Der von Slow Food Deutschland (SFD) 2021 initiierte Bildungspreis ist nach der lang-jährigen SFD-Vorsitzenden Ursula Hudson benannt, die 2020 verstarb. Ein unabhängiges Kuratorium wählte aus den eingegangenen Bewerbungen vier Nominierte aus, die heute in der Landesvertretung Baden-Württemberg in Berlin vorgestellt wurden. Preisträgerin ist Annemarie Volling – eine der engagierten Akteur*innen in Deutschland für eine gentechnikfreie Lebensmittelerzeugung. Bei der AbL ist sie die Expertin für Gentechnik und Patente und für das Netzwerk gentechnikfreie Land- und Lebensmittelwirtschaft zuständig. Annemarie Volling versteht es, einer breiten Öffentlichkeit die negativen Auswirkungen gentechnisch veränderter Organismen aufzuzeigen. Diese schaden der Biodiversität und begünstigen die Konzentration einer Saatgutindustrie, die die unabhängige Lebensmittelversorgung bedroht.
Vor dem Hintergrund einer möglichen Deregulierung gentechnischer Methoden der zweiten Generation ist die Forderung nach Gentechnikfreiheit brand-aktuell: Im Sommer hat die EU-Kommission einen Gesetzesvorschlag zu den neuen gentechnischen Methoden wie CRISPR/Cas vorgelegt, nach dem mit der Genschere bearbeitete Pflanzen vom bisher geltenden strengen Zulassungsverfahren ausgenommen werden könnten. Von der Bundesregierung und dem EU-Parlament fordert Volling, die Wahlfreiheit ihrer Bürger*innen zu verteidigen. Das unterstreicht Tanja Busse, Leiterin des Kuratoriums, bei der Preisverleihung: „Eines der wichtigsten Rechte, das Landwirt*innen und Konsument*innen in den letzten Jahren gegen großen Widerstand der Industrie erkämpft haben, ist das Recht auf gentechnikfreie Ernährung. Wir danken Annemarie Volling für ihren weitsichtigen Einsatz für ebendieses Recht!"
Aus Sicht der SFD-Vorsitzenden Nina Wolff gebührt allen Nominierten Anerkennung: „Die multiplen Krisen, die wir als Gesellschaft bewältigen müssen, fordern die Zuversicht nicht selten heraus. Ein Tag wie heute aber stimmt mich zukunftsfroh. Die Nominierten erzählen Lösungsgeschichten, leben ihre Visionen – stellvertretend für viele andere Menschen, die die Ernährungswende im Gang halten – damit wir auch in Zukunft selbstbestimmt entscheiden, was wir säen, ernten, züchten und essen."
Der Ursula Hudson Preis ist mit 1.500 € dotiert und zeichnet Initiativen der Ernährungswende aus. Neben Annemarie Volling waren nominiert: Thomas Voß von den LWL-Kliniken Münster und Lengerich für seinen Beitrag zu einer nachhaltigen Gemeinschaftsverpflegung, die GemüseheldInnen Frankfurt für ihre urbanen Garten- und Ernährungsprojekte und das Waldgartenprojekt vom Sarsarale e. V., das den Nutzen von Waldgärten zur Nahrungsmittelproduktion aufzeigt. Im Kuratorium sind die Autorin und Moderatorin Dr. Tanja Busse, Misereor-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel, die Slow-Food-Engagierte Barbara Assheuer, die Vorsitzende der Freien Bäcker Anke Kähler und Caroline Barth aus der Leitung von Slow Food Youth Deutschland.
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Der 2021 initiierte Bildungspreis von Slow Food Deutschland (SFD) ist nach der langjährigen SFD-Vorsitzenden Ursula Hudson benannt, die im Sommer 2020 verstarb. Sie galt als Vordenkerin für die Ernährungswende. Der Preis ehrt Menschen für ihren erfolgreichen Beitrag zur Transformation unseres Ernährungssystems. Ein unabhängiges fünfköpfiges Kuratorium wählte aus den rund 80 Bewerbungen vier Nominierte aus, die heute in der Landesvertretung Baden-Württemberg in Berlin vorgestellt wurden. Preisträger ist die Projektgruppe „Schafe im Weinberg“ aus Baden-Württemberg, die in Theorie und Praxis erforscht, wie die Weidetiere dabei helfen, zwei Krisen gleichzeitig zu lindern: unsere Abhängigkeit von hohen Pestizideinsätzen bei der Lebensmittelerzeugung sowie den gravierenden Biodiversitätsverlust. Die Schafe leisten dreifache Synergieeffekte: Indem sie weiden, regulieren sie Beikraut und es reduziert sich der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln; ihr Dung nährt Insekten und stellt Biodiversität wieder her; gleichzeitig sind sie Fleisch- und Wolllieferant.
