Erfurt: Slow Food Wurzeltour Im Land der Bienen

Am 12. Mai 2017 erkundeten rund 20 Thüringer das Land der Bienen von Schloss Tonndorf und lernten die Arbeit der Schlossimker kennen. Begleitet wurden sie dabei von Michael Grolm. Der Berufsimker kümmert sich bereits seit 2006 um die Bienenhochburg am nördlichen Rand des Thüringer Waldes. Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Wurzeltour waren von seinem langjährigen Engagement und Wissen über die „Golden Girls der Lüfte“ begeistert.

In einem unbekannten Land: Die Bienenvölker von Schloss Tonndorf

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In der Schlossimkerei stehen die Bedürfnisse der Bienen sowie das traditionell-handwerkliche Arbeiten an erster Stelle. Die vielen Hektar Wiesen- und Ackerflächen sowie die seltenen und alten Obstbaumsorten des Schlossgeländes bieten den Bienen ein paradiesisches Umfeld und eine ausgewogene Ernährung. An den Bienenkörben und -kästen aus längst vergangenen Zeiten gab Michael Grolm einen Abriss zu den historischen Ursprüngen der Imkerei und erklärte anschaulich die einzelnen Produktionsschritte des Streuobstwiesenhonigs. Denn dieser wird vor Ort auf Schloss Tonndorf gewonnen, geschleudert und weiterverarbeitet. Als ersten kulinarischen Höhepunkt konnten die Gäste das intensive blumig-süße Aroma direkt vom Bienenstock kosten.

Doch ging es bei der Tour nicht nur um Genuss. Die Teilnehmer hatten drängende Fragen zur Zukunft deutscher Bienenbestände im Gepäck: Was macht den Bienenvölkern in Deutschland das Leben so schwer? Wie können wir einem weiteren Kollaps ihrer Bestände entgegen-wirken? Dazu diskutierten Jung und Alt gemeinsam mit Michael Grolm und Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland. „Die verfehlte Agrarpolitik muss endlich ein Ende haben. Stattdessen muss die Politik die Betriebe fördern, die schon heute ihren Beitrag für die Gesellschaft leisten, indem sie die Artenvielfalt sichern und neu entstehen lassen. Die, die sich aktiv für den Tierschutz engagieren, neue Arbeitsplätze und eine Wertschöpfung für die Region schaffen, müssen unterstützt werden. Allen anderen sollte der Subventionshahn zugedreht werden,“ fordert Michael Grolm.

Welche Rolle intakte Obstbaumkulturen für das Wohlbefinden von Bienen spielen, erfuhren die Tourgäste auf den Streuobstwiesen in Büßleben. Die Wiesen sind im Besitz eines Bio-Bauern, der sie Michael Grolm und seinen rund 50 Bienenvölkern zur Verfügung stellt.

Bild oben: Während der Wurzeltour konnten die Teilnehmer den blumig-süßen Geschmack des Honigs direkt vom Bienenstock kosten.

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Kulinarischer Abschluss im Erzeugerladen in Erfurt

Bevor die Thüringer zurück in ihre Heimatorte fuhren, trafen sie sich zu einem gemeinsamen Abschluss der Wurzeltour und einer Verkostung im neu gegründeten Erzeugerladen in Erfurt. Hier bieten zehn Lebensmittelerzeuger aus Thüringen ihre Produkte an. Allen gemeinsam ist ihnen ihre persönliche Überzeugung für regionale, handwerkliche und fair produzierte Lebensmittel, die Liebe zu ihren Berufen und zur Natur. Sie bieten neben Honig auch Backwaren, Milch, Käse und Wurst an.

„Ich war beeindruckt, mit welcher Aufmerksamkeit und Neugierde die Teilnehmenden dabei waren. Viele von ihnen hatten sich zuvor noch nie in so unmittelbare Nähe zu Bienen getraut,“ so Ursula Hudson, „Nur die räumliche Nähe zwischen den Erzeugern unserer täglichen Lebensmittel und Konsumenten kann der wachsenden Entfremdung entgegenwirken. Verbraucher lernen, sich wieder verantwortlich zu fühlen – dafür, wie und was sie essen.“

Bild oben: Im neu gegründeten Erzeugerladen in Erfurt bieten zehn Lebensmittelerzeuger aus Thüringen Produkte wie Honig, Backwaren, Milch, Käse und Wurst an.

© Rose Schweizer / Slow Food Deutschland e. V.

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Auf Schloss Tonndorf stehen die Bedürfnisse der Bienen sowie das traditionell-handwerkliche Arbeiten an erster Stelle.

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Bienenschwund: "Verantwortung trägt die verfehlte Agrarpolitik!"

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19.5.2017 – Berufsimker Michael Grolm (li.) kümmert sich seit 2006 um rund 150 Bienenvölker auf Schloss Tonndorf am nördlichen Rand des Thüringer Waldes. Slow Food Deutschland besuchte ihn, um mehr über Bienenhaltung und Erzeugung von Honig zu erfahren. Rose Schweizer und Sarah Niehaus befragten den Imker zu den Ursachen des Bienenschwunds und was Politik und Verbraucher dagegen tun können.

