Meeresfisch im Binnenland? Fischzucht in geschlossenen Indoor- Kreislaufanlagen
In Deutschland stottert die Aquakultur von Fischen. Seit einigen Jahren hat sie sogar den Rückwärtsgang eingelegt. Nicht einmal zwei Prozent der verzehrten Flossentiere in unserem Land werden durch die Zucht in heimischen Teichen, Becken und Durchflussanlagen erzeugt. Sind womöglich die geschlossenen Kreislaufanlagen eine Alternative? Fisch an Land in »Indoor-Aquakultur« zu produzieren, kann das nachhaltig und fischfreundlich sein? Zum »Tag der Fische« hatte Slow Food zwei Produzenten und einen Buchautor eingeladen, um über Kreislaufanlagen zu informieren und zu diskutieren. Mehr als 80 Besucherinnen und Besucher waren in die Fischbrathalle Münster gekommen. Das Interesse war groß, der Platz begrenzt, so dass viele Last-Minute-Besucher*innen draußen bleiben mussten.
Vorteile und Nachteile geschlossener Kreislaufanlagen
Der Berliner Autor Manfred Kriener skizzierte eingangs Vorzüge und Nachteile der Kreislaufanlagen. Negativ hob er hohe Investitionskosten, den gewaltigen Energieverbrauch und immer größere Fischzahlen hervor, dazu eine komplizierte Anlagentechnik. Große Konzerne würden sich in das Business einkaufen, die vor allem Profit sehen wollten. Die positive Seite: In Kreislaufanlagen gibt es keine Fluchten der Fische, keine Vermischung mit Wildbeständen und eine kontrollierte Wasserqualität ohne Klimastress und Mikroplastik. Das Meer ist nicht länger Selbstbedienungsladen wie bei den Netzgehegen an den Küsten.
Johannes Wolf von der »Geflossenschaft« Münsterland stellte sein Projekt vor, das darin besteht, mit neuester Kreislauftechnik Meeresfisch im Inland zu kultivieren. Kreislaufanlage – das ginge auch eine Nummer kleiner mit 100 Prozent Erneuerbarer Energie und maximaler Nachhaltigkeit, auch in der Bezahlung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen – und mit reduziertem Fischmehlanteil im Futter. Regionale Restaurants, Hofläden und Händler sind die Abnehmer von Dorade und Wolfsbarsch, Meeresfisch aus dem Münsterland. Aber Nachhaltigkeit sei kostspielig, sagt Wolf, die Geflossen kämpfen um schwarze Zahlen.
Ruhe, Dunkelheit und viel Geduld
Christina-Schulte-Döinghaus stellte ihre Zanderzucht vor. Die ehemalige Bäckerei-Fachverkäuferin ist Quereinsteigerin und managt die Zander in 24 Becken zusammen mit Ehemann Simon. Sie produziert vorwiegend Besatzfische für Angelgewässer und wird unterstützt von regelmäßigen Besuchen eines Fischereiberaters. Exkremente und Futterreste wandern in die hofeigene Biogasanlage. Aber Zander sind schwierig, sie brauchen Ruhe, Dunkelheit, leicht trübes Wasser, sie neigen stark zu Kannibalismus. Nach sechs Jahren hat Schulte-Döinghaus sie aber immer besser im Griff: »Es sind tolle Fisch«. Claudia Nathansohn von der Berliner Slow-Food-Zentrale stellte die Bildungsmaterialien zur Aquakultur und Teichwirtschaft des Green-Spoons-Projekts vor.
Die Vorträge wurden begleitet von vier feinen Fischgerichten des Teams der Fischbrathalle um Patron Till Meyer. Der Eigengeschmack von Dorade, Wolfbarsch und Zander, die aus den vorgestellten Betrieben kamen, wurde durch zarte Gartechnik betont. Gert Dirkwinkel von der Slow-Food-Fischkommission moderierte einfühlsam und launig.
Alle Informationen zum Thema »Nachhaltige Teichwirtschaft« im Rahmen des Projekts »Green Spoons« unter: www.greenspoons.slowfood.de/wasser/nachhaltige-teichwirtschaft/
Hintergrund:
In Deutschland sind die Nordsee und vor allem die Ostsee in besorgniserregendem Zustand. 85 Prozent der von uns verspeisten Fische müssen importiert werden, auch aus Ländern und Regionen, in denen Fisch die wichtigste Proteinquelle darstellt und zur Ernährungssicherheit beiträgt. Nachhaltigen Fisch zu finden und zu kaufen ist für Verbraucher*innen oftmals keine leichte Aufgabe: Viele Fische, die man im Supermarkt findet, stammen aus überfischten Beständen. Und die verschiedenen Label für nachhaltigen Fischfang sind nicht durchweg transparent.
Als Alternative zur Überfischung wilder Arten ist weltweit die Aquakultur auf dem Vormarsch. Konventionelle Aquakulturen zerstören aber oft traditionelle Ökosysteme und sind mit der Massentierhaltung bei Tieren in der Landwirtschaft vergleichbar: Auch hier finden sich oft hohe Besatzdichten und der Einsatz von Antibiotika.
Lokale Betriebe mit Forellenzucht, die Kutterfischer und die extensive Teichwirtschaft bieten eine nachhaltige Alternative. Allmählich entwickelt sich auch die Fischzucht in großen geschlossenen Kreislaufanlagen, auch bekannt als RAS (Recirculating Aquaculture Systems): Das sind Anlagen an Land mit Beckenhaltung und geschlossenen Wasserkreisläufen. Die Erwartungen sind groß, aber hohe Investitionskosten, technische Schwierigkeiten, der große Energieverbrauch und Aspekte des Tierwohls sorgen immer wieder für Kritik.