Warum es so wichtig ist, glokal zu denken und zu handeln - von Edward Mukiibi

Es gibt ein Wort, das mich schon fasziniert hat, als ich es zum ersten Mal hörte. In seinen zwei Silben steckt eine komplexe Bedeutung. Es ist das englische Adjektiv »glocal«, das im Deutschen ganz ähnlich »glokal« heißt – ein Wort gebildet aus den Begriffen global und lokal. Es beschreibt die weltweite Verbreitung lokaler kultureller Elemente dank neuer Kommunikationsmittel. Es kann aber auch eine politische Strategie bezeichnen, die darauf abzielt, die problematischsten Aspekte der Globalisierung zu korrigieren und ihre Chancen zu nutzen.

Das Konzept der Glokalisierung umfasst auch die Sozialtheorie. Es bezieht sich auf die Organisation von Gemeinschaften, die soziale Probleme weder als lokal noch als global betrachten, sondern als voneinander abhängig und miteinander verbunden. Der Schwerpunkt liegt auf einem tiefgreifenden Verständnis von Problemen und Veränderungsstrategien, das eine umfassende Vernetzung begünstigt und unterstützt.

Ich möchte, dass jeder, der sich mit Slow Food in der Welt verbunden fühlt, darüber nachdenkt. Wir sind eine globale Organisation, die lokal durch ein Netzwerk von Gemeinschaften handelt. Slow-Food-Gemeinschaften verändern die Welt durch eine Vielzahl von Aktionen, da die Dachstruktur Dinge organisiert, fördert, kommuniziert und Prioritäten festlegt.

Im Jahr 2002 besuchte ich ein Gymnasium, dessen Motto mir immer noch im Gedächtnis geblieben ist: »Global denken und lokal handeln«. Unser Schulleiter betonte immer, dass wir bei allem, was wir vor Ort zu Hause oder in einem größeren lokalen Zusammenhang in Angriff nahmen, das Ziel verfolgen sollten, die globale Gemeinschaft zu verbessern. Und dass wir unser Herz und unseren Verstand öffnen sollten für das, was Menschen weit weg von uns erleben – denn wir könnten immer etwas tun, um die Dinge zu verbessern, auch jenseits unserer territorialen oder thematischen Grenzen.

20 Jahre später kamen mir die Worte dieses Lehrers wieder in den Sinn, als ich die Rede von Carlo Petrini auf dem Internationalen Slow-Food-Kongress 2022 hörte: Er plädierte für die globale Ernährungssouveränität als Mittel zur Bewältigung der Klimakrise – beginnend mit lokalen Aktionen, die einer globalen Bewegung zugute kommen, die weit reicht und jenseits unserer Ländergrenzen Wirkung zeigt. Carlo hat Slow Food immer mit einer Patchwork-Decke verglichen: Die farbigen Kacheln sind die Knoten des Netzwerks, also Gemeinschaften und lokale Gruppen. Die Organisation dagegen ist der Faden, der die Kacheln zu einer wärmenden Decke zusammenfügt. Ohne den Faden wären die einzelnen bunten Flecken verstreut und nutzlos. Diese Metapher scheint mir sehr passend, um unsere Arbeitsweise zu veranschaulichen. Wir sollten uns Slow Food nicht als pyramidale, von oben nach unten gerichtete Organisation vorstellen, sondern als eine leichte und fließende Patchwork-Decke.

Lassen Sie mich einige Beispiele nennen:

  • In der argentinischen Region Gran Chaco wurden 2.626 Indigene im Rahmen des von der Europäischen Union finanzierten und in Zusammenarbeit mit Slow Food durchgeführten »Proyecto Niyat« geschult. Damit konnten in den vergangenen drei Jahren in 24 indigenen Gemeinschaften konkrete Maßnahmen durchgeführt werden, um die Ernährungssicherheit und die Bildungsmöglichkeiten zu verbessern.
  • Slow Food International, Slow Food Uganda und Slow Food Kenia organisierten eine Regionale Akademie für Ausbilder für agrarökologische und indigene Ernährungssysteme. An der sechsmonatigen Schulung nahmen Interessierte aus Äthiopien, Kenia, Malawi, Nigeria, Somalia, Südafrika, Tansania, Uganda, Sambia und Simbabwe teil.
  • Und auch die »Gärten für Afrika«, für die in Deutschland beispielsweise das Convivium Aachen Partnerschaften organisierte und finanzierte, sind ein wunderbares Beispiel für »glokales« Handeln.

Diese und viele andere bunte Flecken in der Slow- Food-Patchworkdecke zeigen deutlich, wie viel wir bei dem Ziel, das Lebensmittelsystem zu verändern, erreichen können, wenn wir als globale Bewegung zusammenarbeiten.

von Edward Mukiibi, seit 2022 Präsident von Slow Food International

erschienen im Slow Food Magazin 02/2024

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