Jakob Hörl und Dr. Nicolas Schoof nahmen den Preis stellvertretend für die Forschungsgruppe entgegen. Überreicht wurde ihnen die Trophäe von Pirmin Spiegel und Tanja Busse aus dem Kuratorium, die die Entscheidung des Kuratoriums unterstrichen: „Um die großen Herausforderungen unserer Zeit angemessen zu bewältigen, brauchen wir praktikable Lösungen. Die Ergebnisse der Forschungsgruppe haben uns überzeugt und wir möchten ihren innovativen Einsatz von Schafen als natürliche Rasenmäher und Erhalter von Vielfalt auszeichnen“.
Für den Ursula Hudson Preis können sich Engagierte jährlich selbst bewerben bzw. nominiert werden. Rund 80 inspirierende Bewerbungen sind 2022 bei Slow Food eingegangen. Aus Sicht der SFD-Vorsitzenden Nina Wolff gebührt ihnen allen Anerkennung: „Besonders beeindruckt hat uns auch in diesem Jahr wieder die Kreativität und die Entschiedenheit, mit der Menschen Kurs nehmen auf ein gutes, sauberes und faires Ernährungssystem. Diesen Slow-Food-Weg möchten wir weiter gemeinsam mit ihnen allen gehen. Weil jede und jeder Vorbildfunktion hat und weiß: wenn wir über Zukunft sprechen, führt kein Weg am Essen vorbei“.
Der Ursula Hudson Preis ist mit 1.500 € dotiert; neben den Preisträgern waren nominiert: Kantine Zukunft (Berlin) für ihren Beitrag zu einer nachhaltigen Gemeinschaftsverpflegung, das Foodsharing-Café Raupe Immersatt (Stuttgart) als Akteur gegen Lebensmittelverschwendung, Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e.V. (AbL) Mitteldeutschland (Nessetal) für ihre Vorreiterrolle bei der Erstellung von Kriterien für die Gemeinwohlverpachtung landwirtschaftlicher Flächen. Das Kuratorium besteht aus der Autorin und Moderatorin Dr. Tanja Busse, Misereor-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel, der Slow-Food-Engagierten Barbara Assheuer, der Vorsitzenden der Freien Bäcker Anke Kähler und dem Winzer Sebastian John.
]]>„Ein???“, antwortet Elisabeth Schmelzer auf die Frage nach ihrem Lieblingsessen, und die Antwort ist natürlich für eine Frau wie Elisabeth Schmelzer nur folgerichtig. „Alles, was mit guten Lebensmitteln, bio und fair und mit Liebe zubereitet ist, genieße ich.“ Wie kann man schließlich eine Frau wie Elisabeth Schmelzer auf ein Lieblingsgericht festlegen wollen. Schließlich setzt sich kaum jemand so engagiert, beharrlich und erfolgreich für die Vielfalt in unserer Ernährung und Lebensmittelwelt ein wie die Frau aus Ostwestfalen.
Elisabeth Schmelzer hat vor zwei Jahrzehnten den Verein GreenFairPlanet initiiert. Vor fünf Jahren hat sie für und mit diesem Verein den Gemeinschaftsgarten Tausendschön in Minden errichtet, einen Anlaufpunkt für alle, die mehr über die wunderbare Vielfalt unserer Ernährung und unserer Umwelt erfahren und dafür eintreten wollen. Und für dieses außergewöhnliche Engagement hat sie nun als erste überhaupt den Ursula Hudson Preis von Slow Food Deutschland (SFD) verliehen bekommen.
„Jede und jeder Einzelne“, sagte SFD-Vorsitzende Nina Wolff zur Preisverleihung „hat die Kraft, etwas zu verändern.“ Das sei die wichtigste Botschaft des Preises in Gedenken an die viel zu früh verstorbene Vorsitzende von Slow Food Deutschland. Und niemand verkörpert dieses Bild vom Einzelnen, der die Ernährungswelt verändern kann, besser als Elisabeth Schmelzer. Aus 80 Bewerbungen hatte das Kuratorium des Preises sie ausgewählt. „Weil Sie zeigen, dass ein einzelner Mensch die Kraft hat, die Ernährungswende voranzubringen“, wie auch Preis-Kuratorin Barbara Assheuer während der Verleihung an Schmelzer gewandt sagte. „Alles was Sie machen, machen Sie mit Leichtigkeit und Freude.“
Die Idee des Gemeinschaftsgartens
Seit dem Jahr 2000 tritt GreenFairPlanet konsequent für gutes Essen, gute Landwirtschaft für alle sowie für die Bewahrung der biologischen Vielfalt und einen lebendigen Planeten ein. Der Verein fördert und fordert regionale Ernährungssouveränität, Bauernhöfe statt Agrarindustrie sowie Tierwohl. Der Gemeinschaftsgarten Tausendschön ist eine nachhaltige Ernährungs- und Wertschätzungsbildung in Form von Säen, Pflanzen, Ernten, Kochen, Vorratshaltung. Der Garten ist globaler Lernort, Begegnung und Teilhabe für Integration und Inklusion. Gemeinsam, im freundschaftlichem Miteinander, halten die Menschen dort Hühner, Enten, Ziegen und Bienen. In Schulen, KiTa’s, Jugendhäusern und sozialen Einrichtungen vermittelt Elisabeth Schmelzer mit ihrem Garten Themen wie Lebensmittelverschwendung, regionale Ernährung, Biodiversität, Artenvielfalt, Bienenschutz, Hochbeete und Urban Gardening.
