EU-Kommission muss jetzt die Abkehr von synthetischen Pestiziden rechtlich flankieren

28.02.2022 – Slow Food und über 60 weitere europäische Organisationen haben eine gemeinsame Erklärung an den Vizepräsidenten der Europäischen Kommission Frans Timmermans und an die Kommissarin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit Stella Kyriakides gesandt. Sie drücken darin ihre tiefe Besorgnis über den mangelnden Ehrgeiz des vorab bekannt gewordenen Vorschlagsentwurfs der Kommission für eine Verordnung über die „nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln“ aus, der am 23. März 2022 veröffentlicht werden soll. Gemeinsam stellen die Organisationen zehn Forderungen, die grundlegend für eine ambitionierte Verordnung sind.

Trotz des offensichtlichen Scheiterns der aktuellen Pestizid-Richtlinie (Sustainable use of pesticides directive; SUD) bei der Reduzierung von Pestiziden in der EU ist der Entwurf der Kommission nach Ansicht der 60 zivilgesellschaftlichen Organisationen nicht geeignet, die notwendigen Veränderungen herbeizuführen, um den Übergang der europäischen Landwirtschaft zur Agrarökologie sicherzustellen.

„Wir erinnern die Kommission daran, dass 1,2 Millionen Europäer die Bürgerinitiative ‚Bienen und Bauern retten‘ unterzeichnet haben, die eine 80-prozentige Reduzierung synthetischer Pestizide bis 2030 und vor allem einen klaren Fahrplan dafür fordert, wie Europa bis 2035 den Einsatz synthetischer Pestizide stufenweise eliminieren wird. Ohne ein vollständiges Verbot hochgradig schädlicher Praktiken und die Festlegung des Übergangs zur Agrarökologie als klare Ziele der Verordnung kann es zu keiner echten Verbesserung gegenüber der SUD kommen“, sagt Madeleine Coste, Policy Officer bei Slow Food Europe in Brüssel.

Auch wenn nach Auffassung der Organisationen der Verordnungsvorschlag zu einer besseren Umsetzung politischer Ziele beitragen könnte, halten sie viele Aspekte für besorgniserregend und stellen zehn Forderungen an die Kommission, um ihren Entwurf zu verbessern. Dazu gehören eine andere Definition des „integrierten Pflanzenschutzes“ mit Vorrang für agrarökologische Praktiken und der Ausschluss von Anreizen für Präzisionslandwirtschaft und gentechnische Verfahren. „Mit dem neuen Rechtsrahmen muss die Kommission ehrgeizige und verbindliche Reduktionsziele festsetzen und die Abkehr vom industriellen Landwirtschaftsmodell und der strukturellen Pestizid-Abhängigkeit ermöglichen. Landwirtinnen und Landwirte müssen in die Lage versetzt werden, mit der und für die Natur zu arbeiten, anstatt sie zu zerstören und die menschliche Gesundheit zu gefährden“, sagt Nina Wolff, Vorsitzende von Slow Food Deutschland.

Seit der Verabschiedung der SUD im Jahr 2009 gibt es immer mehr wissenschaftliche Belege für die negativen Auswirkungen von Pestiziden und Chemiecocktails auf alle Ökosysteme, die biologische Vielfalt und die menschliche Gesundheit, insbesondere die von Landwirt*innen. Der Übergang zu einem nachhaltigen und giftfreien Lebensmittelsystem, das auf der Agrarökologie basiert, ist sowohl möglich als auch notwendig, wie Studien von INRAE und IDDRI zeigen.

Inhaltspezifische Aktionen