieler Verbraucher*innen abweichende Form dem Gemüse geschmacklich keinerlei Abbruch tut, ist hier für alle klar. Und das sieht man sofort, wenn man in die zufriedenen Gesichter der Leute schaut, die nach getaner Arbeit ihre Suppe genießen. Die Besucher*innen der Schnippeldisko decken vier Generationen ab - ein bewussterer Umgang mit Lebensmitteln ist für Jung und Alt also durchaus ein Thema. „Mal zu gucken, wo die Sachen herkommen, wie die Tiere gehalten wurden“, wünscht sich der Koch der Fläming Kitchen von noch mehr Menschen.
Text: Marianne Rennella
Weitere Eindrücke von der Schnippeldisko:
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Datum: Freitag, 17. Januar 2020 | Zeit: 17:00-24:00 Uhr | Ort: Cabuwazi Tempelhof, Columbiadamm 84, 10965 Berlin
Am 17.01. lädt Slow Food Youth Deutschland gemeinsam mit Partnerorganisationen zur Schnippeldisko in die Cabuwazi Zirkuszelte auf dem Tempelhofer Feld ein. Hunderte engagierte Bürger*innen, Aktivist*innen sowie Besucher*innen verarbeiten optisch nicht marktfähiges aber geschmacklich einwandfreies Gemüse wie zweibeinige Karotten und knubbelige Kartoffeln mit Sparschäler, Messer und Kochlöffel. Denn sie wissen, dass es auf die inneren Werte ankommt – auch beim Lebensmittel. Unterstützt werden sie von Aktionskoch Wam Kat und der Fläming Kitchen. Die Suppen genießen die Engagierten während der Schnippeldisko. Sie schnippeln außerdem Gemüse für Eintöpfe, die während der „Wir haben es satt“-Demonstration an Teilnehmer*innen verteilt wird.
Auf dem Rahmenprogramm des Abends stehen u.a.: Diskussionen zu „Klima und Ernährung“ sowie „Landwirtschaftliche Erzeugung der Zukunft“, Filme sowie praktische Workshops zum Fermentieren, zu handwerklich hergestellter Pasta und Honig. Während eines NGO-Slams stellen sich den Gästen verschiedene Nichtregierungsorganisationen vor. Nicht nur Genuss und Verstand werden an diesem Abend eingesetzt, sondern auch das Tanzbein. Dafür sorgen die DJs Adam Aalias, Elias Doré, Annett Gapstream und Frida Darko von Rebellion der Träumer sowie ein Überraschungs-Act.
Mit der Schnippeldisko sagen Verbraucher*innen öffentlichkeitswirksam „Nein“ zur Lebensmittelverschwendung. Denn jährlich werden 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel weltweit weggeworfen. Rund ein Drittel aller erzeugten Lebensmittel erreicht nicht die Teller. Damit vergeuden wir kostbare endliche Ressourcen wie Boden, Wasser und Energie und treiben die Klimaerhitzung durch Treibhausgase in Folge von Produktion, Verpackung, Transport und Entsorgung weiter an. Um diese Verschwendung zu reduzieren, muss das Ernährungssystem von Grund auf erneuert werden. Angefangen bei den Wurzeln der Verschwendung: Die auf Menge und makelloses Aussehen ausgerichtete Produktion und Vermarktung, um den Handel mit ausreichend Lebensmitteln der oberen Handelsklasse versorgen zu können. Slow Food fordert von der Politik eine gesetzlich verankerte Strategie, die über Anreize für freiwillige Maßnahmen hinausgeht und setzt verschiedene Veranstaltungen zum Thema um. >> Mehr dazu.
Veranstaltungshinweis: Die Schnippeldisko am 17. Januar ist eine öffentliche, kostenlose Veranstaltung. Alle, die mitschnippeln und mehr über das aktuelle Ernährungssystem erfahren möchten, sind herzlich willkommen. Das Schnippeln und Kochen findet mit Unterstützung des Aktionskochs Wam Kat und der „Fläming Kitchen“ statt. Das Essen wird die Teilnehmer*innen des Abends sowie der „Wir haben es satt!“-Demonstration am darauffolgenden Tag aufwärmen. Die Veranstaltung ist barrierefrei. Das detaillierte Programm zur Schnippeldisko finden Sie >> hier.
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Organisiert wird die Schnippeldisko von Slow Food Youth Deutschland und den Partnerorganisationen: Meine Landwirtschaft - Wir haben es satt!; Aktion Agrar; FIAN; Fläming Kitchen; INKOTA; jABL; Rebellion der Träumer; Save our Seeds; WWF Jugend
Foodwaste – ein großes Thema - ist in aller Munde. Wir von der Slow Food Chef Alliance sagen: gutes Essen beginnt beim Lebensmittel, für uns Gastronomen heißt das: beim Einkauf. Aber was kaufe ich ein? Was muss ich bestellen? Wie viel? Und wo? All das hängt von meiner Speisekarte ab. Je größer, je starrer, je länger gültig sie ist, desto unflexibler bin ich in der Wahl meiner Lieferanten, desto abhängiger bin ich von Preissteigerungen und Qualitätsschwankungen durch Wetterverhältnisse und andere Faktoren. Ist nur eine Komponente schlecht oder nicht erhältlich, kann das leicht die restlichen Komponenten beeinflussen oder dafür sorgen, dass diese in die Tonne geraten. Kurz gesprochen am Beispiel vom Gericht Zander mit Bohnensalat: sind die Bohnen aus, ist auch der Zander aus.
Gewiss, es erfordert Arbeit und kostet Zeit, die Sortimentsgestaltung am saisonalen bzw. Wochen-Angebot auszurichten. Es erfordert Aufmerksamkeit und Nachdenken, die Ware, die gerade wächst oder die noch in unserem Lager liegt ins Sortiment einzufügen. Es erfordert Weitblick und Sorgfalt, ein Lager zu führen, das optimalerweise am Ende einer Woche augenscheinlich leer sein sollte und dennoch tausend Möglichkeiten bietet, sobald man es um etwas Frisches, Aktuelles und nicht zuletzt Bezahlbares ergänzt. Dass das nicht immer leicht umzusetzen ist, vor allem wenn man an den Personalnotstand denkt, der in der Gastronomie oft vorzufinden ist, ist klar. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass uns der verantwortungsvolle Blick zurück, in eine Zeit vor Convenience dabei helfen kann, nachhaltiger zu arbeiten.
Hier ein paar praktische Ansätze zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung:
Das Greenbox-System
Mit Frischgemüse-Erzeugern oder -Kooperativen, aber auch bei unseren Großhändlern, ist es möglich, über Verarbeitungsware zu sprechen. Ware, von der es gerade viel gibt und die innerhalb einer Woche verarbeitet werden sollte. Natürlich, gewisse Standards wie Kräuter, Zwiebeln, Knoblauch und ähnliche Lebensmittel wird es immer fest geben, aber ob ich mit Kohlrabi, Auberginen, Mairübchen, Fenchel oder roten Beten koche ist im Prinzip egal, sofern ich flexibel in meiner Sortiment-Gestaltung bleibe. So lässt sich über die Woche direkt am Produkt entlang arbeiten und weder dem Gast noch dem angestellten Koch, der angestellten Köchin wird langweilig, weil er oder sie stets die Herausforderung hat zu überlegen, was man spontan mit einem Lebensmittel machen kann. Welche Rezept-Vielfalt gibt es zum Beispiel für Kohlrabi, statt diesen nur in Rahm schwimmen zu lassen?
