Agrarkongress in Berlin: Statement von Slow Food Deutschland

18.1.2018 - Wie kann ein neuer Gesellschaftsvertrag für eine zukunftsfähige Lebensmittelproduktion in Deutschland geschlossen werden? Auf einem Agrarkongress des Bundesumweltministeriums (BMUB) diskutierten dazu Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft am 16. Januar in Berlin. Ursula Hudson (li.), Vorsitzende von Slow Food Deutschland, unterstrich in ihrem Beitrag die Bedeutung von Lebensmittelhandwerk und Transparenz.

BMUB-Agrarkongress 2018: "Handwerkliche Erzeuger stärken"

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Das Augenmerk von Hudsons Statement zur Podiumsdiskussion „Spiegel der Bedürfnisse – Anforderungen von Akteuren an einen Gesellschaftsvertrag“ lag auf der Bedeutung von Lebensmittelhandwerk und Transparenz entlang der gesamten Lebensmittelwertschöpfungkette:

„Das Handwerk liegt zwischen landwirtschaftlicher Urerzeugung und der Küche, dem Teller. Es gehört unabdingbar zu einem zukunftsfähigen Lebensmittelsystem. Denn es geht um mehr als um zukunftsfähige Landwirtschaft, es geht um unsere Ernährung in all ihrer Komplexität. In Deutschland sind die großen Einzelhandelsunternehmen und Discounter der Vertriebskanal Nummer eins für Lebensmittel. Lokale, bäuerlich-ökologische sowie handwerkliche Produktions- und Verkaufsstätten sind dem gesellschaftlichen Wandel sowie den infrastrukturellen Veränderungen in der Landwirtschaftspolitik zum Opfer gefallen. Und damit das Lebensmittelhandwerk. Handwerk und landwirtschaftliche Urerzeugung sind aber die Schlüsselstellen regionaler Verarbeitung und Vor-Verarbeitung – ohne sie gibt es keine regionale, kleinräumige Versorgung, keine kurzen, sicheren Wertschöpfungsketten. All das, was Ernährungssicherheit und eine der Gesundheit von Umwelt, Mensch und Tier zugewandten Lebensmittelproduktion unterstützt.

Regionale Wertschöpfungsketten wieder einrichten

Wir fordern daher dringend die Wiedereinrichtung dieser Schlüsselstellen wie Schlachthöfe und Mühlen und fordern das echte Handwerk, bei dem der Mensch mit seinem Wissen und Können im Mittelpunkt steht, zu schützen und zu stärken. Diese Produktionsstätten sind zentral für die Vielfalt der Ernährungssicherung, gemeinsam mit landwirtschaftlicher Urerzeugung erhalten sie unser kulturelles und kulinarisches Erbe, sind Basis unserer lokalen biokulturellen Geschmacks- und Sortenvielfalt, erbringen weit höhere Wertschöpfungsleistungen für ihr lokales Umfeld als industrielle Verarbeitung und sind ein nicht unwichtiger Wirtschaftsfaktor. Auch mit Blick auf Tourismus erhalten sie die attraktiven Kulturlandschaften und Einzigartigkeit einer Region.

Differenzierte Politik: Industrielle und handwerklich Erzeugung darf nicht über einen Kamm geschert werden

Bürokratische Hürden und Hemmnisse für die Produktion traditioneller Produkte, z. B. durch oftmals überzogene Hygienerichtlinien und bürokratischen Aufwand müssen deshalb dringend reduziert werden. Wir fordern hier eine differenzierte Politik, auch bei der Deregulierung von vorgelagerten Handwerksbetrieben sowie bei Aufklärung und Wissensvermittlung beim Verbraucher als Ko-Produzent.

Transparenz entlang der gesamten Wertschöpfungskette

Es ist die lebendige Verbindung zwischen Verbraucher, Landwirt oder besser Bauer und Lebensmittelhandwerk, welches Wissen, Vertrauen und damit Sicherheit schafft. Dazu gehören auch Transparenz über Herkunft, Produktionsweisen, Weiterverarbeitung und Vertriebswege von Nahrungsmitteln entlang der gesamten Wertschöpfungskette sowie verbindliche Informationen zu artgerechter Tierhaltung. Wir fordern, dass der Verbraucher in Gänze belastbar wissen können muss, wo sein Essen herkommt, wer es unter welchen Bedingungen erzeugt hat und wie es weiterverarbeitet worden ist.

Vollständige Deklarationspflicht

Wir fordern eine vollständige Deklarationspflicht. Nur so können Verbraucher in näheren Kontakt und Austausch mit dem Erzeuger und Weiterverarbeiter treten. Erst so wird wirklich Vertrauen und Wissen geschaffen. Lebensmittelhandwerker und Ur-Erzeuger, so wie Slow Food sie schätzt, verbinden Verantwortung, Wissen, Können und Genuss miteinander, fühlen sich der Natur, den Menschen und ihren Tieren gegenüber verpflichtet. Von ihnen allein kommen zukunftsfähige Lebensmittel, die wiederum uns Freude und Genuss bereiten.“

© Holger Riegel

Mehr Informationen:

Agrarkongress 2018 des BMUB

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