„Die Lebensmittelproduktion und insbesondere die Milchwirtschaft sind täglich mit ökologischen Herausforderungen konfrontiert, wie der Klimakrise, die zu einem stetigen Verlust der biologischen Vielfalt von Böden und Tierrassen führen, sowie mit sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen, wie der Entvölkerung der ländlichen Gebiete und der Bergregionen, der unzureichenden Unterstützung für Hirten und den Schwierigkeiten beim Generationenwechsel. Slow Food glaubt, dass Agrarökologie eine Lösung für diese Probleme bietet”, kommentiert Francesco Sottile, Mitglied des Vorstands von Slow Food.
„Agrarökologie basiert auf einer nachhaltigen Nutzung von erneuerbaren lokalen Ressourcen, legt die Priorität auf lokale Bäuer*innen und ihr Know-How, nutzt die Biodiversität, um Ökosystemleistungen und Resilienz zu gewährleisten und setzt Lösungen um, die von lokaler bis globaler Ebene vielfältige Vorteile bieten. Agrarökologie prämiert lokale Erzeuger, Familienbetriebe, ländliche Gemeinschaften, Ernährungssouveränität, lokale und kurze Lebensmittellieferketten, die Vielfalt von heimischem Saatgut und heimischen Rassen. Sie stellt den Zugang aller Menschen zu gesunden, hochwertigen Lebensmitteln sicher. Darüber hinaus kann Agrarökologie wirkungsvoll auf Weideland und darauf lebenden Tieren angewendet werden. Weideland hatdas Potenzial, die Tierhaltung von einem der Sektoren mit der höchsten Umweltbelastung in einen Sektor umzuwandeln, der zur Eindämmung der Klimakrise beiträgt. Der Schlüssel zur Bindung von CO₂liegt im Boden, denn er kann ein Viertel der vom Menschen verursachten Emissionen aufnehmen. Diese Kapazität steigt mit größerer Bodenfruchtbarkeit und höherem Vegetationsreichtum. Deshalb sind Böden, die mit Dauerweideland bedeckt sind, für die Kohlenstoffspeicherung besser geeignet als Wälder, da sie nicht Gefahr laufen, den gesamten gespeicherten Kohlenstoff in kurzer Zeit freizusetzen, zum Beispiel durch Brände.”
Internationale Gäste
Ausstellende aus 14 Ländern haben bereits ihre Teilnahme bestätigt und werden auf dem internationalen Markt präsent sein. Darunter sind so bekannte Namen wie der Affineur Jasper Hill Farm aus den USA, das Slow Food Presidio für Rohmilch-Stilton aus Großbritannien, Erzeuger und Selektoren aus der Schweiz und verschiedenen anderen europäischen Ländern. Langjährige Aussteller wie Poncelet aus Spanien, Mons Fromager et Affineurs aus Frankreich und das niederländische Slow Food Presidio für handwerklich hergestellten gereiften Gouda sind ebenfalls mit von der Partie. Italien nimmt mit seinen Erzeugern aus allen Regionen einen Ehrenplatz ein, zahlreiche Vertreter haben ihre Teilnahme bereits zugesagt. Slow Food Presidi sind Erzeugergemeinschaften, die sich für den Erhalt und die Weitergabe traditioneller Produktionstechniken und Handwerkskünste einsetzen.
Lokale Rassen und Hirten
Nach Angaben der FAO gibt es derzeit 7745 lokale Rassen, von denen 26% vom Aussterben bedroht sind und über weitere 67% nur unzureichende Informationen vorliegen. Nur 7% dieser Rassen gelten als sicher. In Europa ist die Hälfte der zu Beginn des 20. Jahrhunderts existierenden Rassen bereits ausgestorben.
Lokale Rassen haben eine biologische Bindung an ihre jeweilige Region entwickelt, die im Laufe der Zeit durch Anpassung an spezifische Klima- und Umweltfaktoren verfeinert wurde. Diese Bindung schafft optimale Bedingungen für die Milch- und Käseproduktion. Dabei geht es nicht nur um den Fett- und Eiweißgehalt, sondern auch um die aromatischen Eigenschaften der Milchprodukte.
Die Verwandlung von Gras in Käse mag wie Zauberei erscheinen, ist aber ein ganz natürlicher Prozess. Die Aromen der Kräuter gehen auf die Milch über, weil sich die duftenden Pflanzenstoffe teilweise im Milchfett lösen. Das Fett dient als Aromaspeicher, so dass die Aromen in den Käse eindringen und während der Reifung und Verfeinerung nach und nach wieder freigesetzt werden.
Die Hirten stehen im Mittelpunkt der Cheese und ihre oft unterschätzte, aber unschätzbare Rolle wird gewürdigt. Durch ihre engagierte Arbeit stellen sie nicht nur außergewöhnliche Käsesorten her, sondern schützen auch ihr Land, erhalten die Almen und kümmern sich um die Tiere, die zur Artenvielfalt beitragen. Im Haus der biologischen Vielfalt können Besucher ihren Geschichten lauschen, ihre Produkte auf dem Markt probieren und an Verkostungsworkshops und Abendessen teilnehmen.
Das Slow-Food-Netzwerk der Hirten, Viehzüchterinnen und Käser*innen ist mit Erzeugern aus der ganzen Welt vertreten: von der Ukraine bis zur Türkei, von Rumänien bis Norwegen, von Österreich bis zu den Vereinigten Staaten. Mit ihren Käsen und Geschichten zeigen sie, wie wichtig die Zusammenarbeit für den Schutz der biologischen Vielfalt und der natürlichen Produkte ist.
Die Erzeuger*innen
Auf dem italienischen und internationalen Markt der Cheese werden die besten Produkte von Käsern, Hirten, Käsehändlern und Affineuren aus der ganzen Welt präsentiert. Viele dieser Erzeuger gehören dem renommierten Netzwerk der Slow Food Presidi an. Die zum Verkauf angebotenen Käsesorten, ob aus Kuh-, Schafs- oder Ziegenmilch, werden ausschließlich aus Rohmilch und in Betrieben hergestellt, in denen das Wohl der Tiere an erster Stelle steht. Slow Food ist der Meinung, dass Naturkäse — der ohne im Labor ausgewählte Starterkulturen hergestellt wird, die massenhaft produziert und von einer Handvoll multinationaler Konzerne kontrolliert werden — eine größere biologische Vielfalt aufweist und damit ein authentischerer Ausdruck seines Herkunftsgebietes ist. Die Käser können die mikrobielle Vielfalt ihres Käses erhalten, indem sie ihre eigenen Milch- oder Molkestarter verwenden, die durch Pfropfung gewonnen werden, und so die auf ihrem Hof natürlich vorkommenden Bakterien bewahren, die eng mit ihrer Region verbunden sind und zum charakteristischen Aroma des Käses beitragen.
Dieses Engagement entspricht den Grundprinzipien von Slow Food und der langjährigen Kampagne, die die Cheese von Anfang an geprägt hat. Neben einer beeindruckenden Auswahl an Käsesorten können die Besucher auf dem Markt auch andere außergewöhnliche Produkte wie Honig, natürliche Wurstwaren, Essig und Gewürze finden.
Wie immer bietet die Cheese eine hervorragende Gelegenheit, das eigene Wissen zu erweitern, an Konferenzen und Debatten teilzunehmen und neue kulinarische Spezialitäten zu probieren. Besucher können an Geschmackserlebnissen und Verkostungen teilnehmen, die von Fachleuten und Erzeugern geleitet werden, sowie an unvergesslichen Verabredungen zum Abendessen, die von internationalen Spitzenköchen organisiert werden.
Hier finden Sie:
Den Veranstaltungskalender (wird laufend aktualisiert) https://cheese.slowfood.it/en/event/
Die Ausstellerliste https://cheese.slowfood.it/en/scheda_espositore/
Die aktuellsten News https://cheese.slowfood.it/en/news/
Videos und Fotos https://media.slowfood.it/Cheese-2023
]]>„Die kuhgebundene Kälberhaltung gewinnt insbesondere in jüngster Zeit an Bedeutung in der Milchviehbranche. Die Zahl der Pionier-Landwirt:innen, die diese artgerechte Form der Aufzucht praktizieren, nimmt zu. Zugleich erlangt diese Thematik auch zunehmend Aufmerksamkeit seitens der Verbraucher:innen“, erklärt Saro Ratter von der Münchener Schweisfurth Stiftung, der den gemeinsamen Entwicklungsprozess moderiert hat. „Mit dieser gemeinsamen Entwicklung der Kriterien schaffen wir nun sowohl für Betriebe als auch für Verbraucher:innen Orientierung und Klarheit. Zugleich zeigen wir einen Weg dafür auf, die in der Praxis zumeist getrennten Produktionsbereiche Milch und Rindfleisch perspektivisch wieder zusammenzuführen“, unterstreicht der Projektmanager Tierwohl der Stiftung.
So sehen die Kriterien beispielsweise vor, dass Kälber mindestens 90 Tage von den eigenen Müttern oder Ammenkühen gesäugt werden müssen und enthalten Regelungen zum schonenden Absetzverfahren. Während der gesamten Säugezeit müssen die Kälber ökologisch aufgezogen werden, auch die männlichen Kälber und die nicht als künftige Milchkühe benötigten weiblichen. Dies kann auf dem eigenen Betrieb geschehen oder aber auf Partnerbetrieben, die auf ökologische Rindermast spezialisiert sind. Höchstens 15 Prozent dürfen an andere ausgewählte Aufzuchtbetriebe abgegeben werden.
An der Ausarbeitung der Kriterien waren auch Fachleute der drei Verbände Bioland, Demeter und Naturland beteiligt. Ziel der Initiatoren ist es, dass die Verbände die Kriterien zur kuhgebundenen Kälberaufzucht möglichst als Zusatzstandard für interessierte Betriebe in ihre bereits bestehenden Richtlinien aufnehmen.
„Die kuhgebundene Kälberaufzucht steht für mich im Mittelpunkt einer wesensgemäßen, zukunftsorientierten und Ressourcen schonenden Demeter Bio-Milchviehhaltung.“ Anja Frey, Initiatorin, Gründerin der Bruderkalb Initiative Hohenlohe und Betriebsleiterin Völkleswaldhof.
„Es ist an der Zeit, Kuh und Kalb - Milch und Fleisch gemeinsam zu denken.“ Rolf Holzapfel, Initiator und Geschäftsführer Demeter Milchbauern Süd w.V.
„Die Elternzeit auf unseren Höfen bereichert Mensch, Tier und zu guter Letzt unsere Milch.“ Hans Möller, Initiator und Geschäftsführer De Öko Melkburen GmbH.
Gründung der Interessensgemeinschaft kuhgebundene Kälberaufzucht
Zudem haben die Initiator:innen die Gründung der Interessensgemeinschaft kuhgebundene Kälberaufzucht beschlossen, der künftig zum einen diejenigen Öko-Betriebe, die die Aufzucht gemäß den Kriterien praktizieren, beitreten können sowie weitere Fördermitglieder. Ziel der Interessensgemeinschaft ist unter anderem die Förderung praxisnaher Forschung zum Thema kuhgebundene Aufzucht, die Aufklärung von Verbraucher:innen sowie die Weiterentwicklung der Kriterien.
Ausführliche Informationen >> hier.
Zu den Kriterien >> hier.
]]>Asthma und andere allergische Erkrankungen nehmen seit Jahren in Deutschland an Häufigkeit zu. Auch viele Kinder und Jugendliche sind davon betroffen. Im Rahmen der sogenannten Bauernhofstudien entdeckte die renommierte Münchner Professorin Erika von Mutius, gemeinsam mit ihrem Team, dass Kinder von Bauernhöfen erheblich seltener an Asthma erkranken. Dieser positive Einfluss zeigte sich, wenn sie frische, unbehandelte Rohmilch zu sich nahmen.
An die Ergebnisse der sogenannten Bauernhofstudien knüpft die MARTHA Studie an. Sie vergleicht Kleinkinder, die per Zufall zwei verschiedenen Gruppen zugeteilt werden. Getestet wird bei ihnen die Wirkung einerseits von schonend verarbeiteter Milch (Testmilch), andererseits von handelsüblicher UHT-Milch (Vergleichsmilch). Beide Milcharten kommen von bayerischen Kühen. Da in der Rohmilch Krankheitserreger enthalten sein können, kann diese nicht unbehandelt zum Verzehr als Vorbeugung gegen Asthma und Allergien empfohlen werden. Die Testmilch ist daher durch eine neue und schonende Art der Verarbeitung so naturbelassen wie möglich. Dadurch bleiben die günstigen Eigenschaften der Rohmilch weitgehend erhalten, zugleich ist die Milch frei von bedenklichen Keimen.
Slow Food Deutschland unterstützt das Forschungsteam bei der Auswahl passender Bauernhöfe, die in eigenen Molkereien eine entsprechende nur pasteurisierte Milch herstellen und diese Milch direkt über Wochenmärkte, Bio-Supermarktketten oder Hofläden vertreiben.
Weitere Informationen:
]]>Milch ist nicht gleich Milch. Denn die unterschiedlichen Herstellungs- und Weiterverarbeitungstechniken entscheiden darüber, ob und wie frisch sie wirklich ist und wie sie schmeckt. Die Art der Erzeugung wirkt sich außerdem höchst unterschiedlich auf Tierwohl, Umwelt und Klima aus. Milchen von Kühen aus Weidehaltung, idealerweise aus mutter- oder ammengebundener Kälberaufzucht, mit geringer Verarbeitungstiefe und verkürzten Produktionsketten, haben insgesamt eine erheblich positivere Bilanz als ihre industriellen Pendants von Hochleistungskühen.
Die Kriterien für Milch und Milcherzeugnisse im Sinne von „gut, sauber, fair“ hat Slow Food 2019 in seiner Studie >> "Umweltgerechtigkeit und Nachhaltigkeit in der Milchwirtschaft" veröffentlicht. Unter anderem sind die Betriebe, die als Praxisbeispiele für nachhaltige Milchwirtschaft daran mitgewirkt haben, auf der neuen >> Milchlandkarte verzeichnet. Sie erleichtert den Bezug guter Milch und unterstützt ihre Erzeuger*innen. Die Regionalgruppen von Slow Food ergänzen künftig weitere Höfe. Ziel ist es, möglichst viele Ecken Deutschlands abzudecken.
Slow Food bringt Verbraucher*innen u.a. bei Milchquerverkostungen auf den Geschmack guter Milch. Sie erfassen mit ihren Sinnen die geschmacklichen Welten, die zwischen industrieller und naturbelassenen Milchen liegen. Idealerweise entwickeln sie die Bereitschaft, Milch(-produkte) mehr wertzuschätzen, ihr Einkaufsverhalten umstellen und angemessene Preise für Milch zu zahlen. Gleichzeitig fordert Slow Food die Politik dazu auf, die Rahmenbedingungen für den Vertrieb und Zugang zu naturbelassenen Milchen zu schaffen. In Deutschland ist dies erschwert. Vorzugsmilch gibt es z.B. nur selten, weil sich wenige Milchbetriebe den strengen Anforderungen unterziehen. Rohmilch darf dagegen nur direkt ab Hof verkauft werden, etwa über sogenannte Milchtankstellen. Verbraucher*innen in urbanen Räumen haben somit einen sehr beschränkten Zugang zu diesen Milchen. Zum Weltmilchtag 2020 bekräftigt Slow Food die Forderungen aus seiner >> Grundsatzerklärung zur Rohmilch. Der Erwerb von unbearbeiteter Milch soll einfach und unbürokratisch gestaltet und gefördert werden. Nur das gewährt Verbraucher*innen bundesweit Wahlfreiheit beim Einkauf.
>> Verschiedene Milchen im Vergleich und Aufschlüsselung des „Frische“-begriff bei Milch.
>> Pflanzendrinks: Begleiter einer planetengerechten Ernährung
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Der Weltmilchtag am 1. Juni wurde von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) und dem Internationalen Milchwirtschaftsverband (IDF) ins Leben gerufen und wird in über 30 Ländern veranstaltet.
]]>Es gibt nicht nur einen Weltfrauentag, einen Weltbienentag und einen Weltgesundheitstag, sondern inzwischen sogar einen Weltpflanzendrink-Tag. Die Organisation ProVeg hat ihn ins Leben gerufen, um die Aufmerksamkeit für die Drinks aus Hafer, Soja und Co zu erhöhen. Jährlich findet er am 22. August statt. Die Aktion soll dazu beitragen, „den Umstieg von Kuhmilchprodukten auf die große Vielfalt pflanzlicher Alternativen“ zu erleichtern.
Der vollständige Verzicht auf gute Kuhmilch ist aus Sicht von Slow Food Deutschland allerdings weder erforderlich noch wünschenswert. Denn Milch ist ‚von Natur aus‘ ein nährstoffreiches und wertvolles Grundnahrungsmittel. Vorausgesetzt, sie kommt von Kühen, die Hörner haben, auf der Weide Gras fressen können und idealerweise eine Zeitlang ihr Kälbchen behalten dürfen; und wenn die Milch so gering wie möglich verarbeitet ist und weitgehend naturbelassen in die Flasche kommt, also höchstens pasteurisiert. Die Kuhhaltung ist außerdem ein wichtiger Bestandteil der biologischen Kreislaufwirtschaft – der Dung der Tiere wird in Form von Mist oder Gülle auf die Felder ausgebracht, macht den Boden fruchtbar und nährt die Pflanzen. Zudem leistet die Rinderhaltung auf Weiden einen wichtigen Beitrag zum Biodiversitäts- und Klimaschutz. Denn Pflanzen ernähren ihre Blätter und Wurzeln aus dem Kohlendioxid der Luft. Je mehr Gras und Grünzeug wächst, umso mehr klimaschädliches Gas wird also eliminiert. Eine gesunde geschlossene Grasdecke, die durch regelmäßige Beweidung entsteht, sorgt dafür, dass der Kohlenstoff im Boden bleibt.
Begleiter einer planetengerechten Ernährung
Jedoch wollen viele Verbraucher*innen inzwischen weniger tierische Lebensmittel essen und trinken, damit wir auch weiterhin gut auf unserem Planeten leben können. Das ist auch dringend erforderlich: Denn wir verzehren heute viel zu viel Tierisches. Jährlich verbraucht jeder von uns durchschnittlich fast 90 Kilogramm Fleisch und Fleischerzeugnisse, verwendet 80 Kilo Milch-und Milchprodukte, dazu 235 Eier und 14 Kilogramm Fisch. Die Erzeugung dieser Mengen tierischer Produkte hat massive Auswirkungen auf Tier- und Menschenrechte sowie auf das globale Klima. Klimawandel und Umweltzerstörung sind schon vielerorts sichtbar – in Form von Dürre, extremen Wetterlagen, Ernteausfällen und Wasserknappheit. Zugleich heizt die Produktion von tierischen Erzeugnissen den Hunger in der Welt an. Denn: ökologisch wertvolle Flächen wie der tropische Regenwald werden für den Anbau von Futtermitteln (Soja) zerstört. Die industrielle Nutztierhaltung setzt enorme Mengen an Methan und Lachgas frei, und die Meere werden überfischt, weil unser Hunger auf Rotbarsch und Seelachs unendlich scheint. Nach den Empfehlungen der zukunftsweisenden Planetary Health Diet – sie wurde von einem Team von 16 internationalen Wissenschaftler*innen rund um den Ernährungswissenschaftler Walter Willett von der Harvard Medical School entwickelt (https://eatforum.org/learn-and-discover/the-planetary-health-diet/) - sollte unser Speiseplan darum zu rund 80 Prozent aus pflanzlichen Lebensmitteln bestehen. Getreide, Hülsenfrüchte, Gemüse, Obst, Nüsse und Pflanzenfette geben hier also den Ton an. Slow Food begrüßt die Empfehlungen der Expert*innen, wenn es darum geht, Speisepläne zukunftsfähiger auszurichten.
