Agrarpolitik betrifft alle Menschen dieser Welt - ein Standpunkt von Edward Mukiibi, Präsident von Slow Food International
Die Zukunft unserer Lebensmittel, unseres Planeten und unserer Gemeinschaften hängt mit von den Entscheidungen ab, die wir heute in Bezug auf die sogenannte Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) treffen. Aufgabe der GAP ist es, Landwirtinnen und Landwirte in Europa zu unterstützen, die Produktivität in der Landwirtschaft zu verbessern und den Landwirt*innen ein angemessenes Einkommen zu ermöglichen. Sie soll auch zur Bekämpfung des Klimawandels und zu einer nachhaltigen Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen beitragen und ländliche Gebiete und Landschaften in der EU erhalten. Doch jetzt, wo der Prozess zur Festlegung der GAP 2027 begonnen hat, sehe ich eine Landschaft, die für alle, die naturnahe Landwirtschaft betreiben, zunehmend besorgniserregend ist.
War sie einst ein Eckpfeiler des europäischen Haushalts, hat die Finanzkraft der GAP nachgelassen. Die aktuellen Vorschläge deuten auf tiefgreifende Veränderungen der Finanzierung hin. Wir haben die Zahlen gesehen: Frankreich, Spanien, Deutschland und Italien sind die größten Nutznießer. Doch ein Großteil der Gelder scheint ein kaputtes System zu stützen. Von den EU-Geldern profitiert weiterhin die Agrarindustrie, während viele nachhaltig wirtschaftenden Betriebe ums Überleben kämpfen. Die GAP in ihrer derzeitigen Form verteidigt ein Agrarmodell, das den Einsatz von Pestiziden fördert, sehr große Betriebe begünstigt, die Klimakrise verschärft und Kleinbauern aus dem Geschäft drängt. Betrachten wir einmal die bitteren Realitäten: Seit 2005 sind in der EU über fünf Millionen landwirtschaftliche Betriebe verschwunden. Schockierende 80 Prozent der GAP-Mittel gehen an nur 20 Prozent der größten Betriebe in der EU. Und bis zu 70 Prozent der Landwirt*innen fühlen sich vergessen und missachtet.
Zitat: »Nur wenn wir in großen Dimensionen denken, können wir eine nachhaltige Zukunft verwirklichen!«
Die GAP betrifft alle EU-Bürger*innen – durch die Lebensmittel, die sie essen, das Klima, von dem sie abhängig sind, und die ländlichen Wirtschaftssysteme, die sie umgeben. Aber: Sie hat auch Auswirkungen auf den Rest der Welt und insbesondere auf Länder des Globalen Südens: Subventionen für große Agrarunternehmen können zur Überproduktion in der EU führen, was billige Exporte in die Länder des Globen Südens zur Folge hat. Dieses »Dumping« kann die lokale Agrarwirtschaft zerstören, die Ernährungssouveränität behindern und die Armut verschärfen, sodass Landwirt*innen gezwungen sind, ihr Land aufzugeben.
Die entscheidende Frage ist, wie das begrenzte Budget für EU-Agrarsubventionen verteilt wird? Werden die Gelder wirklich den Menschen, Tieren und dem Planeten zugutekommen oder werden sie weiterhin das fördern, was wir als Tierquälerei, Umweltverschmutzung und Ausbeutung ansehen? Der Plan, die Agrar- und ländliche Förderung in einem einzigen Finanzinstrument zu bündeln, und den Haushalt unter dem gleichen Dach wie Kohäsionsfonds, Migrationspolitik und Infrastrukturfinanzierung anzusiedeln, ist zutiefst beunruhigend. Dies bedeutet konkret, dass die GAP in einem viel breiteren Rahmen um Mittel und politische Aufmerksamkeit konkurrieren wird.
Die Pläne signalisieren zudem das Ende der Zwei-Säulen-Struktur der GAP. Die beiden Fonds sollen nun unter einem Dach zusammengeführt werden. Doch das bedeutet die Abschaffung der zweiten Säule, die für Umwelt und ländliche Entwicklung. Die Kommission schlägt zwar vor, die Einkommensstützung auf bestimmte Landwirt*innen und die Bedürftigsten zu beschränken, und die Zahlungen zu begrenzen. Doch die den Mitgliedstaaten eingeräumte Ermessensfreiheit gibt Anlass zu erheblicher Sorge.
Ernährungssouveränität ist eine Illusion, solange unser Ernährungssystem von Hightech-Unternehmen abhängig bleibt. Slow Food strebt eine ökologische, sozial gerechte und ausgewogene GAP an, die unsere gemeinsamen Werte widerspiegelt und in die Agrarökologie investiert. Öffentliche Mittel müssen die Landwirt*innen unterstützen, und die Ökosysteme, eine vielfältige Ernährung und lokale Wirtschaftssysteme fördern. Unser Vorschlag: 80 Prozent der GAP-Mittel, die derzeit zur Finanzierung der umweltschädlichen Agrarindustrie verwendet werden, sollten stattdessen an Netzwerke von Landwirt*innen, Produzent*innen und landwirtschaftliche Betriebe gehen, die nach den Prinzipien der Agrarökologie arbeiten. Nur wenn wir bereits sind, in großen Dimensionen zu denken, können wir eine wirklich nachhaltige Zukunft verwirklichen!
Text: von Edward Mukiibi, Präsident von Slow Food International
Quelle: erschienen im Slow Food Magazin 05/2025