Bienenschutz: Es ist 5 vor 12 für die Biene

1.6.2018 – Anlässlich des Weltbienentags der UN am 20. Mai luden Slow Food Deutschland und proBiene mit der Kulturinsel Stuttgart am 27. Mai zu einem gemeinsamen Aktionstag auf das Areal der Kulturinsel ein. Beim Podiumsgespräch „Zukunft von Mensch & Biene“ mit Ursula Hudson (Vorsitzende Slow Food Deutschland), David Gerstmeier (Imkermeister bei Summtgart, Mitinitiator von proBiene) und Lukas Dreyer (Reyerhof Stuttgart), riefen die Diskutanten zum Schutz der Bienen sowie zur Wertschätzung handwerklich arbeitender Imker auf. Von Sharon Sheets.

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Bienen sind nicht nur für unseren Honig unverzichtbar, sondern auch verantwortlich für die Erzeugung von rund einem Drittel unserer Nahrungsmittel. Mit dem Bienensterben steht daher nicht nur die Zukunft dieser bedeutenden Insekten auf dem Spiel, sondern auch die Zukunft unserer Ernährung. „Die Situation der Bestäuber ist auf der ganzen Welt dramatisch. Das heißt, wenn wir jetzt nicht alldem Einhalt gebieten, was den Bienen das Leben erschwert, eilen wir einer Zukunft ohne Bestäuber entgegen. Dadurch würde uns unsere Ernährungsgrundlage wegbrechen,“ so die Vorsitzende von Slow Food Deutschland zum Auftakt des Gespräches. Aus Slow-Food-Sicht seien Bienen und andere Bestäuber genauso wichtig für die Lebensmittelerzeugung, wie gesunde Böden, so Hudson weiter. Eine zentrale Slow-Food-Forderung an die Politik lautet deshalb, endlich auf zukunftsfähige landwirtschaftliche Praktiken zu setzen, die Bienen und anderen Bestäubern nicht schaden. Eine Abkehr von der intensiven Landwirtschaft, welche Bienen das Blütenangebot und -vielfalt raubt und sie durch die eingesetzten Pflanzenschutzmittel vergiftet, ist deshalb unabdingbar.

Auch Lukas Dreyer vom Reyerhof Stuttgart formulierte eine konkrete Forderung zum Schutz der Bienen: „Für die Zukunft der Insekten wäre es wichtig, dass man weniger Pestizide und Insektizide einsetzt und stattdessen die ökologischen Alternativen nutzt. Es gibt schon genug Beispiele von Betrieben, die hochwertige Lebensmittel in ausreichender Menge herstellen. Die Herausforderung liegt außerdem auch darin, einen Anreiz für die Landwirte zu schaffen, mehr für die Insekten zu tun“.

Bild oben: Podiumsgespräch zum Thema „Zukunft von Mensch & Biene“

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Die industrielle Imkerei ist mit der Massentierhaltung bei Nutztieren gleichzusetzen

Auch David Gerstmeier von Summtgart ist besorgt um die Biene. Die Realität, die er durch seine Arbeit mit den Bienen Tag für Tag beobachtet, ist alles andere als rosig: „Die Biene liegt momentan sozusagen auf der Intensivstation. Heutzutage kann die Biene nicht mehr ohne den Menschen leben. Noch bis vor einigen Jahrzehnten war es dagegen möglich, dass Bienen auch ohne den Menschen leben. Aber mittlerweile ist es so, dass sie sterben, wenn sie nicht intensiv betreut und gepflegt werden. Dafür gibt es vor allem drei Ursachen:

Erstens, die Nahrungsmittelknappheit, was bedeutet, dass es Bienen heutzutage sogar in der Stadt besser geht als auf dem Land, denn hier gibt es noch Parkanlagen, Balkone, Hinterhöfe und Gärten, in denen in der Regel relativ wenig gespritzt wird und die Bienen noch viele Nahrungsangebote finden. Auf dem Land, wo die Flächen meist intensiv bewirtschaftet werden - man denke an Mais- und andere Monokulturen – und die Wiesen bis zu sechs mal im Jahr gemäht werden, finden die Bienen dagegen sehr wenig Nahrung.