Vor diesem Hintergrund können Pflanzendrinks den Verbraucher*innen helfen, ihren Milchkonsum zu reduzieren ohne ihn zwangsläufig vollständig ersetzen zu müssen. Doch ist aus Sicht von Slow Food nicht jeder Pflanzendrink automatisch gut. So, wie eine gute Kuhmilch einen wertvollen Beitrag zu Diversitäts- und Klimaschutz leistet, ist es auch mit den Drinks aus pflanzlichen Rohstoffen. Darunter gibt es die, die gute Begleiter im Rahmen einer planetengerechten Ernährung sein können und solche, die man besser im Laden lässt. Slow Food empfiehlt Pflanzendrinks darum nicht pauschal, sondern schaut hier genau hin, woher die Rohstoffe kommen, wie die milchigen Drinks erzeugt und verpackt werden und wie sie schmecken. Dazu Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland: „Für Slow Food ist die Auseinandersetzung mit Planzendrinks relativ neu. Denn primär sind es industriell erzeugte ‚Ersatzprodukte‘, von denen nur einige wenige aus handwerklicher Herstellung kommen. Von ihrer kulturellen Verankerung ganz zu schweigen. Aber wir erkennen ihren Wert, wenn es darum geht, Menschen, die keine tierische Milch zu sich nehmen wollen, Alternativen anzubieten. Wobei es nicht darum gehen kann einen zu hohen Genuss an Kuhmilch blindlings durch Pflanzendrinks zu ersetzen. Denn auch sie müssen erzeugt und transportiert werden, und man kann eben auch zu viel des ‚Guten‘ tun.“
Beim Einkauf fällt Verbraucher*innen die Wahl nicht unbedingt leicht: Gab es anfangs nur einzelne Drinks aus Soja, Hafer und Reis zu kaufen, so findet sich in den Regalen der Läden, ob Bio oder konventionell, heute eine ganze Palette an Pflanzendrinks; etwa aus Mandeln, Cashews, Macadamia, Kokosnuss und Haselnuss, aus Dinkel, Erbsen und Lupinen sowie Kreationen aus Hanf, Hirse und Buchweizen. Der neuste Trend sind grüne Drink-Mixturen aus verschiedenen Pflanzen. Sie sollen geschmacklich, von der Konsistenz und vom Gebrauch her, der Kuhmilch möglichst nahe kommen.
Was in ihnen steckt
Rund 80 Millionen Liter Bio-Milchimitate wurden 2019 hierzulande konsumiert, so die Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI). Ihr weltweiter Umsatz wird von Innova Market Insights, einem Marktforschungsinstitut aus den Niederlanden, heute auf 16,3 Milliarden US-Dollar geschätzt. 2010 betrug er noch etwa die Hälfte (7,4 Milliarden). Angeheizt werden die Umsätze durch ständig neue Milchalternativen. Sie werden als Naturvariante angeboten, aber auch mit Zucker oder Agavendicksaft gesüßt und mit Vanille, Kakao oder Erdbeere aromatisiert. Viele Sorten enthalten einen Schuss Pflanzenöl, was die Drinks cremiger schmecken und „milchiger“ aussehen lässt. Konventionelle Varianten können auch Zusatzstoffe wie Aromen, Säuerungsmittel, Stabilisatoren und Emulgatoren enthalten sowie Zuckerersatzstoffe wie Fructose und Maltodextrin. Die Bio-Varianten kommen meist ohne Zusatzstoffe aus oder enthalten einige ausgewählte Stoffe, etwa Dickungsmittel, die die Drinks etwas sämiger machen, oder Emulgatoren, die das Entmischen der Zutaten verhindern.
Auch wenn viele pflanzliche Alternativen teilweise wie „Milch“ aussehen. Sie sind etwas anderes als Kuhmilch und dürfen sich darum auch nicht so nennen (siehe unten). Weil sie aus pflanzlichen Rohstoffen bestehen, liefert ihr Fett vor allem ungesättigte Fettsäuren. Sojamilch etwa enthält herzgesunde Omega-3-Fettsäuren. Jedoch liefert auch eine gute Weidemilch einen hohen Anteil an diesen Fettsäuren, da diese durch die Grasfütterung in die Milch gelangen. Pflanzendrinks aus Getreide liefern darüber hinaus lösliche Ballaststoffe, die ein gutes „Darmfutter“ sind, den Darm in Schwung bringen und für Sättigung sorgen. Hafer ist auch reich an so genanntem Beta-Glucanen. Sie helfen, das Cholesterin zu senken. Das Sojaeiweiß ist zudem recht hochwertig, es hat eine ähnlich gute Qualität, also biologische Wertigkeit, wie Kuhmilch. Mit bis zu 50 Kilokalorien je 100 Milliliter enthalten Pflanzendrinks etwas weniger Energie als Kuhmilch die, je nach Fettgehalt, etwa 68 Kalorien liefert (bei einem Fettgehalt von 3,8 Prozent). Sie sind auch frei von Laktose, Milchzucker also, den manche Menschen nicht vertragen. Für Kuhmilch-Allergiker*innen sind sie zudem eine Alternative. Weil sie kein Cholesterin liefern, sind sie auch gut für Menschen mit zu hohen Blutfettwerten geeignet. Was aber fehlt ist der wichtige Knochenstoff Kalzium, den Kuhmilch und auch Joghurt und Käse reichlich liefern. Bio-Pflanzendrinks werden darum teils mit Lithothamnium Calcareum angereichert, einer Rotalge, die reich an Kalzium ist. Isoliertes Kalziumcarbonat ist für „Bio“ nicht gestattet, wird konventionellen Sojadrinks aber teils zugesetzt.
Auch die Pflanzendrinks haben ihren Preis
Die pflanzlichen Milchalternativen sind preislich teils nicht ohne. Je nach Sorte kosten sie je Liter zwischen 1,10 Euro und knapp drei Euro. Das ist teils deutlich mehr als viele bereit sind für einen Liter gute Kuhmilch hinzulegen, die um die 1,50 Euro kostet. Was die Pflanzendrink-Kundschaft aber nicht zu stören scheint, wie die steigenden Absätze nahe legen. Der höhere Preis der Flower-Milch kommt auch zustande, weil sie in Deutschland wie auch in einigen anderen Ländern, höher besteuert wird. Beim Einkauf eines Pflanzendrinks stehen 19 Prozent Mehrwertsteuer auf dem Kassenbon, bei Kuhmilch sieben Prozent. Denn: Hafer-, Soja- und Mandeldrink gelten anders als Kuhmilch als Genussmittel – und für diese ist der erhöhte Steuersatz fällig.
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Kleiner Rundgang durch die Welt der Pflanzendrinks
Hafer- und Dinkeldrink
Um einen Liter Haferdrink herzustellen, werden etwa 100 Gramm Getreide benötigt. Nach dem Schroten und Kochen der Körner in Wasser wird der Getreidemix in der Regel mit Enzymen, der sogenannten Alpha-Amylase versetzt. Sie bauen einen Teil der Stärke zu Zucker ab, weshalb Getreidedrinks leicht süßlich schmecken.
Hafer-, aber auch Dinkeldrinks haben einen klaren Heimvorteil, denn die Hersteller*innen verarbeiten fast ausschließlich Getreide aus dem eigenen Land. Das bedeutet kurze Transportwege. Auch sonst punkten Hafergetränke, wie eine Studie der Albert Schweitzer Stiftung zeigt, die eine Ökobilanz von Kuhmilch und verschiedenen Pflanzendrinks im Vergleich versucht. Doch es kommt immer entscheidend auf die Art der Tierhaltung sowie den Anbau für Hafer, Bohnen etc. an. Werden die Kühe konventionell gehalten und mit Kraftfutter gefüttert, fällt die Bilanz schlechter aus als wenn die Tiere auf der Weide stehen. Der Vergleich eines Haferdrinks, der in Schweden hergestellt wird (von Oatly), und Kuhmilch ergab: Der Anbau der Rohstoffe für Haferdrinks trägt nur mit rund 20 Prozent zum Landverbrauch bei, es entstehen „nur“ gut 30 Prozent Treibhausgase und der Energieverbrauch für die Herstellung beträgt unter dem Strich „nur“ fast 40 Prozent. Das Öko-Test-Magazin war nach einem Check verschiedener Pflanzendrinks vor allem von Haferdrinks überzeugt, die Rohstoffe aus heimischem Anbau enthalten. Auch, weil es „kein Problem mit Gentechnik, Glyphosat und bedenklichen Schwermetallen“ gibt, so der Test vom Dezember 2019. Einige Haferdrinks werden jetzt statt in „Tetra“-Packs auch in dunklen Pfandflaschen (Voelkel, VeLike) angeboten. Da steht der Verwendung für Müsli, Puddings, zum Kuchenbacken und auch zum Aufschäumen für den Cappuccino eigentlich nichts mehr im Wege. Um einen schönen Schaum zu erhalten, muss der Drink aber vorher sehr gut geschüttelt und erwärmt werden.
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Reisdrinks
Pflanzendrinks aus Reis schmecken besonders süß. Denn beim Abbau der Stärke durch Enzyme (Amylasen) wird besonders viel Zucker freigesetzt. Darum eignet sich der eher wässrige Reisdrink vor allem für Müslis und Desserts. Kommt der Reis aus einem asiatischen Anbauland wie z.B. Indien, hat er aber relativ weite Transportwege hinter sich. Auch Pestizide und Schwermetalle können ein Problem sein. Da der Wasserverbrauch beim Anbau zudem relativ hoch ist und hier Klimagase wie Methan oder, wie beim trockenen Anbau, Lachgas entstehen, schneiden Reisdrinks unter ökologischen Gesichtspunkten weniger gut ab und sollten seltener auf den Tisch kommen. Wer ihn mag, sollte Bio-Reisdrink bevorzugen und darauf achten, dass die Anbieter*innen Körner aus Europa verwenden, z.B. aus Italien oder Spanien.
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Soja-, Erbsen- und Lupinendrink
Sojadrink ist wohl die bekannteste Milchalternative aus Hülsenfrüchten. Neuerdings gibt es aber auch solche aus Lupinen und Erbsen. Um aus den eher schwer verdaulichen Hülsenfrüchten einen Drink zu machen, werden die Bohnen zunächst eingeweicht und dann gemahlen. Der Brei wird aufgekocht, die Flüssigkeit abgeseiht und wie alle Pflanzendrinks ultrahocherhitzt, das heißt für wenige Sekunden auf 135 bis 150 °C erwärmt. So bleiben sie monatelang ungekühlt haltbar.
Studien zur Öko-Verträglichkeit untersuchen vor allem Soja. Der Energieverbrauch bei der Herstellung ist mit 86 Prozent fast ebenso hoch wie der von Milch, so das Ergebnis einer schwedischen Studie, auf die sich der Bericht der Albert-Schweitzer-Stiftung bezieht. Hingegen verursacht die Erzeugung von Soja für Drinks nur ein Viertel der Treibhausgase und der Anbau schluckt nur rund 40 der Fläche im Vergleich zu herkömmlicher Kuhmilch. Sojabohnen aus Brasilien wiederum stehen in einem Vergleich zu Kuhmilch schlechter da als Bio-Soja aus Europa.
Gut: Für pflanzliche Drinks werden heute meist keine Gen-Sojabohnen aus Monokulturen mehr verwendet, die unter Rodung des Regenwaldes und Belastung der Umwelt durch Landbrände angebaut werden. Soja für Bio-Pflanzendrinks kommt primär aus Europa und hier aus Österreich, Frankreich, die Niederlande, Belgien, Ungarn, Italien und sogar Deutschland. Der „Öko-Test“ zu Pflanzendrinks zeigt aber auch, dass selbst Produkte aus europäischen Rohstoffen Spuren von Soja-DNA enthalten können. Die Mengen wertete das Magazin aber als Verunreinigung. „Würden die Hersteller GVO-Sojabohnen verarbeiten, wären die Mengen viel größer und die Hersteller müssten die Verwendung auf die Packung scheiben.“
Die Datenlage zu Lupinen- und Erbsendrinks ist – wie auch das Angebot in den Märkten – noch weniger üppig. Ein hierzulande angebotener Lupinendrink (Made with Luve) enthält Lupinen aus Mecklenburg Vorpommern. Die Rohstoffe für einen Erbsendrink (Princess and the pea) kommen ausschließlich aus Europa, wo sie nach Angaben des Herstellers meist in Genossenschaften angebaut werden. Das verkürzt Transportwege.
Drinks aus Hülsenfrüchten eignen sich wegen des höheren Eiweißgehalts besonders gut zum Aufschäumen und sind somit lecker im veganen Kaffee. Sie lassen sich auch unter Zugabe von Milchsäurekulturen zu veganem Joghurt verarbeiten. Auch im Kuchenteig und für Pfannkuchen sind sie prima.
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Nussige Drinks
Hierzu zählen pflanzliche Alternativen aus Mandeln, Kokosnuss, Hasel- und Makadamianüssen sowie Cashewkernen. Allen gemein ist, dass die Rohstoffe meist weit gereist sind und somit schon der Transport alles andere als ökologisch ist. So stammen 80 Prozent der weltweit verarbeiteten Mandeln aus Kalifornien. Sie werden in Monokulturen angebaut und verschlingen Unmengen an Wasser - rund 17mal mehr als die Erzeugung von Kuhmilch mit sich bringt- und für die Bestäubung der Blüten werden extra Bienen auf den Plantagen verteilt, so die Albert-Schweitzer Stiftung. Die Tiere seien „ständigen Transporten, Stress, hohen besatzdichten und einer monotonen, pestizidbelastetem Umgebung ausgesetzt“. Doch gibt es auch Bio-Mandelmilch aus europäischen Mandeln, die in mediterranen Ländern in Mischkulturen wachsen. Hier dürfte der Wasserverbrauch geringer sein und auch die Transporte sind kürzer. Für andere Nuss-Drinks liegen keine Öko-Bilanzen vor. Wenn also überhaupt Nussdrinks auf dem Tisch landen, dann sollten es aus Sicht von Slow Food europäische Varianten und Bio-Produkte sein. Sie garantieren am ehesten faire Arbeitsbedingungen in den Anbauländern.
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Unsere Empfehlung
Es ist also gar nicht so einfach, sich für einen der vielen Pflanzendrinks zu entscheiden. Neben den Zutaten, dem Geschmack und dem Verwendungszweck sind aus Sicht von Slow Food auch ökologische Aspekte entscheidend. Darum haben wir versucht, eine kleine Rangfolge zu erstellen, die vor allem grüne Aspekte wie die Herkunft und die Anbauart berücksichtigt. Da es auf die jeweiligen Rohstoffe entscheidend ankommt, empfiehlt Slow Food, auf Hinweise auf der Packung zu achten. Hersteller*innen, die europäische oder gar heimische Rohstoffe verwenden, werben zunehmend damit.
Grundsätzlich sollten Bio-Pflanzendrinks bevorzugt werden, die heute auch den Großteil des Angebots ausmachen. Hier ist nicht nur der Anbau umweltverträglich und das Soja ist (fast) Genfrei, sie enthalten auch keine oder nur sehr wenige Zusatzstoffe wie z.B. Dickungsmittel und Emulgatoren. Nötig sind letztere allerdings nicht. Sie sorgen zwar dafür, dass sich die Zutaten nicht so sehr entmischen und der Drink gemächlich aus der Packung kommt. Doch durch kräftiges Schütteln vor dem Gebrauch lassen sich die Zutaten von selbst wieder vermischen. Auch Pflanzendrinks mit Zucker oder anderen Süßungsmitteln sowie Aromen scheiden für Slow Food aus. Slow Food lehnt zugesetzte Aromen aller Art ab. Denn: gute Zutaten bieten ausreichend Geschmack.
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Hinweis: Pflanzenmilch darf sich nicht „Milch“ nennen
Bis 1990 war der Verkauf von pflanzlichen Alternativen in Deutschland verboten. Damit sollte die heimische Landwirtschaft und Milchindustrie geschützt werden. Heute sind sie erlaubt, „Milch“ dürfen sich die Alternativen immer noch nicht nennen. Denn diese Bezeichnung ist allein der Milch von Säugetieren wie Kühen, Schafen und Ziegen vorbehalten. Darum werden die pflanzlichen Alternativen meist als „Drink“ bezeichnet, aber auch kreativ als „Nilk“ (no milk).
Text: Annette Sabersky
]]>Nein, dieses Mal ist es nicht der Trinkmilchpreis, der die Milchbäuer*innen und die Milchbranche hart trifft. Aldi, der Preisführer für Trinkmilchpreise, hatte Mitte März sogar noch versprochen für Trinkmilch künftig einen besseren Preis zu bezahlen. Auch bei Butter und Käse zeigten sich die Verhandlungen mit dem Handel positiv. Es ist der Shutdown der Corona-Krise, der die Bäuer*innen und eine Milchbranche mit voller Wucht trifft. Eine Branche, die sich beharrlich weigert, für Krisen vorzusorgen.
Auf den Terminbörsen und im Großhandel stürzten Mitte März die Preise, rissen den Spotmarktpreis für Milch ins Bodenlose. Und dieses Überangebot an Milch hat wenig mit den jedes Frühjahr als Folge von Abkalbungen steigenden Milchlieferungen zu tun. Gleichzeitig bricht der Absatz weg und nicht nur durch geschlossene Gastronomiebetriebe und Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung. Der Export stockt. Arbeitskräfte fehlen. Die Quarantäne blockiert Lieferketten und es fehlt an Verpackungen. Ware kommt europaweit nicht ans Ziel und Molkereien sehen sich gezwungen das Angebot an Frischprodukten zu reduzieren und immer mehr Rohmilch zu Milchpulver zu verarbeiten.[1] Molkereien gehen ihrerseits dazu über, ihre Lieferant*innen aufzufordern, weniger Milch zu liefern.
Über ein Jahr lang hatte die Milchbranche um eine Sektorstrategie gerungen, die die Branche zukunftsfähig machen sollte. Unter Ausklammerung der Vorschläge des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM) legt diese das Mengenmanagement in die Verantwortung der Marktakteur*innen. Kaum zeigt die Krise ihr Gesicht, schon rufen der Deutsche Bauernverband zusammen mit dem Milchindustrieverband MIV und der Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner nach Öffnung der subventionierten privaten Lagerhaltung. Der BDM und der European Milch Board EMB lehnen das ab. Und Slow Food Deutschland stimmt ihnen hier zu: Denn die Erfahrung zeigt: Der spätere Abverkauf von teuer eingelagertem Milchpulver und Butter drückt lediglich erneut den Preis auf den Weltmärkten.
Krisenmanagement ersetzt keine langfristige Strategie
Krisenmanagement ist jetzt wichtig und richtig. Die Gemeinsame Marktordnung (GMO) der Europäischen Union gibt ausdrücklich vor, dass im Fall von Marktkrisen – und darum handelt es sich bei der Corona-Krise auch – Regelungen getroffen werden können, um Milchmengen dort zu reduzieren wo sie entstehen: auf den Höfen und den Kühen. Slow Food unterstützt daher die Forderung des BDM, nach einer freiwilligen Mengenreduktion gegen Ausgleichszahlungen – so wie sie in der Milchkrise 2015, wenn auch spät aber dennoch wirksam eingesetzt worden ist. Auch gibt es inzwischen gute betriebliche Erfahrungen mit einer kurzfristigen Reduktion der Milchmenge: Reduzierter Einsatz von Kraftfutter, Verfütterung von Vollmilch an Kälber und auch eine verlängerte Zwischenkalbezeit- sodass keine zusätzlichen Kühe zum Schlachten gebracht werden müssen.