Ganznutzung von Tier und Pflanze
Auch hier der Blick zurück. Nose-to-tail und Roots-to-stem sind zwei schon recht bekannte Trends, die trotzdem für uns Gastronomen immer noch ein wenig elitär klingen. Klar, wer die Großverpflegung schnell und günstig bedienen muss, kauft sich derzeit keine ganzen Schweine und zerlegt sie selbst. Er zieht auch keine Brühe aus Hähnchenkarkassen, sondern bestellt Filet und Brühe-Pulver. In kleineren Restaurants sieht das glücklicherweise zum Teil noch anders aus und das ist gut. Aber wie lange noch? Was tun wir, um dieses alte Wissen zu erhalten? Eigentlich ist doch das Erhaltenswerte das, was wir von unserer Oma gelernt haben. Konfieren, Einmachen, Brühen aus Schalen, Abschnitten, Knochen und Gräten herzustellen – eben „alles verwenden – nichts verschwenden“. Manchmal finde ich uns Köche tatsächlich arrogant, wenn wir in unserer Welt der Farcen und Terrinen meinen, da hätte jemand ein Huhn zerlegt und kunstvoll eckig wieder zusammengesetzt. Das ist vielleicht große Kunst, aber es ist nicht aus künstlerischer Motivation entstanden, sondern aus Not. Aus Resten, um genau zu sein. Nehmen wir uns dort ein Beispiel. Und vor allem: Bringen wir es dem Nachwuchs bei.
Konkurrenzlose Vernetzung
Klar, die Konkurrenz ist hart in unserer Branche. Es war lange nicht unsere Art zusammenzuarbeiten und zu teilen – es ist an der Zeit, das zu ändern, genau so wie es für unser Klima gilt. Warum sich nicht ein Rind teilen, wo man doch ein halbes nicht schlachten kann? Warum nicht gemeinsam etwas mehr kaufen und mit den Auszubildenden einen Zerlegetag einlegen? Sie den Produzentinnen und Produzenten vorstellen? Die Azubis der Nachbarbetriebe gleich mit einladen? Dem Gourmetrestaurant das Filet, dem Wirtshaus die Schulter und der Kita die Teile für Hackfleisch überlassen? Das funktioniert übrigens auch bei großen Betrieben, wenn man direkt mit Produzenten kooperiert und „on demand“ schlachten lässt. Direkt ab Schlachthof kann dann Brust/Keule/Innereien etc. an unterschiedliche Abnehmer verteilt werden. Im Netzwerk der Slow Food Chef Alliance wird das schon seit einigen Jahren praktiziert.
Sortiment und Leftover-Management
Wie oben schon erwähnt ist die feste Speisenkarte oder der Monate im Voraus erstellte Speisenplan meines Erachtens nicht mehr zeitgemäß und läuft oft auf Verschwendung hinaus. Es wird zwar Zeit und Muße Kosten, das den daran gewöhnten Konsumentinnen und Konsumenten, den Restaurant-Stammgästen, Kantinenkunden oder den Eltern von Kita- und Schulkindern zu erklären. Es ist aber möglich! Wir müssen nur die Abwechslung als das was es ist darstellen, nämlich etwas Positives, Frisches und als Geschmacksgewinnung – nicht als „haben wir leider nicht“. Nicht nur in der Formulierung, auch in der Speisenentwicklung ist Kreativität gefragt. Gehen wir weg von den klassischen verstaubten Garnituren und sehen jede Änderung des Bestands als eine Chance, etwas Neues zu erfinden. Sind die Bohnen beim Zander aus, nehme ich zum Beispiel Rote Bete. Ist dann am nächsten Tag der Zander aus und ich habe noch Rote Bete, habe ich alle Möglichkeiten mit Rote Bete. Suppe, Risotto, Smoothie, Salat. Ich muss nichts mehr wegwerfen.
Storage - Aufbewahrung
Ein ordentliches Kühlhaus ist noch lange kein ordentlich genutztes Kühlhaus. Wie bei einer Bibliothek nützt der ganze Inhalt nicht, wenn niemand weiß was darin ist und vor allem: wo es steht. Bei Lebensmitteln kommt noch ein wesentlicher Punkt dazu: wie lange schon? Meiner Erfahrung nach werden die meisten Dinge weggeworfen, weil man sie schlicht und einfach vergessen hat. Weil man niemandem davon erzählt hat, weil man zu sehr im Stress war, um ihnen eine Chance zu geben. Das ist nicht schön, kommt im Alltag aber vor. Leider muss man aber auch sagen, dass es eher vorkommt, je voller das Kühlhaus ist. Kreativerer Koch und besserer Lagermeister ist, wer weniger hat. Brauchen wir ruhig mal alles auf, auch wenn es zunächst so scheint, als würden Dinge nicht zusammenpassen – oft entstehen so die besten Kombinationen!
Darreichung
Vielerorts haben Köche Angst, man könne über sie sagen, ihre Portionen seien zu klein. So kommt es, das unzählige Teller halbvoll zurückgehen. Um das Lebensmittel ist es schade, aber auch um unsere Arbeit. Einfach alle Portionen im Grundsatz kleiner zu machen ist sicherlich keine elegante Lösung, dennoch kann man beim nächsten Karten- oder Preiswechsel einmal schauen, ob nicht die eine oder andere Angleichung möglich ist. Auch klare Anrichtepläne helfen, Portionen einheitlicher zu schicken. Nicht überall, aber in bestimmten Kantinen-Systemen kann über eine Nachschlag-Taste nachgedacht werden. Großes Potential sehe bei Buffets: die Menschen in Deutschland stehen gerne Schlange und haben leicht Angst, nicht genug abzubekommen. Lösungsansätze: satellitenförmige Buffets, die von mehreren Seiten begehbar sind, kleinere Teller oder Schalen, Personal an der Fleischausgabe oder die Darreichung bestimmter Dinge in vorportionierten Gläschen. Auch Buffetpflege spielt eine Rolle, so es möglich ist muss man nicht stundenlang riesige reizüberflutende Mengen in der Auslage haben – häufigeres Auffüllen rettet eine Menge Lebensmittel und macht zudem einen frischeren, wertigeren Eindruck. Zusätzlich kann man für Überhänge mit Food-Rescue-Organisationen oder Tafeln der Region kollaborieren.
Text: Luka Lübke
]]>Die Art und Weise, wie wir Lebensmittel produzieren und Landwirtschaft betreiben verursacht, wenn man die komplette Lebensmittelkette betrachtet, über 40% aller globalen Emissionen. Vor allem die Massentierhaltung sowie das Phänomen der Lebensmittelverschwendung gehören zu den Größten Klimasündern. Die Auswirkungen des globalen Lebensmittelsystems auf das Klima machen deutlich, dass eine Umstellung auf nachhaltige Lebensmittelsysteme nicht länger ausbleiben kann. Slow Food fordert die Bundesregierung deshalb auf, Landwirtschaft, die gesamte Lebensmittelwertschöpfungskette sowie den Handel mit Lebensmitteln im Kontext internationaler Freihandelsabkommen im Klimaschutzpaket nicht zu vernachlässigen und angemessen zu verankern.
Unser Handeln der >> nächsten Jahre entscheidet darüber, ob die Begrenzung der Erderwärmung um 1,5 Grad eingehalten werden kann, und somit darüber, ob eine Klimakatastrophe abgewendet werden kann. Dazu die Vorsitzende von Slow Food Deutschland, Ursula Hudson: „Aktuell spielen Entscheidungsträgerinnen und -träger Roulette mit unser aller Zukunft, denn sie versäumen es, ambitionierte und längst notwendige Entscheidungen zu treffen. Es bleibt aber keine Zeit mehr, vor allem nicht für Freiwilligkeit! Klimaschutzziele müssen für alle Sektoren sowie alle Akteurinnen und Akteure entlang der Lebensmittelwertschöpfungskette verpflichtend sein. Durch einen rechtlichen Rahmen muss zudem gesichert werden, dass das Nichteinhalten sanktioniert wird. Es braucht mutige politische Entscheidungen, dazu gehört im Lebensmittelsektor, dass Fleisch- und Molkereikonzerne für die externen Klima- und Umweltkosten in Verantwortung gezogen werden und staatliche Förderungen nur noch an zukunftsfähig arbeitende Erzeugerinnen und Erzeuger vergeben werden. Die generelle Rückbesinnung auf kürzere Produktions- und Lieferketten sowie die Umstellung auf klimafreundliche Produktionsmethoden darf auch nicht ausbleiben“.
