Überfischung: Nachhaltiger Fisch auf dem Teller – geht das überhaupt?

16.12.2019 - Im Rahmen eines Pressebrunchs zum Thema Nachhaltige Fischerei informierten die Slow Food Deutschland Vorsitzende Ursula Hudson, die stellvertretende Vorsitzende Nina Wolff und der Chef Alliance Koch Christoph Hauser über den Status quo der Gemeinsamen Fischereipolitik, die Notwendigkeit nachhaltiger Fanggrenzen und über die Herausforderungen für Gastronomie und Privathaushalte, nachhaltigen Fisch auf den Tisch zu bringen. So haben Köch*innen der Slow Food Chef Alliance immer häufiger Bedenken, noch Fisch auf die Speisekarte zu setzen und fordern die Politik zum Handeln auf.

Pressebrunch_web_(c)_MarionHunger.jpgFisch gehört für viele Deutsche an Weihnachten und Silvester zum Festmenü. Und nicht nur an diesen Tagen wird er gerne gegessen. Der Pro-Kopf-Verbrauch liegt hierzulande seit Jahren bei etwa 14 Kilogramm. Allerdings sitzt oft das schlechte Gewissen mit am Tisch, denn die meisten Verbraucher*innen wissen: Viele Bestände in den Meeren der Welt werden nicht nachhaltig bewirtschaftet – einige sind so überfischt, dass sie sich kaum noch erholen können.

Jetzt fordern erste Köch*innen die Politik auf, endlich zu handeln. Christoph Hauser, Küchenchef und Inhaber des Berliner Restaurants „Herz & Niere“, sagt: „Wir Köche fühlen uns allein gelassen. Unsere Gäste wollen mit gutem Gewissen essen – auch Fisch. Wir aber haben hier kaum noch Auswahl an Grundzutaten aus dem Meer, die unserer Verantwortung für guten, sauberen und fairen Genuss gerecht werden. Die Politik muss die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen, um nachhaltigen Fischfang und Fischgenuss möglich zu machen.“ Als Mitglied der Slow Food Chef Alliance, einem Netzwerk von Köchen, spricht Christoph Hauser auch für seine Kolleg*innen, die immer größere Bedenken haben, Fisch noch auf ihre Speisekarte zu setzen.

Wie steht es in Europa um die Überfischung?

Mit der Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik von 2013 haben sich die EU-Mitgliedsstaaten eigentlich rechtlich verpflichtet, die Überfischung in Europa bis 2020 zu beenden. Passiert ist allerdings bislang nicht genug. In unschöner Regelmäßigkeit liegen die zum Jahresende für das Folgejahr bekannt gegebenen Fangquoten über den wissenschaftlichen Empfehlungen, die eine nachhaltige Befischung zum Ziel haben.

Nina_links_Ursula_rechts_web(c)Marion Hunger.jpgDie Politik müsse sich an ihre eigenen Beschlüsse für nachhaltigen Fischfang in der EU halten und sie innerhalb der rechtlich verbindlichen Frist bis 2020 umsetzen, fordert Dr. Nina Wolff, stellvertretende Vorsitzende von Slow Food Deutschland und Fischereiexpertin. Ohne Fangquoten-Disziplin werde es keine nachhaltige Fischerei geben. Eine nachhaltige Bewirtschaftung der Fischbestände sei aber aus vielerlei Gründen wichtig: „Nur bei ausreichend großen Beständen ist eine entsprechend zahlreiche Vermehrung gewährleistet. Das sichert langfristig die Fangmöglichkeiten und den Fischern das Überleben“. Wolff weist auch darauf hin, dass Fische öffentliches Gut seien, „sie gehören uns allen und nicht etwa den großen Fischereiunternehmen“. Ursula Hudson betont ausdrücklich: „Selbst eine wachsende Weltbevölkerung kann innerhalb der planetaren Grenzen ernährt werden, wenn wir zu einer gesünderen Haltung gegenüber unseren Ressourcen zurückfinden. Dazu gehört auch ein schonender Umgang mit unseren marinen Ökosystemen“.

Auch Fische haben Saison

„Fische haben Saison, selbst wenn uns die Kühltruhe etwas anderes suggeriert“, meint Dr. Nina Wolff und empfiehlt Verbraucher*innen, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass uns die Lebensmittelindustrie zwar Fisch in Massen und zu Dumpingpreisen zur Verfügung stellt, diese aber oft nicht aus nachhaltigem Fischfang kommen. Deshalb kauft Christoph Hauser für sein Restaurant vor allem Fisch aus der Region und nach Saison, beispielsweise in der kalten Jahreszeit Karpfen aus nachhaltiger Teichwirtschaft oder Zander aus Mecklenburg-Vorpommern. Allerdings gebe es beim Angebot wenig Beständigkeit: „Manchmal stürzen sich viele gierige Köche auf wenig Fisch.“ Der Küchenchef hält die derzeitige Situation für paradox: „Es ist einfacher, einen Loup de Mer einzukaufen, der um die halbe Welt geflogen ist, als Fischbestände in der Nähe zu finden, die nachhaltig bewirtschaftet werden.“

ChristophHauser_web(c)Marion Hunger.jpgAquakulturen sind für Hauser nicht die Lösung des Problems. „Es muss darum gehen, die Wildbestände zu sichern.“ Fische aus Meeren, Seen oder Flüssen hätten einen anderen, besseren Geschmack. Und in Freiheit gehe es den Tieren natürlich auch besser: „Für die geschlossenen Systeme gibt es bislang keine Haltungsregeln. Jeder, der ein Aquarium hat, muss auf die maximale Besatzdichte achten. Für Betreiber*innen von Aquakulturen gilt das leider immer noch nicht“.

Tipps für einen nachhaltigen Fischkonsum: regional, saisonal, ganz-oder-gar-nicht

Und was können Verbraucher*innen tun, um Fisch mit gutem Gewissen genießen zu können? Nina Wolff rät erst einmal dazu, Fisch selten und in angemessen kleinen Mengen zu essen. Auch Ursula Hudson meint: „Nicht nur Fleisch, auch Fisch muss ein rarer Begleiter auf dem Teller werden.“ Wenn er denn auf den Tisch kommt, sollte der Fisch möglichst aus der Region stammen. Wer – wie die meisten Deutschen – nicht an der Küste wohnt, kann auf Tiere aus Teichwirtschaft zurückgreifen. Hier gilt es aber darauf zu achten, dass diese extensiv bewirtschaftet werden. Und am besten nicht nur das Filet genießen, sondern den ganzen Fisch verarbeiten: Aus Kopf, Schwanz und Gräten lässt sich beispielsweise noch eine schmackhafte Suppe oder ein Fischfond machen. Wem das alles zu umständlich ist, der geht in ein Restaurant, dessen Küchenchef sich die Mühe macht, auf all dies zu achten.

Text: Birgit Schumacher

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