Slow Food Deutschland: Bienen sind als Bestäuber unverzichtbar für die Erzeugung etwa eines Drittels unserer Nahrungsmittel: Wer und was also macht den Bienenvölkern in Deutschland das Leben so schwer?

Michael Grolm: Verantwortung trägt die verfehlte Agrarpolitik. Diese sorgt lediglich dafür, dass die Landwirte und Betriebe, die viel habe, noch mehr bekommen und die, die nichts haben, nichts bekommen. Immer mehr Kleinbauern und nachhaltig arbeitende Landwirte sind gezwungen, ihre Höfe dicht zu machen. Es überleben die Großbetriebe, die Kulturlandschaft wird zunehmend ausgeräumt und die Vielfalt bleibt auf der Strecke. Wir haben zum Beispiel nur noch ein Fünftel bis ein Drittel der Insekten, die es einmal gab. Auch für die Bienen verhindern Monokulturen und der Einsatz immer giftigerer Spritzmittel eine ausgewogene Ernährung. Das macht sie immer anfälliger für alle möglichen Krankheiten.

Was fordern Sie von der Politik, um dem fortschreitenden Bienenkollaps entgegen zu wirken?

Die Politik muss dringend Nachwuchs für die Landwirtschaft gewinnen, damit neue innovative Betriebe entstehen. Dazu aber braucht die Jugend entsprechende Flächen an Land. Es braucht außerdem Fördermittel für die Betriebe, die schon heute ihren Beitrag für die Gesellschaft leisten, indem sie das Artensterben aufhalten, die Artenvielfalt sichern und neu entstehen lassen. Wir müssen die Unternehmen, die sich aktiv für den Tierschutz engagieren, die neue Arbeitsplätze schaffen und eine Wertschöpfung für die Region hervorbringen, unterstützen. Allen anderen, das fordere ich, sollte der Subventionshahn zugedreht werden.

Können Verbraucher einen konkreten Beitrag zur Verbesserung des Bienenlebens leisten?

Wenn ja, wie sieht dieser aus? Ja, jeder kann und sollte einen Beitrag leisten. Das können Verbraucher, indem sie regionale Produkte kaufen, idealerweise Bioprodukte direkt vom Bauern, die nicht gespritzt werden. Wenn sie nicht direkt beim Erzeuger kaufen können, sollten sie Wert auf Produkte mit entsprechenden Labels wie zum Beispiel Bioland und Demeter legen. Natürlich kann man auch seinen Garten entsprechend bienenfreundlich gestalten, damit da auch was blüht, was die Bienen nährt.

Was macht die Schlossimkerei zur Bienenhochburg am nördlichen Rand des Thüringer Waldes?

Wir setzen auf Vielfalt in vielerlei Hinsicht: Wir haben insgesamt 150 Bienenvölker. Auf diese Anzahl gerechnet ermöglichen wir viele Arbeitsplätze. Wir haben vier Vollzeitbeschäftigte, inklusive Auszubildende sowie rund 20 Schülerpraktikanten im Jahr. Dies ist nur möglich, weil wir auf Veredelung und Weiterverarbeitung von Honig setzen. Neben reinem Honig stellen wir Kosmetik aus Imkereiprodukten wie Honig, Wachs und Propolis her und erzeugen Honigweine, -schokolade und -senf. Wir bieten außerdem Dienstleistungen wie Führungen durch unseren Bienenschaugarten an, beispielsweise für Schulklassen und Imkervereine.

Das geht über Bienen hautnah erleben hinaus. Vielmehr leisten wir damit einen wichtigen Beitrag für politische Bildungsarbeit. Und wir machen Politik und mischen uns aktiv in die Agrarpolitik ein, hier in Thüringen und deutschlandweit. Ich erfülle das in meinen Rollen als aktives Slow Food Mitglied und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft in Mitteldeutschland. In dieser Funktion koordiniere ich nicht nur Demonstrationen für eine nachhaltigere Landwirtschaft, sondern auch das Landfilmfestival in Thüringen. Ich stehe außerdem im ständigen Austausch mit Politikern auf Landes- und Bundesebene.

Wie sind Sie zur Imkerei gekommen?

Durch meinen Vorarbeiter während meiner Ausbildung zum Landschaftsgärtner. Der war Imker und hat mich für Bienen begeistert. Mit der Imkerei habe ich dann zunächst in meiner Freizeit angefangen und mich um ein Bienenvolk gekümmert. Dann habe ich Landwirtschaft studiert, um Bauer zu werden. Als ich nach dem Abschluss keinen Hof bekam, habe ich stattdessen mein Hobby zum Beruf gemacht und bin Berufsimker geworden und betreibe damit Landwirtschaft.

Bild: © Rose Schweizer / Slow Food Deutschland e. V.

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