Slow Food hält auch Verbraucherinnen und Verbraucher an, ihren Einkaufskorb klimafreundlich zu befüllen. Dies kann jedoch mit Spaß und Freude geschehen, so kommt man, wenn man Geschmack, Regionalität und Qualität gemäß der Slow-Food-Philosophie in den Mittelpunkt stellt, auch ganz automatisch zu einer klimafreundlicheren Ernährung. Bewusster Konsum bedeutet zum Beispiel, den Konsum tierischer Produkte auf wenige Male die Woche zu reduzieren, dabei aber auf Produkte aus Weidehaltung und somit auf Qualität zu setzen. Nicht nur der Gaumen sondern auch Umwelt und Klima erfreuen sich daran. Alternativen zu tierischen Produkten und neue Welten der Geschmacksvielfalt bieten Gemüse-, Nuss- und Hülsenfruchtvielfalt. Auch das Experimentieren mit alternativen Getreidesorten und alten Sorten eröffnet neue Wege. Mit einer vielfältigen Ernährung, die wo sie kann auf frische, naturbelassene Lebensmittel, Verpackungsfreiheit, Saisonalität, Regionalität und Bio-Produkte setzt, ist schon viel getan! Gerade in unseren Breitengraden müssen wir weg von der Überproduktion, dem Überkonsum, mit dem wiederum die enorme Verschwendung einhergeht und lieber weniger vom Besseren zu uns nehmen.
11 Tipps für eine klimafreundliche Ernährung halten wir >> hier für Sie bereit.
Vor allem auch auf das System, aus dem unsere Lebensmittel stammen, kommt es an:
Wie sich unsere Chef-Alliance-Köche in der Küche für ein besseres Klima einsetzen, haben Sie 2017 anlässlich der Slow-Food-Kampagne Menu for Change gezeigt mit ihren >> Rezepten für eine bessere Zukunft.
Aufruf zum globalen Klimastreik am >> 20. September #AllefürsKlima.
]]>Weltweit werden jährlich rund 1.3 Milliarden Tonnen Lebensmittel weggeworfen. Damit landen ein Drittel der erzeugten Lebensmittel nicht dort, wo sie hingehören: Auf unseren Tellern. Die Verschwendung findet entlang der gesamten Wertschöpfungskette statt: Vom Acker, über Transport und Handel bis hin zur Außer-Haus-Verpflegung, in der Gastronomie sowie in Privathaushalten. Vor dem Hintergrund von Klimawandel, Ressourcenknappheit und weltweit 795 Millionen hungernder Menschen ist dieses Ausmaß an Nahrungsmittelverschwendung für Slow Food nicht tragbar. Dazu Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland: „Wir werden nur dann effektiv gegen die beschämenden Müllberge an Lebensmitteln vorgehen, wenn wir den Kern der Verschwendung anpacken. Und das sind die Überproduktion auf dem Acker und die mangelnde Wertschätzung von Lebensmitteln aufgrund von vermeintlich billigen Preisen sowie permanent gefüllten Supermarktregalen. Dafür brauchen wir einerseits rechtlich verbindliche Vorgaben für die Lebensmittelindustrie. Andererseits brauchen wir ein Umdenken bei Verbraucherinnen und Verbrauchern“. Laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen landen alleine in Privathaushalten in Europa und Nordamerika pro Kopf bis zu 115 Kilogramm Lebensmittel im Müll, obwohl viele davon noch genießbar wären.
Den World Disco Soup Day nutzt der Slow-Food-Nachwuchs, um Jung und Alt dafür zu sensibilisieren und Handlungsspielräume für den Alltag aufzuzeigen. „Jeder kann mitmachen, schnippeln, kochen, tanzen. Es entwickeln sich ungezwungene Gespräche, auch darüber, wie wir der Lebensmittelverschwendung Einhalt gebieten können. Sobald das bei jemandem nachhallt und sich in einem veränderten Kauf- und Konsumverhalten niederschlägt, haben wir unser Ziel erreicht“, erklärt Louise Duhan, Koordinatorin von Slow-Food-Youth in Deutschland. Von Uganda bis Japan, von Brasilien bis in die Niederlande – in knapp 40 Ländern finden an diesem Samstag zeitgleich über 100 Schnippeldiskos statt. In Europa ist dieser Tag Auftakt der Slow-Food-Youth-Kampagne #Foodispolitics. Im Vorfeld der Europawahlen nutzt das Netzwerk ab dem 27.4.2019 die sozialen Medien, um Menschen zum Wählen zu bewegen. Dafür postet es Fakten und Videos rund um die europäische Agrarpolitik.
>> Details zu den Schnippeldiskos in Deutschland.
>> zur Facebook-Veranstaltungsseite des World Disco Soup Days.
>> Zur Weltkarte der geplanten Schnippeldiskos.
>> Mehr zu den Positionen und Aktivitäten von Slow Food zum Thema Lebensmittelverschwendung.
Bild (c) Luca Cosimato
]]>Die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren, entsprechend ehrgeizige Ziele mit effektiven Maßnahmen zu etablieren und sie konsequent umzusetzen, ist in Zeiten von Klimawandel, Ressourcenknappheit sowie weltweit 795 Millionen hungernder Menschen dringlicher denn je. Da darf und sollte die Messlatte hoch hängen. Deshalb begrüßt Slow Food Deutschland zunächst einmal den Schritt der Bundeslandwirtschaftsministerin, eine Strategie zur Vermeidung von Verschwendung entlang der Wertschöpfungskette vorzustellen. Doch mit diesem vermeintlichen Vorstoß in seiner jetzigen Form macht Frau Klöckner eines deutlich: Sie ist nicht gewillt, das eigentliche Problem anzugehen, nämlich die systemimmanente Verschwendung des industriellen Lebensmittelsystems, das auf Menge, jederzeitige Verfügbarkeit und hohen Warenumschlag setzt. Wollte man die Verschwendung wirklich zurückfahren, müsste es um diese Schaltstellen des Verschwendungssystems gehen. Dazu würde es dann auch gehören, die Lebensmittelindustrie durch klare und rechtlich verbindliche Vorgaben in die Pflicht zu nehmen. Doch um Lebensmittelverschwendung im Keim zu ersticken, bedarf es wesentlich mehr: einer Strategie mit klaren Richtlinien, die auch die Ur-Produktion von Lebensmitteln und Rohstoffen auf dem Acker mit in die Verschwendungsberechnungen einbezieht. Bisher gleicht das Vorhaben des Ministeriums nicht mehr als einem unvollständigen Arbeitsplan für die Erarbeitung von Umsetzungsstrategien, die auf Freiwilligkeit basieren sollen.
Verschwendung und Überproduktion sind im industriellen Lebensmittelsystem fest verankert
Die Hauptproblematik der verabschiedeten Strategie ist, dass wir mit ihr Zeit und Ressourcen darauf verwenden, das bestehende 'kranke' System zu optimieren anstatt unser System zukunftsfähig umzugestalten. Und da liegt für Slow Food das grundlegende Problem, denn aktuell ist die Verschwendung systemimmanent, das heißt im industriellen System fest einprogrammiert, beginnend bei der Aussaat auf dem Acker bis hin zur Entsorgung. Warum? Weil wir unsere Landwirte zur Überproduktion nötigen, damit sie am Ende des Tages die mit dem Handel vereinbarten Mengen liefern können, wodurch tonnenweise Lebensmittel verschwendet werden. Die vergeudeten Ressourcen wie Energie, Wasser und Boden nehmen wir, meist nicht wissend, in Kauf. In der Praxis sieht das Ganze so aus: Lebensmittelerzeuger, die Obst und Gemüse an den Einzelhandel abgeben, müssen diesen mit einer vertraglich festen Menge von Ware der oberen Handelsklasse beliefern. Die Lebensmittel, die nicht den Qualitätsanforderungen von Form, Größe und Aussehen entsprechen, etwa krumm, zu klein oder zu dünn gewachsen sind und damit schlichtweg dem natürlichen Lauf der Dinge entsprechen, müssen aussortiert werden. Da der Landwirt mit Ertragsschwankungen rechnen, während der Saison aber lieferfähig sein muss, produziert er zwangsläufig mehr als nötig. So bauen Landwirte oft gut bis zu 30% mehr an, um ihre Lieferverträge einhalten zu können, Die so bereits bei der Planung und Aussaat entstehenden Vorernteverluste werden in der Strategie allerdings völlig außer Acht gelassen. Die vorprogrammierte und damit systemimmanente Überproduktion wird zwar erwähnt, aber nicht angegangen. Aber was sagt die Ministerin eigentlich zu der Menge, die der Landwirt nicht verkaufen kann? Sie kehrt sie unter den Teppich und meint, dass die Landwirtschaft gar keine Lebensmittel verschwende. Für Slow Food ist dies ein klares Zeichen dafür, dass Frau Klöckner eher geneigt ist, die Interessen der Industrie zu vertreten als diese Realität anzuerkennen. Was wir brauchen, ist aber kein Zaudern sondern mutiges und entschiedenes politisches Handeln, das diese Art der Verschwendung mittel- und langfristig nicht mehr zulässt.