Jedoch warnt Slow Food davor, Krisenmanagement mit einem nachhaltigen Strategiewechsel hin zur Zukunftsfähigkeit der Milchwirtschaft zu verwechseln - weder in Deutschland noch in Europa und auch nicht weltweit. Von Krise zu Krise zu stolpern ist alles andere als nachhaltig. Diese wiederkehrenden Krisen sind kein Schicksal, sondern inhärenter Bestandteil der Logik dieses europäischen Wirtschaftssektors: Erzeugung von Milch unter Kostendruck und in Übermengen für den globalen Handel mit Billigkäse und Milchpulver. Mit den bekannten Folgen eines tiefen Strukturwandels in der Milcherzeugung. Seit 2009 haben 40 Prozent der Milchbäuer*innen das Melken aufgegeben. Die verbliebenen Kuhherden müssen Höchstleistung bringen, Weidehaltung wird zur Ausnahme und aus vielen intensiven Milchkuhhaltungen fließen nun auch Gülleüberschüsse.
Der Fokus muss auf regionalen Versorgungsketten liegen
Die Corona-Krise zeigt die Fragilität dieses Sektors (und noch vielen weiteren mehr) – gerade hier in Deutschland, dessen Milchbranche auf Export setzt. Wir dürfen diese für Tiere, Menschen und Umwelt zerstörerische Logik nicht mehr hinnehmen und nicht mehr fortsetzen. Schließlich gehören Milch und Milcherzeugnisse zu unserem europäischen Kulturgut. Sie bilden eine der wichtigen Einkommensquellen für bäuerliche Betriebe und Verarbeiter*innen. Vor allem auch sind sie ein wertvolles Grundnahrungsmittel. Die aktuelle Corona-Krise führt uns zu deutlich vor Augen, dass wir die folgende Wahrheit nicht vergessen dürfen: Die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln darf nicht internationalen Lieferketten überlassen werden. Sie muss – so weit wie möglich – lokal, regional und mindestens überschaubar bleiben. Erstaunlicherweise hat ausgerechnet Danone-Chef Emmanuel Faber in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) am 14. April 2020 davor gewarnt, zu alten Rezepten zurückzukehren, um die möglichen, durch die Corona- und Weltwirtschaftskrise ausgelösten, Hungernöte zu lindern. Heute gehe es um nachhaltige Wachstumsmodelle, um die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele und vor allem um eine Rückbesinnung auf lokale Produktion.[2]
Resilienz in der Milchwirtschaft ist möglich
Was wir also dringend benötigen ist eine zukunftsfähige und damit resiliente Milchwirtschaft. Wie sieht die aus? Die Produktion muss sich an der Nachfrage ausrichten. Stattdessen aber waren bereits in der Milchquote 1984 20 Prozent Überproduktion eingeplant, um mit europäischer Milch die Weltmärkte zu „bedienen“. Dieser Logik, die Slow Food vollkommen widerstrebt, können wir nur dann entgegentreten, wenn wir sie auf der untersten Ebene – und das heißt bei unseren Milchkühen beginnend –durchbrechen: Gebt Kühen das zu fressen, was auf den Betriebsflächen erzeugt werden kann und schickt sie, wo es möglich ist, dazu auf die Weide! Und wo es nicht möglich ist, müssen wir uns dafür einsetzen, dass selbst angebautes Futter in den Trog kommt. Kein Soja aus Übersee! Kein negativer CO2-Fußabdruck! Keine Gülleüberschüsse! Weniger Milch pro Jahr! Alle profitieren davon!
Die Ernährung der Tiere mit Gras und Klee sowie ein nachhaltiges Weidemanagement bedeuten Verzicht auf Hochleistung. 5.000 bis 6.000 Liter statt 10.000 Liter pro Kuh und Jahr würde doch ausreichen. Dafür leben die Kühe länger, bleiben gesünder und bei der erzeugten Milch können wir dann auch wieder von Qualität sprechen. Beweidung fördert Biodiversität und erhält unsere Kulturlandschaften. Sie ist auch eine wichtige Maßnahme für den Klimaschutz, denn durch nachhaltige Beweidung tragen Rinder zur Bildung von Humus und so zur Speicherung von CO2 im Boden bei.
Und wenn es dann immer noch zu viel Milch gibt? Warum erhalten dann nicht alle Kälber Vollmilch statt Milchaustauscher (welch ein Unsinn angesichts der Überschüsse). Auch könnten sie in der ersten Lebenszeit mit der Mutter zusammen bleiben (muttergebundene Kälberaufzucht). Das ist keine reine Zukunftsmusik – viele Betriebe praktizieren das bereits. Sie verzichten auf Umsatz und erhalten ein stabileres, nachhaltigeres System der Milcherzeugung.
Ein Systemwandel, der sich auszahlt
In unserer letzten Studie zur „Umweltgerechtigkeit und Nachhaltigkeit in der Milchwirtschaft“ konnten wir an vielen Praxisbeispielen zeigen, dass eine solche grundfutterbasierte und leistungsreduzierte Milcherzeugung nicht nur möglich ist, sondern auch ökonomisch sein kann sowie – was heute wichtig ist – gesellschaftlich gesehen keine Überschüsse erzeugt.
Wir benötigen nichts weniger als einen entschiedenen Systemwandel in der Milcherzeugung. Und Slow Food sieht sehr wohl, dass unser gesamtes Ernährungssystem nicht nachhaltig ist und wir als Verbraucher*innen darin eine große Rolle spielen und Verantwortung haben. Dies schließt ein, dass Verbraucher*innen auch lokale Milchbetriebe und Milchverarbeiter*innen unterstützen und diese wiederum durch den direkten Austausch ihre Erzeugung auf die Kund*innenwünsche hin ausrichten. Auch müssen wir weg vom Image der Milch als ‚Ramschprodukt‘, das billig in Massen gekauft und konsumiert werden kann. Es braucht mehr und echte Wertschätzung und einen reduzierten Genuss von qualitativ guter Milch, was sich durchaus in einem entsprechend höheren Preis widerspiegeln kann, darf und sollte.
Slow Food sieht es daher als seine Aufgabe an, die Verbraucher*innen in diesem Sinne aufzuklären, zu überzeugen und zu motivieren. Das ist unsere Aufgabe in der nun anstehenden Transformation unseres gesamten Ernährungssystems.
***
Text: Andrea Fink-Kessler
[1] Olaf Zinke (2020): Milchmarkt und Corona: Erdbeben mit Folgen. In: agrarheute.com vom 15.4.2020.
[2] Christian Schubert: „Die Corona-Krise kann zu Hungersnöten führen. Der Danone-Chef warnt im Gespräch mit der FAZ vor Verwerfungen auf der ganzen Welt". In FAZ vom 14. April 2020, S. 22.
]]>Im Veranstaltungskalender dieses Winterhalbjahres und im Sommerhalbjahr hatten wir Milch als Schwerpunktthema eingeplant. So konnte unsere Convivienleiterin Regina Oestmann für eine Veranstaltung am 20.02.2020 auf dem Klostergut Heiningen, einem Biohof, der seit 1997 Demeter Vertragspartner ist, Andrea Lenkert-Hörrmann als Referentin gewinnen. Frau Lenkert-Hörrmann ist Mitautorin des Projektberichts „Umweltgerechtigkeit und Nachhaltigkeit in der Milchwirtschaft“, der vom Umwelt-Bundesamt gefördert und von Slow Food Deutschland 2019 herausgegeben wurde.
Die knapp 40 Teilnehmer*innen erfuhren in einer spannenden Präsentation, was eine nach Slow-Food-Kriterien erzeugte Milch ausmacht:
Es werden keine gentechnisch hergestellten Inhaltsstoffe verwendet.
Die Milch ist möglichst naturbelassen. Das bedeutet Vorzugsmilch, Rohmilch und pasteurisierte Milch – traditionell hergestellt – sind die Milcharten der Wahl.
Die traditionell handwerklich produzierte Milch kommt von Höfen, die ihre Kühe mit Grundfutter (Wiese, Weide, Ackerfutter) versorgen. Die Fütterung sollte bodengebunden sein, also vom eigenen Hof kommen. Gerade der Weidegang ist nicht nur das Beste für die Kuh, sondern auch die Milch selbst wird positiv beeinflusst und es entsteht eine Vielfalt geschmacklicher Qualitäten („Milchen“). Wenn auf Hochleistung verzichtet wird, dient der Weidegang darüber hinaus der Biodiversität. Leider ist der Begriff „Weidemilch“ bis jetzt rechtlich nicht geschützt.
Dem Tierwohl dient auch die muttergebundene Kälberaufzucht.
Abzulehnen sind somit hochverarbeitete Milchprodukte wie H-Milch, Kondensmilch, laktosefreie Milch, ESL-Milch (sogen. länger haltbare Milch), die es auch als Bio-Milch gibt, ja die sogar als Frischmilch verkauft werden darf, sowie Milch- und Molkepulver.
Damit frische und naturbelassene Milch wieder den ihr gebührenden Stellenwert in unserer Ernährung erhalten kann, fordert Slow Food die Entlastung von Vorzugsmilchbetrieben, die oft übertriebenen Betriebssperrungen unterliegen. Weitere Forderungen sind ein Kontrollsystem nach klaren euro-päischen Risikoauffassungen sowie eine Lockerung der Rohmilch-Abgabe ab Hof bei gleichzeitig erhöhten Kriterien der Eigenkontrolle. So ist der gesundheitliche Wert der Rohmilch höher einzuschätzen als die Risiken. Mehr Milchautomaten in Verbrauchernähe wären außerdem wünschenswert.
Dass natürlich auch Molkereiprodukte wie z.B. Käse den Slow Food Kriterien „gut, sauber und fair“ entsprechen sollen, wurde ebenfalls von der Autorin erläutert, soll hier aber nicht weiter ausgeführt werden.
Nach so viel „Kopffutter“ freuten sich die Teilnehmer*innen dann auf das Buffet, das die Hofeigner-Familie Degener und ihr Team bereitstellten: neben der Milchverkostung – wir probierten auch die melkfrische Abendmilch - gab es leckere hofeigene Demeter-Käse, Quarksorten sowie Brot und Wein. Ganz nebenbei erfuhren Interessierte im zwanglosen Gespräch dann noch viel Insiderwissen
]]>Weiß ist sie immer. Aber mal abgesehen von der Farbe kann Milch sehr unterschiedlich sein. Denn Milch als Naturprodukt ist ein lebendiges Lebensmittel und alles andere als einheitlich. Die Milch von verschiedenen Höfen und unterschiedlichen Kuhrassen beispielsweise hat einen anderen Eiweiß- und Fettgehalt. Auch die Jahreszeit nimmt Einfluss: Kühe, die im Frühjahr das erste frische Grün fressen, geben eine andere Milch als die, die im Herbst die letzten harten Halme weiden. Mal ganz abgesehen von den Tieren, die nicht das Glück haben, auf die Wiese zu dürfen und mit Kraftfutter zu Höchstleistungen getrieben werden. Es gibt also nicht nur eine Milch, sondern ganz verschiedene Milchen.
Entsprechend kann Milch auch sehr unterschiedlich schmecken. Mal hat sie ein leichtes Kräuteraroma, mal ist sie ein wenig süß, mal eher ein wenig bitter. Theoretisch zumindest. Denn zum einen erkennen die Wenigsten die feinen Unterschiede. Und zum anderen geht der Geschmack auf dem langen Weg der Verarbeitung bis in die Kühltheken verloren. Denn in den allermeisten Molkereien wird die Milch vieler Höfe zusammengeschüttet und danach hochverarbeitet.
Im Handel erwartet die Verbraucher*innen in der Regel ein immer gleich schmeckendes, einheitliches Produkt. Denn sie dürfen nur noch zwischen verschiedenen Verarbeitungsgraden und Fettgehalten auswählen. Die Milch, die im Supermarkt oder auch im Bioladen steht, ist meistens homogenisiert. So bildet sich oben keine Rahmschicht mehr auf der Flüssigkeit. Wer gerade die gerne hätte, muss genau hinschauen. Pasteurisiert ist die Milch – außer bei Roh- und Vorzugsmilch – immer. Sie ist also für 15 bis 30 Sekunden auf 72 bis 75 Grad erhitzt worden. Dadurch werden mögliche Keime abgetötet und die Haltbarkeit der Milch erhöht. Wird sie ungeöffnet unter 8 Grad gelagert, hält sie so noch sieben bis zehn Tage. Aber selbst angebrochen hält pasteurisierte Milch gut und gerne eine Woche; vorausgesetzt, sie wird zum Verzehr wirklich immer nur kurz aus dem Kühlschrank genommen und ansonsten gut gekühlt. Milch, die nur pasteurisiert ist, erkennt man auf dem Etikett an der Bezeichnung „traditionell hergestellt“.
Dem Einzelhandel aber war selbst das noch zu kurz. Seit 1996 gibt es die sogenannte ESL-Milch, die etwa drei Wochen haltbar ist. Hinter der Abkürzung verbirgt sich der Begriff „Extended Shelf Life“, übersetzt „verlängertes Regalleben“. Für den Handel ist die Variante ein großer Vorteil, weil die Milch nicht innerhalb weniger Tage abverkauft werden muss und deshalb in größeren Mengen auf Vorrat bestellt und gelagert werden kann. Um die Milch so lange haltbar zu machen, stehen fünf verschiedene Verfahren zur Verfügung. Oft wird sie komplett oder in Teilen hocherhitzt, und zwar wenige Sekunden auf 85 bis 127 Grad. Bis 2009 durfte sie den fragwürdigen Zusatz „länger frisch“ tragen. Als die Verbraucherzentralen dagegen Sturm liefen, ließ sich die Milchindustrie darauf ein, den Aufdruck in „länger haltbar“ umzuändern. „Frische Milch“ darf aber trotzdem darauf stehen – aus Sicht von Slow Food eine klare Verbrauchertäuschung.
Rohmilch kommt der Vorstellung von Milch „direkt von der Kuh“ am nächsten. Sie ist völlig unbehandelt und wird lediglich gefiltert sowie gekühlt. Ihr natürlicher Fettgehalt liegt bei 3,8 bis 4,2 Prozent. Im Einzelhandel ist solche Milch nicht zu finden, da es in Deutschland eigentlich verboten ist, Rohmilch an Verbraucher*innen abzugeben. Milchbetriebe dürfen sie allerdings direkt ab Hof verkaufen, etwa über sogenannte Milchtankstellen. Voraussetzung ist, dass die Milch innerhalb eines Tages nach dem Melken verkauft wird und den Hinweis trägt, dass sie vor dem Verzehr abgekocht werden sollte. So soll sichergestellt werden, dass möglicherweise krankheitserregende Keime abgetötet werden. Damit geht aber eine mögliche Schutzwirkung der Milch verloren. Forschungen zeigen, dass das regelmäßige Trinken kleiner Mengen möglichst unbehandelter Milch Kinder vor Asthma und Allergien schützen kann. Dafür werden die Eiweiße in der Molke verantwortlich gemacht, die beim Erhitzen kaputt gehen.
Vorzugsmilch ist eine amtlich überwachte Rohmilch. Sie kommt von speziellen staatlich zugelassenen und kontrollierten Betrieben, die besonders hohe hygienische Standards einhalten müssen. Auf Vorzugsmilch ist ein Verbrauchsdatum angegeben, dass einen Zeitraum von 96 Stunden nach der Gewinnung nicht überschreiten darf. In Deutschland gibt es nur wenige Milchbetriebe, die sich den strengen Anforderungen unterziehen. Sie vermarkten ihre Milch meist direkt, indem sie selbst an Kund*innen ausliefern oder im eigenen Hofladen verkaufen.
Ihre Adressen sind auf der Webseite des Bundesverbands der Milchdirektvermarkter und Vorzugsmilcherzeuger www.milch-und-mehr.de zu finden. In Flaschen abgefüllt darf Vorzugsmilch auch im Handel verkauft werden. Slow Food fordert schon seit Jahren, den Verkauf unbearbeiteter Roh- und Vorzugsmilch einfacher und unbürokratischer möglich zu machen. Das wäre nicht nur für die Verbraucher*innen, sondern auch für die Betriebe gut, da sie die Milch mit einer guten Gewinnspanne regional vermarkten können.
Heumilch ist Milch von Kühen, die nicht mit Silage – durch Gärung konserviertes Grünfutter – gefüttert werden. Die Kühe bekommen im Sommer vorrangig frisches Gras und Leguminosen, im Winter hauptsächlich Heu. Ergänzend sind Futtermittel wie Grünmais, Getreide, Raps und Schrote erlaubt. Die Bezeichnung Heumilch ist EU-weit gesetzlich geschützt. Begründet wurde dies zum einen mit der Tradition, zum anderen mit dem besseren Geschmack: Die Milch von Kühen, die auch Silage fressen, habe deutlich häufiger einen Fehlgeschmack, d.h. sie riechen und schmecken nach Kuhstall. Heumilch ist immer pasteurisiert, aber nicht immer homogenisiert.
Der Begriff Weidemilch ist nicht gesetzlich geregelt und besagt lediglich, dass die Kühe Weidegang erhalten. Wie häufig das tatsächlich der Fall ist, liegt im Ermessen der Landwirt*innen. Manchmal sind auf der Verpackung genauere Angaben gemacht. Steht das Label „Weideland“ auf der Milch, gelten folgende Kriterien:
mindestens 120 Tage Weidegang im Jahr für mindestens sechs Stunden;
pro Kuh müssen mindestens 2.000 Quadratmeter Dauergrünland zur Verfügung stehen, 1.000 Quadratmeter davon als Weidefläche;
das Grasangebot muss so ausreichend sein, dass die Kuh nicht nur Auslauf hat, sondern tatsächlich Futter aus der Beweidung erhält.
Die Bezeichnung Alpenmilch ist nicht geschützt und auch nicht klar definiert. Die Kühe müssen weder im geographischen Gebiet des Alpen- oder Voralpenlandes gehalten werden noch ist eine bestimmte Haltungsform oder Fütterung vorgeschrieben. Der Begriff dient allein der besseren Vermarktung und suggeriert, dass es sich um ein besonders natürliches Produkt handelt – was oft nicht der Fall ist.
„Traditionell hergestellte“ Milch ist etwa eine Woche haltbar. Der Begriff wird heute verwendet, um diese früher übliche Form der pasteurisierten Frischmilch von der sogenannten ESL-Milch abzugrenzen. Diese ist nämlich mit neuen Technologien anders behandelt, enthält noch weniger Keime und ist daher gekühlt mindestens drei Wochen haltbar – was aber eher im Interesse des Handels als in dem der Verbraucher*innen liegt.
Als Frischmilch darf heute im Prinzip alles außer H-Milch und Kondensmilch bezeichnet werden. Deshalb wird der Frische-Begriff auch inflationär auf Packungen genutzt – weckt er bei Verbraucher*innen doch ein gutes Gefühl und vielleicht auch ein besseres Gewissen. Dabei ist die Frischmilch, die es im Kühlregal zu kaufen gibt, meist schon „alt“. Warum? Bis die Milch vom Hof in der Molkerei landet, dauert es in der Regel allein zwei bis drei Tage. Dort wird sie dann verarbeitet, durch das Pasteurisieren – ein kurzzeitiges Erhitzen – wird sie haltbarer. Alle Verfahren, die darüber hinaus gehen, verlängern die Haltbarkeit sogar um Wochen. Frisch ist das aus Sicht von Slow Food nicht. Trotzdem konnte eine solche länger haltbar gemachte Milch bis 2009 den fragwürdigen Zusatz „länger frisch“ tragen. Inzwischen darf sie nach einer Selbstverpflichtung der Milchindustrie und des Handels nur noch „länger haltbar“ lauten. Irreführend aber bleibt die Kennzeichnung trotzdem: „Frische Milch“ darf drauf stehen, da „Frisch“ in der EU nur aussagt, dass ein Produkt nicht verdorben ist. Aus Sicht von Slow Food ist das eine klare Verbrauchertäuschung.