Die zweite Gefahr sind die Bienengifte, denn um den Anbau dieser Monokulturen überhaupt zu ermöglichen, kommen diese Insektizide in der Landwirtschaft zum Einsatz. Und der dritte Punkt ist die industrielle Imkerei, bei der es nur um Honigmaximierung geht und Tiere ganz industriell gehalten werden. Diese drei Faktoren schwächen die Biene enorm, was bildlich mit einer Einlieferung auf die Intensivstation zu vergleichen ist“. Nicht anders als in der industriellen Nutztierhaltung werden die Bienen in der industriellen Imkerei unter nicht artgerechten Bedingungen gehalten. So sieht die Realität der industriellen Imkerei auch so aus, dass Bienen sich nicht mehr natürlich vermehren und ihre Schwarm-Königinnen nicht mehr selber heranziehen dürfen. Gerstmeier berichtete auch, dass Bienen in circa 98% der Imkereien ihre Waben nicht mehr selber bauen dürfen.

Bild oben: Neben dem Podiumsgespräch gab es auch eine Begehung an den Bienenstöcken mit David Gerstmeier. 

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Varroamilbe: Nur eine vermeintliche Ursache des Bienensterbens

Ein ganz wichtiger Punkt, der in der Gesprächsrunde auch zur Sprache kam, ist, dass die Varroamilbe, die öffentlich zur Zeit auch gerne für das Bienensterben verantwortlich gemacht wird, nur eine vermeintliche Ursache für das Bienensterben ist: „Die Varroamilbe ist ein Parasit, der über die Globalisierung aus Asien eingeschleppt wurde. Zwar sterben die Bienen auch an der Varroamilbe, aber wenn man die Varroamilbe als eine der Hauptursachen verurteilt, lässt man die Realität außer Acht, dass die Bienen schon durch verschiedenste Faktoren geschwächt sind. Bildlich gesprochen ist das, wie wenn man sagt, dass ein Schwerstkranker, der aufgrund eines Herzschlags auf der Intensivstation lag und dann noch einen Husten bekam, letztlich am Husten gestorben ist. Übertragen auf die Bienen bedeutet das, dass die Bienen durch Nahrungsmittelknappheit, Insektizide und Ausbeutung in der industriellen Haltung schon so geschwächt sind, dass die Varroamilbe nur noch den Kipppunkt darstellt, der von der Intensivstation zum Bienensterben führt“, so Gerstmeier. Konzentriert man sich also auf die Varroamilbe, blendet man die Wurzel des Problems aus. Slow Food fordert deshalb in Sachen Bienenhaltung dringend eine ganzheitliche Wurzelbehandlung vorzunehmen, indem wir uns einem zukunftsfähigen System hinwenden.

Bild oben: Die Teilnehmenden dürfen ganz nah in Kontakt mit den Bienen und ihr „Meisterwerk“ Wabe betrachten.

Positive Handlungsalternativen, für Mensch, Biene und Umwelt

Nicht nur politisch muss ein nachhaltiges System in Sachen Lebensmittelerzeugung begünstigt werden. Verbraucher und Politik müssen gemeinsam an einem Strang ziehen, um gesamtgesellschaftlich den Wandel hin zu mehr Zukunftsfähigkeit, und damit mehr Bienenfreundlichkeit, umzusetzen. Verbraucher können diesen Wandel tagtäglich mit ihrem Kauf- und Konsumentscheidungen anstoßen. Und es gibt sie schon, die guten und positive Alternativen, die gleichzeitig auch gut für Mensch, Tier und Umwelt sind. Im Bereich zukunftsfähige Imkereien bieten Anbieter wie Summtgart zukunftsfähige Lebensmittel an, die Bienen artgerecht halten und ihr Überleben sichern. Es gibt auch schon viele Betriebe, wie eben Summtgart und den Reyerhof, die auch Teil der solidarischen Landwirtschaft sind.

Hier geht es auch darum, dass Verbraucher durch einen Besuch am Produktionsort einen praktischen Zugang und direkten Bezug zu ihren Lebensmitteln und den an der Produktion beteiligten Erzeugern, beziehungsweise Tieren, entwickeln. Das Wissen über die Erzeugung, den Herkunftsort und die Arbeit, die sich dahinter verbirgt, führt erfahrungsgemäß auch zu mehr Wertschätzung, was sich dann in bewussteren Einkäufen niederschlägt.

Pro Biene gehört wiederum zu den Leuchtturmprojekten, die sich durch Ernährungsbildung für den Bienenschutz einsetzen. Viele weitere urbane Gärten, Höfe der solidarischen Landwirtschaft und zukunftsfähige Imkereien bieten neben dem Verkauf auch praktische Besuche vor Ort an. Informieren Sie sich über nachhaltige Imkerei, Stadtimkerei und Bildungsprojekte in Ihrer Nähe und fragen Sie nach, wie der lokale Imker seine Bienen hält. Dann kommen wir der Rettung, der für unsere Ernährung wichtigen Bienen, schon einen Schritt näher.

Bilder: © Markus Wagner

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