Mit dem Problem der Vorernteverluste ist es aber nicht getan, die Verschwendung zieht sich weiter durch die gesamte Lebensmittelwertschöpfungskette und ist dort ebenfalls systemisch verankert, vom Acker, über den Transport bis hin zum Konsum in Privathaushalten, öffentlichen Einrichtungen und der Gastronomie. Auf Verbraucherebene begünstigen zum Beispiel zu niedrige Preise, verlockende Sonderangebote und die Rund um die Uhr Verfügbarkeit von Lebensmitteln Verschwendung und haben wesentlich zur fehlenden Lebensmittelwertschätzung geführt.
Systemwechsel und Bewusstseinswechsel dringend nötig
Zur nachhaltigen Bekämpfung von Lebensmittelverschwendung braucht es dringend einen ganzheitlichen Systemwechsel in der Produktion und im Handel sowie einen Bewusstseinswandel beim Verbraucher, denn Überproduktion und Überangebot sind die Wurzel des Verschwendungsproblems. Nehmen wir den Spargel als Beispiel: Dieser wird palettenweise in den Supermarkt geliefert und zwar in einer solchen Menge, dass jeder Verbraucher auch am Samstag kurz vor Ladenschluss noch Spargel kaufen könnte. Der Rest wird ‚entsorgt’. Die Ministerin schlägt vor, diese Reste künftig zu verschenken. Ist das eine gute Idee? Ja selbstverständlich! Löst es das Problem? Leider nein, denn das Problem liegt weiterhin im zu Viel: In den westlichen Ländern produzieren wir schon lange dauerhaft einen Kalorienüberschuss; mit dem Verschenken an der einen Stelle ist es also nicht getan, wenn an anderer dafür dann ein neuer Überschuss aufkommt. Außerdem ist es keineswegs ein nachhaltiger Ansatz, denn durch diesen Überschuss werden wertvolle Ressourcen und Energie verbraucht. Es ist nicht mehr als ein Schräubchen drehen, ein ‚quick fix‘ und löst das Problem nicht langfristig. Ziel muss es sein die Verschwendung gar nicht erst aufkommen zu lassen.
Braucht es also eine nationale Strategie zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung? Die Antwort auf diese Frage ist ganz klar ja, allerdings muss diese ganzheitlich sein, und alle Akteure müssen zur Umsetzung gewillt sein, an einem Strang zu ziehen. So lange allein Profitmaximierung im Vordergrund steht und die negativen Folgen der externen Kosten dieses industriellen Lebensmittelsystems nicht in die Bepreisung der Lebensmittel einbezogen werden, kann Lebensmittelverschwendung im besten Fall punktuell bekämpft werden, aber in Punkt Zukunftsfähigkeit kommen wir keinen Schritt weiter. Und, Frau Klöckner, der Verbraucher allein wird es nicht richten, vor allem nicht, in dem er, wie empfohlen, mehr dem ‚Magen’ und weniger der Tonne zuführt.
Bild (c) Friedemann Lätsch
]]>Manch eine oder manch einer kann Zucchini und Gurken gerade vor lauter Überschuss aus dem Garten schon nicht mehr sehen. Wohin mit dem überschüssigen Gemüse in der Erntezeit? Das fragt sich der ein oder andere Hobby- oder Kleingärtner. Beim Tag der offenen Tür stellte Slow Food Deutschland deshalb Fermentieren als eine tolle Methode des Haltbarmachens für den späteren Konsum vor. Das Haltbarmachen von Lebensmitteln durch Konservierungsmethoden wie Einmachen, Trocknen, Räuchern und Fermentieren spielt eine zentrale Rolle, wenn es um nachhaltige Lebensmittelpraktiken und um die Vermeidung von Lebensmittelverschwendung geht.
Fermentieren: Einfach, gesund und lecker
Über diese Themen sprach Slow Food Deutschland mit den Besuchenden, die gleichzeitig auch kosten durften, wie lecker fermentiertes Gemüse schmeckt. Zu probieren gab es fermentierte Gurke mit Chili, Spitzkohl mit Ingwer, verschiedene Kürbissorten mit Thymian und gelbe Beete mit Meerrettich. In die Hand bekamen die Teilnehmenden unter anderem die Slow Food Deutschland Broschüre mit Rezepten zum Thema Fermentieren, die zeigt, wie einfach man zu Hause fermentieren kann. Mehr als das gewünschte Gemüse, Salz und ein Gefäß braucht man nämlich nicht. Gewürze können jedoch je nach Belieben hinzugefügt werden. Und die Arbeit machen die Milchsäurebakterien dann ganz von alleine.
Bild oben: Fermentieren
Verschwendung vermeiden, Mindesthaltbarkeitsdatum verstehen
Lebensmittelverschwendung zu reduzieren und Handlungsalternativen aufzuzeigen ist ein zentrales Anliegen für Slow Food Deutschland, denn während etwa jeder neunte Mensch an Hunger leidet, werden jährlich 1.3 Milliarden Tonnen Lebensmittel weltweit weggeworfen. Lebensmittelverschwendung findet entlang der gesamten Lebensmittelwertschöpfungskette statt, vom Acker über den Transport bis hin zum Konsum in Privathaushalten, öffentlichen Einrichtungen und der Gastronomie. Die Verschwendung findet in den Haushalten unter anderem deshalb statt, weil Lebensmittel schlecht geworden sind oder aber das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) falsch interpretiert wurde. Denn anders als beim Verbrauchsdatum, ist das MHD für manche Lebensmittelgruppen und noch verschlossene Lebensmittel lediglich als Richtwert anzusehen. Aus diesem Grund konnten sich die Besucherinnen und Besucher am Slow Food Deutschland Stand mit dem MHD befassen und durften verschiedene Lebensmittel der zutreffenden Kategorie (z. B. Länger als MHD haltbar; wenn geöffnet: Nach MHD-Ablauf bitte entsorgen) zuordnen. So konnten Teilnehmende erfahren, dass Lebensmittel wie Kaffee, Reis und Nudeln nicht schlecht werden und auch Lebensmittel wie Mehl und Gewürze, wenn ungeöffnet, weit über das MHD bedenkenlos genießbar sind. Nur bei Produkten wie frischen Fleischerzeugnissen, Fisch und Meeresfrüchten ist ein Verbrauchsdatum angegeben, das es auch ernst zu nehmen gilt. Das Fazit des Spiels ist: Im Zweifel einfach schauen und probieren, ob das Lebensmittel noch gut aussieht und schmeckt. Selbst Milchprodukte halten sich oft noch Wochen jenseits des MHD. So kann man Lebensmittel retten und spart auch noch Geld dabei!
Bild oben: MHD-Spiel
© Sharon Sheets (2)
Mehr Informationen:
]]>Besucher konnten Bodenvielfalt kennenlernen und Boden mit allen Sinnen begreifen sowie spielerisch mehr über das Mindesthaltbarkeitsdatum erfahren. Das Brettspiel „Kleinbäuerinnen und Kleinbauern ärgert euch nicht!“ von Slow Food Youth thematisierte dagegen Themen wie Saatgut und Klimawandel.
Bild oben: Mitmachprogramm am Stand von Slow Food Deutschland beim Umweltfestival.