Mehr zu den Jahresthemen:
#GuteMilch: https://www.slowfood.de/was-wir-tun/2020-jahresthemen/gutemilch
#EchteVielfalt: https://www.slowfood.de/was-wir-tun/2020-jahresthemen/echtevielfalt
Text: Birgit Schumacher
]]>Als Frischmilch darf heute im Prinzip alles außer H-Milch und Kondensmilch bezeichnet werden. Deswegen findet sich der Frische-Begriff inflationär auf Packungen und weckt bei Verbraucher*innen ein gutes Gefühl und besseres Gewissen. Dabei ist die Frischmilch aus dem Kühlregal meist schon „alt“ und durch den hohen Bearbeitungsgrad das Gegenteil von naturbelassen. Allein bis die Milch vom Hof in der Molkerei landet, dauert es in der Regel zwei bis drei Tage. Dort beginnt ihre Verarbeitung. Durch das Pasteurisieren – ein kurzzeitiges Erhitzen auf 72°C – werden mögliche Keime abgetötet und die Haltbarkeit der Milch auf sieben bis zehn Tage erhöht. Aus Sicht von Slow Food dürfte nur diese pasteurisierte Milch neben der Roh- und Vorzugsmilch als Frischmilch verkauft werden. Usus aber ist, dass die sogenannte, hochverarbeitete ESL-Milch („Extended Shelf Life“/„verlängertes Regalleben“) sich ebenfalls Frischmilch nennen darf und traditionell hergestellt Frischmilch aus den Regalen zunehmend verdrängt hat. Für den Handel ist sie ein großer Vorteil, weil sie nicht innerhalb weniger Tage abverkauft werden muss und auf Vorrat gelagert werden kann. Erst spezielle Techniken – teilweise oder vollständige Erhitzung auf Temperaturen von 120 bis 130°C sowie die Mikrofiltration – machten es möglich, dass Milch bis zu drei Wochen haltbar ist. Konnte eine solche Milch bis 2009 den fragwürdigen Zusatz „länger frisch“ tragen, darf es nach einer Selbstverpflichtung der Milchindustrie und des Handels inzwischen nur noch „länger haltbar“ lauten. Irreführend bleibt: „Frische Milch“ darf draufstehen, da „frisch“ in der EU nur aussagt, dass ein Produkt nicht verdorben ist. Aus Sicht von Slow Food ist das eine klare Verbrauchertäuschung.
Dazu Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland e.V.: „Was im Handel als ‚Frischmilch‘ verkauft wird, hat den Namen kaum noch verdient. Viele Verbraucher*innen sitzen dem Irrtum auf, dass sie Milch kaufen, die statt mehrerer Wochen maximal ein paar Tage alt ist. Wo Frische drauf steht erwarten sie Frische drin. Denn in unserem Alltagsverständnis ist der Frischebegriff an kurze Zeitfenster gekoppelt. Hier muss die Politik eine klare Kennzeichnung sicherstellen. Für eine Lösung könnten wir beispielsweise dem dänischen Vorbild folgen und bei Trinkmilch garantieren, dass zwischen dem Abholen ab Hof durch den Milchsammelwagen und der Abgabe an den Handel nicht mehr als 24 Stunden vergangen sind. Zusätzlich zum Mindesthaltbarkeitsdatum weisen die Dänen das Datum der Abgabe der Milch durch die Molkerei an den Handel aus. Das wäre ein Pluspunkt in Richtung Frische. Zwar kann Milch auch in 24 Stunden hochverarbeitet werden, aber die Notwendigkeit einer solchen Verarbeitung und die Möglichkeit das wahre Alter der Milch zu verschleiern würden sinken“.
Weitere Informationen zu:
>> Jahresthema Milch #GuteMilch
>> Slow-Food-Positionspapier Rohmilch
>> Slow-Food-Studie des Umweltbundesamtes (UBA) „Umweltgerechtigkeit und Nachhaltigkeit in der Milchwirtschaft“
Es ist unser Lebensmittelsystem selber und die Tatsache, dass wenige und große Unternehmen mit immer längeren und unüberschaubareren Zulieferketten und Produktionsschritten dominieren; sie produzieren für immer größere Märkte – für den bundesweiten ebenso wie für den globalen Markt – und tun das oft in der Absicht, mit möglichst wenig Aufwand möglichst hohe Gewinne zu erzielen.
Das kann zur Falle werden. Denn jeder Fehler im Prozess der technisch-maschinellen Erzeugung und Weiterverarbeitung kann in Folge ein kaum mehr überschaubares Ausmaß annehmen und eine große Anzahl von Verbrauchern in allen Teilen Deutschlands oder auch Europas betreffen – wie bei dem »Pferdefleisch-Skandal«. Eine der sicherlich gewichtigsten Ursachen für diese »Skandale« ist der drastische Rückgang kleiner, regionaler Infrastrukturen für die Lebensmittelerzeugung und -versorgung, der einen quantitativen und auch flächenmäßigen Risikozuwachs in sich birgt. Denn kleine, überschaubare Strukturen sind entscheidende Voraussetzung für Transparenz, sinnige Lebensmittelkontrolle und -sicherheit.
Ebenso trägt dazu auch die Nähe zu Erzeugern bei, die handwerklich arbeiten, und das, was sie tun, mit gesundem Menschenverstand und Verantwortung kontrollieren. Diejenigen also, die ihren Blick bestenfalls noch auf ihre zumeist von Hand geleisteten Arbeitsschritte werfen statt nur auf Maschinendisplays und mögliche Verunreinigungen frühzeitig(er) erkennen. Das also ist eine Seite der Sicherheitsmedaille.
Noch komplexer und widersprüchlicher wird es, wenn wir uns ganz grundsätzlich fragen, was es mit der heutigen Lebensmittelsicherheit und der von vielen propagierten Aussage »Lebensmittel so sicher wie nie« auf sich hat. Ich meine, dass es eine solche Sicherheit im Bereich guter Lebensmittel – also solcher, die auch noch »lebendig« sind, wie guter Käse, luftgereifte Wurst- und Schinkenwaren, Fermentiertes u.v.a. – nicht geben kann, weil das Leben nicht sicher ist. Höchstens das »wie nie« in solchen Äußerungen mag richtig sein, wenn man an »vor-hygienebewusste« Zeiten, Wasserverunreinigung usw. denkt.
Aber Lebensmittel sicher? Die amerikanische Ernährungswissenschaftlerin Marion Nestlé ist eine der lautesten Kritikerinnen eines einseitigen Sicherheitsbegriffs. Sie stellt klar fest: Lebensmittelsicherheit ist höchst politisch, weil es dabei um die Interessen großer und höchst einflussreicher Industrien geht, deren Hauptanliegen es ist, Gewinne zu maximieren und Ausgaben zu reduzieren. Das wird ihr zufolge in nahezu allen Diskussionen außen vorgelassen. Im Vordergrund stehen die wissenschaftlichen Aspekte: Erkrankungsrisiken, die Anzahl der Erkrankten usw. Argumente also, die keinesfalls außer Acht gelassen werden dürfen, die aber um eine wertebasierte Wahrnehmung von Lebensmitteln ergänzt werden müssen.
Marion Nestlé schlägt vor, ein Lebensmittel dann als sicher zu definieren, wenn es ein bestimmtes und akzeptierbares Maß an Risiko nicht übersteigt. Und Entscheidungen über ein solches Maß dürften nicht ausschließlich auf wirtschaftlichen Motiven basierend getroffen werden, sondern müssten, so Nestlé, auf wissenschaftlichen Aspekten, Werten, Wahrnehmungen und Meinungen gleichermaßen beruhen.
Mir erscheint das als ein außerordentlich praktikabler Ansatz. Denn die wertebasierte Sicht vertritt auch Slow Food. Bestes Beispiel für den Konflikt zwischen wissenschafts- und wertebasierter Wahrnehmungsweise sowie industrieller Interessen sind Lebensmittel aus unbehandelter Milch wie Käse: Aus wissenschaftsbasierter Sicht ist das Risiko, das sie darstellen, nicht akzeptabel. Aus wertebasierter Sicht sehr wohl, denn sie gehören vielerorts zu unserer kulinarischen Tradition. Und es gibt Erzeuger, die wissen, was es braucht, um gute, bekömmliche Rohmilcherzeugnisse herzustellen. Sie hantieren gekonnt mit Wissen von Milchqualitäten, Klima und Erzeugung, das über lange Zeiträume erworben und weitergegeben wurde und oft für bestimmte Käse ganz lokalspezifisch ist.
Das gilt es aus meiner Sicht wertzuschätzen. Dass dies wiederum im Konflikt mit den Interessen der Industrie steht, mag nicht verwundern: Rohmilch passt nicht in Prozesse und Verarbeitungsstrukturen, die Millionen von Verbrauchern erreichen – und mittlerweile sind auch viele Verbraucher vom Umgang mit unbehandelter Milch überfordert. Führe ich mir all das vor Augen, so wird mein Unbehagen größer und fordert ein verantwortbares Verständnis von Sicherheit im Bereich der Lebensmittel. Wir brauchen faire und intelligente Bedingungen – fair für Verbraucher sowie Erzeuger verschiedener Betriebsgrößen.
Text: Ursula Hudson, Vorsitzende Slow Food Deutschland
Erschienen im Slow Food Magazin 1/2020
]]>Tipp 1: Eiswürfel mit Espresso oder Kakao
Starken Espresso kochen, abkühlen lassen und mit Milch im Verhältnis eins zu eins vermischen. Anschließend in einen Eiswürfelbehälter füllen und ins Tiefkühlfach legen.
Für ein anregendes Getränk für zwischendurch oder nach dem Essen: Vermengen Sie zwei Kaffeeeiswürfel mit etwas Milch in einem kleinen Glas.
Für ein erfrischendes Getränk an heißen Sommertagen: Geben Sie Kaffeeeiswürfel in ein Glas und verrühren Sie sie mit frischer Milch und etwas Orangensaft. Mit geschlagener Sahne bedecken oder pur servieren. Als koffeinfreies Getränk für Kinder lässt es sich mit einem starken Kakao zubereiten.
Für einen Cocktail verrühren Sie einige Kaffeeeiswürfel zusammen mit etwas Milch und Whiskey im Glas. Mit geschlagener Sahne bedecken und mit zerstoßenen Kaffeebohnen bestreuen.
Tipp 2 Milchkefir
Sie haben noch reichlich frische Milch im Kühlschrank und wissen nichts mit ihr anzufangen? Kein Problem, wir sagen es Ihnen. Geben Sie Milchkefirknollen in die Milchflasche und stellen Sie alles zusammen in den Kühlschrank. Während der Kefir bei Zimmertemperatur bereits in ein oder zwei Tagen fermentiert, bildet er sich im Kühlschrank sehr langsam und ist schön sauer, wenn Sie beispielsweise zwei Wochen später aus dem Urlaub zurückkommen.
Hierfür benötigen Sie natürlich Kefirknollen. Es lohnt sich, ein Glas Kefir mit Knollen im Kühlschrank zu halten. Dort können die Knollen über mehrere Wochen aufbewahrt werden; wenn Sie alle paar Wochen etwas Milchpulver hinzugeben, halten sie sich sogar über Monate. Dann müssen sie vielleicht erst aus dem Winterschlaf geholt werden, denn sie entwickeln den vollen, guten Geschmack meist erst im zweiten Fermentierdurchgang. Nutzen Sie daher für die erste Runde idealerweise eine bereits abgelaufene Milch.
Tipp 3: Joghurtgetränk
Joghurt hält sich in der Regel noch lange über sein Mindesthaltbarkeitsdatum hinaus. Sie essen den Joghurt nicht vollständig auf und haben noch Reste im Glas? Dann ist das die ideale Möglichkeit, um Ayran, Dugh oder Lassi zuzubereiten. Diese erfrischenden und teils sättigenden Joghurtgetränke stammen aus dem Nahen und Mittleren Osten und Indien. Sie sind ideale, nicht-alkoholische Essensbegleiter, die zudem die Schärfe im Essen ausgleichen. Dafür Joghurt mit kaltem Mineralwasser im Verhältnis zwei zu eins, Kräutern oder Gewürzen und Salz mischen. Es gibt unendlich viele Rezepte.
Eine klassische Variante wird mit frischer Minze, gemahlenem Pfeffer und Salz zubereitet.
Eine wohltuende Kombination lässt sich mit Kreuzkümmel, Chili und geriebener Zitronenschale herstellen. Nehmen Sie für ein großes Glas einen gestrichenen Teelöffel Kreuzkümmelpulver, ein wenig Zitronenabrieb von einer unbehandelten Zitrone und Chilipulver oder -flocken nach Belieben.
Ein edles Rezept stammt aus der ayurvedischen Küche: Echter Safran mit Kardamom und Ingwer. Für ein großes Glas nehmen Sie ungefähr ein Dutzend Safranfäden und lassen Sie diese und einige Stücke frisch geschnittenen Ingwer und 2 bis 3 Kardamomkapseln eine halbe Stunde in etwas warmer Milch ziehen. Entfernen Sie dann Ingwer und Kardamom und vermischen Sie die Safranmilch mit dem Joghurt und geben Sie Zucker nach Ihrem Geschmack bei.
Genießen Sie ein süßes Getränk für zwischendurch oder ein Dessert, indem Sie frisches Obst mit etwas Zucker oder Honig mischen und zusammen mit Joghurt und Mineralwasser im Mixer pürieren.
Tipp 4 Joghurt-Creme
Wenn Sie noch einen eher flüssigen Joghurt auf Vorrat haben und aufbrauchen möchten, können Sie diesen durch ein Leinentuch über Nacht abtropfen lassen. Bei stichfestem Joghurt bietet sich das nicht an. Die entstandene Molke können Sie trinken, einer Gemüsesuppe hinzufügen oder zum Fermentieren von Gemüse und Obst nutzen. Aus dem Joghurt ist eine leicht säuerliche Creme geworden. Diese hält sich gekühlt einige Tage. Sie kann wie Crème fraîche verwendet werden und hat erfreulicherweise einen geringeren Fettgehalt.
Mit Knoblauch, frischen Kräutern, Chili und Salz ist sie eine pikante Begleiterin von Pellkartoffeln und Gemüse.
Für ein leichtes Dessert rühren Sie etwas geriebene Zitronenschale unter und servieren Sie es zu Birnen oder Äpfeln, die Sie zuvor in Zimt, Anis und Ingwer pochiert haben.
Tipp 5 Sahne zum Kochen
Einen noch nicht geöffneten Becher Sahne können Sie einfrieren. Wieder aufgetaut können Sie die Sahne zwar nicht mehr aufschlagen, dafür eignet sie sich aber wunderbar für die Alltagsküche. Beispielweise um:
eine pürierte Gemüsesuppe damit abzuschmecken.
einen Gemüseauflauf oder ein Kartoffelgratin zuzubereiten.
eine kräftige Salatsauce mit einem Esslöffel Sahne abzurunden.
den morgendlichen Smoothie zu bereichern.
Mehr zum Slow Food Deutschland Jahresthema: #GuteMilch
Text und Bilder: Barbara Assheuer
]]>„Schade, es ist ein Junge“, denkt so manche*r Landwirt*in, wenn ein Bullenkalb zur Welt kommt. Für reine Milchviehbetriebe hat der männliche Nachwuchs keinen Nutzen, schließlich geben die Tiere keine Milch. Was also tun mit den Kälbern? Normalerweise werden sie im Alter von zwei Wochen an Mastbetriebe abgegeben. Doch schon dem Transport in die oft im europäischen Ausland gelegenen Betriebe überleben viele Kälbchen nicht. Und auch die nächsten Wochen sind kritisch, denn in diesem jungen Alter ist das Immunsystem der Tiere schwach. Damit möglichst wenige Kälber erkranken, wenn sie in den Mastanlagen mit fremden Artgenossen zu großen Gruppen zusammengeführt werden, bekommen die Tiere vorbeugend regelmäßig Antibiotika. Auch die meisten ökologisch wirtschaftenden Milchbetriebe geben ihre männlichen Kälber mangels Alternativen in konventionelle Mastanlagen ab – mit all den bekannten Nachteilen wie Antibiotika-Gabe, der Fütterung mit Milchaustauschern und nicht artgerechter Haltung.
Betroffen von dieser Praxis sind viele Tiere: In Deutschland gibt es etwas mehr als 4 Millionen Milchkühe, die jedes Jahr Nachwuchs bekommen (müssen), allein damit sie weiter Milch geben und die viel zu hohe Nachfrage an Milch- und Milcherzeugnissen sättigen können. Etwa die Hälfte der geborenen Kälber ist männlich. Für sie gibt es im industriellen System keine Verwendung. Auf ökologisch wirtschaftenden Betrieben stehen etwa 225.000 Milchkühe. Nur ein sehr kleiner Teil von deren rund 110.000 männlichen Kälbern wird auf Biobetrieben weiter gemästet.
Die Bruderkalb-Initiative geht neue Wege
Mit dieser Situation sind etliche Milchviehhalter*innen äußerst unzufrieden. Einige Bio-Landwirt*innen wollen nun zumindest im kleinen Rahmen etwas daran ändern und neue Wege ausprobieren. Die „Bruderkalb-Initiative“ in der Region Hohenlohe, an der bislang zehn Demeter- und Bioland-Milchviehbetriebe teilnehmen, hat zum Ziel, dass auch die männlichen Kälber zumindest die ersten drei Monate auf dem Biohof bleiben und wie ihre Schwestern artgerecht aufwachsen. Sie dürfen am Euter säugen, Gras und Heu fressen. Wenn die Stillzeit bei Mutter oder Amme nach etwa zwölf Wochen vorbei ist, kommen die Bullenkälber entweder auf Bio-Mastbetriebe oder sie werden in der Nähe geschlachtet und verarbeitet.
Anja Frey vom Völkleswaldhof, der im Landkreis Schwäbisch-Hall südöstlich von Heilbronn liegt, ist die Initiatorin des Projekts Bruderkalb. Schon seit etwa 20 Jahren dürfen die (weiblichen) Kälber auf ihrem Demeter-Hof in den ersten Monaten bei der Mutter bleiben und dort am Euter trinken – in den meisten Biobetrieben werden dagegen auch heute noch die Kühe vom Nachwuchs getrennt und die Kälber bekommen Milch aus dem Eimer. Ein Teil der männlichen Kälber aber wurden auch auf dem Völkleswaldhof früher in die konventionelle Mast verkauft, da nicht für alle genug Futter oder Platz da war. Diese auch für sie persönlich unbefriedigende Situation hat die Landwirtschaftsmeisterin vor etwa fünf Jahren geändert: Seitdem dürfen auch die Bullenkälber die ersten Monate bei der Mutter bleiben und werden anschließend entweder an einen nicht weit entfernt liegenden Bio-Mastbetrieb verkauft oder direkt geschlachtet.
Auf der Suche nach interessierten Metzger*innen und Gastwirt*innen
„Die Vermarktung von solchem Bio-Kalbfleisch ist eine große Herausforderung“, weiß Frey. Zum einen hat das Fleisch seinen Preis. „Ein Kalb, das am Euter saugt, trinkt in den ersten drei Monaten etwa 1.200 Liter Milch. Wird es mit dem Eimer gefüttert, ist es weniger als die Hälfte.“ Die Milch, die den Landwirt*innen im Verkauf fehlt, muss sowohl über den Milch- als auch über den Fleischpreis verrechnet werden. Zum anderen sieht das Schnitzel oder der Braten anders aus: Die Verbraucher*innen sind helles, fast weißliches Kalbfleisch gewohnt, das bei der umstrittenen Milchmast entsteht. Hier wird den Kälbern – teilweise auch unter Zwang – nur Milch eingeflößt. Wächst das Kalb aber bei der Mutter oder Amme auf, ahmt es sie schon früh nach, frisst auch ein bisschen Gras oder Heu und trinkt Wasser. Entsprechend bekommt das Fleisch eine kräftigere rosa Farbe.
