Fair Food statt Fast Food

22.2.2012 - Auf der Konferenz "Fair Food statt Fast Food", zu der Slow Food Deutschland auf der BioFach vergangenen Freitag in Nürnberg eingeladen hatte, entkräfteten die Vortragenden das gängige Pauschalurteil, dass ökologisches Fair Food nicht bezahlbar sei und beschrieben Praxis-Beispiele für faire Partnerschaften.
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"Warum genügt 'bio' nicht, warum müssen Produkte auch noch 'fair' sein?", fragte Moderator Franz-Theo Gottwald (Schweisfurth-Stiftung) die Diskutanten Hubert Weiger (BUND), Tanja Busse (Autorin, "Die Ernährungsdiktatur), Hanns-E. Kniepkamp (Slow Food Deutschland) und Karin Artzt-Steinbrink (Verein "Bestes Bio - Fair für alle").

"Fair bedeutet, über den Produktionsstellerrand hinauszublicken", sagte Weiger vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Der ökologische Landbau, für den sich der BUND seit Jahrzehnten engagiert, sei zwar die zentrale Voraussetzung für die Sicherung unserer Ernährung, den Bodenschutz, die Biodiversität und den Klimaschutz, aber echte Nachhaltigkeit bedeute für ihn auch, die sozialen Kriterien zu integrieren. Dies sei um so wichtiger, als die wachsenden Handelsstrukturen im Biohandel zu immer weniger Transparenz führten. Weigers Forderung lautete: Wir brauchen faire Partnerschaften mit anderen Ländern und wir brauchen einen Welthandel, der sozialen und fairen Bedingungen entspricht". Grundsätzlich brauche die Bio-Branche aber mehr Regionalität, vor allem bei den Grundnahrungsmitteln. Es sei nicht ökologisch, Essen durch die ganze Welt zu transportieren, auch wenn es ökologisch angebaut worden sind.

Foto: (v.l.):  Hubert Weiger (BUND), Tanja Busse (Autorin, "Die Ernährungsdiktatur), Hanns-E. Kniepkamp (Slow Food Deutschland), Karin Artzt-Steinbrink (Verein "Bestes Bio - Fair für alle"), Moderator Franz-Theo Gottwald (Schweisfurth-Stiftung)

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Der ganzheitliche Weg: gut, sauber, fair

Hanns-E. Kniepkamp, Vorstandsmitglied von Slow Food Deutschland und Leiter der Qualitätskommission, erläuterte den ganzheitlichen Ansatz der Slow Food Philosophie bei Lebensmitteln, die den sozialen Aspekt grundsätzlich mit umfasst, wie sich dies explizit im Leitgedanken "gut, sauber, fair" ausdrückt. Gut beziehe sich einerseits auf den Geschmack von Lebensmitteln, aber auch auf den Geschmackssinn des Verbrauchers. Einem Mensch, der beispielsweise sein ganzes Leben lang nur H-Milch trinkt, schmeckt Rohmilch wahrscheinlich nicht. Ziel von Slow Food ist es daher, die Bildung des Geschmacks von Jugend an zu fördern", so Kniepkamp. Denn Geschmack sei bildbar und trainierbar. Dies müsse auch Aufgabe der Schulen sein.

"Sauber" müsse die Lebensmittelerzeugung über die gesamte Wertschöpfunkskette hinweg sein von der Herstellung und Verarbeitung von Rohstoffen bis hin zum fertigen Lebensmittel. Konkret bedeute dies etwa eine ressourcenschonende und handwerkliche Verarbeitung, die Lebensmitteln die Zeit lasse, ihren Geschmack zu entwickeln. Hier geht es beispielsweise um die Entscheidung: Reift die Rohwurst in acht Tagen oder in einem halben Jahr?

"Fair" stehe dafür, dass alle, die mit Produktions- und Vertriebsprozessen von Lebensmitteln beschäftigt sind, eine faire Entlohnung für ihre Arbeit erhalten, erläuterte Kniepkamp.

Wie dies in der konkreten Praxis aussieht, erläuterte Karin Artzt-Steinbrink vom Verein "Bestes Bio - Fair für alle". Am Beispiel der Upländer Molkerei, die sich den Grundsätzen von bio und fair verschrieben hat, schilderte Artzt-Steinbrink wie faire Preise eine kleinteilige Milchwirtschaft ermöglichen, die auch den Erhalt der regionalen Kulturlandschaft garantiert.

Foto: (v.l.):  Hanns-E. Kniepkamp (Slow Food Deutschland) und Karin Artzt-Steinbrink (Verein "Bestes Bio - Fair für alle")

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Gretchenfrage: Ist "bio + fair" zu teuer?

"Machen 'faire' Preise und Nachhaltigkeits-Standards aus Bio-Lebensmittel elitäre Güter, die sich nur wenige leisten können?", fragte Moderator Franz-Theo Gottwald anschließend die Runde.  Die Journalistin Tanja Busse wies in ihrer Antwort darauf hin, dass "teuer" hier der falsche Begriff sei und machte dies an einem Beispiel deutlich. "Der Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung ist kostengünstig, doch das solchermaßen produzierte Billig-Fleisch kann zur Gefahr für den menschlichen Körper werden – ist es also tatsächlich "billig"?" Ähnlich argumentierte auch Hubert Weiger vom BUND. Bei Erzeugnissen der Agrarindustrie seien viele Kosten, wie etwa Umweltverbrauch, Infrarstruktur oder soziale Folgen, in den Preisen gar nicht reflektiert. "Die Agrarindustrie wälzt solche Kosten einfach auf die Allgemeinheit ab", so Weiger. Seine Forderung: Die Industrie muss politisch gezwungen werden, die von ihr verursachten Kosten auch selbst zu tragen und in den Preisen auszuweisen.

Hans-E. Kniepkamp von Slow Food Deutschland wies anschließend darauf hin, dass teuer oder billig aus Verbrauchersicht auch eine Frage der Prioritätensetzung sei. "Wer gelernt hat, zu kochen, kann aus ein paar Knochen eine tolle Brühe machen und kann auf das T-Bone-Steak auch einmal verzichten." Ein gelernter Koch verwende zudem, das ganze Tier und müsse nichts wegwerfen. Aus dieser Sicht ist bio nicht zu teuer, sondern eher die gedankenlose Konsum- und Wegwerfmentalität vieler Verbraucher.

Foto: Moderator Franz-Theo Gottwald (Schweisfurth-Stiftung)

Alle Fotos auf der Seite: Katharina Heuberger

Die Gesprächsrunde fand am Freitag, 17. Februar 2012 auf dem messebegleitenden Kongress der BioFach in Nürnberg statt.

Filmischer Nachspann der Diskussion:

Film: BioFair-Verein

Weitere Informationen:

Bund Naturschutz BUND
Upländer Molkerei
Verein "Bestes Bio - Fair für alle"

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