Verschwendung vermeiden, Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) verstehen
Lebensmittelverschwendung zu reduzieren und Handlungsalternativen aufzuzeigen ist ein zentrales Anliegen für Slow Food Deutschland, denn während etwa jeder neunte Mensch an Hunger leidet, werden jährlich 1.3 Milliarden Tonnen Lebensmittel weltweit weggeworfen. Lebensmittelverschwendung findet entlang der gesamten Lebensmittelwertschöpfungskette statt, vom Acker, über den Transport bis hin zum Konsum in Privathaushalten, öffentlichen Einrichtungen und der Gastronomie.
Die Verschwendung findet in den Haushalten unter anderem deshalb statt, weil Lebensmittel schlecht geworden sind, oder aber das Mindesthaltbarkeitsdatum falsch interpretiert wurde. Denn anders als beim Verbrauchsdatum, ist das MHD für manche Lebensmittelgruppen und noch verschlossene Lebensmittel lediglich als Richtwert anzusehen. Aus diesem Grund konnten die Besucherinnen und Besucher am Slow Food Deutschland Stand sich mit dem MHD befassen und durften verschiedene Lebensmittel der zutreffenden Kategorie (z. B. Länger als MHD haltbar; wenn geöffnet: Nach MHD-Ablauf bitte entsorgen) zuordnen. So konnten Teilnehmende erfahren, dass Lebensmittel wie Kaffee, Reis und Nudeln nicht schlecht werden und auch Lebensmittel wie Mehl und Gewürze, wenn ungeöffnet, weit über das MHD bedenkenlos genießbar sind. Nur bei Produkten wie frischen Fleischerzeugnissen, Fisch und Meeresfrüchten, sei das MHD ernst zu nehmen. Das Fazit des Spiels ist: Im Zweifel einfach probieren und schauen, ob das Lebensmittel noch gut aussieht und probieren. Selbst Milchprodukte halten sich oft noch Wochen jenseits des MHD. So kann man Lebensmittel retten und spart auch noch Geld dabei!
Bild oben: Das von Slow Food Youth Deutschland konzipierte Brettspiel bringt Menschen wichtige Themen rund um die Nahrungsmittelerzeugung näher.
Warum wir die Ressource Boden wertschätzen sollten
Böden sind die Grundlage unseres Lebens, sie bringen über 95 Prozent unserer Lebensmittel hervor. Gleichzeitig werden sie aber immer knapper. Deshalb thematisierte Slow Food Deutschland beim Umweltfestival auch die Ressource Boden und machte diese für Kinder und Erwachsene durch verschiedene Bodensorten begreifbar. Ziel der Mitmachaktion war es, dass die Teilnehmenden sich mit der Ressource Boden auseinandersetzen, indem sie sich die Bodenvielfalt anschauen und die Bodenart durch einen Fühl- und Hörtest feststellen. Die Bodenproben dienten außerdem dazu, um mit den Festivalbesuchern über die Bedeutung der Ressource Boden ins Gespräch zu kommen. Dabei ging es unter anderem um Themen wie Böden als Klimaretter und die Bedeutung der Ressource für die Lebensmittelerzeugung.
Bild oben: Beim Umweltfestival konnten Besucher die Bodenvielfalt mit allen Sinnen erfahren: Die Farbenvielfalt sehen sowie die Unterschieden in der Beschaffenheit ertasten und hören.
Kleinbäuerinnen und Kleinbauern ärgert euch nicht!
Beim Brettspiel „Kleinbauer ärger dich nicht“ gelangt jeder Spieler durch würfeln auf diverse Aktionsfelder. Auf dem Weg kann ihm Gutes und Schlechtes passieren, wie ein Hoferbe oder strenge Umweltschutzauflagen und Kontamination durch Genmais vom Nachbarfeld. Manche Aktionen wie der Leguminosenanbau haben positive Auswirkungen, z. B. auf die Bodenfruchtbarkeit, und andere wie die jahrelange intensive Bewirtschaftung der Fläche haben negative Folgen. Ziel ist es bis zum Spielende einen erfolgreichen Kleinbetrieb zu führen. Das Brettspiel dient der Ernährungsbildung und behandelt ganz zentrale Themen wie Saatgut und den Klimawandel. Je nach Alter gibt es eine einfachere Ausgabe für Kinder und eine fortgeschrittene Version für Erwachsene.
Bild oben: Wer sich mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) auseinandergesetzt weiß, dass es für viele Lebensmittelgruppen als Richtwert anzusehen ist und Lebensmittel, die das MHD überschreiten nicht gleich in den Abfall gehören.
Alle Bilder: © Sharon Sheets
Thema des Gesprächs: der Kampf gegen die Verschwendung von Lebensmitteln vom Feld bis zum Teller.
Die Diskussion können Sie live auf der Facebook-Seite des EU-Kommissars verfolgen und Fragen einschicken, die dann in Echtzeit beantwortet werden.
Aktualisierung vom 29. Mai:
Weiter unten auf der Seite finden Sie das Video auf Englisch.
EU-Bürgerdialog zum Thema Lebensmittelverschwendung (Video auf Englisch)
Mehr Informationen:
Zur Website des EU-Kommissars Vytenis Andriukaitis bei der Euopäischen Union (Englisch)
]]>Rund um den Globus werden junge Menschen bei über 100 Schnippeldiskos in rund 40 Ländern aktiv und zaubern leckere Gerichte aus nicht marktfähigen Lebensmitteln. In Deutschland können Verbraucher in Berlin, Wuppertal, Braunschweig und Münster teilnehmen.
Während etwa jeder neunte Mensch an Hunger leidet, werden jährlich 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel weltweit weggeworfen. Lebensmittelverschwendung findet entlang der gesamten Lebensmittelwertschöpfungskette statt, vom Acker, über den Transport bis hin zum Konsum in Privathaushalten, öffentlichen Einrichtungen und der Gastronomie. Ein Grund für die Lebensmittelverschwendung in der Produktionsphase auf dem Acker ist ein industrielles System, das auf Überproduktion und optische Marktnormen setzt und die durch die Lebensmittelverschwendung verlorenen Ressourcen wie Energie, Wasser und Boden außer Acht lässt.
Das internationale Slow-Food-Youth-Netzwerk möchte dem beschämenden Ausmaß vonLebensmittelverschwendung und -verlusten und dessen Ursachen die Stirn bieten und führt am 28. April zum zweiten Mal den World Disco Soup Day (WDSD) durch.
In Deutschland greifen verschiedene lokale Slow Food Youth Gruppen den Aktionstag auf:
Braunschweig: Slow Food, Stadtgarten Bebelhof, Foodsharing und Transition Town Braunschweig laden zur Schnippeldisco Braunschweig am 21. April von 12-16 Uhr ein (Herzogin-Anna-Amalia-Platz, 38100 Braunschweig).
Berlin: Slow Food Youth Berlin organisiert im Rahmen des Berliner Klimatags am 22. April eine Schnippelaktion mit Wam Kat (Circular Economy House, Rollbergstrasse 26, 12053 Berlin).
In Wuppertal, Münster und Leipzig finden am 28. April – am Aktionstag selbst – auch Schnippeldiskos statt, zu denen Sie herzlich eingeladen sind: In Wuppertal ab 17 Uhr im Utopiastadt (Mirker Str. 48, 42105 Wuppertal); in Münster ab 19 Uhr im Conny Kramer (Am Hawerkamp 31, 48155 Münster); in Leipzig ab 13 Uhr im Pöge-Haus (Hedwigstraße 20, 04315 Leipzig).
Kulinarische Protestaktion
Im Rahmen des Aktionstages organisiert Slow Food Youth in über 40 Ländern - von Uganda bis Japan, von Brasilien bis in die Niederlande - Schnippeldiskos. Eine Schnippeldisko, oder Disco Soup, ist eine öffentliche, kulinarische Protestaktion, bei der nicht marktfähiges Obst und Gemüse von Erzeugern und Supermärkten eingesammelt und bei coolen Beats eines DJs, zu einem gemeinsamen Essen verarbeitet wird. Während der Protestaktion informiert Slow Food öffentlich über die Gründe der Verschwendung, angefangen bei den rein optischen Marktnormen, die standardisierte Formen und Größen für Obst und Gemüse vorsehen, um Verbraucher über ihre Rolle als Ko-Produzenten zu sensibilisieren und Handlungsspielräume aufzuzeigen. Denn Verbraucher haben die Möglichkeit dort einzukaufen, wo es krumme Karotten und dicke Zucchini noch ins Verkaufsregal schaffen, und helfen so mit, dass der Landwirt all sein Obst und Gemüse verkaufen kann, egal wie dieses gewachsen ist.
