Slow Food Hamburg: Aktivitäten im Netzwerk machen soziale Nähe erlebbar

17.04.2020 - Yvonne Assmann ist Leiterin von Slow Food Hamburg. Langweilig wird es ihr in der Zeit der Corona-Pandemie nicht, denn der Austausch und die Aktionen zur gegenseitigen Unterstützung innerhalb von und rund um Slow Food Hamburg laufen auf Hochtouren. Im Interview berichtet sie von ihrer Hoffnung auf einen Wertewandel und über kreative Ideen.

Käse (c) Ingo Hilger.jpgWas bedeutet die aktuelle Situation für Ihre ehrenamtliche Arbeit im Rahmen von Slow Food?

So wie alle anderen Gruppen und Vereine mussten wir unsere Aktivitäten, die auf persönlichem Kontakt beruhen, einstellen und unser größtes Event, der Käsemarkt mit der Hobenköök im Mai, steht auf der Kippe. Deswegen bin ich inzwischen dazu übergegangen, unserem Netzwerk Unterstützung durch Öffentlichkeitsarbeit anzubieten. Beispielsweise habe ich ein Mailing an sämtliche Unterstützer und andere kleine Unternehmen aus dem Netzwerk geschickt mit der Frage, wie wir ihnen helfen können. Über die Kanäle von Slow Food Hamburg wie Newsletter und Facebook informieren wir kontinuierlich über Neuigkeiten und Angebote aus dem Netzwerk.

Gibt es Ideen und kreative Krisenlösungen, die Sie jüngst besonders beeindruckt haben?

Das Schönste ist, dass die Hamburger Markthalle Hobenköök gemeinsam mit Chef-Alliance-Koch Sebastian Junge vom Wolfs Junge und weiteren Partner*innen die hanseatische Gourmet Aktie entwickelt haben. Das Wertpapier öffnet einem nach der Krise die Tür zu neuen kulinarischen Erlebnissen in allen teilnehmenden Restaurants z.B. durch Rabatte, Vorkaufsrechte bei Events, aber auch durch monatliche kostenfreie Überraschungsmenüs.

Worin besteht für Sie in einer Zeit wie dieser die Stärke des Slow-Food-Netzwerkes?

In der gegenseitigen Unterstützung. Wir haben als lokale Gruppe in Hamburg zum Beispiel eine große Vertriebsaktion mit Catherine André, einer französischen Ziegenkäserin aus Norddeutschland umgesetzt. Mit ihr arbeiten wir seit der ersten Stunde unseres Engagements zusammen. Ich habe alle, die Slow-Food-affin sind angerufen, und ihnen die Dringlichkeit der Abnahme für solch einen kleinen Betrieb erklärt. Für Catherine André haben wir so den Vertrieb des aktuellen Käse- und Fleischbestandes organisiert und damit ihr Einkommen gesichert. Eine fantastische Aktion und Catherine möchte unsere Arbeit jetzt auch unterstützen, zum Beispiel durch das Ermöglichen von Hofbesuchen auf ihrem >> Ziegenhof Bachenbruch. Es war auch schön zu sehen, wie glücklich alle Abnehmer*innen über die Aktion waren. Sicher, weil sie aktiv beteiligt waren und sich so als Teil des größeren Ganzen, des Netzwerks, wahrgenommen haben.

Auch die kleine lokale Manufaktur >> Edelhof, die unter anderem Chutneys aus regional-saisonalen Früchten und Gin herstellt, hat für Ostern fertige Osterpakete geschnürt und Chutneys und Ziegenkäse angeboten. Sie wollen erfreulicherweise nun auch Unterstützer werden. Ich habe das Gefühl, dass uns die aktuelle Situation durch solche spontanen Aktionen als Netzwerk zusammenschweißt. Insgesamt erlebe ich die Menschen als verbindlicher und weniger oberflächlich. Soziale Nähe ist erlebbarer. Positiv ist auch, dass die Initiativen im Netzwerk eine unglaubliche Breitenwirkung haben und das Schneeballprinzip wirklich funktioniert. Für Aktionen wie dem Käseabverkauf haben unsere Mitglieder und Freunde ihren ganzen Bekanntenkreis aktiviert. Dann wird es zum Selbstläufer.

Welche gesellschaftlichen oder politischen Entwicklungen erhoffen Sie sich aus der aktuellen Situation?

Die Pandemie wirft viele Fragen auf, was gut und notwendig ist. Im Gespräch mit Menschen aus dem Netzwerk wird deutlich, dass wir andere politische Werte vertreten, als die, die gerade unsere Gesellschaft definieren, egal ob es um die Schnellebigkeit oder die globalisierten Handelsketten geht. Ich erhoffe mir grundsätzlich, dass diese Krisenzeit zu einer gesamtgesellschaftlichen Veränderung führt. Ganz besonders wünsche ich mir, dass wir unser Wertesystem hinterfragen. Dazu zählt für mich der Umgang mit unseren Kulturgütern, eben auch mit unseren Lebensmitteln. Aus meiner Sicht müssen wir uns den globalen Handel und die Allzeit Verfügbarkeit von Waren ohne Rücksicht auf Verluste vornehmen und wieder mehr auf kürzere, regionale Ketten setzen. Wir sollten uns Wertschöpfungsketten genauer anschauen und Zusammenhänge offener diskutieren. Was hat beispielsweise unser Export von Hühnchenteilen mit der Zerstörung afrikanischer Volkswirtschaften zu tun? Es ist grundlegend wichtig, alles was wir tun, mit mehr Wertschätzung und Achtsamkeit umzusetzen. Als SoLaWi-Mitglied bekomme ich mit, dass die solidarische Landwirtschaft gerade enormen Zulauf hat, was wirklich positiv ist. Diese Form der Entwicklung erhoffe ich mir nun Schritt für Schritt.

Rezept-Tipps von Yvonne Assmann:

>> Rote Beete Salat, Zanderfilets, Rumänisch Kraut, Kartoffelpüree, Kirschpudding

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