Weihnachtsbäckerei: Es muss nicht immer üppig sein

06.12.2019 - Zimtsterne, Makronen, Vanillekipferl, Spitzbuben, Spritzgebäck: Jede Familie hat ihre Lieblingsplätzchen, die zur Adventszeit einfach dazu gehören und die schon die Mutter oder gar die Großmutter jedes Jahr im Dezember gebacken hat. Doch die Weihnachtsbäckerei war nicht immer so reichhaltig wie heute. Die „gute“ Butter und Eier waren für viele Leute nicht so leicht zu bekommen und außerdem teuer. Also mussten sie weggelassen oder ersetzt werden. Wer heutzutage auf allzu viele tierische Zutaten verzichten will, kann sich bei diesen Rezepten einiges abschauen.

Pixabay_congerdesign.jpg„Viele Plätzchen brauchen gar keine Eier“, weiß Barbara Stadler, Mitglied der Slow Food Chef Alliance und Küchenmeisterin im niedersächsischen Martfeld. Das klassische Beispiel sind die einfachen Ausstechkekse aus Mürbeteig, der allein aus drei Teilen Mehl, zwei Teilen Fett und einem Teil Zucker besteht. „Weihnachtsbäckerei war zwar vor allem in katholischen Gegenden immer schon üppig, aber Hühner legen im Winter normalerweise weniger Eier. Darauf stellten sich die Leute dann auch ein.“ In den historischen Rezeptsammlungen des Deutschen Kochbuchmuseums in Dortmund ist aber tatsächlich auch Eipulver zu finden: Schon seit 1821 griffen Profi- wie Laienköch*innen auf die getrocknete Zutat zurück, vor allem eben im Winter.

Heutzutage gibt es viele Tipps, wie sich Eier beim Backen ersetzen lassen. Zum Binden eignen sich auch eine halbe zerdrückte Banane oder zwei bis drei Esslöffel Apfelmus statt eines Eis. Oder aber einen Teelöffel geschroteten Leinsamen mit einem Esslöffel Wasser einige Minuten quellen lassen und einarbeiten. Auch 50 Gramm Seidentofu können ein Ei einsparen.

Not macht erfinderisch

Es waren aber vor allem die Kriegs- und Nachkriegsjahre, die erfinderisch machten. Als Mehlersatz findet sich in der Sammlung des Kochbuchmuseums der Tipp, durchgequetschte Kartoffeln oder gar Kartoffelpulver beizumischen. Kunsthonig ist eine weitere Zutat, die häufiger in alten Rezepten auftaucht: Es handelt sich dabei um eine Art eingedickten Zuckersirup, der sich aus Zucker, Wasser und etwas Zitronensäure leicht selbst herstellen ließ. Und dem Crunch von Nüssen und Mandeln wurde in so manchem Haushalt mit geröstetem alten Brot etwas nachgeholfen.

Auch Butter war knapp. Alternativen waren zum einen natürlich Schmalz oder Margarine, aber auch Quark oder dickerer Joghurt. „Bis zu 100 Gramm Butter lassen sich gut durch Quark oder Joghurt ersetzen“, sagt Barbara Stadler. „Die Molke bringt die Feuchtigkeit und das Milcheiweiß wirkt als Bindemittel.“ In alten Rezepten finden sich aber auch gekochte und durchgedrückte Möhren als Alternative zur Butter. Selbst im Stollen muss nicht unbedingt viel Butter (und auch Zucker) stecken: „Der Stollen ist ursprünglich ein Hefegebäck, das durch die Trockenfrüchte süß und saftig wird“, so Barbara Stadler. Schließlich galt der Advent früher – wie die Wochen vor Ostern – als Fastenzeit. Der Stollen durfte also gar nicht so gehaltvoll sein. Erst der sogenannte Butterbrief, den die Sachsen 1491 beim Heiligen Vater erwirkten, erlaubte die Beigabe von ordentlichen Mengen Butter. Seitdem kann der Stollen auch schon einige Wochen vor Weihnachten gebacken werden, ohne dass er frühzeitig austrocknet.

Weihnachtsgebäck zur Feier von Christi Geburt

Süß allerdings war das Weihnachtsgebäck immer, egal wie schlecht die Zeiten waren. Und das ist auch der Grund, warum die Tradition der selbst gebackenen Weihnachtsplätzchen noch gar nicht so alt ist, wie so mancher vielleicht vermutet. Denn Zucker war lange Zeit eine überaus teure Zutat, die aus weit entfernten Ländern importiert werden musste, in denen Zuckerrohr angebaut wurde. Auch exotische Gewürze wie Zimt, Anis, Nelken, Kardamom oder Vanille sowie Mandeln und Kakao waren längst nicht für jeden erschwinglich, nur begüterte Familien konnten sich das leisten. Geld hatten im Mittelalter aber auch die Klöster. Vermutlich ist hier der Ursprung der Weihnachtsbäckerei zu finden: Forscher*innen glauben, dass damals in den reichen Klöstern zur Feier von Christi Geburt aufwendige Backwaren hergestellt und dann an Bedürftige verteilt wurden.

Neben den Klosterbäckereien waren die Lebzelter*innen oder Lebküchner*innen lange Zeit die einzigen Süßwarenhersteller*innen. Die Zubereitung des schweren Lebkuchenteigs erforderte spezielle Kenntnisse und Zutaten: Mehl, Honig und edle Gewürze wurden miteinander vermischt, und der Teig musste so lange ruhen, bis er leicht gegoren und aufgegangen war. Der Sammelbegriff für Gewürze wie Kardamom, Ingwer, Muskat, Anis und anderen war damals „Pfeffer“ – deshalb heißen Lebkuchen bis heute auch Pfefferkuchen. Die Gewürze waren es auch, warum der Lebkuchen im Mittelalter als gesund und verdauungsfördernd galt. Diese Eigenschaften und nicht zuletzt der auch während der Fastenzeit erlaubte Genuss machte das Gebäck überaus beliebt. Die feinsten Exemplare kamen schon im 15. Jahrhundert aus Nürnberg. Die Stadt lag am Schnittpunkt der alten Salz- und Handelsstraßen, auf denen die Gewürze transportiert wurden, die in den Häfen von Genua und Venedig anlandeten. Zudem gab es in den riesigen Wäldern rund um Nürnberg zahlreiche Bienenvölker – und damit reichlich Honig.

Erst mit der industriellen Herstellung von Zucker aus Zuckerrüben wurde die süße Zutat etwa um 1825 zum Massenprodukt. Außerdem kamen im 19. Jahrhundert auch Speisesoda und Backpulver auf den Markt. Parallel entwickelte sich Weihnachten zum traditionellen Familienfest, bei dem möglichst gut gegessen wurde. Und zum üppigen Mahl gehörten dann auch die Plätzchen.

Die Adventszeit und Weihnachten ohne Plätzchen? Das ist heute undenkbar. Allerdings denken viele über Alternativen zu den tierischen Zutaten nach, sei es aus gesundheitlichen, ökologischen oder ethischen Gründen. Einsparen lässt sich auf alle Fälle einiges, ohne dass der Geschmack leidet – unsere Großmütter haben es vorgemacht.

Text: Birgit Schumacher

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