UN-Auszeichnung Arche des Geschmacks

4.6.2014 - Die Arche des Geschmacks wurde gestern im Rahmen der UN-Dekade Biologische Vielfalt 2011 bis 2020 der Vereinten Nationen ausgezeichnet. Die Arche des Geschmacks ist ein internationales Projekt der Slow Food Stiftung für Biodiverstität, das vom Verschwinden bedrohte Nutztiere, Nutzpflanzen und Lebensmittel retten will. Durch das Auszeichnen von Projekten, die sich in vorbildlicherweise für biologische Vielfalt einsetzen, soll das Thema ins öffentliche Bewusstsein gerückt werden.

UN-Dekade Biologische Vielfalt: Slow Food Arche des Geschmacks ausgezeichnet

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Die Slow Food Arche des Geschmacks arbeitet schon seit 1996 für den Schutz der biologischen Vielfalt, in Deutschland und weltweit, weil die Vielfalt der regionalen Tierrassen, Pflanzensorten und Lebensmittel auch die Vielfalt auf dem Teller garantiert. "Vielfalt sorgt für das Gleichgewicht in der Natur und ermöglicht es Menschen, sich vielfältig und nachhaltig zu ernähren. Die Folgen einer mangelnden biologischen Vielfalt hat die Menschheit in ihrer Geschichte schon öfter hart zu spüren bekommen, ob natürlich bedingt oder als Konsequenz der industrialisierten, monokulturellen Landwirtschaft. Biodiversität kräftigt die Landwirtschaft auf eine natürliche Art und Weise," sagt Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland e. V.

Mit diesem vorbildlichen Projekt wird ein bedeutendes Zeichen für das Engagement für die biologische Vielfalt in Deutschland gesetzt. Die Arche des Geschmacks sammelt und beschreibt fast vergessene, traditionelle Lebensmittel, Kulturpflanzen und Nutztierrassen: "Sie sind oft in Gefahr völlig zu verschwinden, weil ihre Herstellung aufwändig ist, sie selten auf den Markt kommen und so weniger gegessen werden. Was nicht nachgefragt wird, wird auch nicht produziert," erklärt Hudson. Das Gegenmittel ist einfach: Essen, was man retten will! Ausnahmen sind allerdings gefährdete wildwachsende Nahrungsmittel, die man weniger oder nicht essen soll, um ihren Erhalt und ihre Vermehrung zu ermöglichen.

Slow Food will diese traditionellen Spezialitäten wieder bekannt machen, um sie zu erhalten. Seltene lokale Produkte können innerhalb weniger Generationen ganz verloren gehen, wenn sie nicht weiter angebaut, gezüchtet oder hergestellt werden - und mit ihnen das Wissen und Können um ihre Herstellung. Aber jeder kann sich für den Erhalt der seltenen Spezialitäten einsetzen, in dem er einen Kandidaten zur Arche des Geschmacks anmeldet, ein Arche-Erzeugnis isst oder die Geschichte des Produkts und seiner Erzeuger weitererzählt und lebendig hält. Derzeit beherbergt die Arche des Geschmacks in Deutschland etwa 50 Lebensmittelprodukte, die sogenannten Arche-Passagiere - weltweit sind es mehr als 1.700 Passagiere in über 80 Ländern.

Dieser Einsatz hat die Juroren und Jurorinnen des UN-Dekade-Wettbewerbs sehr beeindruckt. Neben einer Urkunde und einem Auszeichnungsschild erhält Slow Food Deutschland einen "Vielfalt-Baum", der symbolisch für die bunte Vielfalt und einzigartige Schönheit der Natur steht, zu deren Erhaltung die Slow Food Arche des Geschmacks einen wertvollen Beitrag leistet. Ab sofort wird das Projekt auf der deutschen UN-Dekade-Webseite unter www.un-dekade-biologische-vielfalt.de vorgestellt.

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Slow-Food-Projekt überzeugt Jury

Das ausgezeichnete Projekt hat an dem Wettbewerb der UN-Dekade Biologische Vielfalt teilgenommen; eine namhafte Jury hat über die Qualität der eingereichten Projekte entschieden. Der fortlaufende Wettbewerb wird von der Geschäftsstelle der UN-Dekade Biologische Vielfalt mit Sitz in Osnabrück ausgerichtet. Die Auszeichnung dient als Qualitätssiegel und macht den Beteiligten bewusst, dass ihr Einsatz für die lebendige Vielfalt Teil einer weltweiten Strategie ist. Möglichst viele Menschen sollen sich von diesen vorbildlichen Aktivitäten begeistern lassen und die ausgezeichneten Projekte als Beispiel zu nehmen, selbst im Naturschutz aktiv zu werden. Die natürliche Vielfalt zu schützen, bedeutet nicht nur, die Schönheit der Natur zu bewahren. Es bedeutet auch, die Grundlagen des Überlebens von uns allen zu sichern.