In der Region Hohenlohe sind inzwischen nicht nur Milchviehbetriebe an der Bruderkalb-Initiative interessiert, sondern auch einige Metzger*innen, Gastwirt*innen und Köch*innen. Einer von ihnen ist Max Korschinsky, gastronomischer Leiter des Restaurants „Mohrenköpfle“ und Mitglied der Slow Food Chef Alliance. „Als ich mich mit der Thematik befasst habe, ist mir klar geworden, dass die Gastronomie hier ihren Beitrag leisten muss. Wenn einem das Tierwohl wichtig ist, geht es nicht an, zwar Milch und Käse zu verwenden, aber den Rest nicht.“
Verbraucher*innen honorieren die Bemühungen ums Tierwohl
Korschinsky hat bislang schon fünf Bruderkälber in seiner Restaurantküche zerlegt und verarbeitet. Er ist vor allem ein Fan der Schmorstücke, denn das zarte Kalbfleisch nimmt beim längeren Schmoren die Aromen gut auf. Auch die Gäste sind begeistert: „Das erste Tier hatte ich innerhalb von zehn Tagen fast komplett verkauft“, erzählt der Koch. Im seinem Restaurant gibt es zum Kalbfleisch eine eigene Speisekarte, auf der neben den Gerichten auch Informationen über die Bruderkalb-Initiative steht. „Wird die Geschichte dazu präsentiert, honoriert das der Verbraucher auch“, ist sich Korschinsky sicher. Und fügt hinzu: „Nur wenn wir eine dauerhafte Abnahme der Tiere garantieren können, wird das Projekt erfolgreich sein. Und nur dann können vielleicht bald noch mehr männliche Kälber artgerecht groß werden.“
Den Wurzeln auf der Spur
Mit der Wurzeltour am 31. Januar konnte Slow Food die Gäste auch auf weitreichende Folgen der industriellen Milch- und Fleischwirtschaft aufmerksam machen: Denn „Brüder“ sind im System der Überproduktion zunehmend zum Problem geworden. Während das bei den Bruderhähnen durchaus bekannt ist, wird es bei den Kälbern noch viel zu wenig diskutiert. Das möchte Slow Food ändern. Dazu Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food: „Mit der Bruderkalb-Initiative machen wir auf eine Haltungsform von Kälbern aufmerksam, die noch neu und unendlich viel besser ist, als die weit verbreitete Kälbermast. Aber selbst ein solch artgerecht gehaltenes Kalb sollten wir nur selten und als etwas besonderes genießen. Und natürlich ist unser Wunsch, dass wir entsprechend auch mit Milch- und Milcherzeugnissen umgehen“.
Andrea Lenkert-Hörrmann, Projektbeauftragte von Slow Food und Organisatorin des Abends ergänzt: „Es war uns auch sehr wichtig, sämtliche Teile des Bruderkalbs zu verarbeiten. Das setzt natürlich ein bestimmtes Können der Küchenchefs voraus. Es ist eine dringend notwendige Inwertsetzung der Bullenkälber, die im Schatten unserer Wahrnehmung vielerorts als ‚Abfallprodukt‘ der Milchwirtschaft zu Schleuderpreisen verkauft werden oder als Hundenahrung enden. Dies ist für Erzeuger*innen, die eine artgerechte mutter- oder ammengebundene Kälberaufzucht betreiben, ein unhaltbarer Zustand. Umso mehr, wenn es sich bei ihren Tieren um alte Rassen oder Zweinutzungsrassen handelt. Als regionale Initiative sind erfreuliche Effekte des ‚Bruderkalbs‘ zudem kurze Transportwege für die Tiere, kurze Lieferwege und die Wertschöpfung und Wertschätzung der Erzeuger*innen in der Region“.
Mehr über das Slow Food Deutschland Jahresthema: #GuteMilch
Mehr über die: Slow Food Wurzeltouren.
Text: Birgit Schumacher
Mit Industrialisierung der Landwirtschaft wurden Rinder zunehmend entweder auf Milch- oder auf Fleischerzeugung gezüchtet. Eine der entscheidenden Fragen lautet seither: Was passiert eigentlich mit den Bullenkälbern von Milchkühen? Diese geben schließlich keine Milch und sind auf den für die Milchproduktion spezialisierten Höfen nicht von Nutzen. Entsprechend zählt die Antwort auf diese Frage zu den Schattenseiten unserer Landwirtschaft – sowohl der konventionellen als leider auch vielerorts der ökologischen. Viele Bullenkälber werden entweder nach der Geburt getötet (was offiziell verboten ist) oder kommen in spezialisierte konventionelle Mastanlagen.
Die Integration männlicher Kälber in Milchherden und eine artgerechte Aufzucht gehört aus Sicht von Slow Food zu den Zukunftsaufgaben der Landwirtschaft. Deshalb unterstützt der Verein die Initiative „Bruderkalb“ ausgewählter Hohenloher Bio-Bäuer*innen von Demeter- und Bioland-Höfen. Ihr Ziel ist die artgerechte Kälberaufzucht aller auf dem Bio-Milchviehbetrieb geborenen Kälber. Töchter und Söhne dürfen gleichermaßen am Euter säugen, Gras und Heu fressen. Wenn die Stillzeit vorbei ist, kommen die weiblichen Kälber in einen gleichartigen Herdenverband, ihre „Brüder“ nach 12 Wochen auf nahegelegene Bio-Mastbetriebe innerhalb Baden-Württembergs. Dies bedeutet qualitativ hochwertige Milch auf der einen, außerordentlich zartes Fleisch mit einem intensiven Geschmack auf der anderen Seite. Die Erzeugergemeinschaft „Bruderkalb“ verschreibt sich strengen Richtlinien und bietet ihre Erzeugnisse für die Gastronomie und den Handel an.
Am 31. Januar stellen Vertreter*innen ihre Erzeugergemeinschaft „Bruderkalb“ vor und erklären, wie diese Form der artgerechten Landwirtschaft und Kooperation auch wirtschaftlich erfolgreich sein kann und was es dafür braucht. Wir laden zu einer Küchenparty rund ums Hohenloher Bruderkalb mit passender Weinbegleitung, Diskussion und Livemusik ein.
Es stehen Ihnen Frage & Antwort:
• Anja Frey, Völkleswaldhof
• Werner Vogelmann, Bäuerliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall
• Max Korschinsky, Gastronomischer Leiter Mohrenköpfle und Mitglied Slow Food Chef Alliance
• Heinrich Leutenberger, Slow Food Deutschland e.V.
• Dr. Walter Döring, Wirtschaftsminister a.D., Bio-Musterregion
• Franziska Frey, Regionalmanagerin Bio-Musterregion
Küchenparty inkl. Getränke und Livemusik: 49€/Person
Freitag, 31.1.2020, 19:00 - 23:55 Uhr; Ort: Mohrenköpfle Gastronomie, Birkichstraße 10, 74549 Wolpertshausen
Wir freuen uns auf Ihr Kommen und bitten bis zum 25.1.20 um Anmeldung unter projektbeauftragte@slowfood.de oder maximilian.korschinsky@besh.de
Küchenparty: „Das ganze Tier und der ganze Geschmack“ - Verschiedene Gänge mit dem Besten vom Hohenloher Bruderkalb mit der Möglichkeit selbst Handanzulegen oder bei der Zubereitung Zuzuschauen. An diesem Abend wird das ganze Tier verarbeitet = 100 % regionale Wertschöpfung und Wertschätzung. Erleben sie unsere Küche aus einer anderen Perspektive!
Zum >> Flyer.
Zu den >> Erzeuger-Richtlinien.
Teaserbild (c) Rose Schweizer
Slow Food: "Die Milch macht´s" war viele Jahrzehnte die Kernbotschaft, mit der für Milch geworben wurde. Kann man diese Aussage heute noch aufrechterhalten?
Dr. Rupert Ebner: Der Satz suggeriert, dass es nur eine Art von Milch gibt. Dabei gab und gibt es nicht »die« eine Milch. Unpasteurisierte Rohmilch, im Handel als Vorzugsmilch erhältlich, ist etwas ganz anderes als industriell bearbeitete H-Milch. Rohmilch ist so vielgestaltig wie die Tierarten, von denen sie stammt, deren Rassen, Regionen und Verarbeitungsweisen.
Prof. Markus Ege: Ob man den Slogan heute noch so verwenden kann, kann ich nicht beurteilen. Wir haben jedoch deutliche Hinweise dafür, dass sich eine weniger intensive Verarbeitung von Milch positiv auf die Gesundheit auswirken kann.
Bei Milch wird heute in aller Regel nach Fettgehalt, Haltbarkeit, Bio oder konventionell unterschieden. Werden damit alle Facetten der Milch abgebildet?
ME: Nein, es gibt viele andere Einfluss-Faktoren, wie z.B. die Fütterungsart (Gras, Heu, Silage, Kraftfutter etc.) und die Verarbeitung (Zentrifugation, Homogenisierung, Filtration, Höhe und Dauer der Erhitzung). Die Fütterungsart wirkt sich auf den Gehalt der Milchinhaltsstoffe aus, die Verarbeitung auf deren Funktionalität.
RE: Hier kann ich Prof. Ege nur zustimmen. Als Tierarzt hatte ich immer Zugang zu unbehandelter Rohmilch. Häufig als Geschenk meiner Bauern. Der Einfluss einer intensiven Silagefütterung auf den Geschmack ist – auch ohne Sensorikschulung – für jedermann zu schmecken, insbesondere zu riechen.
Unbehandelte Milch ist ein hochverderbliches Lebensmittel, deshalb gibt es eine Vielzahl von Verfahren, um Milch länger genussfähig zu halten. Beeinflussen diese Verfahren die Inhaltsstoffe und den Geschmack der Milch? Ist der in der Werbung verwendete Begriff »Länger frisch« nicht ein Widerspruch in sich?
ME: Die Verfahren zielen auf Haltbarkeit oder Genussfähigkeit, sind aber nicht auf Inhaltsstoffe abgestimmt, die positive Gesundheitseffekte bewirken könnten. Ob eine Milch nach drei Wochen Lagerung noch als Frischmilch bezeichnet werden kann, ist wohl eher eine Frage der Definition. Frischkäse kann auch wochenlang haltbar sein, aber mit Frischmilch würde ich – wie wohl viele Konsumenten – spontan eher eine kurze Lagerung assoziieren als bei der herkömmlich pasteurisierten Milch, die heute schon als »traditionell« gilt. Eigentlich hätte nur die traditionell hergestellte Milch den Namen »Frischmilch« verdient, weil sie nur eine Woche lang haltbar ist und darum nur frisch verzehrt werden kann.
RE: Als frische Milch dürfte eigentlich nur unbehandelte Milch bezeichnet werden, die einzig durch Kühlung länger genusstauglich gehalten wurde. Der Begriff »frisch« ist ja in jeder Hinsicht positiv besetzt. Bei Fleisch muss aufgetaute Ware eigens gekennzeichnet werden. Aber intensiv behandelte Milch wie ESL-Milch (extended shelf life – länger haltbar) kann als Frischmilch verkauft werden. Sachgerecht wäre es, Milch, die durch technische Verfahren länger zum Verzehr geeignet ist, auch als solche zu kennzeichnen.
Insbesondere wegen der Übertragung des Tuberkuloseerregers über Rohmilch in den 1950er-Jahren ist der Verzehr von unbehandelter Milch heute nur noch über stark reglementierte »Vorzugsmilch« möglich. Ist das, nachdem wir in Deutschland längst TBC-frei sind, noch sinnvoll? Gibt es, gerade für junge Menschen, Vorteile durch den Konsum von Rohmilch?
ME: Sicher ist die Keimbelastung der Rohmilch auch mit krankmachenden Keimen in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen. Aber es können eben immer noch gefährliche Keime wie Listerien oder EHEC über Rohmilch übertragen werden. Diese sind zwar selten, aber so gefährlich, dass sie lebensbedrohliche Krankheiten hervorrufen können. Gerade Kinder sind gefährdet, besonders auch während ihrer vorgeburtlichen Entwicklung.
RE: Glaubhaft belegter Wissenschaft zu widersprechen ist ein schwieriges Unterfangen. Klar ist, unbehandelte Rohmilch vom Bauern ist für Schwangere und Kleinkinder mit einem gewissen Risiko verbunden und ich kann das deshalb niemandem empfehlen. Aber gerade in meiner Generation gibt es in Deutschland noch Millionen von Menschen, die in ihrer Jugend Rohmilch getrunken haben und vielleicht gerade deshalb von Allergien verschont geblieben sind. Dass der Genuss von wöchentlich zwei oder drei Gläsern Rohmilch (Vorzugsmilch) in früher Jugend einen gewissen Schutz vor Allergien darstellt, dafür gibt es fundierte wissenschaftliche Belege. Ganz abgesehen davon, dass Menschen wie ich, die diese Erinnerung bis heute in ihrem »Geschmacksgedächtnis« haben, Rohmilch immer noch als ganz besonderen Genuss empfinden.
Milch wird heute zu großen Teilen in industriellen Haltungsformen erzeugt. Kann man den Konsum von Milch, so wie sie heute im Supermarkt angeboten wird, noch empfehlen?
ME: Die Menschheit hat über Jahrtausende von der Kuhmilch als zusätzlicher Proteinquelle profitiert. Heutzutage gibt es Proteinquellen im Überfluss; wichtiger als deren Menge ist nun die Qualität der Milch.
RE: Es ist sicher eine Illusion, wenn ich fordern würde, dass ab morgen alle nur noch Rohmilch, am besten vom Bauern aus der Nachbarschaft, konsumieren sollen. Aber die Richtung sollte schon sein, dass die Molkereien, die möglichst naturbelassene Milch anbieten und sich auf einen geringen Behandlungsgrad einlassen, von immer mehr Verbrauchern bevorzugt werden. Das würde die anderen Molkereien zwingen, diesem Beispiel zu folgen. Ein weiterer Schritt nach vorne wäre, wenn sich Molkereien klar dazu bekennen würden, dass sie nur Milch von den Bauern auf den Markt bringen, die sie direkt beliefern – am besten, ohne die jahreszeitlichen Unterschiede durch technologische Maßnahmen unkenntlich zu machen. Der Unterschied zwischen Weidemilch im Sommer und Heumilch im Winter müsste für jeden Verbraucher erkennbar sein. Vorreiter könnte der in Deutschland so beliebte »Latte macchiato« werden. Neben dem Einsatz von fair erzeugtem, hochwertig geröstetem Kaffee, könnte es für jeden Barista selbstverständlich werden, dass er Qualität und Herkunft seiner Milch auf die Karte schreibt. Gerade wir von Slow Food, die wir uns beim Wein begeistert über Sorte und Terroir austauschen, sollten die Vielfalt der Milch herausstellen und vom Lebensmitteleinzelhandel einfordern. Mit der Heumilch ist ein kleiner Anfang gemacht.
Der Text erschien im Slow Food Magazin 6/2019; redaktionelle Bearbeitung des Gesprächs: Ingeborg Pils
Über:
Rupert Ebner, Tierarzt und seit 2010 im Vorstand von Slow Food Deutschland, hat sich in den letzten Jahren intensiv mit dem Thema Milch auseinandergesetzt.
Markus Ege, Professor für klinisch-pneumologische Epidemiologie an der Kinderklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital am Klinikum der Universität München (LMU), gehört zur Leitung der »Martha-Studie«. Deren Ziel ist es, zu überprüfen, ob Kleinkinder, die regelmäßig minimal verarbeitete, mikrobiologisch sichere Kuhmilch trinken, besser vor Asthma, Allergien und Atemwegsinfekten geschützt sind.
(c) Christine Olma, Fotoabteilung Dr. von Haunersches Kinderspital
„Lebenselixier Milch – gestern, heute und morgen“, so lautete das Motto des 13. „Forum Milch NRW“ der Landesvereinigung der Milchwirtschaft Nordrhein-Westfalen e. V. am 4. September 2019. Milch sei hierzulande als selbstverständliches Basislebensmittel etabliert. Die Branche tue jedoch gut daran, sich in gesellschaftliche Diskussionen einzubringen und regelmäßig selbst zu reflektieren, erklärte Hans Stöcker, Rheinischer Vorsitzender der LV Milch NRW. Dabei werde das Spektrum von Aspekten, die sich rund um die Milch entwickeln, stetig breiter. Nicht mehr nur Geschmack, Ernährungswert und Lebensmittelsicherheit - auch Tierwohl, Klima und immer wieder die Frage der Nachhaltigkeit stehen im Fokus. War vor fünf Jahren „gentechnikfrei“ noch ein Alleinstellungsmerkmal in der Nische, so sei es heute Standard. Die „bunten“ Seiten der Milch wurden im Rahmen einer Podiumsdiskussion von verschiedenen Seiten beleuchtet. Auch die Trinkmilch, von der es häufig gar nicht erwartet wird, weist einen außergewöhnlichen Reichtum von unterschiedlichen Facetten auf.
Für Dr. Rupert Ebner, Vorstandsmitglied von Slow Food Deutschland e. V. braucht es dringend mehr Wertschätzung und Förderung guter Milch(en) aus bodengebundener Weidehaltung. Denn Haltungsform, Futter sowie der Verarbeitungsgrad von Milch würden sich massiv auf den Geschmack sowie auf Umwelt und Klima auswirken. Die Milch von Hochleistungs-Milchkühen, die nicht auf der Weide stehen dürfen und mit konzentriertem, und oft importiertem Kraft- und Eiweißfutter wie Soja gefüttert werden, sei geschmacklich etwas völlig anderes, als naturbelassene Milch von Weidekühen. Deshalb sei Milch nicht gleich Milch. Die Voraussetzung für „gut, sauber und fair“ bei Milch sei, die Produktionskette zu verkürzen und sie stärker auf lokale Kreislaufwirtschaft auszurichten. „Grundsatz für die Milchproduktion sollte sein, externe „Kosten“ wie Umweltbelastungen durch Monokulturen, Landnutzung in Drittländern sowie Treibhausgasemissionen durch den Futtermittelimport zu vermeiden.“
Video-Statement von Rupert Ebner im Rahmen des Forum Milch
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Im Saal des Gasthauses 'Ochsen' in Geifertshofen duftet es nach Heu. „Das ist der Geruch meiner Kindheit", sagt Rupert Ebner, Vorstandsmitglied von Slow Food Deutschland. Er ist immer auf der Suche nach ‚kleinen Pflänzchen‘, Betrieben, die sich nicht von Umsatz treiben lassen, sondern von einer Ideologie. So wie es die Dorfkäserei in Geifertshofen tut. Gut, sauber und fair soll es zugehen - so sind auch die Schlagworte bei Slow Food. Bei den Milchlieferanten stehen die Kühe noch auf der Wiese und dürfen frisches Gras fressen. „Große Molkereien schaffen es nicht, solidarisch zu sein", sagt Ebner und erinnert sich daran, wie er vor rund zehn Jahren bei den großen Milchstreiks vor einem Discounter demonstriert hat und hinten fuhr ein LKW einer großen Molkerei an. Hoffnungslosigkeit war sein damaliges Gefühl.
Auch darum ist Rupert Ebner auf der Suche nach diesen kleinen Perlen. Und diese hier, gut versteckt, fernab jeglicher Großstädte, ungefähr in der geografischen Mitte zwischen Stuttgart und Nürnberg, wird für ihn und für manch andere Besucherin und Besucher des Abends zur großen Überraschung. „Erschütternd, dass ich das bisher noch nicht gewusst habe", sagt er zu der Findigkeit dieser Dorfkäserei. Die Käserinnen und Käser nutzen seit neuestem die Molke, die bisher entweder weggeschüttet oder an Kosmetikfirmen weiterverkauft wurde, und machen Butter daraus. Aus 140 Liter Molkerahm stellen sie so 40 Kilo Butter her. Und es wird noch besser: „Die hat den doppelten Omega3-Fettgehalt und ist bekömmlicher als herkömmliche Butter", sagt Käser Robert Hütter.