„Seit 1979 stehe ich als Person und seit 20 Jahren mit dem Verein GreenFairPlanet für gutes Essen, gute Landwirtschaft für alle weltweit“, erzählt Elisabeth Schmelzer. „Da ist Tausendschön-Dein Gemeinschaftsgarten die logische Konsequenz, Menschen einzuladen, mitzumachen ihr eigenes Gemüse anzubauen.“ Entsprechend zögerte sie auch nicht lange, als vor fünf Jahren jemand telefonisch bei ihr fragte, ob ihr Verein nicht Interesse an der Nutzung des Grundstücks hätte. Sie hatte. Und schloss eine Vereinbarung mit dem Eigentümer, der den Garten so lange zur kostenlosen Nutzung überlässt, wie der Garten dem Gemeinwohl dient.
Und das tut er. Auch, weil Elisabeth Schmelzer sich für das Projekt regelrecht aufopfert. Um fünf Uhr beginnt sie ihre Werktage, schmeißt das Büro, befüllt Internetauftritte mit Inhalten, bereitet die vielen Netzwerktreffen und Veranstaltungen vor. „To Do Listen für Gärtnern nach dem Mondkalender, Materialbeschaffung, Konzepte für die Projekte für Schulen, KiTa’s, Ferien entwickeln“, zählt Schmelzer auf und erklärt, für was es alles den reibungslosen Ablauf braucht. Zudem wollen die vielen ehrenamtlichen Helfer*innen organisiert werden.
Schmelzers Engagement reicht außerdem weit über Minden hinaus. Seit vielen Jahren ist sie beispielsweise zusammen mit anderen gesellschaftlichen Gruppen bei der Wir haben es satt-Demonstration in Berlin aktiv. Schließlich hat man gleiche politische Ziele. Den Draht zu Slow Food hält sie seit 20 Jahren und arbeitet eng mit verschiedenen Slow Food Youth-Gruppen zusammen.
Die politischen Lehren aus dem Gemeinschaftsgarten
„Politik muss durch Transformation die Ernährungssysteme so verändern, wie Menschen und unser Planet sie dringend brauchen“, sagt Schmelzer, die eben auch ein politischer Kopf ist. „Für die Zukunft der Ernährungswelt ist wichtig, dass an Kindergärten, Schulen oder Jugendhäusern eigene Gartenprojekte entstehen, in denen Kinder Gemüse anbauen, zubereiten und gemeinsam essen. Dies hilft nicht nur gegen Fehlernährung, sondern führt auch zu einem anderen Denken und zur Wertschätzung der Lebensmittel.“
Schmelzer wäre nicht Schmelzer, wenn sie nicht auch eine konkrete Vorstellung davon hätte, was genau passieren müsste. Da ist es wieder, ihr Leitmotiv vom Handeln statt Reden. „Was die politischen Entscheidungsträger dringend machen müssen“, sagt sie, „ist Menschenrechte im Ernährungssystem verbindlich zu verankern.“
Dabei weiß die Preisträgerin, dass es ohne die Verbraucher*innen nicht gehen wird.
„Ich wünsche mir, dass regional und saisonal, wenn möglich beim Erzeuger eingekauft wird und nachhaltige Lebensmittelsysteme unterstützt werden“, sagt sie. „Großartig wäre es, wenn Menschen Gemeinschaftsgärten gründen oder darin mitwirken, Gemüse auch auf Balkon und Terrasse anbauen oder sich einer solidarischen Landwirtschaft anschließen, netzwerken und ihr Wissen teilen.“
Auch wenn sich die Dinge viel langsamer entwickeln, als es einem Energiemenschen wie Elisabeth Schmelzer lieb ist, bleibt sie optimistisch. Schließlich hat sich ja schon einiges bewegt. Und was wäre die Alternative? „Ich liebe Menschen und ich liebe unseren Planeten“, sagt sie. „Es ist nie nur gerade im Leben, das ist ja das Lebendige in mir.“
>> Elisabeth Schmelzer erste Gewinnerin des Ursula Hudson Preises
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