Bild oben: Schnippeldisko in Berlin im Januar 2018. | © Sharon Sheets
"Wir brauchen verbindliche Ziele für die Reduzierung von Lebensmittelabfällen!"
Ursula Hudson, die Vorsitzende von Slow Food Deutschland, äußerte sich anlässlich des World Disco Soup Day auch zum Thema: „Das Ausmaß der Lebensmittelverschwendung macht deutlich, dass ein politisches Handeln dringend erforderlich ist. Auf EU-Ebene wurde zum Beispiel eine Einigung über einen EU-Rahmen zur Bekämpfung von Lebensmittelabfällen erzielt. Es wurden aber keine verbindlichen Ziele für die Reduzierung von Lebensmittelabfällen festgelegt, was aus unserer Sicht sehr problematisch ist. Es liegt nun an den einzelnen Mitgliedstaaten, zu diesem Thema Stellung zu nehmen, sich wirklich zu engagieren und dazu beizutragen, dass die von der EU unterzeichneten Ziele der nachhaltigen Entwicklung erreicht werden. Slow Food appelliert daher an die Regierungen, verbindliche nationale Ziele festzulegen, um Lebensmittelabfälle vom Erzeuger bis 2030 um 50 % zu reduzieren.
Mehr Informationen zur Veranstaltung:
Facebook-Seite World Disco Soup Day (Englisch)
Weltkarte der geplanten Schnippeldiskos
Slow Thema: Lebensmittelverschwendung – Informationen, Aktionen, Positionen
Das Slow Food Youth Network, die Jugendbewegung von Slow Food, ist ein weltweites Netzwerk von jungen Leuten, die sich für gute, saubere und faire Lebensmittel für alle einsetzen. Mehr Informationen:www.slowfoodyouth.de
Die Schnippeldisko ist eine öffentliche, kulinarische Protestaktion gegen Lebensmittelverschwendung, wurde von Slow Food Youth und Partnern 2012 erstmals in Berlin veranstaltet und hat seitdem große und kleine Veranstaltungen in aller Welt inspiriert, von Südkorea bis São Paolo, von Irland bis Nairobi, New York bis Indien. Genuss und Verantwortung gehören zusammen, und regionales, saisonales Essen ist cool – das wollen die Veranstalterinnen und Veranstalter mit der gemeinsamen Aktion beweisen.
Mehr Informationen: Schnippeldiskos von Slow Food Youth Deutschland
Quelle: Pressemeldung von Slow Food Deutschland vom 17. April 2018
Bei der Schnippeldisko wurde den Teilnehmenden sprichwörtlich eingeheizt: inhaltlich durch ein vielfältiges Rahmenprogramm sowie bei den kalten Temperaturen von innen mit der für die Demo gemeinsam zubereitete Protestsuppe. Noch nie waren die Schnippelplätze so stark gefragt, das inhaltliche Programm bis auf den letzten Stuhl besetzt. Die Stimmung war ausgelassen, getanzt wurde fast von Anfang an und die Energie und die Kraft des sich inzwischen etablierten starken Netzwerks aus Menschen war deutlich spürbar. Denn diese Menschen wünschen sich eine zukunftsfähige und damit andere Lebensmittelerzeugung – vom Acker bis auf den Teller.
Bild oben: Über 1.300 Teilnehmer schnippelten in Berlin gegen Lebensmittelverschwendung.
Topf
Gemeinsam mit der Fläming Kitchen von Wam Kat wurden an diesem Abend insgesamt 2,5 Tonnen krummes und verwachsenes Gemüse von rund 15 verschiedenen Höfen aus dem Berliner Umland zu verschiedenen Protestsuppen für die Teilnehmer des Abends und die Demonstranten der „Wir haben es satt“ zubereitet. Obwohl es eine ganze Tonne mehr war als noch im Vorjahr, waren die Schnippler schon nach einigen Stunden komplett fertig.
Mit der Schnippeldisko hat Slow Food Youth Deutschland 2012 gemeinsam mit Partnern ein Format ins Leben gerufen, um auf das beschämende Ausmaß der Lebensmittelverschwendung aufmerksam zu machen. Das hier verwendete, von Bauernhöfen aus der Region erzeugte Gemüse hätte es eigentlich nicht auf den Teller geschafft. Denn egal ob Kartoffel, Rübe, Möhre, Zwiebel oder Kürbis - die geschmacklich einwandfreien Lebensmittel entsprechen nicht den Marktnormen, weil sie zu klein, zu groß, zu dick, zu dünn oder zu krumm gewachsen sind. Aus rein optischen Gründen schaffen sie es meist nicht auf die Ladentheke, es sei denn sie werden – wie bei der solidarischen Landwirtschaft – direkt vermarktet.
Bild oben: 2,5 Tonnen Gemüse wurden zur Demo-Suppe verarbeitet.
Talk
In der Ausstellung „Krisenkonterplakate“ zum weltweiten bäuerlichen Widerstand konnten die Besucher mehr darüber erfahren, wie Kleinbauern auf dem gesamten Planeten für ihre Rechte kämpfen. Landwirte und Aktivisten aus ganz Europa stellten die brandaktuellsten Themen rund um die derzeitige Agrar- und Ernährungspolitik vor. Das Vortragsprogramm widmete sich unter anderem Themen wie Pestiziden, Konzernmacht, Bäckerhandwerk, Kleinbauernrechten, Gemeinsame EU-Agrarpolitik und Klimagerechtigkeit. Die Referenten ermutigten die Zuhörer durch ihre täglichen Konsumentscheidungen proaktiv Einfluss zu nehmen und durchaus auch politisch einzumischen.
Bild oben: Im Rahmenprogramm wurden aktuelle ernährungspolitische Themen diskutiert.
Tanz
Bei Slow-Food-Veranstaltungen liegt der Schwerpunkt stets auf Ernährungs- und Bewusstseinsbildung, dem Austausch über Lösungsansätze und zukunftsfähige Alternativen. Während der Schnippeldisko steht neben den brennenden Themen unseres Lebensmittelsystems außerdem der Spaßfaktor ganz weit oben. Deswegen werden alle Schnippeldiskos mit Musik und DJs begleitet und bis in die Nacht hinein getanzt! Bei der Schnippeldisko 2018 sorgten The Worms 7“ Original und DJ Adam Aalas für eine stetig volle Tanzfläche.
Bild oben: Bei der Schnippeldisko in Berlin wurde bis in die Nacht hinein getanzt.
Mehr Informationen:
Slow Thema: Lebensmittelverschwendung
Alle Bilder: © Sharon Sheets, Wir haben es satt - die Auslöser
10.1.2018 – Unter dem Motto „Topf-Tanz-Talk“ öffnet die größte Schnippeldisko der Welt am 19. Januar zum siebten Mal ihre Türen. 1,5 Tonnen nicht vermarktbares Gemüse werden bei Musik und guter Laune geschnippelt und zu einer Suppe weiterverarbeitet. Die Schnippeldisko hat Slow Food Youth Deutschland 2012 gemeinsam mit Partnern ins Leben gerufen, um auf das beschämende Ausmaß der Lebensmittelverschwendung aufmerksam zu machen.
Das hier verwendete, von Bauernhöfen aus der Region erzeugte Gemüse hätte es eigentlich nicht auf den Teller geschafft. Denn egal ob Kartoffel, Rübe, Möhre, Zwiebel oder Kürbis - die geschmacklich einwandfreien Lebensmittel entsprechen nicht den Marktnormen, weil sie zu klein, zu groß, zu dick, zu dünn oder zu krumm gewachsen sind. Aus rein optischen Gründen landen sie zumeist im Abfall.