Die Gäste dürfen an diesem Abend selber an einem alten Butterfass kurbeln. Der erste Versuch misslingt. Sie haben zu kräftig gerührt. Beim zweiten Mal hat sich nach 20 Minuten ein guter Klumpen hellgelbes Fett gebildet. Er wird ausgepresst, in eine Form gedrückt und ausgestülpt. Die Gäste probieren und finden sie sehr fein. Maximilian Korschinsky, gastronomischer Leiter der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft und Mitglied im Köche-Netzwerk von Slow Food, veredelt sie mal mit Meerrettich und Basilikum, mal mit grobkörnigem Senf. So pur, so gut. „Die simplen Sachen waren lange in Vergessenheit", sagt Korschinsky, „seit einigen Jahren findet ein Umdenken statt. Die Menschen legen wieder mehr Wert auf ihre Lebensmittel. Aber sie brauchen Geschichten und Bilder dazu".
Genau die versucht Slow Food den Menschen im Rahmen verschiedener Veranstaltungen wie der zum Tag des Butterbrots nahe zu bringen, in dem die Gäste selber anpacken und in direkten Austausch mit Erzeugerinnen und Erzeugern sowie Handwerkerinnen und Handwerkern kommen.
Ob denn die Kundinnen und Kunden den Preis dafür zahlen, fragt eine Zuhörerin. „So weit sind wir noch nicht", antwortet Korschinsky. Mit vor Ort war auch Jürgen Müller von der Holzofenbäckerei Müller aus Obersontheim-Mittelfischach, ein Handwerksbetrieb in der vierten Generation. Jürgen Müller backt nach alter Familientradition im Holzofen, lässt seinen Broten ausreichend Zeit zur Teigführung und weiß, was ein gutes Brot braucht: gutes Korn aus der Region, Zeit und handwerkliches Können.
>> Zur Dorfkäserei Geifertshofen
>> Zur Holzofenbäckerei Müller
(c) Sander Pitl
Erstes Bild von oben (v.l.n.r.): Max Korschinsky, Nadine Bühler, Rupert Ebner, Robert Hütter und seine Kollegin aus der Qualitätssicherung der Käserei Geifertshofen
]]>Brot gehört in Deutschland zu den beliebtesten Grundnahrungsmitteln. Die UNESCO zählt die deutsche Brotkultur seit 2014 zum Weltkulturerbe. Jedoch sind weder regionaltypische Brotsorten noch handwerklich erzeugte Butter, Käse oder Wurst ausreichend geschätzt und geschützt. Schnell- und Selbstbedienungsbäcker, deren Aufbackware aus weit entfernten Ländern kommt, dürfen sich hierzulande Bäckerei nennen und Handwerk simulieren. Dazu findet wie auch in anderen Bereichen des Lebensmittelhandwerks ein Strukturwandel statt. Kleine und mittlere Betriebe schließen, handwerkliches Wissen und regionale Strukturen der Lebensmittelversorgung gehen verloren. Und nicht wenig häufig werden Traditionsbäckereien eben durch Backshops, Discounter-Backstuben und Supermarktregale mit abgepacktem Industriebrot ersetzt.
Ob Brot und Butter handwerklich oder industriell erzeugt wurden, erkenne man nicht nur am Geschmack, erklärt die Vorsitzende von Slow Food Deutschland, Ursula Hudson: „Beim Brot beeinflussen die Qualität des verwendeten Getreides und Zutaten wie Nüsse und Öle, die Backtechnik sowie die ausreichende Länge der Teigführung auch maßgeblich die Bekömmlichkeit“. Und die Butter? „Wenn wir nicht aufpassen, nimmt uns die Industrie die ‚gute‘ Butter bald ganz vom Brot. Dafür nämlich braucht es handwerklich arbeitende Molkereien und Bauern, die ihre Kühe wesensgemäß halten“. Mit industriellen Schnellverfahren, die auf kontrollierbare und kostengünstige Prozesse und Ergebnisse setzen, können solche Nahrungsmittel nicht entstehen.
Bei Veranstaltungen versucht Slow Food Verbraucherinnen und Verbraucher über vergleichende Verkostungen von industriell und handwerklich erzeugten Nahrungsmitteln auf den ‚guten‘ Geschmack zu bringen. Auch die Bereitschaft, für Brot sowie Butter angemessene und damit höhere Preise zu zahlen soll erhöht werden. Von Politik und Wirtschaft fordert Slow Food, die Handwerksberufe für den Nachwuchs wieder attraktiver zu gestalten und unnötige bürokratische Reglementierungen, die kleinere Betriebe nicht konkurrenzfähig machen, zurückzuschrauben.
Am diesjährigen Tag des Butterbrots in der Dorfkäserei Geifertshofen in Bühlerzell lernen die Gäste gemeinsam mit Chef Alliance Koch Maximilian Korschinsky, Gastronomischer Leiter Bäuerliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall, Butter zu veredeln – mit Salz, Gewürzen, Senf, Meerrettich. Die Details zur Veranstaltung finden Sie >>hier.
]]>In dem vom Umweltbundesamt geförderten Projekt „Umweltgerechtigkeit und Nachhaltigkeit in der Milchwirtschaft“ untersuchte Slow Food Deutschland die Stellschrauben und Rahmenbedingungen für Betriebe, um Milch und Milchprodukte so zu erzeugen und zu vermarkten, dass es Mensch, Tier und Umwelt gleichermaßen gut geht. Vor dem Hintergrund immer wiederkehrender Milchkrisen ist das vielen kaum mehr vorstellbar. Und in der Tat, es ist kein einfacher, aber ein gangbarer und vor allem wirtschaftlicher Weg.
Praxisbeispiele aus Nord-, Ost-, Süd- und Westdeutschland haben die wichtigsten Voraussetzungen dafür gezeigt: Weidehaltung, verkürzte Produktionsketten mit einem verbesserten Verbraucherzugang zu naturbelassener Milch, Absatzförderung und Ernährungsbildung. Grundfutterbasierte Milcherzeugung mit reduziertem Leistungsniveau ist nicht nur wirtschaftlich durchaus erfolgreich, sondern dient außerdem der Biodiversität und dem Klimaschutz.
Die Kriterien für die gute Milch erarbeitete Slow Food Deutschland gemeinsam mit Milchbauern, Händlern, Verarbeitern, Wissenschaftlern und Verbrauchern.
Wie Milch und Milcherzeugnisse „gut, sauber, fair“ erzeugt, verarbeitet und vertrieben werden können zeigt der Vorzeigebetrieb Völkleswaldhof
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Hans Möllers Stammherde, etwa 20 Kühe und ihre Kälbchen der Zweinutzungsrasse „Schwarzbuntes Niederungsrind“, grast friedlich auf der Weide. Die Kühe haben Hörner und genießen sichtlich ihre „Elternzeit“. Sie haben ihre Kälber, weibliche und männliche, bei sich solange diese die Muttermilch brauchen. Es gibt sogar „Kindergartengruppen“. Die Kleinen toben, rangeln und spielen miteinander, zwei Mutterkühe passen auf. „Wir Bauern haben lange die emotionale Ebene der Tiere ausgeblendet. Im Herdenverbund lernen sie spielerisch soziales Verhalten und die Rangfolge“, erklärt Möller die psycho-soziale Hygiene. Das habe Auswirkung auf die Haltung. Auch die bis zu zweieinhalb Jahre alten Rinder zum Beispiel stehen bei Möller zusammen. Da gehe es ebenso harmonisch zu.
Im Bild oben: Hans Möller (1. v.l.) erklärt den Teilnehmenden, dass auf seinem Hof die Kälber bei ihren Müttern bleiben dürfen.
Irreführung der Verbraucherinnen und Verbraucher?
Und die Kühe fressen von kräuterreichen Wiesen, auch im Winter können sie weiden. Heu, Kleegras, Rüben und Getreide werden auf zehn Hektar von Möllers Grund erzeugt und bei Bedarf zugefüttert. Auch das Melken klappt mit einer Anlage auf der Weide. Dieses Tierwohl schmeckt man aus der Milch heraus. Hinzu kommt, dass die Milch schonend verarbeitet ist. Wie alle Milchen der Horster Genossenschaftsmilch wird sie nach einem traditionellen Pasteurverfahren nur für 15 Sekunden auf 72 Grad Celsius erhitzt. Durch die kurze Erwärmung bleiben Geschmack und Vitamine weitgehend erhalten. Gekühlt ist sie zehn Tage haltbar. Das reicht auch aus. Ganz anders als die ESL-Milch. „ESL“ steht für Extended Shelf Life, zu Deutsch „verlängerte Lagerzeit“. Auch diese Milch darf sich Frischmilch nennen. Das sei irreführend für Verbraucherinnen und Verbraucher, meint Hans Möller. Denn ESL-Milch stehe vorwiegend in den Regalen der Supermärkte. Sie wird entweder durch Hocherhitzen auf 127 Grad Celsius oder durch Mikrofiltration und zusätzliche Pasteurisierung für mindestens drei Wochen haltbar gemacht. „Diese Milch ist aller guten Keime beraubt, sie ist tot, sie kann zum Beispiel auch nicht mehr zu Sauermilch werden“, sagt der Landwirt. Aber an die gute Milch kommen die Menschen nicht so ohne Weiteres heran.
Im Bild oben: Prof. Dr. Ton Baars erklärte, wie sich der veränderte Milchkonsum seit 1950 auf den Anstieg an Asthma und Allergien auswirkte.
Wirtschaftlichkeit: Milch hat ihren Preis
Auch hier lässt sich Hans Möller in die Karten schauen. Durch das einmalige Konzept der genossenschaftseigenen Meierei kann man den Landwirtinnen und Landwirten feste Jahrespreise zusagen: 35 Cent pro Liter Milch. Dafür aber müssen sie u.a. die Kälber bei den Müttern mitlaufen lassen und auf gentechnisch verändertes Futter verzichten. Mit zwei Cent Bonus obendrauf werden Qualität, Sorgfalt und Sauberkeit, was Tiergesundheit und gutes Futter bedingt, belohnt. Eine faire Sache für Tier und Mensch entlang der Wertschöpfungskette. Die großen Hürden und Herausforderungen bei der Milch-Weiterverarbeitung habe die Meierei genommen. Da dort – wie früher – in offenen Prozessen, also nicht komplett steril, gearbeitet werde, habe man das Qualitätsmanagement verbessert und personell auf 14 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgestockt. Außerdem wurde das Portfolio erweitert: Neben der geschmacklich unterschiedlichen biozertifizierten Frühjahrs-, Sommer-, Herbst- und Wintermilch und einer extra Frischmilch, gibt es aus konventioneller Produktion auch noch Buttermilch, Joghurt, Quark, süße und saure Sahne, Butter, sogar Kräuter- und Meersalzbutter – und ab sofort eine hoch-proteinhaltige Milch der Marke „Sport-Horst“. In puncto Verpackung muss die Genossenschaft aber nachlegen: weg von Tetrapack, hin zu Mehrweg-Glas. Dafür müsse man die Mitgliederzahl erhöhen, den Vertrieb stärken, die Produktion noch weiter hochfahren. Hier kommt das einmalige Konzept der Genossenschaft zum Tragen: Die Mitglieder sind gleichzeitig Werbeträger, die im besten Fall für neue Absatzmärkte sorgen.
Im Bild oben: Bei der Meierei Horst eG in Horst warfen die Gäste einen Blick hinter die Kulissen der Milchweiterverarbeitung.
Milch aus Gras – erste Ergebnisse der UBA-Milchstudie
Zwei Jahre hat sich Slow Food bundesweit mit den Wünschen der Bäuerinnen und Bauern, Produzentinnen und Produzenten sowie Verbraucherinnen und Verbrauchern für eine nachhaltige Milchwirtschaft auseinandergesetzt. Die Ergebnisse aus sechs Workshops fließen in die UBA-Studie für nachhaltige Milchwirtschaft ein. Autorin der Studie ist die Agrarwissenschaftlerin Dr. Andrea Fink-Keßler. Sie stellte die zentralen Kriterien als Ergebnis vor und betonte, dass gerade zukunftsfähige Wirtschaftlichkeit durch neue kollektive Formen, wo die Verbraucherinnen und Verbraucher in die Finanz- und Produktionsprozesse mit eingebunden werden, zum Gelingen beitragen kann. Stellvertretend stehe dafür, quasi als Paradebeispiel, das Konzept der Genossenschaftsmeierei Horst.
Im Bild oben: v.l.n.r.: Achim, Hans und Anette Möller von der Meierei Horst eG, Andrea Fink-Keßler und Prof. Dr. Ton Baars, die gemeinsam mit Andrea Lenkert-Hörrmann für das UBA-Milchprojekt zusammenarbeiteten.
Slow Food möchte Betriebe unterstützen:
Mit nachhaltiger, bodengebundener Milcherzeugung und vor allem mit Weidehaltung
Mit Mutter- oder ammengebundener Kälberhaltung
Mit hoher Produktvielfalt, die naturbelassene (Roh-)milch, Vorzugsmilch und pasteurisierte Milch erzeugen, die sich für naturbelassene Milch einsetzen und ihren Kundinnen und Kunden zugänglich machen
Die kurze Wege durch hofeigene oder regionale Molkereien sowie Direktvermarktung sicherstellen
Slow Food distanziert sich von:
ESL-Milch, im Handel als „Frischmilch – länger haltbar“ zu finden
Ultrahocherhitzter H-Milch
Standardisiertem Käse aus industrieller Produktion
Milchpulver aller Art
Ein großes Thema für Slow Food ist die Definition des Frischebegriffs. Der Verein möchte die Verbraucherinnen und Verbraucher aufklären: Wann ist die Milch wirklich frisch? Hier möchte Slow Food den Bogen zur Wertschätzung einer guten, sauberen und fairen Milch schlagen und die Aufmerksamkeit auf ihre vielen positiven Wirkungen lenken. Wie können Menschen davon profitieren und wie kommen sie an die gute, naturbelassene Milch heran?
Bilder (c) Rose Schweizer
]]>„Die Milch von Hochleistungs-Milchkühen, die nicht auf der Weide stehen dürfen und mit konzentriertem, und oft importiertem Kraft- und Eiweißfutter wie Soja gefüttert werden, ist geschmacklich etwas völlig anderes als naturbelassene Milch von Weidekühen“, kommentiert Ursula Hudson anlässlich des Weltmilchtags. Milch sei nicht gleich Milch, weshalb die Slow-Food-Vorsitzende dafür plädiert, von Milchen im Plural zu sprechen. Außerdem spiele die Verarbeitung der Milch eine große Rolle. „Die hoch verarbeiteten H- und ESL-Milchen, die wir heute vielerorts im Supermarkt finden, haben zumeist keinen individuellen Geschmack und sind nicht mehr als eine weiße Flüssigkeit aus dem Tetrapak. Vom Urlebensmittel Milch hat sich dieses industrielle Produkt vollständig entfernt. Dass es das Adjektiv ‚frisch‘ überhaupt tragen darf, ist purer Hohn, denn hinter dem Aufdruck „Frischmilch“ auf der Packung kann sich auch die hochverarbeitete ESL-Milch verbergen. Die langen Phasen der Lagerung und Kühlung sind mit unserer Vorstellung von Frische eigentlich unvereinbar“, so Hudson weiter.
Die Voraussetzung für „gut, sauber und fair“ bei Milch ist, die Produktionskette zu verkürzen und sie stärker auf lokale Kreislaufwirtschaft auszurichten. Grundsatz für die Milchproduktion sollte sein, externe Kosten wie Umweltbelastungen durch Monokulturen, Landnutzung in Drittländern sowie Treibhausgasemissionen durch den Futtermittelimport zu vermeiden. Die Ernährung der Tiere mit Gras und Klee sowie ein nachhaltiges Weidemanagement bedeutet zwar ein Verzicht auf Hochleistung der Tiere, ist aber nicht nur das Beste für das Wohlbefinden der Kühe und damit für die Milchqualität, sondern trägt auch zum Erhalt der Biodiversität und von Kulturlandschaften bei. Rinder auf der Weide leisten nicht nur das Ungeheure, das für den Menschen nicht zur Kost geeignete Gras in Eiweiß und andere wertvolle Nährstoffe zu verwandeln, sondern das Grasen bringt auch fruchtbare Böden hervor. Beweidung ist auch eine wichtige Maßnahme für den Klimaschutz, denn durch nachhaltige Beweidung tragen Rinder zur Bildung von Humus und so auch zur Speicherung von CO2 im Boden bei, was sich positiv auf das Klima auswirkt.
„Wenn wir das System Milch komplett umbauen und zukunftsfähig machen wollen, bedeutet dies aber gleichzeitig auch, dass wir als Verbraucherinnen und Verbraucher diesen Wandel mittragen. Dazu müssen wir weg vom Image von Milch als ‚Ramschprodukt‘, das billig in Massen gekauft und konsumiert werden kann. Es braucht mehr Wertschätzung und einen reduzierten Genuss von qualitativ guter Milch“, so Ursula Hudson weiter. Unterstützenswert sind aus Slow-Food-Sicht daher Milchen, die geschmacklich und ökologisch ‚bekömmlich‘ sind. Darüber hinaus begrüßen wir Betriebe, die eine mutter- oder ammengebundene Kälberhaltung anstreben und sich dafür einsetzen, den Kundinnen und Kunden naturbelassene Milch sowie Frischmilch zu liefern. Politisch sollte dieser Umbau der Tierhaltung zum Erreichen von Nachhaltigkeits- sowie Klimazielen höchste Priorität haben.
Veranstaltungshinweis für den 29. Mai 2019:
Am 29. Mai lädt Slow Food dazu ein, den Hof De Ökomelkburen in Lentföhrden und anschließend die Meierei Horst in Horst (Holstein) zu besuchen. Die Veranstaltung bringt Verbraucherinnen und Verbrauchern näher, was gute und echte Milch und Milchprodukte ausmacht. Bei einer Milchverkostung und einem kleinen Imbiss können die Teilnehmenden das mit allen Sinnen erfahren.
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Der Weltmilchtag wird am 1. Juni organisiert, um international über das Lebensmittel Milch zu informieren. Er wurde von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) und dem Internationalen Milchwirtschaftsverband (IDF) ins Leben gerufen.
Bild (c) Alberto Peroli
]]>Eröffnet wurde der Abend von Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland. Sie sei froh darüber, so erklärte sie direkt zum Einstieg, dass Slow Food sich schon seit langem mit der Milch auseinandersetze und den vereinfachten Zugang zu naturbelassener Milch fordere. Aktuell setzt der Verein ein Projekt des Umweltbundesamts um, welches mittels Praxisbeispielen Erfolgskriterien einer guten Milchwirtschaft herausarbeitet. „Milch ist eines der am erfolgreichsten industrialisierten Lebensmittel geworden. Es zählen die Effizienz in der Produktion und der Profit. Und als reiche es nicht schon, was wir alles mit unserer Kuhmilch anstellen. Es gibt immer mehr Neuentwicklungen im Verkauf, die als milchartiges Imitat vermarktet werden, obwohl sie als veganes Produkt keine echte Kuhmilch enthalten. Beispiele dafür sind insbesondere Verarbeitungsprodukte wie Schokolade auf Basis von Soja- oder Reisdrinks“, erklärte Hudson. Echte und damit unbehandelte, naturbelassene Milch sei aber nicht nur in der Stadt eine Rarität, sondern beinahe auch auf dem Land, merkte Hudson an. Die über viele Jahrzehnte vollzogene Industrialisierung hat die Verbraucher von ihrem Grundnahrungsmittel Milch distanziert. Viele erkennen ihren Nutzen nur noch als Milchhäubchen auf dem Cappuccino und verkennen dabei, was alles Gutes in ihr steckt und damit ihren Wert. Das hat nicht zuletzt zur Folge, dass Verbraucher nicht bereit sind, angemessene Preise zu bezahlen.
