Fisch: Drei Fragen an Barbara Geertsema-Rodenburg

20.6.2018 – Barbara Geertsema-Rodenburg ist handwerkliche Fischerin im niederländischen Wattenmeer. Sie war beim vierten Slow-Food-Youth-Akademie-Wochenende auf der Lotseninsel Schleimünde zum Thema "Fischerei" als Referentin dabei. Elia Carceller, Koordinatorin der Slow Food Youth Akademie bei Slow Food Deutschland, sprach mit ihr über die Herausforderungen ihres Berufs, ihre Wünsche an die Politik und die Vorteile, als Fischerin auch noch ein Restaurant zu betreiben.

Fisch: 3 Fragen an Barbara Geertsema-Rodenburg

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Was macht das Leben für handwerkliche Fischer in Europas Küstenregionen so schwer?

Barbara Geertsema-Rodenburg: Ich starte mit meiner positiven Botschaft dazu – das Leben als Fischerin ist spannend und aufregend und ich mag es sehr! Aber klar, es ist in Teilen auch anstrengend und sehr fordernd, nicht zuletzt körperlich. Ob Mann oder Frau – als Fischerin und Fischer muss man außerdem mit vielen Unsicherheiten umzugehen wissen. Alleine die Auseinandersetzung mit Genehmigungen und Lizenzen macht es uns oft schwer. Deswegen bin ich davon überzeugt, dass dieser Beruf nur für Menschen ist, die ihn mit Leidenschaft ausüben. Ich liebe es alleine schon auf dem Meer zu sein.

Welche konkreten Maßnahmen müsste Ihrer Meinung nach die Politik umsetzen, damit wir handwerkliche Fischerei erhalten?

Wir Kleinfischer brauchen vor allem mehr Sicherheit durch die Gesetzgebung und einen engeren Dialog mit politischen Entscheidungsträgern. Wir tragen zur lokalen Lebensmittelversorgung bei, damit nutzen wir der Allgemeinheit. Diese Leistung und ihr Wert sollten anerkannt werden – sowohl von der allgemeinen Öffentlichkeit als auch von der Politik. Mein Eindruck aber ist, dass wir oft unter den Tisch fallen, wenn es um die Wertschätzung von Lebensmittelerzeugern geht. Viele von uns sehen sich als Teil des kulturellen Erbes einer Region und möchten dies schützen und erhalten. 


Vor diesem Hintergrund müsste die Politik uns verstärkt in alle Entscheidungsprozesse einbinden, welche sich auf Fischerei und Fischereigemeinschaften auswirken. Die Verantwortlichen müssen Meeresschutz und Fischerei ganzheitlicher und vor allem zusammen denken. Das passiert bislang zu wenig. Teils werden Maßnahmen durchgedrückt, die dem Umweltschutz dienen, Kleinfischern aber schaden. Das lässt Konflikte entstehen, die man mit klugem Austausch und Austarieren vor der Verabschiedung von Gesetzen sicher hätte vermeiden können. Es sollten die Interessen aller berücksichtigt werden. Das ist komplex, klar, und ich habe den Eindruck, dass viele Politiker schlichtweg nicht willig sind, sich tiefer in die Materie einzudenken. Am Ende hilft das aber weder langfristig unserem Berufsstand noch der Lebensmittelversorgung und der Umwelt.

Frau Geertsema-Rodenburg, Sie fangen, verkaufen und verarbeiten Fisch. Wo sehen Sie die Vorteile dieser beruflichen Verknüpfung?

Zum einen bleibt der Fisch länger in meiner Obhut. Zum anderen verschafft es mir die Möglichkeit, näher an Verbrauchern und Gastronomen dran zu sein. Denn den Fisch, den wir unter der Woche fangen, verkaufen wir anschließend auf dem Markt und ich bereite ihn zu Gerichten in unserem Restaurant zu. Es ist wunderbar den Austausch zwischen uns und unseren Kunden zu erleben. Sie tauschen sich über Rezepte sowie das richtige Aufbewahren von Fisch aus. Sie empfehlen uns außerdem weiter. Dafür ist der persönliche Kontakt sicher ausschlaggebend. Dafür nehme ich es in Kauf, nur wenig Freizeit zu haben.

Barbara Geertsema-Rodenburg

Barbara Geertsema-Rodenburg (1969) wurde in den Niederlanden geboren und studierte Forstwirtschaft sowie Naturmanagement. Sie liebte schon immer das Segeln und das Meer. 1999 lernte sie den handwerklichen Fischer Jan Geertsema kennen und wurde selber Fischerin. Gemeinsam widmet sich das Paar ihrem kleinen Fischereigeschäft und setzt sich für den Erhalt der traditionellen Kleinfischerei im niederländischen Wattenmeer ein. Ihre Produkte verkaufen sie auf Märkten und verarbeiten sie in ihrem eigenen Fischrestaurant im Hafen von Lauwersoog. Durch kluge Allianzen mit Verbrauchern und Restaurantköchen schaffen sie Wertschätzung für Meere und Ozeane und deren Bewohner.

© Slow Food Archiv

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