An diesem Abend sagen rund tausend Engagierte Nein zu Lebensmittelverschwendung! und zeigen mit Sparschäler, Messer und Kochlöffel, dass es auch anders geht und schmeckt. Das Event wird durch Musik von Dj Adam Aalias und The Worms Original 7" inches begleitet, was den Spaß der gemeinsamen Aktion noch steigert. Lebensmittelverschwendung deutlich zu reduzieren ist für ein zukunftsfähiges Lebensmittelsystem von zentraler Bedeutung, ebenso der Erhalt des Lebensmittelhandwerks.
Deshalb laden die Bäcker der Initiative „Die Freien Bäcker“ an diesem Abend zum gemeinsamen Seelen backen ein. Mit der Schnippeldisko treiben die Veranstalter den Wandel hin zu einem zukunftsfähigen Ernährungssystem voran und begeistern Jung und Alt dafür, Lebensmittel wertzuschätzen und nachhaltig mit den natürlichen Ressourcen umzugehen. Ergänzt wird die Schnippeldisko durch ein inhaltliches Programm. Es gibt Kurzfilme, eine Ausstellung zum weltweiten bäuerlichen Widerstand und Vorträge. Aktivisten und Engagierte aus ganz Europa stellen Entwicklungen des aktuellen Ernährungssystems vor und beleuchten folgende Themen:
Datum: Freitag, 19. Januar 2018
Zeit: 18:00-24:00 Uhr
Ort: Zentrum für Kunst und Urbanistik (ZK/U), Siemensstraße 27, 10551 Berlin
Hinweis zur Veranstaltung:
Die Schnippeldisko am 19. Januar ist eine öffentliche, kostenlose Veranstaltung. Die Organisatoren freuen sich über jeden, der mitschnippelt und mehr über das aktuelle Ernährungssystem erfahren möchte. Das Schnippeln und Kochen findet unter Anleitung von Aktionskoch Wam Kat und der „Fläming Kitchen“ statt. Das Essen wird die Teilnehmer des Abends sowie der „Wir haben es satt!“-Demonstration am darauffolgenden Tag aufwärmen.
Organisatoren: Slow Food Youth Deutschland, Kampagne Meine Landwirtschaft, FIAN Deutschland, Christliche Initiative Romero, Fläming Kitchen, Aktion Agrar und Die Freien Bäcker e. V. - Zeit für Verantwortung
Mehr Informationen zur Schnippeldisko Topf-Tanz-Talk finden Sie hier:
http://bit.ly/2qJez1s
Fotos und Impressionen aus den letzten Jahren finden Sie hier:
http://bit.ly/2lV4J75
Die Mitglieder der FLW haben den Europäischen Rat, die Kommission und das EU-Parlament eindringlich dazu aufgefordert, umgehend die Ziele zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung festzusetzen, statt die Festlegung einer Methodik abzuwarten. Aktuell werden im Trilog die nächsten 13 Jahre der EU-Politik zum Thema Lebensmittelverschwendung verhandelt. Ein Ergebnis wird für Ende November erwartet.
Lebensmittelverschwendung soll drastisch reduziert werden
Im März stimmte das Europäische Parlament mit überwältigender Mehrheit dafür, EU-weite Ziele festzulegen, um die Lebensmittelverschwendung bis 2030 vom Bauernhof bis auf den Esstisch um die Hälfte zu reduzieren. Es wurde dafür plädiert, diese Ziele auch in die Verhandlungen aufzunehmen. Der Europäische Rat jedoch versuchte, die vom EU-Parlament vorgeschlagenen Ziele zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung zu blockieren, da seiner Meinung nach zuerst eine Definition und eine Methodik zur Messung der Lebensmittelverschwendung festgelegt werden sollte.
Wenn der EU-Rat sich weiterhin querstellt, besteht die Gefahr, dass die EU-Ziele zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung komplett aufgegeben werden, was gravierende Folgen haben und dazu führen könnte, dass die EU das Nachhaltigkeitsziel 12.3 nicht erreicht, die Lebensmittelabfälle pro Kopf bis 2030 zu halbieren. Die Mitglieder der Plattform FLW, darunter Slow Food, Feedback, FoodWIN und Health Care Without Harm Europe haben heute eine Erklärung abgegeben, in der sie die Begründung des Europäischen Rates zurückweisen. Sie argumentieren, dass Ziele von Erzeuger- bis zu Verbraucherseite definitiv vor der Entwicklung einer Mess-Methodik festgelegt werden können und sollten. Eine Behinderung dieser Ziele würde ihrer Argumentation zufolge die Fähigkeit der EU, das Nachhaltigkeitsziel 12.3. zu erreichen, gravierend beeinträchtigen.
Produzenten sollen nicht in Methodik aufgenommen werden
Die Plattform FLW wurde von der Europäischen Kommission ins Lebens gerufen, um eine Methodik zur Messung der Lebensmittelverschwendung in der EU zu entwickeln. Diese Methodik sollte bis 2018 entwickelt werden. Wenn die EU im Laufe des Jahres 2017 Ziele zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung verabschiedet, wird es mindestens zwei Jahre dauern, bis dieses Gesetz in die Rechtsprechung der Mitgliedsstaaten übergeht, wonach es möglich wäre, die Methodik der Plattform in die Ziele einzubinden. Als Teil der von This Is Rubbish gegründeten EU-Kampagne zu Lebensmittelverschwendung fordern 67 Organisationen aus 20 EU-Ländern und über 100.000 Unterzeichner der Petition den Europäischen Rat und die Kommission auf, die vom Europäischen Parlament vorgeschlagenen Ziele zu unterstützen, die Lebensmittelverschwendung in der EU bis 2030 vom Bauernhof bis zum Esstisch um die Hälfte zu reduzieren. Sie warnen, dass dies die letzte Chance sein könnte, die nächsten 13 Jahre der EU-Politik zur Lebensmittelverschwendung zu retten.
Im September bekannt gewordenen Dokumenten zufolge könnte ein möglicher Kompromissvorschlag von Rat und Kommission darauf ausgerichtet sein, die EU-Ziele zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung um 50 Prozent nur auf Handels- und Verbraucherebene festzusetzen. Allerdings erfolgt schätzungsgemäß bis zu 59 Prozent der Lebensmittelverschwendung in der EU – bis zu 84 Millionen Tonnen pro Jahr – , bevor die Produkte im Handel in den Verkehr gebracht werden, auf dem Bauernhof oder im Vertrieb. Dieser Anteil würde außen vor bleiben, wenn der Europäische Rat diese Werte nicht in die EU-Ziele zur Lebensmittelverschwendung aufnimmt. Aktivisten starten europaweit den Aufruf an den Europäischen Rat, sich hinter die Ziele des Europäischen Parlaments zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung vom Bauernhof bis zum Esstisch zu stellen (Link siehe unten).
Bild oben: Gerettet vor der Tonne bei einem Slow-Food-Aktionstag gegen die Verschwendung von Lebensmitteln - eine krumme, dreibeinige Bio-Karotte, die wegen ihrer Wuchsform nicht vom Handel akzeptiert wird. | © Friedemann Lätsch
Fehlende Wertschätzung von Lebensmitteln
Ursula Hudson, Mitglied des geschäftsführenden Vorstands von Slow Food und Mitglied der Plattform FLW: „Die EU darf keinesfalls die Gelegenheit verpassen, Ziele zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung festzusetzen. Die Kommission hat es bereits verpasst, ehrgeizige Vorhaben vorzulegen, die nicht in erster Linie dazu dienen sollen, ein nicht funktionierendes Lebensmittelsystem zu reparieren, sondern die sich vielmehr darauf richten, die Lebensmittelverschwendung von Grund auf strukturiert und radikal zu bekämpfen oder zu vermeiden. Dazu muss man anerkennen, dass Lebensmittelverschwendung die Folge der fehlenden Wertschätzung von Lebensmitteln und des Prozesses ihrer Herstellung in allen Stufen der Erzeugungskette ist. Wenn der Rat die Ziele weiterhin blockiert, wie sollen wir das verstehen, wenn nicht als Zeichen der mangelnden Bereitschaft der EU, das Problem der Lebensmittelverschwendung wirklich zu lösen? Wenn Lebensmittelverlust und –verschwendung eine inakzeptable, ethisch nicht vertretbare und unmoralische Vergeudung knapper Ressourcen sind, die die Ernährungsunsicherheit erhöhen”, wie EU-Kommissar Andriukaitis sagte, brauchen wir jetzt von der EU eine klare Positionierung. Es geht hier um Menschen und um unseren Planeten, da darf es keine weiteren Verzögerungen geben.”
