Weinlese 2013

30.10.2013 - Es war eine Lese unter hohem Zeitdruck von der Ahr bis zum Bodensee. Und an Mosel, Nahe und im Rheingau war sie Ende Oktober noch nicht zu Ende. In den deutschen Wein-Anbaugebieten mussten die Winzer und ihre polnischen Lesehelfer die Trauben im Rekordtempo in die Kelter bringen. Der Jahrgang 2013 ist nach den starken Regenfällen in der zweiten Oktoberwoche ein schwieriger Kandidat geworden. Ein Bericht von Manfred Kriener

Harter Kampf um den Wein-Jahrgang 2013

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„Direkt am Abgrund ist die Aussicht am schönsten“, übt sich Robert Haller vom fränkischen Weingut Bürgerspital Würzburg in schwarzem Humor. Ganz so düster sieht es aber nicht aus, denn viele der bisher geernteten Qualitäten waren gut. Dafür sind die Mengen teilweise katastrophal niedrig. Die Säuren sind dieses Jahr hoch und versprechen Frische und Rasse – sofern sie gekonnt und harmonisch gezügelt werden.

Das Weinjahr 2013 hatte im kalten Frühjahr mit einer extrem späten Blüte begonnen. Der weinbautechnisch fast perfekte Sommer konnte den Rückstand nur teilweise wettmachen, so begann die Lese gegenüber dem langjährigen Schnitt in diesem Jahr mit etwa zwei bis drei Wochen Verzug. Anfang Oktober durften die Weingüter noch auf einen großen Jahrgang hoffen. Eine Woche später beendeten die starken Regengüsse von teilweise bis zu 50 Liter je Quadratmeter alle Träume. Jetzt mussten die Weinmacher um Qualität und Gesundheit des Lesegutes kämpfen. Mit dem Regen waren die Trauben wie Wasserbälle aufgegangen, sie hatten sich vollgesaugt und begannen zu platzen. Deshalb musste in vielen Weinbergen ohne Zeitverzögerung geerntet werden, auch wenn die optimale Reife noch nicht erreicht war.

Foto oben: Im pfälzischen Neustadt an der Weinstraße wurden Ende August die ersten Trauben des Jahrgangs 2013 gelesen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Winzer noch sehr optimistisch für einen mengenmäßig guten Jahrgang.

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90 – 100 Oechsle: Spätleseniveau ist längst Normalzustand

Der Pfälzer Topwinzer Philipp Kuhn spricht von einem schwierigen und arbeitsintensiven Jahrgang. „Wir haben in den Rebanlagen die Traubenzone doppelseitig entblättert, damit Sonne und Wind die Trauben schneller trocknen konnten, dann mussten die Leser Vollgas geben, die Fäulnis drückte rein!“ Die Qualitäten seien aber gut, der Spätburgunder „sieht sogar sehr gut aus“. Mit den Mostgewichten, deren Bedeutung in den letzten Jahren ohnehin stark zurückgegangen ist, zeigt sich Kuhn zufrieden. 90 bis 100 Oechsle seien die Regel, das wäre nach altem Modus durchweg Spätleseniveau – inzwischen verzichten viele Winzer aber auf diese Bezeichnung.

Foto oben: Eine Winzerin misst mit einem Refraktometer die Oechslegrade, das heißt den Zuckergehalt in den Trauben.

Ausgerechnet der Riesling schwächelt

Das Weingut Dreißigacker im rheinhessischen Bechtheim hatte die Lesemannschaft auf die Rekordschlagkraft von 32 Helfern erhöht. Jeder, der eine Schere tragen konnte, musste ran. Hauptproblem für Jochen Dreißigacker sind die „erschreckend niedrigen Erträge“ von teilweise nur 20 bis 30 Hektolitern je Hektar. 50 bis 60 Hektoliter peilen die meisten Spitzenwinzer an, bei einfachen Qualitäten dürfen es auch mal 70 und 80 sein. Dreißigacker freut sich über die ausgeprägte Säure, „um die wir in vielen Jahren kämpfen müssen“. Er erwartet zudem kraftvolle Rotweine. Dafür schwächelt der Riesling: Ausgerechnet die beste deutsche Weißweintraube, sonst durchaus robust, hat dieses Jahr den Regen schlechter verkraftet als andere Rebsorten und ist in vielen Anbaugebieten frühzeitig in die Notreife gegangen. Dann pigmentieren die Schalen, sie verfärben sich braun bis lila und müssen schnell geholt werden.

Der fränkische Topwinzer Paul Fürst hatte schon Mitte Oktober drei Viertel seiner Trauben im Keller. Tendenz: kleine Mengen, der Silvaner ist ordentlich, die Roten sind „gut und schön reif“. Konrad Salwey im badischen Oberrotweil hatte die Lese in seinen Kaiserstuhl-Lagen am 20.Oktober komplett abgeschlossen. Auch hier geringe Erträge, gute Mostgewichtige, knackige Säuren und in ungünstigen Lagen deutlicher Fäulnisdruck. Riesling-Zauberer Jochen Beurer aus dem schwäbischen Remstal fühlte in den letzten Oktobertagen täglich seinen Puls. „Jetzt bloß keine Panik!“ Natürlich war es auch im Schwäbischen kein einfacher Jahrgang, aber nach zwischenzeitlichem Regen-Schrecken sei das Ergebnis am Ende doch versöhnlich ausgefallen, „mit teilweise sogar richtig guter Qualität“.

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Rheingau und Mosel mit „zugespitzter Lage“

Kratertiefe Sorgenfalten dagegen bei den Winzern im Rheingau und an Mosel und Nahe. In diesen nördlichen typischen Rieslingregionen, sind nicht nur die Mengen dramatisch reduziert, viele Weinberge mussten vor der physiologischen Reife mit sehr hohen Säurewerten notgelesen werden. Der Pündericher Bio-Winzer Clemens Busch resümierte in der dritten Oktoberwoche: „Die Lage hat sich heftig zugespitzt!“ Reinhard Löwenstein von der Terrassenmosel macht sich vor allem wegen der Erntemengen Sorgen. „Was die Qualität angeht, habe ich keine Probleme, dafür aber betriebswirtschaftlich.“ Löwensteins Leseteam hat im Schnitt ganze 20 Hektoliter vom Hektar geholt, weniger als die Hälfte des Vorgängerjahrgangs.

Und der wilde Osten? Der ist nicht nur mit einem blauen Auge davon gekommen, sondern teilweise mit erstaunlichen Qualitäten. „Bei uns hat es einfach weniger geregnet“, sagt eine gut gelaunte Malgorzata Chodakowska, Lebensgefährtin von Sachsens Spitzenwinzer Klaus Zimmerling. Vor allem Spätburgunder, Gewürztraminer und Grauburgunder seien „mit grandioser Qualität“ und topgesund gelesen worden. Aber auch hier sind die Mengen, „nur halb so groß wie im Vorjahr“.

Fazit zum 2013er: ein schwieriger und äußerst knapper Jahrgang.

Bild oben: Weinlese im Rheingau.

Alle Bilder auf dieser Seite: © Deutsches Weininstitut

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