SF Qualitätskriterien

23.1.2011 - Ein Expertengespräch in Winnenden zeigt: Die Slow Food Qualitätskriterien für die Lebensmittelerzeugung stoßen bei handwerklichen Erzeugern wie bei Verbrauchern auf große Akzeptanz.

Slow Food geht es um die Wurst

aktuelles-aktuelles_2012-wurst_1_2298.jpg

Der eiserne Kanzler hielt nicht viel davon, das Volk beim Regieren genau zuschauen zu lassen. Der Prozess sei dem Metzgereihandwerk zu ähnlich. „Je weniger die Menschen wissen, wie Würste und Gesetze gemacht werden, desto besser schlafen sie", glaubte Otto von Bismarck. Die Slow Food Bewegung hat ein anderes Politikverständnis als der Kanzler – auch und gerade, was die Wurst anbelangt. Slow Foodies sind Menschen, die sich genauestens dafür interessieren, was sie essen und genießen. Ruhig schlafen mag, wer sich lediglich als unmündiger Verbraucher am Ende einer Herstellungskette betrachtet.

Dass letzteres ein Selbstverständnis ist, das immer weniger Menschen teilen, zeigte jetzt eine Veranstaltung in Winnenden. Das Slow Food Convivium Mainfranken-Hohenlohe hatte zu einem Expertengespräch eingeladen. Und sehr zur Überraschung der Organisatoren, drängten sich am Samstag, 14. Januar 2012, weit über einhundert Teilnehmer in der Markthalle von Winnenden, darunter viele interessierte Verbraucher und Lebensmittelhandwerker der Region, um mitreden und zuhören zu können.

aktuelles-aktuelles_2012-wurst_2_288.jpgReinheitsgebot für handwerklich hergestellte Lebensmittel

"Was gehört in die Wurst?", war das Thema der Veranstaltung, die von den Slow Food Mitgliedern Andreas Berns und Hans-Werner Bunz organisiert wurde. Gefragt wurde dabei auch nach Akzeptanz und Anwendbarkeit der Qualitätskriterien, die Slow Food als Mindestanforderung für Lebensmittelerzeuger aufgestellt hat. Neben vergleichenden Wurstverkostungen gab es Stellungnahmen von Verbrauchern und Metzgermeistern aus der Region. Die Fleischhandwerker Wolfgang Herbst aus Besigheim und Rudolf Bühler brachten die Diskussion am Ende auf den Punkt: Das Einhalten der Slow Food Qualitätsanforderungen sei für handwerklich arbeitende Metzger kein Problem, sondern sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. „In die Wurst gehören Fleisch, Speck, Naturgewürze und Salz“, erklärten die Experten. Die Metzgerei Häfele aus Winnenden, die auch eine Bio-Produkte verkauft, sieht sich inzwischen an einem Scheideweg und hat bereits begonnen, eine Reihe von Produkten auf die Slow Food Anforderungen umzustellen.

"Die alte von Handwerkerehre geprägte Zunft braucht eben keine künstlichen Hilfsmittel zur Wasserbindung oder Beschleunigung der Reifung", sieht sich Hanns-Ernst Kniepkamp, Leiter der Slow Food Qualitätskommission und Mitglied im Vorstand von Slow Food Deutschland, bestätigt. Er wertet die Veranstaltung in Winnenden als deutlichen Erfolg für das Slow Food Konzept objektiver und nachvollziehbarer Qualitätskriterien und die Standhaftigkeit in der Durchsetzung.

aktuelles-aktuelles_2012-wurst_3_288.jpg

Die Slow Food Qualitätskriterien

Einen entsprechenden Katalog hat die Qualitätskommission von Slow Food Deutschland erstmals 2007 für die erste Slow Food Messe in Stuttgart aufgestellt. Dort müssen die ausgestellten Produkte u. a. folgenden Anforderungen genügen:

• Herstellung in handwerklicher Art
• frei von gentechnisch veränderten Rohstoffen
• weitgehend frei von chemischen Zusatzstoffen
• zur Herstellung sind keine Prozesshilfsstoffe verwendet worden.

Vom Verbraucher zum Ko-Produzent

Der Erfolg gibt diesem Ansatz recht. Zwar ist der Zulassungsprozess für Lebensmittelprodukte mit deutlich höherem Aufwand bei Messorganisatoren und Ausstellern verbunden. Doch das in Deutschland einzigartige Konzept einer Publikums-Lebensmittel-Messe findet so regen Zuspruch bei Verbrauchern, dass sich immer mehr Erzeuger dazu entschließen, ihre Herstellungsmethoden für bestimmte Produkte auf die Slow Food Qualitätskriterien umzustellen.

Ein mündiger Verbraucher im Sinne von Slow Food ist erst der mit kulinarischer Intelligenz ausgestattete sogenannte Ko-Produzent. Darunter versteht die Bewegung Konsumenten, die sich über die Abläufe auf dem Herstellungsweg informieren und ihre Lebensmittel-Handwerker sowie das, was sie herstellen, genauestens kennen. "Schon aus schlichtem Eigeninteresse," sagt Slow Food Gründer Carlo Petrini, "schließlich wird, was ich beim Essen zu mir nehme, im nächsten Augenblick ein Teil von mir".


Mehr Informationen:

Bericht des Conviviums Main-Franken über die Veranstaltung in Winnenden
Die Slow Food Qualitätskriterien

Fotos: Metzger Edgar Linhose vom Teichhof stellt in Nordhessen Ahle Wurst nach Slow Food Kriterien her | Stefan Abtmeyer www.fishinheaven.de

aktuelles-aktuelles_2012-haefele_expertengespraech_2.jpg

"Was gehört in die Wurst?" – Experten und Verbraucher diskutieren in Winnenden | W. Häfele

Inhaltspezifische Aktionen