„Ich kann nicht Karottenmus predigen und Leberwurstbrot essen“

01.04.2019 - Hubert Hohler (57) arbeitet seit über zwanzig Jahren als Küchenchef in der Klinik Buchinger Wilhelmi in Überlingen, die für ihre vegetarische Bio-Gourmetküche bekannt ist. 2007 schloss er sich der Slow-Food-Bewegung an und gründete die lokale Gruppe Slow Food Bodensee. Nun ist er auch Mitglied des Slow-Food-Netzwerks für Köche, der Chef Alliance, geworden. Im Interview berichtet er, wie er Gesundheit und Genuss zusammenbringt....

Chef-Alliance-Koch Hubert HohlerGut, sauber, fair“, das ist die Slow-Food-Philosophie. Wie setzen sie diese um?

„Gut“ bedeutet für mich, aus der Natur das Beste zu nehmen, also qualitativ hochwertige Produkte regional zu beziehen. Unter „sauber“ verstehe ich, dass wir ausschließlich biologisch angebaute Produkte verwenden. Wir sind zu 100 % biozertifiziert. Dabei kaufen wir überwiegend verbandszertifizierte Ware und belassen es nicht nur beim EU-Bio-Siegel. „Fair“ sind die guten Preise, die wir unseren Erzeugern zahlen. Wir wollen, dass der Produzent gut von seiner Arbeit leben kann.

Wie finden Sie Ihre Erzeuger?

Als ich das Slow Food Convivium Bodensee gründete, besuchten wir aus persönlichem Interesse viele Produzenten. Daraus sind im Laufe der Zeit Freundschaften entstanden, die später in Geschäftsbeziehungen mündeten. Außerdem habe ich hier ein Schlaraffenland. Während deutschlandweit der Anteil von Öko-Landwirtschaft noch unter zehn Prozent liegt, haben wir hier in der Bodenseeregion fast 20 Prozent. Wir sind alle gut miteinander vernetzt. Außerdem besuche ich fast alle meine Erzeuger, sogar bei meinen Olivenöllieferanten in Süditalien war ich schon.

Seit über 20 Jahren sind Sie Küchenchef in einer Klinikküche. Wie wird dort gekocht?

Unsere Küche ist rein vegetarisch mit einem ganz kleinen Anteil an Fisch. So liegt mein Schwerpunkt auf Obst und Gemüse. Dazu kommen noch Milchprodukte und Vollkornbackwaren. Wir achten aber nicht nur auf beste Qualität beim Einkauf, sondern sind beim Kochen sehr auf die Werterhaltung der Lebensmittel bedacht. Sie dürfen nicht zu viele Vitamine und Mineralstoffe verlieren. Darüber hinaus helfen wir dem Körper durch die Zubereitung der Rohstoffe, die Mineralien aufzuschließen. Hülsenfrüchte zum Beispiel müssen Sie richtig weich kochen und nachquellen lassen, sonst gibt es Blähungen und die Mineralien und die Vitamine der B-Gruppe können nicht verstoffwechselt werden, weil die noch in den Ballaststoffen gebunden sind.

Sind Sie auch Vegetarier?

Ich kann nicht Karottenmus predigen und Leberwurstbrot essen. Genuss und die Gesundheit auf dem Teller sind für mich absolut gleichberechtigte Partner! Beruflich wie privat – das ist komplett eins. Bei mir zuhause wird genauso gekocht wie in der Klinik, dazu gibt es etwa zweimal im Jahr Fleisch, sonst essen wir auch in der Familie vegetarisch-vollwertig. Gesunde Ernährung heißt für mich aber nicht, dass ich mich total beschränke. Ich bin Genussmensch. Wenn ich Fleisch esse, esse ich gerne fettes Fleisch. Ich mag auch sehr gerne Innereien, ich esse sie nur nicht täglich. Auch ein, zwei Gläschen Wein pro Woche gönne ich mir.

Mit welchen drei Zutaten aus Ihrer Region kochen Sie besonders gern? Sind auch Passagiere der Arche von Slow Food dabei?

Gebratenes Gemüse hat für mich eine große Anziehungskraft. In dieser Jahreszeit, wenn der Winter ins Frühjahr übergeht, finde ich Chicorée klasse. Auch Spargel esse ich sehr gerne gebraten, nicht gekocht, da verliert er zu viel Geschmack. Mit Gelber und Roter Bete koche ich sehr gerne. Ich verwende die ganze Pflanze, auch die Wurzel und die Blätter. Von den regionalen Arche-Produkten verarbeiten wir gerne die Höri Bülle zu Relish und Chutney, aus der Alblinse machen wir gerne Linsenkroketten mit indischem Tandoori-Gemüse. Viele Zutaten unserer Küche sind natürlich saisonal. Heute gehe ich zum Beispiel Frühlingsmorcheln sammeln und dann schaue ich, ob der Bärlauch schon Knospen hat. Die lege ich dann wie Kapern ein.

Auch in Ihrer Küche entstehen jeden Tag Gerichte, die Geschichten erzählen über die Menschen, Tiere und Landschaften, denen wir diese Produkte verdanken. Können Sie uns bitte eine davon erzählen.

Wir starten gerade ein Projekt mit Landwirten, um deren Gemüseüberproduktion im Sommer abzunehmen. Im Frühjahr und Herbst fragen die Verbraucher nämlich viel mehr Gemüse nach als im Sommer, da sind sie im Urlaub oder essen Früchte aus dem eigenen Garten. Der Bauer weiß, im August muss er einen Teil seiner Ernte auf den Kompost werfen. Wir machen daraus nun Gemüsegläschen. Es gibt Zucchini, Auberginen und Paprika in Tomatensoße. Das Rezept liefern wir, die Produktion übernimmt eine Manufaktur in der Gegend, die auch Slow-Food-Mitglied ist. Verkauft werden die Gläschen dann an unsere Klinikgäste, zum Mitnehmen. So haben Sie etwas Gutes und Gesundes für zuhause, entweder als Antipasti oder auch für Entlastungstage, wenn man mit leichter Gemüsekost, seinem Körper etwas Gutes tun möchte.

Rezept-Tipp: Gebratene Chicoreèfilets

Gebratene Chicoreèfilets Zutaten

2 Stück Chicorèe

1 Lorbeerblatt

½ TL Salz

5 Pfeffer

Essig

20 g Rotes Linsenmehl

4 g Bratöl

½ TL Petersilie gehackt

Zubereitung

Die Chicoreés 30 Minuten dämpfen, abtropfen lassen, etwas platt drücken und mit Salz, Pfeffer und Essig würzen. Im Linsenmehl wenden und in einer Pfanne mit wenig Bratöl bei mittlerer Hitze auf beiden Seiten goldgelb anbraten.

Servieren sie die Chicoreéfilets mit Gerstenrisotto oder Reis.
Als Sauce eignet sich eine gebräunte Gemüsejus.

Auf Youtube können Sie sehen, wie Hubert Hohler das Rezept zubereitet: 

https://www.youtube.com/watch?v=BWOfa1238vM&list=PLJqYz5EidEv2o7RwW1Z-q68aReBf6voeb&index=2&t=0s

Das Interview führte Katharina Heuberger.

Bilder (c) Buchinger Wilhelmi

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