Chef-Alliance-Koch Bernhard Wolf im Interview

23.04.2019 - „Wir brauchen keine Avocado!“ sagt Bernhard Wolf, Mitglied in der Chef Alliance von Slow Food Deutschland. In seinem Restaurant „machtSINN“ in Gmund am Tegernsee kocht er radikal regional, weil genau das Sinn für ihn macht und seine Gäste begeistert. Während der Slow-Food-Messe bringt er Besucherinnen und Besuchern die Frühlingsküche näher und im Mai ist er zu Gast auf der Slow Fish 2019. Worauf es ihm in der Küche ankommt - das berichtet er im Interview.

MachtSinn Essen -0511_(c)  „Präsenzfotografie“ Theresia Berger.jpgHerr Wolf, Ihr Restaurant heißt “machtSINN” – können Sie uns erklären, was für Sie hinter diesem Namen steckt/Warum haben Sie sich für diesen Namen entschieden?

Weil wir glauben, dass unser Konzept zukunftsweisend ist. Wir werden langfristig nicht darum herumkommen, Lebensmittel regional, saisonal und in Bioqualität einzukaufen und zu essen. Denn so, wie wir unsere Lebensmittel jetzt größtenteils produzieren, zerstören wir auf Dauer unsere Lebensgrundlagen. Pestizide töten Insekten, das Nitrat landet im Grundwasser, es gibt einen Handel mit Gülle – alles Dinge, die auf Dauer keinen SINN machen.

Welche Art von Kochen und Essen/Genuss macht für Sie Sinn und welche nicht?

Was ich am wichtigsten finde: Wir müssen unbedingt weg von der Vorstellung, dass immer alles zu jeder Zeit verfügbar ist. Im ganzen Winter haben wir im Bistro nur das gekocht, was ich im Sommer eingemacht hatte oder Frischware aus dem Umkreis von maximal 80 Kilometern, zum Beispiel Lagergemüse wie Karotten, Pastinaken, Bete. Da müssen wir wieder hinkommen. Wir brauchen keine Avocado! Wir haben Weißkraut und Grünkohl. Die Natur gibt uns auch hier viel gutes Gemüse, das voller Vitamine steckt, die wir in der Jahreszeit brauchen. Da müssen wir nicht irgendwelche Früchte über den halben Erdball verschiffen.

Sie arbeiten seit langem schon in der Gastronomie: Wie hat sich aus Ihrer Sicht die Branche in Deutschland und speziell in Bayern verändert - im Positiven wie im Negativen? Und was glauben Sie: Wohin geht es in Zukunft?

Ich arbeite in der Gastronomie seit dem Beginn meiner Kochlehre 1979. Seit 1989 bin ich selbstständig, das Bistro „machtSINN“ hier in Gmund habe ich im Juli 2018 eröffnet. Vom Preisgefüge haben wir heute amerikanische Verhältnisse. Es gibt billiges Fast Food, da zähle ich den Schweinsbraten für 8,50 Euro auch dazu, oder vergleichsweise teures Essen in guter Qualität. Da geht die Schere sehr weit auseinander. Viele Kunden sind sehr preisbewusst. Wenn der Gast nicht bereit ist, mehr zu zahlen, kann das Personal nicht angemessen bezahlt werden, dann ist niemand mehr bereit in der Gastronomie zu arbeiten. Wenn ich kein Personal habe, das meine Roulade füllt und wickelt, dann muss ich eben eine fertige kaufen, vielleicht schon fertig gegart mit Soße. Ein Convenience-Produkt. So wird das Essen überall austauschbar. Die gute gutbürgerliche familiengeführte Gastronomie wird es in Zukunft sehr schwer haben. Es wird einige wenige geben, die in diesem Segment überleben. Und ansonsten wird es auf standardisiertes Essen hinauslaufen.

Nun zum Fisch am Tegernsee: Mit welchen Fischarten kochen Sie am liebsten und warum?

Ich koche ausschließlich mit Süßwasserfischen aus dem See oder denen, die in der Nähe gezüchtet werden. Bei uns ist die Renke der Brotfisch der Fischer, die ich sehr gerne verarbeite. Aber auch den Hecht finde ich ganz toll, obwohl er mehr Arbeit macht. Egal ob man ihn kocht, brät oder Nockerl macht, erhält man immer ein wunderbares Geschmackserlebnis. 

Wie arbeiten Sie mit lokalen Fischern zusammen? Bringen sie Ihnen den frischen Fang direkt vorbei?

Die Fischer drehen jeden Tag eine Runde um den See und beliefern ihre Gastronomien. Wenn ich morgens rechtzeitig anrufe, bekomme ich den Fisch mittags. Ich richte mich nach dem Angebot und nehme das, was im Netz drin war.

Bei Fisch denken viele nicht zu allererst an Saisonalität. Aber wie wirkt sich die Saisonalität auf Ihr Fischangebot aus? Inwiefern wechselt dies mit der Saison?

Seefische haben teilweise Schonzeit, wo sie nicht gefangen werden dürfen. Da weichen wir auf Zuchtfische aus. Die Fischer haben meistens auch eine eigene Fischzucht, da gibt es Saibling, Forelle, Lachsforelle. Grundsätzlich achte ich natürlich darauf, dass meine Zuchtfische aus einer Form der Aquakultur stammen, welche die lokale und regionale Bevölkerung nährt anstatt für den Export und damit auf Masse zu produzieren, die das Tierwohl achtet und ökologisch bewirtschaftet wird.

Was dürfen wir von Ihnen auf der Slow Fish 2019 in Genua erwarten?

Wir nehmen Süßwasserfische mit, die wir landestypisch zubereiten: Wir backen Hecht in Bierteig, dazu gibt es Kartoffelsalat. Von der Renke mache ich eine Bratrenke, so wie man einen Brathering macht. Die servieren wir lauwarm mit Salzkartoffeln. Wenn wir „Saibling-Matjesfilets“ von unserem Fischer bekommen, gibt es vorab Matjessalat als Gruß aus Bayern.

Was reizt Sie selber daran, vor Ort dabei zu sein?

Mich reizt die Messe an sich. Ich möchte mir ein Bild davon machen, wie sich Slow Food beim nachhaltigen Fischfang einbringen kann. Ich werde aber keine geschäftlichen Kontakte knüpfen können, weil Seefisch unserem Regionalitätsprinzip widerspricht.

Was bedeutet "Slow Food" für Sie?

Slow Food ist für mich ein Netzwerk Gleichgesinnter. Durch die Struktur als Verein ist sichergestellt, dass Slow Food eine unabhängige Organisation ist und sich nicht irgendwelchen Politikern verpflichtet fühlt. Und das Projekt „Arche des Geschmacks“ begeistert mich richtig. Wir haben in der Nähe in Hundham einen Züchter von Alpinen Steinschafen und in Fischbachau einen Biolandwirt, der unter anderem Murnau Werdenfelser Rinder hält.

Das Interview führte Katharina Heuberger.

Bild (c) Theresia Berger

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