Welternährungstag: Bundesregierung muss sich für ein Moratorium gegen „Gene Drives“ in der Landwirtschaft aussprechen

16.10.2018 – Am heutigen Welternährungstag fordern mehr als 200 führende Vertreter von Organisationen der globalen Bewegung für Ernährungssouveränität und eine klimaschonende Landwirtschaft ein Moratorium für die Freisetzung von "Gene Drives", darunter u.a. die amtierende UN-Sonderberichterstatterin für das Menschenrecht auf Nahrung, Hilal Elver sowie ihre Vorgänger Olivier de Schutter und Jean Ziegler. Auch Slow Food Deutschland hat den Aufruf unterzeichnet.

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Gene Drives sind biotechnologische Anwendungen von bislang unbekannter Wirkungsmacht, die sich derzeit in der Entwicklung befinden. Die Technologie schaltet die natürlichen Regeln der Vererbung und Evolution aus, indem gentechnisch in das Erbgut von Organismen eingeführte Merkmale zu 100 Prozent an alle deren Nachkommen weitervererbt werden. So könnten ganze Arten dauerhaft verändert oder auch ausgelöscht werden.

Gentechnik auf den Kopf gestellt

Der Aufruf gegen die Freisetzung von Gene Drives wird zeitgleich mit einem Bericht der Heinrich-Böll-Stiftung und der kanadischen Nichtregierungsorganisation (NGO) ETC Group veröffentlicht. Der Bericht „Forcing the Farm“ untersucht, welche Anwendungen von Gene Drives in der Landwirtschaft geplant sind. Der Bericht beschreibt, wie Gene Drive-Organismen genutzt werden könnten, um Fliegen, Mücken, Würmer und andere Insekten auszurotten oder Unkräuter empfindlicher für Pestizide zu machen.

„Die Anwendung von Gene Drives auf Ernährung und Landwirtschaft stellt die bisherigen Strategien der Biotech-Industrie auf den Kopf, " erklärt Jim Thomas, Co-Executive Direktor der ETC Group. "Zuvor hatten Agrarkonzerne gentechnisch veränderte Pflanzen und Tiere entwickelt. Jetzt, da die Verbraucher keine GVO-Lebensmittel kaufen, soll stattdessen der Rest des Ökosystems gentechnisch verändert werden - das Unkraut, die Schädlinge und die Bestäuber.“

„In einem guten und verantwortungsvollen Ernährungssystem gibt es keinen Platz für diese Technologie,“ sagte Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, die zu den mehr als 200 Personen gehört, die als erste den Aufruf gegen Gene Drives in der Landwirtschaft unterzeichnet haben. „Wir brauchen Innovationen in der Züchtung von Pflanzen, um die vielfältigen Herausforderungen des Klimawandels zu bewältigen. Statt in gentechnologische Verfahren zu investieren, deren Risiken wir für Natur und Ernährungssysteme nicht kennen und beherrschen, gilt es, die agrarökologische Forschung zu intensivieren, die auch kleine und mittlere Züchter*innen stärkt“.

Bedrohung der Ernährungssouveränität

„Die Anwendung von Gene Drives in der Landwirtschaft oder in der Natur lehnen wir ab", erklärt Annemarie Volling, Gentechnik-Expertin der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) e.V. die klare Position des Verbands gegen Gene Drives. „Eine Technik, die die Artenvielfalt und ganze Ökosysteme bedroht, auf Patenten von internationalen Konzernen basiert, gefährdet unsere bäuerliche Erzeugung und Ernährungssouveränität weltweit."

In einem Brief an deutsche NGOs hat das Bundesumweltministerium unlängst klargestellt, dass es Freisetzungen von Gene Drive Organismen sehr kritisch beurteilt und sich auch international dafür einsetzt, die Risiken umfassender zu untersuchen. Die diese Pressemitteilung veröffentlichenden Organisationen erklären dazu: „Diese Position begrüßen wir ausdrücklich. Gleichzeitig fordern wir die Bundesregierung auf, nachzuziehen und sich für ein Gene Drives-Moratorium einzusetzen.“

Nicht rückholbare ökologische Änderungen

„Gene Drives werden erst durch den Einsatz der CRISPR-Cas Technologie möglich, die Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner und der deutsche Bioökonomierat möglichst bald deregulieren wollen, weil der Europäische Gerichtshof im Sommer klarstellte, dass es sich dabei um Gentechnik handelt,“ erläuterte Benny Haerlin von der europäischen Initiative „Save Our Seeds“. „Nun zeigt sich, dass mit ihrer Hilfe nicht rückholbare, gentechnische Veränderungen globalen Ausmaßes möglich werden. Solchen Allmachtsphantasien sollte von Anfang an ein Riegel vorgeschoben werden!“

Gene Drives stehen auch auf der Tagesordnung der 14. Vertragsstaatenkonferenz des UN-Übereinkommens über die biologische Vielfalt (englisch: Convention on Biological Diversity, CBD), die vom 17. bis 29. November in Ägypten stattfindet. Die CBD-Mitgliedsregierungen beraten dort u.a. über ein mögliches Moratorium auf Gene Drives. Über ein Moratorium für „Gene Drives“ soll am 23. Oktober auch das Europäische Parlament ihm Rahmen seiner Stellungnahme zur CBD abstimmen.

Quelle: Gemeinsame Pressemitteilung der Heinrich-Böll-Stiftung, der ETC Group, der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) e.V. und der europäischen Initiative „Save Our Seeds“

Bild oben: Cover des Berichts "Forcing the Farm". | © ETC Group und Heinrich Böll Stiftung

Mehr Informationen:

Aufruf gegen die Freisetzung von Gene Drives

Bericht "Forcing the Farm"

Slow Thema: Ernährungssouveränität

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