„Schöner“ neuer Passagier: Slow Food schützt Oberlausitzer Apfelsorte

Mit der Arche des Geschmacks rettet Slow Food alte Nutztierrassen, Kulturpflanzen und Lebensmittel vor dem Vergessen. Schützenswert ist auch die hiesige farbliche, aromatische und genetische Apfelvielfalt, die so vielfältig nicht mehr ist. Der neueste Passagier an Bord der Arche heißt daher „Schöner von Herrnhut“, eine traditionelle Apfelsorte aus der Oberlausitz.

Jede*r kennt sie, die meisten mögen sie, ob unverarbeitet oder als Saft, in Kuchen, Keksen oder herzhaften Gerichten. Die Rede ist von Äpfeln. Dass unsere Supermarktauslage voll von ihnen ist, verrät nichts über ihre wahre Vielfalt. Die ist inzwischen allerdings enorm reduziert; ein Trend, der in den 1970er Jahren seinen Höhepunkt erreichte, als nur noch zählte, welche Ware sich gut anbauen und handeln ließ. Golden Delicious, Jonathan und Cox Orange wurden zur Basis für die Züchtung unseres modernen Tafelobstes. Das Ergebnis sind die heute gängigen Supermarktäpfel, die vor allem süß und saftig sind. Der Genuss regional und saisonal wechselnder Sorten blieb auf der Strecke. Genau der aber ist Slow Food wichtig, weshalb der Verein regionaltypische Apfelsorten in die Arche des Geschmacks aufnimmt.

Der „Schöne von Herrnhut“, umgangssprachlich auch „Herrnhuter“, ist die sechste Apfelsorte in der Arche. Er erhielt seinen Namen durch den Ort Herrnhut, wo er 1880 gefunden wurde. Im Handel war er ab 1900 erhältlich. Einst ein wichtiger Bestandteil der ursprünglichen Streuobstwiesenlandschaft in der Oberlausitz, wird er heute nur noch vereinzelt angebaut – auf Wiesen, in Hausgärten und an Straßenrändern. Die Entwicklung weg vom extensiven Hochstammobstbau als Bestandteil landwirtschaftlicher Betriebe hin zu spezialisierten Obstbaumbetrieben mit intensiv gepflegten Niederstamm-Plantagen verdrängte ihn. Dabei ist der Herrnhuter ein guter Tafel-, Saft- und Wirtschaftsapfel. Er ist saftig, süßsäuerlich und aromatisch, hat zartes Fruchtfleisch und eignet sich besonders zum Frischverzehr und zur Saftherstellung. Typisch für ihn sind die rötlichen Adern, die sich durch das Fruchtfleisch bis zur Stielgrube ziehen. Als robuste Sorte mit geringen Anforderungen an Boden und Klima machen seinen Anbau auch in Extrem- und Höhenlagen möglich.

Der Herrnhuter hat einen hohen Gehalt an Polyphenolen. Das sind aromatische Verbindungen, die zu den sekundären Pflanzenstoffen gehören und antioxidativ, antiviral und antimikrobiell wirken. Äpfel mit einem hohen Polyphenolgehalt jedoch sind weniger gern gesehene ‚Gäste‘ im Supermarkt, weil sie nicht die „perfekte“ Form haben und sich ihr Fruchtfleisch nach dem Anschnitt schneller braun färbt. Slow Food aber rät Verbraucher*innen zum Griff nach regionalen Obstsorten statt Standardware. Gerhard Schneider-Rose, Leiter der SFD-Arche-Kommission, erklärt warum: „Wenn wir die Vielfalt unserer alten Apfelsorten und den Anbau auf Streuobstwiesen schützen und nutzen, bewahren wir nicht nur die phantastische Vielfalt der Aromen und einen wichtigen Genpool. Der Anbau an Klima und Boden angepasster Sorten macht auch den Einsatz von Pestiziden und Kunstdüngern sowie künstliche Bewässerung überflüssig. Solche Wiesen gestalten Landschaften und bieten Lebensräume für zahlreiche Insekten, Vögel und Wildblumen.“

Der Herrnhuter ist in Baumschulen in der Oberlausitz sowie überregional in Baumschulen erhältlich, die sich auf alte Obstsorten spezialisiert haben. Weitere Äpfel in der Arche sind: Jakob-Fischer-Apfel, Lausitzer Nelkenapfel, Birkenfelder Rotapfel, Luikenapfel, Finkenwerder Herbstprinz.

» Details zum Herrnhuter mit Bezugsquellen für Äpfel, sortenreinen Saft und Destillat
» Informationen zur Arche des Geschmacks
» Slow-Food-Position zur Biokulturellen Vielfalt

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