Quelle: Pressemitteilung von Slow Food International vom 6. November 2017
Bild oben: Ursula Hudson (li.), Mitglied des geschäftsführenden Vorstands von Slow Food International und Vorsitzende von Slow Food Deutschland, bei einem Aktionstag gegen die Verschwendung von Lebensmitteln. | © Marcus Rabisch
Weitere Informationen:
Internationaler Aktivistenaufruf zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung
Slow Thema: Lebensmittelverschwendung – Informationen, Aktionen, Positionen
]]>Fermentierter Hokkaido-Kürbis, Kohlrabi und Blumenkohl. | © Barbara Assheuer
1.11.2017 – Der Herbst ist die ideale Jahreszeit für das Einlegen von Gemüse. Denn jetzt ist es in Hülle und Fülle vorhanden. So machen wir es haltbar und leisten einen Beitrag gegen die Verschwendung von Lebensmitteln. Slow-Food-Mitglied Barbara Assheuer hat sich auf das Fermentieren spezialisiert.
Ein beträchtlicher Teil unserer Lebensmittel wird weggeworfen, obwohl es noch genießbar ist. Oder Gemüse kommt erst gar nicht in den Handel, weil es nicht die richtige Form, Farbe oder Größe hat. Es wird direkt entsorgt oder verfault auf den Äckern. Dieser Verschwendung von Lebensmitteln kann man entgegen wirken, in dem man Gemüse durch die Milchsäuregärung haltbar macht. Das ist nicht nur sehr gesund, es schmeckt zudem noch gut und es kann von jedem bereits in kleinen Mengen zuhause selbst gemacht werden.
Eine uralte Kulturtechnik des Haltbarmachens
Die Milchsäuregärung ist eine uralte Kulturtechnik, die nicht nur bei uns, sondern in vielen Kulturen der Welt und dies teils seit Jahrtausenden angewendet wird. Bei uns ist vielen noch das Einlegen des Sauerkrauts für den Winter bekannt. Die im Gemüse natürlicherweise vorkommenden Milchsäurebakterien verwandeln die Kohlenhydrate in Milchsäure und machen das Gemüse auf diese Weise für mehrere Monate haltbar. Werden Gewürze wie Ingwer, Chili und Knoblauch hinzugefügt, erhält man eine besondere geschmackliche Vielfalt und das Gemüse bleibt knackig frisch und es schmeckt leicht säuerlich.
Nachhaltig, schmackhaft, gesund, kostengünstig
Fast alle Gemüsesorten können eingelegt werden. Besonders dankbar sind Wurzelgemüse und Kohlsorten, aber auch Gemüse, das normalerweise nicht roh gegessen wird, wie der Kürbis oder die Pastinake, eignen sich sehr gut. "Probieren Sie es einfach aus!" rät Food-Aktivistin Assheuer. "Es ist nachhaltig, es ist gesund, es schmeckt gut, es kostet nicht viel. Was will man mehr?"
Fermentieren: So geht's!
Wie jeder zuhause schnell und einfach Gemüse durch Fermentieren haltbar machen und über den Winter bringen kann, erfahren Sie in der Slow-Food-Broschüre "Fermentieren" mit Rezepten von Barbara Assheuer: Broschüre als PDF herunterladen
Oder in dem Kurzfilm (4:18 Minuten) des rbb in der Reihe "Radikal regional", in dem Barbara Assheuer das Fermentieren vor der Kamera vorführt: Zur Sendung
Sommer im Glas – Gären und gären lassen. Von Ursula Hudson
Auch Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland, ist begeistert vom Fermentieren und dazu im Slow Food Magazin 4/2015 einen Artikel geschrieben: "Fermentieren, milchsauer einlegen oder gären lassen – eine alte Methode zum Haltbarmachen, die wieder angesagt ist. Und dazu Nullkommanix an Energie verbraucht."
Artikel als PDF herunterladen | Zum aktuellen Slow Food Magazin
Hokkaido-Kürbis wird für das Fermentieren vorbereitet. | © Barbara Assheuer
1.000 g Kürbis
30 g naturbelassenes Salz
1/2 TL gemahlener grüner Pfeffer
Chili (Flocken, Pulver oder kleingehackte frische Chili)
etwas Salzlake (200 ml Wasser erwärmen und 1 TL Salz darin auflösen, abkühlen lassen)
Auch Gemüse, das man gewöhnlich nicht roh isst, kann fermentiert werden. Zum Beispiel so:
Hokkaido-Kürbis im Ganzen zunächst waschen und die groben Stellen und Narben entfernen. Die Schale nicht entfernen. Dann den Kürbis mit einem scharfen Messer in 4-5 cm lange Stücke schneiden und entkernen.
Entweder in einer Küchenmaschine die Kürbisstücke zerkleinern oder mit einem Hobel in dünne Scheiben schneiden.
In einer großen Schüssel den geraspelten Kürbis mit Salz, grünem Pfeffer und etwas Chili vermengen. Alles in ein Glas pressen. Darauf achten, dass keine Luftlöcher bleiben. Oben einen Rand von mindestens 6-8 cm lassen und das Gemüse mit der Salzlake, die inzwischen abgekühlt sein sollte, aufgießen und alles beschweren. Zum Beispiel mit einem kleinen Teller, der in das Glas gesetzt wird, und einem Stein, oder mit einem mit Wasser gefüllten Marmeladenglas. Das Gemüse soll nicht mit Sauerstoff in Berührung kommen.
Zunächst für zwei oder drei Tage bei Zimmertemperatur stehen lassen, dann das erste Mal probieren. Jeden Tag wieder kosten und das Glas dann mit einem Deckel verschließen und an einen kühlen Ort stellen (Kühlschrank oder kalter Keller), wenn das fermentierte Gemüse einen Geschmack erreicht hat, der einem gefällt. Also genug Säure und geschmackliche Vielfalt hat. Das ist ganz nach dem eigenen Belieben.
Die Fermentierzeit hängt von vielen Faktoren ab. In der Regel braucht Kürbis zwischen vier und sieben Tagen. Länger schadet nicht, wird dann deutlich saurer.
Serviert werden kann der Kürbis zu kräftigem, gereiftem Käse oder Wurst, zu gekochtem Gemüse oder als Beilage zu gebratenem Fleisch oder Tofu. Der Vielfalt sind keine Grenzen gesetzt. Lassen Sie es sich schmecken!
Rezept: Barbara Assheuer
Lesetipp 1 zum Thema: Journal Culinaire No. 25 (November 2017)
"Obst und Gemüse haltbar machen"
Beachten Sie auch das aktuelle Journal Culinaire zum Thema "Obst und Gemüse haltbar machen" unter Publikationen unserer Partner. Unter anderem auch mit einem Artikel von Barbara Assheuer über das Fermentieren. | Journal Culinaire No. 25
Lesetipp 2 zum Thema: Slow Food Magazin 4/2011
Schwerpunktthema: "Frisches für später – haltbar machen"
"Willste mal in meine Vorratskammer gucken? Gesalzen oder eingekocht, getrocknet, gefettet oder gesäuert – die Früchte des Sommers werden den Schätzen des Winters." Der Themenschwerpunkt des Slow Food Magazins Nummer 4 im Jahr 2011 beschäftigt sich von Seite 32 bis Seite 60 mit dem Haltbarmachen von Lebensmitteln. Slow Food Magazin 4/2011als PDF herunterladen | Zum aktuellen Slow Food Magazin
Weitere Informationen:
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