Wurzeltour Honig: Interview mit Berufsimker Michael Grolm

19.5.2017 – Berufsimker Michael Grolm (li.) kümmert sich seit 2006 um rund 150 Bienenvölker auf Schloss Tonndorf am nördlichen Rand des Thüringer Waldes. Slow Food Deutschland besuchte ihn, um mehr über Bienenhaltung und Erzeugung von Honig zu erfahren. Rose Schweizer und Sarah Niehaus befragten den Imker zu den Ursachen des Bienenschwunds und was Politik und Verbraucher dagegen tun können.

Bienenschwund: "Verantwortung trägt die verfehlte Agrarpolitik!"

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Slow Food Deutschland: Bienen sind als Bestäuber unverzichtbar für die Erzeugung etwa eines Drittels unserer Nahrungsmittel: Wer und was also macht den Bienenvölkern in Deutschland das Leben so schwer?

Michael Grolm: Verantwortung trägt die verfehlte Agrarpolitik. Diese sorgt lediglich dafür, dass die Landwirte und Betriebe, die viel habe, noch mehr bekommen und die, die nichts haben, nichts bekommen. Immer mehr Kleinbauern und nachhaltig arbeitende Landwirte sind gezwungen, ihre Höfe dicht zu machen. Es überleben die Großbetriebe, die Kulturlandschaft wird zunehmend ausgeräumt und die Vielfalt bleibt auf der Strecke. Wir haben zum Beispiel nur noch ein Fünftel bis ein Drittel der Insekten, die es einmal gab. Auch für die Bienen verhindern Monokulturen und der Einsatz immer giftigerer Spritzmittel eine ausgewogene Ernährung. Das macht sie immer anfälliger für alle möglichen Krankheiten.

Was fordern Sie von der Politik, um dem fortschreitenden Bienenkollaps entgegen zu wirken?

Die Politik muss dringend Nachwuchs für die Landwirtschaft gewinnen, damit neue innovative Betriebe entstehen. Dazu aber braucht die Jugend entsprechende Flächen an Land. Es braucht außerdem Fördermittel für die Betriebe, die schon heute ihren Beitrag für die Gesellschaft leisten, indem sie das Artensterben aufhalten, die Artenvielfalt sichern und neu entstehen lassen. Wir müssen die Unternehmen, die sich aktiv für den Tierschutz engagieren, die neue Arbeitsplätze schaffen und eine Wertschöpfung für die Region hervorbringen, unterstützen. Allen anderen, das fordere ich, sollte der Subventionshahn zugedreht werden.

Können Verbraucher einen konkreten Beitrag zur Verbesserung des Bienenlebens leisten?

Wenn ja, wie sieht dieser aus? Ja, jeder kann und sollte einen Beitrag leisten. Das können Verbraucher, indem sie regionale Produkte kaufen, idealerweise Bioprodukte direkt vom Bauern, die nicht gespritzt werden. Wenn sie nicht direkt beim Erzeuger kaufen können, sollten sie Wert auf Produkte mit entsprechenden Labels wie zum Beispiel Bioland und Demeter legen. Natürlich kann man auch seinen Garten entsprechend bienenfreundlich gestalten, damit da auch was blüht, was die Bienen nährt.

Was macht die Schlossimkerei zur Bienenhochburg am nördlichen Rand des Thüringer Waldes?

Wir setzen auf Vielfalt in vielerlei Hinsicht: Wir haben insgesamt 150 Bienenvölker. Auf diese Anzahl gerechnet ermöglichen wir viele Arbeitsplätze. Wir haben vier Vollzeitbeschäftigte, inklusive Auszubildende sowie rund 20 Schülerpraktikanten im Jahr. Dies ist nur möglich, weil wir auf Veredelung und Weiterverarbeitung von Honig setzen. Neben reinem Honig stellen wir Kosmetik aus Imkereiprodukten wie Honig, Wachs und Propolis her und erzeugen Honigweine, -schokolade und -senf. Wir bieten außerdem Dienstleistungen wie Führungen durch unseren Bienenschaugarten an, beispielsweise für Schulklassen und Imkervereine.

Das geht über Bienen hautnah erleben hinaus. Vielmehr leisten wir damit einen wichtigen Beitrag für politische Bildungsarbeit. Und wir machen Politik und mischen uns aktiv in die Agrarpolitik ein, hier in Thüringen und deutschlandweit. Ich erfülle das in meinen Rollen als aktives Slow Food Mitglied und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft in Mitteldeutschland. In dieser Funktion koordiniere ich nicht nur Demonstrationen für eine nachhaltigere Landwirtschaft, sondern auch das Landfilmfestival in Thüringen. Ich stehe außerdem im ständigen Austausch mit Politikern auf Landes- und Bundesebene.

Wie sind Sie zur Imkerei gekommen?

Durch meinen Vorarbeiter während meiner Ausbildung zum Landschaftsgärtner. Der war Imker und hat mich für Bienen begeistert. Mit der Imkerei habe ich dann zunächst in meiner Freizeit angefangen und mich um ein Bienenvolk gekümmert. Dann habe ich Landwirtschaft studiert, um Bauer zu werden. Als ich nach dem Abschluss keinen Hof bekam, habe ich stattdessen mein Hobby zum Beruf gemacht und bin Berufsimker geworden und betreibe damit Landwirtschaft.

Bild: © Rose Schweizer / Slow Food Deutschland e. V.

Mehr Informationen:

Slow Food Wurzeltour: In einem unbekannten Land – Die Bienenvölker von Schloss Tonndorf

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