Kommentar zur EU-Fischereipolitik

12.8.2013 – Die Staaten der Europäischen Union haben sich auf eine Reform ihrer gemeinsamen Fischereipolitik geeinigt. Lesen Sie die ausführlichen Slow Food Stellungnahmen zu den kritischen Punkten.

Reform der EU-Fischereipolitik: Slow Food kommentiert

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Am 10. Juli hat die EU-Fischereikommission für die Wiedereinführung von Subventionen für den Bau von neuen Schiffen und die Modernisierung der EU-Flotten gestimmt. Diese Mittel würden die Lebensdauer der übergroßen europäischen Flotte verlängern und weiter zur Überfischung beitragen. Die Abstimmung der Kommission bezog sich auf den Europäischen Fischereifonds (EFF), den dritten Schritt im Reformpaket der EU-Fischereipolitik (Quelle: Ocean2012).

Die Abstimmung hat gezeigt, dass nachhaltige Zielsetzungen den Interessen der Boots- und Schiffbaulobby weiter untergeordnet werden, und dass die Zukunft von Meeren und der Fischerei in Europa wieder einmal auf dem Spiel steht.

In welche Richtung bewegt sich die Gemeinsame Fischereipolitik? Ein Blick auf die einzelnen Maßnahmen, über die die EU-Fischereikommission am 10. Juli abgestimmt hat, enthüllt zweifelsohne ein Mehr an Enttäuschungen gegenüber ein paar schmalen Befriedigungen.

Zwar ist es positiv, dass Nachhaltigkeit als wichtig anerkannt wird. Allerdings bleibt der Eindruck, dass der Begriff lediglich als wichtig-klingende leere Worthülle genutzt und nicht als echtes Ziel verfolgt wird. Zu viele Punkte fehlen im Reformtext, zu viel bleibt oberflächlich, als dass wir wirklich zufrieden sein könnten. Das fängt schon damit an, dass keine Prioritäten gesetzt wurden, bei denen ökologische Nachhaltigkeit an oberster Stelle stehen müsste. Tatsächlich ist in dieser Hinsicht keine klare Position bezogen worden, als ob die Entscheidungsträger kein Verständnis dafür hätten, dass „Umweltschutz die Voraussetzung für den wirtschaftlichen und sozialen Nutzen aus Fischereiaktivitäten [ist]“, so Silvio Greco, Slow Food-Beauftragter für Umweltfragen.

Was die Zuweisung von Geldern für eine bessere Beifangkontrolle betrifft, so scheint es sehr naiv, im europäischen Kontext mit 83.014 Fischereifahrzeugen (Stand September 2011) zu erwarten, dass durch Beobachtung der Rückwurf von toten Fischen ins Meer unterbunden werden kann. Nach Slow Food-Ansicht liegt die Lösung anderswo, nämlich in der Verbesserung der Selektivität von Fischereiausrüstung, eine der wenigen Maßnahmen, die wirklich die negativen ökologischen Folgen der Fischerei reduzieren könnte.

Es scheint, dass alle Mittel auf andere Ziele gelenkt würden. Allerdings weder in die Forschungsfinanzierung, die mit besserer Unterstützung ein klareres Bild der tatsächlichen Situation unserer Meere bieten könnte, noch in verbesserte Umweltschutzmaßnahmen. Die Lieblingstöpfchen für Subventionen scheinen die Kapazitätsvergrößerung der europäischen Flotte und die Entwicklung von Aquakulturen. „Aber wie kann es nachhaltig sein, dass man Raubfische züchtet, die mit Fischmehl gefüttert werden und die eine viel zu hohe Futterverwertungsrate haben?“ fragt Piero Sardo, Präsident der Slow Food Stiftung für biologische Vielfalt. „Die Zucht von Muscheln und pflanzenfressenden Fischen ist eine Sache, aber man kann so nicht für Lachs, Seebrassen und Goldbarsche argumentieren.“

Der Reformtext berücksichtigt ebenso wenig die Unterschiedlichkeit der verschiedenen Fischereigebiete. Regionalisierung in der Fischerei ist zwar ein weit entferntes Ziel, aber eine weitere Ebene der Definition von Revieren/Fanggebieten/Gemeinschaften wäre zu begrüßen. Dadurch wären der handwerklichen Kleinfischerei ein besserer Schutz und Mitsprachemöglichkeiten gewährleistet.

Unsere letzte Hoffnung auf einen Umschwung ruht auf der Plenarabstimmung, die für den Herbst geplant ist. Derzeit ist der Ausblick für ökologische Nachhaltigkeit allerdings trübe.

Text: Silvia Ceriani
Übersetzung: Anke Klitzing

Foto: Kleinfischer in der Lagune von Venedig (Italien) | © Margret Artzt

Weitere Informationen: 
Reformvorschlag zur Gemeinsamen Fischereipolitik bei der EU
Ausführlicher Slow Food Kommentar zu den einzelnen Reformmaßnahmen (PDF)

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