Die Auszeichnung zum UN-Dekade-Projekt findet im Rahmen der Aktivitäten zur UN-Dekade Biologische Vielfalt statt, die von den Vereinten Nationen für den Zeitraum von 2011 bis 2020 ausgerufen wurde. Ziel der internationalen Dekade ist es, den weltweiten Rückgang der biologischen Vielfalt aufzuhalten. Dazu strebt die deutsche UN-Dekade eine Förderung des gesellschaftlichen Bewusstseins in Deutschland an. Die Auszeichnung nachahmenswerter Projekte soll dazu beitragen und die Menschen zum Mitmachen bewegen.

Interessierte Einzelpersonen, ehrenamtlich Tätige und Institutionen die sich für die Erhaltung der biologischen Vielfalt durch Forschungs-, Bildungs- oder Naturschutzmaßnahmen einsetzen, sind eingeladen sich an dem fortlaufenden Wettbewerb zu beteiligen. Die Jury entscheidet etwa halbjährlich über die Auszeichnungen. Seit Juni 2012 werden wöchentlich beispielhafte Projekte zur UN-Dekade Biologische Vielfalt ausgezeichnet und offiziell vorgestellt. Eine entsprechende Bewerbung als UN-Dekade-Projekt kann ausschließlich online bei der Geschäftsstelle UN-Dekade Biologische Vielfalt unter www.un-dekade-biologische-vielfalt.de eingereicht werden.

Im Bild oben: Die UN-Dekade-Auszeichnung für das Projekt "Arche des Geschmacks" wird auf dem 6. Nationalen Forum in Berlin übergeben. V.l.n.r.: Elsa Nickel, Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Nina Ruge, Moderatorin der Veranstaltung und UN-Dekade-Botschafterin, und Veronica Veneziano, Projektleiterin für Biodiversität und die Arche des Geschmacks bei Slow Food Deutschland e. V. | © UN-Dekade Biologische Vielfalt

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Die Passagiere der Slow Food Arche des Geschmacks

Die große Mehrheit der Passagiere sind vom Aussterben bedrohte Nutztierrassen und Kulturpflanzensorten. Die kleinere Gruppe sind handwerklich hergestellte Lebensmittel wie Wurst- und Käsespezialitäten oder Backwaren, die nur noch von wenigen Herstellern erzeugt werden.

Alleine im letzten halben Jahr hat sich die Arche des Geschmacks in Deutschland um zw ölf Passagiere vergrößert, darunter der Bremer Scheerkohl. Der Scheerkohl war in Bremen bis Ostfriesland traditionell das erste und letzte regionale Grüngemüse des Jahres: Bereits Mitte April und im Herbst bis zum Frost "scheerte" man die jungen, federartig eingeschnittenen Blätter der noch nicht in Stängel geschossenen Rapspflanzen. Preiswert und einfach anzubauen, stand er mehrfach in der Woche auf dem Tisch - mit Kassler, Pinkel oder Speck zubereitet und mit Kartoffeln serviert. Heute werden die milden, zarten Blätter als Salat, Suppe und als Cannelloni- oder Crêpe-Füllung verwendet. Je älter die Pflanze wird, desto mehr erhöht sich ihr Gehalt an Senfölen. Der Geschmack erinnert an Grünkohl und Rauke mit leichter Schärfe. In den 1960er Jahren war der Scheerkohl fast verschwunden. Importiertes Gemüse und kurze Haltbarkeit nach der Ernte machten ihn für Verbraucher und Händler uninteressant. Heute ist er - mit der Unterstützung des Slow-Food-Conviviums Bremen - wieder auf einigen Wochenmärkten der Region zu bekommen.

Im Bild oben: Bremer Scheerkohl. | © Slow Food Bremen

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Arche-Passagiere mit geschützter Ursprungsbezeichnung

Mehrere der von Slow Food geförderten Lebensmittel haben inzwischen auch eine geschützte geografische Angabe oder eine geschützte Ursprungsbezeichnung der Europäischen Union erhalten. Beispiele aus Deutschland sind eine seltene, am Bodensee angebaute Zwiebelsorte - die Höri Bülle oder die Diepholzer Moorschnucke. Die Moorschnucke, auch Weiße Hornlose Heidschnucke genannt, ist eine lokale Schafrasse der Diepholzer Moorniederung. Da die Tiere eine vielfältige, vor allem aus Wildpflanzen bestehende Nahrung sowie viel Bewegung genießen, weist ihr Fleisch eine exzellente Struktur und dunkle Farbe auf. Gebraten bleibt es zart, gleichzeitig kommt sein würzig-vollaromatischer, wildbretartiger Geschmack besonders gut zum Ausdruck. Ursprünglich war die Schafhaltung für die Bauern in der Region nur ein geringer Zuerwerb und verlor langsam an Bedeutung. So war die Moorschnucke fast ausgestorben. Heute ist sie ein unverzichtbarer Partner bei der Renaturierung der Moore: die Schnucken halten die Landschaft offen und pflegen so einen Lebensraum für viele vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten.

Im Bild oben: Ein Herde Diepholzer Moorschnucken. | © Stefan Abtmeyer

Mehr Informationen:

www.un-dekade-biologische-vielfalt.de

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