Fischerei: Speisekarte mit gutem Gewissen

29.10.2019 - 2019 markiert ein sehr wichtiges Jahr für unsere Fischbestände und für die Meeresumwelt. Denn die EU hat sich verpflichtet, bis 2020 für eine nachhaltige Fischerei in unseren Meeren zu sorgen. Auch verantwortungsvolle Köchinnen und Köche aus dem Slow-Food-Netzwerk fordern zunehmend die Einhaltung dieses Ziels; zuletzt in Berlin bei einer gemeinsamen Stakeholder-Veranstaltung von Slow Food Deutschland, der Deutschen Umwelthilfe und Our Fish.

(c) Marion Hunger_3.JPGDas Ziel der Gemeinsamen Fischereipolitik, die Fischbestände bis 2020 auf ein ökologisch gesundes Niveau zu bringen, kann kaum mehr erfüllt werden. Dabei ist die Erholung der Fischbestände nötig - als Beitrag zum Klimaschutz, zur Erhaltung der biologischen Vielfalt und, um Fisch überhaupt verantwortungsvoll anbieten, zubereiten und verzehren zu können. Von den Folgen der inkonsequenten Fischereipolitik sind auch die Köchinnen und Köche in Deutschland betroffen. Mangelnde Transparenz, zu hoch angesetzte Fangquoten und andauernde Rückwürfe machen es ihnen inzwischen beinahe unmöglich, sich der Nachhaltigkeit des in unseren regionalen Meeren gefangenen Fischs gewiss zu sein.

Ein Abend für die sechs Sinne

Berliner Bouillabaisse_u.a. Karpfen Barsch (c) Marion Hunger_5.JPGGemeinsam mit der Deutschen Umwelthilfe und Our Fish lud Slow Food zu einem gemeinsamen Stakeholder-Abend ein. Auf dem Menü standen nicht nur fünf Gänge mit Köstlichkeiten aus heimischen Gewässern, sondern auch Wissensvermittlung und anregende Diskussionen über die aktuelle Situation der Fischpopulationen in Nord- und Ostsee. Zwischen jedem Gang gab es kurze inhaltliche Impulse verschiedener Expertinnen und Experten aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Den Anfang machten Dr. Nina Wolff, Beraterin für Fischereirecht und -politik sowie stellvertretende Vorsitzende von Slow Food Deutschland und Dr. Katja Hockun, Projektmanagerin für Meeresnaturschutz bei der Deutschen Umwelthilfe. Unstrittig für beide: Die EU muss sich an ihr selbst auferlegtes Recht halten und Grenzen wahren. Das sei das Mindeste, nicht zuletzt, um das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler nicht aufs Spiel zu setzen. Denn bei den Menschen, so bestätigte Franziska Jurczok, Leiterin der Naturbewusstseinsstudie des SINUS-Institut, rückt der Naturschutz zunehmend in das Bewusstsein. Nicht nur das: Die Menschen sehen Wirtschaft und Politik in der Pflicht, dass bedrohte Fischarten im Handel erst gar nicht angeboten werden. Verbraucherinnen und Verbrauchern ist es inzwischen fast unmöglich, unterschiedliche Preisniveaus zu verstehen und sich Fragen wie „Aus welcher Art von Fischerei kommt mein Fisch? Welche Handelsströme hat er hinter sich?“ selber beantworten zu können. Fisch stellt auch Köchinnen und Köche vor immer größere Herausforderungen.

Gastronome sind von der Politik allein gelassen

(c) Marion Hunger_6.JPGKulinarisch und inhaltlich begleiteten den Abend maßgeblich die zwei Mitglieder des Köche-Netzwerkes von Slow Food Deutschland, Christoph Hauser aus Berlin und Luka Lübke aus Bremen, zusammen mit Jochen Strehler aus Kiel. „Unter den aktuellen Rahmenbedingungen kann ich Fisch nicht mehr bedenkenlos auf die Speisekarte setzen“, erklärt Luka Lübke. Vielen ihrer Kolleginnen und Kollegen fehlt es auch an notwendigem Wissen, Fisch zuzubereiten. „Das aber lohnt sich nur aufzubauen, wenn wir wieder an ‚guten‘ Fisch drankommen“, erklärt sie. Christoph Hauser, Küchenchef und Inhaber des Restaurants Herz & Niere, unterstreicht die Verantwortung der Politik: „Die Politik muss die Rahmenbedingungen schaffen. Das aber tut sie nicht und lässt uns so völlig allein, wenn es um nachhaltigen Fisch geht. Wir müssen wieder lernen, Grenzen einzuhalten. Dafür müssen wir entbehren. Anders aber werden wir unsere Ressourcen auf Dauer nicht erhalten“. Alle drei Köchinnen und Köche des Abends waren sich einig, dass eine umsichtige Fischerei- und Ernährungspolitik die Basis für genussvollen Fischverzehr und Ernährung ist. „Wir müssen bei Lebensmitteln wieder deutlich mehr vor unserer eigenen Haustür kehren, wissen und schauen, was bei uns wächst und schwimmt. Denn das macht den wesentlichen Unterschied bei Qualität und Geschmack und auch, wenn es darum geht, für faire Bedingungen entlang der Wertschöpfung zu sorgen“, so Lübke abschließend. Bis das beim Fisch erreicht ist, wird noch viel Wasser die Spree herunterfließen.

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