Die Schutzfunktion naturbelassener Milch ist hoch
Nach Ursula Hudson übernahm Erika von Mutius das Wort. Von Mutius leitet die Allergie- und Asthmaambulanz am Kinderklinikum der Ludwig-Maximilian-Universität sowie das Institut für Asthma und Allergieforschung am Helmholtz Zentrum in München. Sie ermöglichte den anwesenden Gästen einen spannenden Einblick in die Ergebnisse ihrer jahrelangen Forschungsarbeit mit Kindern und Schwangeren im ländlichen Raum ein. Dabei beschäftigte sie sich unter anderem mit der Frage, ob der Genuss von Rohmilch Kinder vor Asthma und Allergien schützt. Untersucht wurden Kinder im Alter zwischen sechs und 12 Jahren, die auf Bauernhöfen in kleinen Dörfern in Bayern leben. Ihre Untersuchungen unterstrichen in der Tat, dass der Kontakt mit traditionell bäuerlichen Ställen und Kühen sowie der Konsum von Bauernmilch (naturbelassener Milch) Asthma und Allergien signifikant minimieren. Und selbst bei Kindern, die nicht auf einem Hof lebten, aber Rohmilch tranken, bestand diese Schutzfunktion, so von Mutius. Und dabei geht es nicht um eine große Menge pro Tag, sondern durchschnittlich 250 bis 300 Milliliter. Ähnliches belegen Beispiele aus Manchester, England. Die Forschungsergebnisse zeigten außerdem, dass bei einer Verabreichung von Rohmilch Neurodermitis sowie Schnupfen und Mittelohrentzündung seltener vorkommen. Umso länger den Kindern naturbelassene Milch verabreicht wurde, umso mehr nahm der Schutzeffekt zu. Eine hohe Anzahl der untersuchten Kinder bekam schon im ersten Lebensjahr Rohmilch, wenn am Anfang auch abgekocht. Das sei, so von Mutius, für Städter kaum vorstellbar. Was aber macht das Besondere der Rohmilch aus? Dazu von Mutius: „Allen voran sind es die Eiweiße in der Molke, die eine gute Schutzwirkung entfalten. Diese gehen beim Erhitzen kaputt. Auch der Fettgehalt tut sein Gutes. Auch etwas, was wir heute verkennen, indem wir fettreduzierte ultrahocherhitzte Milch verbrauchen". Trotz dieser Ergebnisse ist von Mutius keine Verfechterin der Rohmilch als solche. „Die Gefahr etwa einer EHEC-Infektion ist schlichtweg da, wenn auch in geringem Umfang. Aber jeder Fall ist einer zu viel. Deswegen ist meine Vision für Milchkonsum und damit auch Genuss, eine Vollfettmilch, die nur minimal pasteurisiert ist. Das heißt für drei Sekunden auf 72 Grad erhitzt“, so von Mutius.
Verbraucher lassen sich über den guten Geschmack überzeugen – auch bei der Milch
In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, wie komplex es um das Lebensmittel Milch geworden ist. Dafür tragen große Konzerne durch ihr Marketing Verantwortung aber auch die seit Jahren fluktuierenden Ernährungstrends. Diese haben die Milch, vor allem aber auch die Milch-Unverträglichkeit für sich entdeckt. Diese, so Mutius, gäbe es klinisch durchaus, aber nicht in dem Umfang. Unter all dem leide der Genuss und der Wert frischer Milch. „Die Industrie versteht es sogar, Verbraucher beim Begriff ‚frisch‘ an der Nase herumzuführen. Ein ‚länger frisch‘ gehört auf kein Produkt. Frisch ist frisch, Frische lässt sich nicht verlängern“, so Hudson. Das unterstrich auch Dr. Andrea Fink-Keßler, Milchexpertin und Autorin von „Milch vom Mythos zur Massenware“. Auf dem Hof gelte eine Milch ein bis zwei Tage als frisch und nicht mehr nach einer Woche im Kühlschrank. „Meine Vision, und da schließe ich mich Dr. von Mutius an, wäre die frische aber pasteurisierte Milch. Im Idealfall käme diese mit einem Lieferservice direkt vom Hof, wodurch Zwischenhändler und damit unnötige Lagerzeiten wegfielen“, so Fink-Keßler.
Hinzu kommt für Slow Food die Auseinandersetzung mit dem Thema Rohmilch. Der Verein fordert seit Jahren, den Erwerb von unverarbeiteter Milch zu vereinfachen und zu entbürokratisieren. Ziel ist es, auch im Einzelhandel für ihren Absatz zu sorgen. Da die Zahl der Erzeuger von Vorzugsmilch – Vorzugsmilch ist derzeit die einzig im Handel zugelassene Form der Rohmilch - stetig abnimmt, setzt sich Slow Food für eine Neujustierung der Kontrollen und Bestimmungen für naturbelassene Milch ein. Parallel braucht es die Aufklärung der Verbraucher, was sie beim Konsum von Rohmilch beachten müssen, damit sie ein paar Tage zuhause hält, dabei bekömmlich bleibt und genossen werden kann.
Trotz aller Komplexität waren sich die Diskutanten einig, als sie einen groben Orientierungsrahmen für klugen, genuss- und verantwortungsvollen Milchkauf zusammenfassten: Pasteurisiert, nicht homogenisiert, nicht länger haltbar haltbar gemacht und mit natürlichem Fettgehalt. Bei der abschließenden Verkostung, die Hubert Stadler, Käsemeister der Herrmannsdorfer Landwerktsätten kundig leitete, wurden verschiedene Milchen wie Bio-H- und ESL Milch, Rohmilchen von verschiedenen Höfen und Heumilch probiert. „Vereine wie Slow Food müssen die Verbraucher über den Geschmack von einem anderen Milchkonsum überzeugen und können nicht darauf warten, bis die Politik Maßnahmen erlässt“, so Hudson am Ende der Veranstaltung. Die Teilnehmenden kamen auch in den Genuss verschiedener Käsesorten aus der Herrmannsdorfer Hofkäserei sowie Käsesorten aus der Tegernseer Naturkäserei. Ein kleiner Kurs in Käseherstellung und Käsekunde über Rohmilchkäse von Hubert Stadler machte das Rohmilcherlebnis an diesem Abend perfekt. „Nur aus guter Milch kann guter Käse werden“ so Stadler „und die beste Milch ist die Milch, so wie die Natur sie uns schenkt: von gesunden Tieren aus artgerechter Haltung, bei denen Fütterung und Melkhygiene stimmen.“ Und wie werden daraus über 20 verschiedene Rohmilchkäsesorten? Mit Erfahrung, Gefühl und Zeit!
Foto: © Ingo Hilger
Mehr Informationen:
]]>Dazu wurde von Slow Food ein Kriterienkatalog erarbeitet, der in Zusammenarbeit mit Höfen und Molkereien, die mit ihrer nachhaltigen Wirtschaftsweise erfolgreich, ressourcenschonend und zukunftsfähig sind, zu einem Leitfaden für Milchbetriebe für „gute, saubere und faire“ Milch und Milchprodukte weiterentwickelt werden soll.
Die Kriterien werden in Workshops mit den Praxiserfahrungen von Höfen und weiterverarbeitenden Betrieben, wie Molkereien, Käsereien abgeglichen und sollen Erzeugern von Milch und Milchprodukten nach Beendigung des Projektes als Orientierungshilfe zur Verfügung stehen und Verbrauchern als Hilfe für nachhaltige Kaufentscheidungen dienen.
Das Ziel des Projektes „Umweltgerechtigkeit und Nachhaltigkeit in der Milchwirtschaft. Gute Praxisbeispiele für sozial-ökologisch innovative Betriebsformen“ ist es, Milchbauern und -verarbeitern Informationen und Entscheidungshilfen zur Verfügung zu stellen, die die regionale und wirtschaftliche Bandbreite der verschiedenen umweltverträglichen Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsmodelle abbilden.
Dazu fanden seit Projektbeginn bereits vier thematische Workshops bei ausgewählten Erzeugern auf dem Hof statt und zwei weitere Workshops stehen im Rahmen des Projektes noch bevor. Mit Hilfe der dort ermittelten praxistauglichen Kriteriensollen Verbraucher und Entscheidungsträger künftig befähigt werden, nachhaltige Produkte zu erkennen und zu fördern.
Dieses Projekt wird gefördert durch das Umweltbundesamt und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Die Mittelbereitstellung erfolgt auf Beschluss des Deutschen Bundestages.
Mehr Informationen zum Projekt unter:
Slow Thema: Milchvielfalt - Projekte und Aktionen
Aus der Filmbeschreibung des Filmverleihs:
"Milch ist Big Business. Hinter dem unschuldig anmutenden Lebensmittel verbirgt sich ein milliardenschweres Industriegeflecht. Profit wird auf Kosten der Umwelt, der Tieren, der Menschen und unserer Gesundheit gemacht. Dabei ginge es auch anders… 'Das System Milch' ist eine cineastische Reise über mehrere Kontinente, die mit Vorurteilen aufräumt und Lösungen aufzeigt. Auf fast jeder Milchpackung prangt das Bild glücklicher Kühe, doch die Wirklichkeit sieht schon lange anders aus. Aus der Milchviehwirtschaft ist eine milliardenschwere Industrie geworden, die dafür sorgt, dass der Milchkonsum weltweit konstant ansteigt.
Der Dokumentarfilm 'Das System Milch' wirft einen Blick hinter die Kulissen der Milchindustrie, zeigt eindringlich die Konsequenzen für Menschen, Tiere und Umwelt auf und stellt dar, welche Verantwortung Politik und Verbraucher in einer globalisierten Welt tragen. Der renommierte Südtiroler Dokumentarfilmregisseur Andreas Pichler wurde für seine Arbeiten bereits vielfach ausgezeichnet."
Kinotour mit Andreas Pichler und Slow Food Deutschland
In über zehn deutschen Städten begleitet Andreas Pichler den Filmstart mit einem Diskussionsabend rund um das Thema Milchindustrie. Slow Food wird an diesen Orten Informationsmaterial zur Vereinsarbeit auslegen und, wenn möglich, mit einem Ansprechpartner vor Ort sein. Slow Food Deutschland möchte den Film allen Mitgliedern ans Herz legen: Die Termine der Kinotour
Kinostart: 21. September 2017
In ausgewählten Kinos in Nürnberg, München und Berlin ab 19. September 2017
Kinotour: Station München am 20. September 2017
Filmtheater Sendlinger Tor, 20:30 Uhr
Nach der Vorführung findet ein Podiumsgespräch zum Film statt.
Andreas Pichler, Drehbuchautor und Regisseur
Martin Häusling, Protagonist, Mitglied des Europäischen Parlaments für die Grünen/EFA, Agrarpolitischer Sprecher
Alexander Agethle, Protagonist und Biobauer
Markus Hahnel, Leiter des Slow Food Conviviums München
Carmen Schnitzer: Moderation
Kinotour München am 20. September: Informationen auf Facebook
Mehr Informationen:
Zur Website des Films "Das System Milch"
Info-Flyer zum Film herunterladen (PDF)
Alle Kinos, in denen der Film "Das System Milch" läuft
Slow Thema: Milchvielfalt – Informationen, Aktionen, Positionen
Slow Thema: Tiere in der Landwirtschaft – Informationen, Aktionen, Positionen
]]>Bei dieser Veranstaltung mit großer politischer Reichweite stehen Züchter, Hirten, Käser, Fachleute der Produktkette im Mittelpunkt, die gegen den Strom schwimmen, weil sie sich für den Weg der Artenvielfalt und der Natürlichkeit entschieden haben. Die Eröffnung der Cheese 2017 am Freitag, 15. September, umfasst die Preisverleihung Resistenza Casearia Slow Cheese, eine Anerkennung von Slow Food für jene Hirten und handwerklichen Käser, die sich überall in der Welt durch ihre Leidenschaft, Hingabe und das Engagement für Qualität auszeichnen.
Rohmilch
Ein wichtiger Moment zum Auftakt der Cheese 2017 ist, ebenfalls Freitag, den 15. September, aber um 14.30 Uhr, Der Stand der Rohmilch. Slow Food fordert Erzeuger, Fachleute und Journalisten auf, über wichtige Fragen nachzudenken: Wie weit sind wir im Kampf für Rohmilch? Ist es möglich, und auf welchen Grundlagen, ein großes internationales Erzeugernetzwerk aufzubauen? Von Italien bis in die USA, von Frankreich bis in die Balkanländer: Erfahrungen und Anregungen von allen, die bereits diesen Weg gehen.
In Raw in the USA bringt das Slow Food Netzwerk in den Vereinigten Staaten ein Gespräch über Rohmilchkäse auf die Bühne, denn es gibt Erzeuger, die seit inzwischen über zehn Jahren mit großem Engagement die Herausforderungen und Hindernisse in diesem Land bewältigen, in dem die Kultur der Rohmilch nur mit Mühe akzeptiert wird. Sie erzählen ihre Geschichte und tauschen sich mit europäischen Kollegen aus: die original amerikanischen Sorten im Vergleich zu Versionen der europäischen Klassiker aus der „Neuen Welt“.
Ein neues, komplexes, aber sehr wichtiges Thema wird in Herausforderung der Natürlichkeit behandelt. Die meisten Käse enthalten industrielle selektionierte Enzyme, so dass natürliche Fermente zunehmend verschwinden. Dies ist ein Verlust an biologischer Vielfalt, an Bindung an die Region und an Geschmack, denn die Enzyme “aus der Tüte” verflachen und vereinheitlichen den Geschmack unvermeidlich.
Wurstwaren
In Schluss mit Nitrit und Nitrat wird das Thema der Natürlichkeit auf Wurstwaren ausgedehnt. Heute scheint die Verwendung dieser Zusatzstoffe unerlässlich und selbstverständlich, aber über Jahrhunderte wurden Wurst und Salami nur mit natürlichen Konservierungsstoffen wie Salz, Pfeffer, Chili, Gewürzen, Rauch hergestellt. Teilnehmer auf der Bühne sind Erzeuger aus dem Netzwerk von Slow Food in Schweden und mehreren Presidi von italienischen Wurstwaren.
Tierwohl
Samstag, 16.9., folgt ein Termin zum Thema Tierwohl: Tiere halten oder mit Tieren leben? Die Ernährung der Tiere spielt eine wesentliche Rolle: Wenn es einem Tier gut geht, ist auch seine Milch besser. Können wir es uns also noch erlauben, die Tiere nur als „Produktionsmaschinen“ zu betrachten? Wie stark ist der Einfluss von Stress durch ungenügenden Raum, die Verweigerung der Weide, Verstümmelungen und schlechte Führung der Ställe?
Boden
Nicht nur die Beziehung zwischen Mensch und Tier ist wichtig. Zu häufig vergisst man die Beziehung zur Erde, zum landwirtschaftlichen Boden. Und dennoch: Der Geschmack eines Lebensmittels entsteht ebenso wie die Nährwerte aus der Erde und ist eng mit dem Mikrobiom des Bodens verknüpft. Die Konferenz am Sonntag, 17.9., spricht über Terroir auf dem Teller: für gesünderes Essen braucht man eine neue Landwirtschaft.
In Die gute Milch beginnt beim Gras startet Slow Food ein neues Projekt, um Landwirte wertzuschätzen, die ihre Milch auf der Basis von Heu und Weide erzeugen und von konzentriertem Futter, Maissilage, importiertem Heu und genetisch verändertem Soja Abstand nehmen. In Italien haben die Erdbeben des vergangenen Jahres die kleinen Hirten und Landwirte in Marken und Abruzzen schwer betroffen. In den Randgebieten des Apennins warten viele Produktionsbetriebe seit über einem Jahr auf Unterstützung, in der Zwischenzeit werden die Arbeitsstätten geschlossen und die Herden verkauft. Die Cheese fragt nach der Rolle, die Politik und Verbraucher haben können, um einen Kurswechsel einzuleiten und sich mit den Erzeugern zu vernetzen (Der Apennin, den wir verlieren).
Klima
Slow Food und die Società Meteorologica Italiana stellen auf der Cheese die ersten Ergebnisse einer wichtigen Studie vor, in der die Auswirkungen der Milchproduktionskette auf den Klimawandel untersucht werden (Das Klima ändert sich, ändern wir unsere Produktionsweise). Die globale Erwärmung ist auch eine der Ursachen für Migration, und in Italien finden viele Ausländer Beschäftigung in der Käsereibranche: Die Konferenz Milch der Migranten beschäftigt sich mit dem Ausmaß dieses Phänomens. Slow Food hat in sieben europäischen Ländern eine direkte Befragung aller Erzeuger des Netzwerks gestartet, um ihre Meinung zur entsprechenden Politik und den Problemen, die ihre Arbeit behindern, einzuholen. Erste Ergebnisse in der Konferenz Von der GAP zu den Hygienevorschriften: Bedürfnisse und Empfehlungen der Kleinerzeuger an die EU.
Käse
Der globale Markt fördert die Konzentration in der Herstellung, und auch der Bereich der hochwertigen Käseproduktion ist von diesem Trend betroffen. In Frankreich erwerben multinationale Konzerne die historischen Käsemarken, Bollwerke der lokalen Käsereitradition, während in den Balkanländern und im Kaukasus alle, die traditionelle Käsesorten schützen wollen, mit Hoffnung auf die geschützte Herkunftsbezeichnung schauen. Die Zukunft der Herkunftsbezeichnung in den Händen der Giganten? reflektiert über die Gütesiegel, die Rolle der Konsortien und die Produktionsprotokolle.
Wie messen wir die Qualität von Milch und wie breit ist die Kluft zwischen einem Käse mit geringer und einem mit hoher Komplexität von Aroma und Nährwerten? Und welche Rolle haben dabei Wärmebehandlung, Pasteurisierung und Einsatz von Enzymen? Die Konferenz Wie man die Milchqualität im Käse misst versucht zu bestimmen, ob man die Käsequalität mit objektiven Methoden erfassen kann. Außerdem findet am Sonntag, 17.9., die Prämierung der Locali del Buon Formaggio statt: Mit dieser Anerkennung werden seit 1997 Geschäfte, Restaurants, Händler und Gasthäuser ausgezeichnet, die Käsesorten im Sinne der Slow-Philosophie anbieten.
Die Konferenz am Montag, 18.9., ist dem globalen Wirtschafts- und Handelsabkommen CETA zwischen Europa und Kanada gewidmet, das inzwischen monatelang bei Regierungen, Unternehmen und lokalen Behörden diskutiert wird (CETA: ja oder nein?).
Quelle: Pressemitteilung von Slow Food International vom 11. September 2017
Bild oben: © Slow Food Archiv
Mehr Informationen:
Auf der Website Cheese 2017 finden Sie das vollständige Programm und die genauen Orte und Uhrzeiten der Konferenzen.
Bild links: Hokkaido-Herbstbrot der Berliner Demeter-Brotbäckerei Märkisches Landbrot. | © Märkisches Landbrot
13.9.2017 – Was machen ein gutes Brot und eine gute Butter im Sinne der Slow-Food-Philosophie "gut, sauber und fair" aus? Slow Food Deutschland lädt am Tag des Deutschen Butterbrots 2017, am Freitag, den 29. September, zusammen mit dem Ökodorf Brodowin und der Berliner Demeter-Brotbäckerei Märkisches Landbrot in das Ökodorf Brodowin in der Nähe von Berlin ein. An diesem Aktionstag dreht sich alles um die Qualität dieser beiden Lebensmittel und ihre Herstellung.
Die einzelnen Schritte handwerklicher Backkunst und nachhaltiger Butterherstellung werden unter die Lupe genommen. Vom Korn bis zum Brot, von der Weidehaltung und Fütterung der Kühe bis zur Weiterverarbeitung der Milch in der Molkerei. Besondere Berücksichtigung finden die regionalen Wertschöpfungsketten.
Nach der Hofführung können die Teilnehmer verschiedene Brot- und Buttersorten, verfeinert mit Salz und Kräutern und Gemüse, verkosten, Fragen stellen und sich weiter informieren.
Termin: 29. September 2017, 13:45 Uhr bis 15:15 Uhr
Titel: Was gibt es Köstlicheres als ein duftendes Brot mit frischer Butter?
Ort: Ökodorf Brodowin GmbH & Co. Vertriebs KGWeißensee 1, 16230 Chorin OT Brodowin
Die Referenten:
• Peter Krentz, Geschäftsführer Ökodorf Brodowin
• Joachim Weckmann, Geschäftsführer Märkisches Landbrot
• Marcus Baller, Meierei Brodowin
Um Anmeldung bis zum 27. September wird gebeten.
Ansprechpartnerin: Andrea Lenkert-Hörrmann
E-Mail: projektbeauftragte@slowfood.de
Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln
Für die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln empfehlen wir:
Hinfahrt: Regionalzug RE ab Berlin Hbf um 12:17 Uhr – Ankunft Chorin: 13:17 Uhr.
Rückfahrt: Chorin ab 15:42 Uhr - Ankunft Berlin Hbf 16:47 Uhr oder Chorin ab 16:42 Uhr – Ankunft Berlin Hbf 17:48 Uhr.
Für diese Zugverbindungen organisieren wir einen Shuttle vom Bahnhof Chorin zum Ökodorf Brodowin. Bitte bei Anmeldung vermerken, wenn Shuttle gewünscht!
Über den Tag des Deutschen Butterbrots: Ursprünglich wurde der Aktionstag 1999 von der Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft (CMA) als absatzförderne Maßnahme von Brot und Butter ins Leben gerufen. Die CMA wurde 2009 aufgelöst, der Tag des Deutschen Butterbrots jedoch hat weiterhin Bestand. Unabhängig vom seinen damaligen Initiatoren wird er insbesondere von Bäckereien für Werbeaktionen genutzt. Darunter auch handwerkliche Bäckereien, die den Anlass nutzen, um Brot und Butter aus handwerklicher Erzeugung die verdiente Aufmerksamkeit zu schenken.
Das Ökodorf Brodowin, 70 Kilometer nordöstlich von Berlin, zählt mit einer Anbaufläche von über 1.200 Hektar Ackerland und 30 Hektar Gemüseanbau, 230 Milchkühen, 230 Milchziegen, 1.600 mobilen Legehennen sowie Brüderhähnen und einer hauseigenen, gläsernen Meierei zu den großen Demeter-Betrieben Europas. Bereits 1991 gegründet, gehört der Betrieb zu den Bio-Pionieren Ostdeutschlands. Vor allem in Berlin und Brandenburg werden unter der Marke „Ökodorf Brodowin“ frische Trinkmilch, Butter, Quark, Käse, Gemüse, Säfte, Öle und auch Fertiggerichte aus eigener, bio-dynamischer Erzeugung verkauft. Im Bio-Fachhandel zählt „Ökodorf Brodowin“ zu den großen Regionalmarken Brandenburgs. www.brodowin.de
Bild oben: Nachhaltig hergestellte Butter aus dem Ökodorf Brodowin. | © Ökodorf Brodowin
Seit 1930 backt Märkisches Landbrot in Berlin-Neukölln. Als Joachim Weckmann 1981 die Bäckerei übernahm, wurde auf Bio-Vollkornbrote gewechselt, seit 1992 in Demeter-Qualität. Das Getreide wird fast ausschließlich von Demeter-Bauern aus dem Umland bezogen und täglich frisch auf eigenen Steinmühlen vermahlen. Das enge Verhältnis zu den Bauern umfasst gemeinsame Projekte zur Rekultivierung alter Getreidesorten sowie Vereinbarungen fairer Getreidepreise, die über den runden Tisch besprochen von den Bauern festgelegt werden. Sauerteige, Backferment und Bio-Hefe Brote werden mit Quellwasser aus dem eigenen Hausbrunnen angesetzt. Traditionelles Backhandwerk und moderne HighTech-Geräte, die den Umweltschutz fördern sowie eine nachhaltige Firmenführung – Bilanzen von Gemeinwohlökonomie und EMAS Ökoaudit – zeichnen die Brotbäckerei ganz besonders aus. www.landbrot.de
25 Jahre Slow Food Deutschland. Der Aktionstag zu den Themen Brot und Butter im Ökodorf Brodwin gehört zu den den diesjährigen Jubiläumsveranstaltungen. Unter dem Motto „25 Jahre Slow Food Deutschland – Weil uns die Zukunft des Essens und unserer Lebensmittelerzeuger wichtig ist“ feiert Slow Food Deutschland gemeinsam mit den rund 14.000 Mitgliedern das 25-jährige Vereinsjubiläum. Veranstaltungen in ganz Deutschland rücken Erzeuger und Produkte in den Fokus, die schon heute im Zeichen eines zukunftsfähigen Lebensmittelsystems und ökologischer Nachhaltigkeit stehen.
Veranstaltungen im Jubiläumsjahr
Mehr Informationen:
]]>Martin Luther hat vor 500 Jahren mit 95 Thesen auf Missstände in der vorreformatorischen Kirche hingewiesen und damit auch die Reformation eingeleitet; Slow Food Deutschland und Misereor präsentieren nun gemeinsam 95 Thesen für die Reformation des globalen Ernährungssystems. Während zwei Milliarden Menschen an Mangelernährung leiden, sind gleichzeitig fast zwei Milliarden übergewichtig. Zudem landen jedes Jahr ein Drittel aller Lebensmittel im Müll. All das sind deutliche Symptome für Fehlentwicklungen im Ernährungssystem im globalen Norden und Süden. Und: Immer mehr Verbraucher möchten wissen, woher ihre Lebensmittel kommen, wie sie hergestellt werden und welche Auswirkungen die Produktionsweise ihres Essens auf Mensch, Tier und Umwelt hat.
Am Beispiel von Themen wie Boden und Wasser, Klima und Garten wollen Slow Food Deutschland e. V. und Misereor mit den „95 Thesen für Kopf und Bauch“ Verbraucher und Entscheidungsträger dafür gewinnen, Thesen und Fakten zu unserer Ernährung lösungsorientiert und alltagsnah zu diskutieren. „Mit diesem ungeschönten Blick auf den Zustand unseres Planeten möchten wir gemeinsam mit Misereor den öffentlichen Dialog verstärken und vertiefen, denn nur gemeinsam kann der dringend nötige Wandel hin zu einem ressourcenschonenden Umgang mit unserem Planeten angestoßen werden,“ sagt Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland. Für beide Organisationen ist Ernährungshandeln immer auch Gestaltungshandeln, bei dem wir nicht nur eine Verantwortung für uns selbst, sondern auch für unseren Nächsten und die Schöpfung haben.
"Auch Arme leiden inzwischen unter Wohlstandskrankheiten."
„Längst sind Diabetes, Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen nicht mehr die typischen Wohlstandskrankheiten: Immer häufiger leiden Arme darunter, vor allem Frauen. Weltweit nehmen sie rapide zu, weil die Menschen immer weniger Gemüse, Obst und Getreide essen. Weil sie nicht mehr selbst Landwirtschaft betreiben. Weil frische Lebensmittel zu teuer sind. Stattdessen gibt es überall verfügbare, billige Fertigprodukte. Diese Erkrankungen können nur dann nachhaltig zurückgehen, wenn sich unser aller Lebensstil verbessert und Politik, die Lebensmittelindustrie und Konsumenten weltweit die richtigen Voraussetzungen dafür schaffen“, betont Misereor-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel.
Über Misereor
Als Entwicklungshilfswerk der katholischen Kirche kämpft Misereor seit 1958 für Gerechtigkeit, gegen Hunger, Krankheit und Ausgrenzung sowie deren Ursachen. Gemeinsam mit einheimischen Partnern unterstützen wir Menschen jeden Glaubens, jeder Kultur, jeder Hautfarbe. Seit 1958 und in über 106.000 Projekten in Afrika, Asien, Ozeanien und Lateinamerika. Misereor ist Mitglied im Bündnis Entwicklung Hilft: www.entwicklung-hilft.de
Titelbild: Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland, und Pirmin Spiegel, Misereor-Hauptgeschäftsführer, stellen die Broschüre "95 Thesen für Kopf und Bauch" sowie die zugehörige Veranstaltungsreihe am Samstag in Freiburg der Öffentlichkeit vor. | © Rose Schweizer
Die 95 Thesen als Broschüre (PDF) herunterladen
1. Thema: Unsere Erde
Termin: Samstag, 2. September 2017
Ort: Freiburg
2. Thema: Wasser
Termin: Montag, 11. September 2017
Ort: Überseemuseum Bremen
Nachbericht: "Ohne Wasser kein Leben!"
3. Thema: Boden
Termin: Sonntag, 15. Oktober 2017
Ort: Biolandhof Braun, Freising
Nachbericht: "Die landwirtschaftliche Ausbildung ignoriert die Ökologie."
4. Thema: Klima
Termin: Sonntag, 22. Oktober 2017
Ort: Klimahaus Bremerhaven
Nachbericht: "Die Lebensmittelverschwendung ist ein Klimakiller."
5. Thema: Pflanzen
Termin: Samstag, 4. November 2017
Ort: Biohof Marko Seibold, Syke (Landkreis Diepholz)
Mehr Informationen
6. Thema: Tiere
Termin: Samstag, 25. November 2017
Ort: Hofgut Rengoldshausen
Mehr Informationen
7. Thema: Essen
Termin: Freitag, 8. Dezember (geplant)
Ort: noch offen
Mehr Informationen
8. Thema: Einkaufen
Termin: Januar / Februar 2018
Ort: Köln
Mehr Informationen
9. Thema: Genießen
Termin: März / April 2018
Ort: Restaurant eines Chef Alliance Mitglieds
Mehr Informationen
10. Thema: 10. Unsere Erde – Global denken
Termin: Mai 2018, Katholikentag
Ort: Münster
Mehr Informationen
Mehr Informationen und Positionspapiere zu den Themen, für die sich Slow Food Deutschland engagiert, finden Sie unter Slow Themen
]]>Seit der ersten Veranstaltung 1997 unterstützt Cheese die Erzeuger, die gegen den Strom schwimmen und sich für die Arbeit mit Rohmilch statt pasteurisierter Milch entscheiden. Im Jahr 2001 unterzeichnete Slow Food das Manifest zum Schutz von Rohmilch, während letztes Jahr eine Kampagne zur Unterstützung von Joe Schneider, einem von Englands besten Käseherstellern, und seinem Rohmilch-Stilton durchgeführt wurde.
„Die Möglichkeit, Rohmilchkäse herzustellen, ist eben nicht überall auf der Welt selbstverständlich" - erklärt Piero Sardo, Vorsitzender der Slow Food Stiftung für biologische Vielfalt und wissenschaftlicher Leiter von Cheese. „Dank Cheese und dem beherzten Einsatz der französischen Hersteller sind Rohmilchkäse nunmehr ein Erzeugnis, das auch von den europäischen Institutionen nicht mehr in Frage gestellt wird — auch wenn viele Länder immer noch restriktivere nationale Gesetzesvorgaben haben als die EU-Vorschriften. In der restlichen Welt, von den USA bis Australien, sind diese Exzellenzprodukte verboten, oder nur unter strengen Auflagen erlaubt, wie einer Mindestreifezeit von 60 Tagen. Wer entscheidet, vorschriftsgemäß zu produzieren, hat aufgrund der unendlichen Kontrollen und Produktionshindernisse ein schweres Dasein und lebt mit der Angst, von den Behörden verfolgt zu werden, weil Rohmilch als gefährlich gilt."
Die Eröffnungskonferenz von Cheese mit dem Titel „Zur Lage von Rohmilch”, untermauert die politische Position von Slow Food. Nach 20 Jahren voller Feldzüge, wie dem von 2015 gegen die Verwendung von Milchpulver zur Käseherstellung, wird Cheese eine Plattform zum Erfahrungs- und Ideenaustausch eines weltweiten Netzwerks von Käseherstellern. „Unser Ziel ist es, die Leute zu treffen und ein weltweites Netzwerk zu schaffen, das diesen Erzeugnissen politische, technische und wirtschaftliche Unterstützung garantiert. Wir möchten die Daseinsberechtigung von Rohmilch auch außerhalb der europäischen Mitgliedsstaaten verteidigen" - so Piero Sardo weiter.
Die Eröffnungskonferenz findet am 15. September um 14.30 Uhr im Teatro Politeama statt. Dabei kommen Rohmilchhersteller aus der ganzen Welt zu Wort, wie Carlos Yescas aus den USA, Guvener Isik aus der Türkei, Kent Ruiz aus Kuba und Peter Thomas aus Irland, um nur einige zu nennen. Piero Sardo moderiert die Veranstaltung und Carlo Petrini hält die Eröffnungsrede vor Beginn der Konferenz.
Heutzutage ist Pasteurisierung von Milch die Norm: dadurch sollen zwar die krankheitserregenden Bakterien in der Milch zerstört werden, es bleiben aber auch die nützlichen Bakterien auf der Strecke und die originale Fauna wird zerstört. Milch wird so zu einem neutralen, leblosen Lebensmittel, das anonyme Käse ohne regionale Identität schafft. Rohmilch hingegen wird keiner Hitzebehandlung unterzogen und ist die einzige Art von Milch, die Käse das Aroma des Herkunftsgebiets verleihen kann, oder die charakteristischen Merkmale der einheimischen Tierrassen und der Arbeit der Schafhirten und Käsemacher. Rohmilchkäse sind komplexere, interessantere und authentischere Ausdrucksformen ihres Herkunftsgebiets.
Über die internationale Messe Cheese
Cheese, die internationale Messe, die alle zwei Jahre von der Stadt Bra und Slow Food organisiert wird, findet im norditalienischen Bra von Freitag, 15. September, bis Montag, 18. September 2017, statt. Sie beschäftigt sich – dieses Jahr zum elften Mal – mit der Milch in all ihren Formen und hat zum Aufbau eines internationalen Netzwerks aus Käsern und Handwerkern im Molkerei- und Käsereisektor geführt.
Quelle: Pressemeldung von Slow Food International vom 11. August 2017
Bild oben: Cheese 2015. | © Slow Food Archiv
Weitere Informationen:
]]>Hier ist eine kleine Auswahl der Veranstaltungen, die wir am originellsten finden.
Die Cheese 2017 wird ermöglicht durch das Engagement der Gesellschaften, die an die Zukunft der hochwertigen Molkerei- und Käsereibranche glauben. Darunter sollen hier die Offiziellen Partner genannt werden: Cassa di Risparmio di Bra, Egea, Lurisia, Consorzio Parmigiano Reggiano, Pastificio Di Martino, Quality Beer Academy, Velier. Official Sparkling Wine: Consorzio Alta Langa. Cheese, die internationale Messe, die alle zwei Jahre von der Stadt Bra und Slow Food organisiert wird, findet im norditalienischen Bra von Freitag, 15. September, bis Montag, 18. September 2017, statt. Sie beschäftigt sich – dieses Jahr zum elften Mal – mit der Milch in all ihren Formen und hat zum Aufbau eines internationalen Netzwerks aus Käsern und Handwerkern im Molkerei- und Käsereisektor geführt.
Quelle: Pressemitteilung von Slow Food International vom 25. Juli 2017
Bild oben: © Slow Food Archiv
Weitere Informationen:
Zur Website der Cheese 2017 (Englisch/Italienisch)
So fordert Slow Food den einfachen und unbürokratischen Vertrieb und Erwerb von naturbelassenen Milchen und auch Rohmilch. Diese sind von hoher geschmacklicher, gesundheitlicher und vor allem auch kultureller Bedeutung, in Deutschland jedoch kaum erhältlich. In Stuttgart organisiert Slow Food Deutschland am Tag der Milch eine Wurzeltour auf den Reyerhof und macht die Zusammenhänge zwischen Geschmack, Herkunft, Tierfutter sowie Verarbeitungsmethode bei der Milch für die Teilnehmenden erlebbar.
Bid oben: Frische Milch bei einer Slow-Food-Verkostung. | © Kirsten Kolhaw
Viele wertvolle Inhaltsstoffe sind nur in der frischen Milch.
Die Bewahrung der biologischen Vielfalt landwirtschaftlicher Erzeugnisse ist eines der Hauptziele von Slow Food. Damit setzt sich der Verein auch für die Milchvielfalt und den Erhalt von Rohmilch und naturbelassenen Milchen ein. Milch ist inzwischen ein höchst standardisiertes, industrielles Lebensmittel, für dessen Bewertung für gewöhnlich allein der Fettanteil und die Haltbarkeit herangezogen werden. Dabei sind viele ihrer wertvollen Inhaltsstoffe nur in der ganz frischen Milch vorhanden und gehen insbesondere nach Hitzebehandlung weitgehend verloren. Viele Verbraucher sind mit dem Wissen, wie Milch und ihre Produkte hergestellt werden ebenso wenig vertraut wie mit dem unterschiedlichen Geschmack verarbeiteter und naturbelassener Milch. Der drastische Rückgang kleiner Milchbauernhöfe und Milchgeschäfte sowie die bürokratischen Hürden der "Milch-ab-Hof-Abgabe" haben den Anteil von Rohmilch in Deutschland heute fast gegen Null gebracht.
Der Absatz von Rohmilch muss gefördert werden
Diese Rahmenbedingungen berauben den Verbraucher eines qualitativ hochwertigen und geschmacklich vielfältigen Grundnahrungsmittels. Rohmilch und Rohmilchkäse sind so vielgestaltig wie die Tierarten (Rind, Schaf, Ziege, Pferd, Kamel, Rentier), deren Rassen, Regionen, Hersteller und Verarbeitungsweisen. Ihr Geschmack spricht für sich. Deshalb möchte Slow Food die Wertschätzung der naturbelassenen Milchen durch Verkostungen stärken und fordert außerdem den Absatz von Rohmilch durch den Einzelhandel sowie den Verkauf von Rohmilch über Milchautomaten auf Erzeugerhöfen zu erleichtern. Für die Betriebe müssen praktikable und preiswerte Untersuchungsmöglichkeiten geschaffen werden, die den Milchbauern und den Konsumenten ein Höchstmaß an Sicherheit, d. h. gesundheitliche Unbedenklichkeit, bieten.
Bid oben: Selten - Milchautomaten der Erzeugerhöfe wie dieser in Niederbayern. | © Katharina Heuberger
Milchverkostung auf dem Reyerhof bei Stuttgart
Am 1. Juni, dem Weltmilchtag, dreht sich alles um die Milch und ihre Weiterverarbeitung zu Quark, Joghurt, Käse und Eis. Slow Food Deutschland lädt dazu ein, auf dem Reyerhof in der Nähe von Stuttgart mehr über die Erzeugung des Grundnahrungsmittels zu erfahren. Was zeichnet eine "gute" Milch aus? Wie schmeckt der Unterschied zwischen Rohmilch, pasteurisierter und homogenisierter Milch? Wie wirken sich Prozesse der Milchverarbeitung, Haltungsformen und die Wahl des Futters der Tiere auf den Genuss aus? Das und vieles mehr erfahren, erleben und schmecken die Teilnehmer. Auf dem Programm stehen ein Besuch im Stall während der Melkzeit und eine anschließende Verkostung. Christoph Simpfendörfer, Biobauer und Gesellschafter des Reyerhofs, und Hanns-Ernst Kniepkamp, langjähriger Leiter der Qualitätskommission von Slow Food Deutschland begleiten die Tour.
Die Slow Food Wurzeltour
Lebensmittel kommen größtenteils als anonyme Produkte in den Handel und schließlich auf den Teller. Wo kommen sie her, wo wachsen sie, wie sehen sie vor der Verarbeitung aus, wie schmecken sie frisch, vor dem langen Weg zu uns? Die Slow Food Wurzeltour möchten Antworten auf diese Fragen geben. Die Teilnehmer machen sich auf zum Ursprung unserer Lebensmittel, zu den Wurzeln unserer Ernährung. Bei Hofbesuchen und Verkostungen stehen solche Erzeuger und ihre Produkte im Mittelpunkt, die täglich für den Erhalt und die Zukunft einer ressourcenschonenden, handwerklichen Lebensmittelerzeugung mit Rücksicht auf Mensch, Tier und Natur arbeiten und damit die Grundlagen für unsere Ernährung lokal wie global bewahren.
Quelle: Pressemitteilung von Slow Food Deutschland vom 29.5.2017
Mehr Informationen:
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