Bio neu denken: Dr. Rupert Ebner bei den VIII. Öko-Marketingtagen 2025

26.11.2025 – Die Öko-Marketingtage auf Schloss Kirchberg sind das wichtigste Treffen der Spitzenkräfte der Öko-Lebensmittelbranche im deutschsprachigen Raum. An drei Tagen (11.–13. November 2025) diskutierten über 220 Teilnehmerinnen und Teilnehmer über die zukünftigen Herausforderungen der Branche. Dr. Rupert Ebner, Vorsitzender von Slow Food Deutschland e.V., war ebenfalls als Referent eingeladen.

Die diesjährige Ausgabe unter dem Motto „Bio neu denken – die Zukunft des Öko-Marketings“ bot zahlreichen Protagonistinnen und Protagonisten aus Landwirtschaft, Wissenschaft, Politik, Handel und Zivilgesellschaft Raum für spannende Impulse und produktiven Austausch.

Dr. Rupert Ebner  (1.v.r.) bei den VIII. Ökomarketingtagen 2025 (c) Josef Schmaus

Pionierarbeit und Zukunftsaufgaben der Bio-Branche

Cem Özdemir, Spitzenkandidat von Bündnis 90/Die Grünen zur Landtagswahl in Baden-Württemberg im kommenden Jahr, würdigte die Pionierarbeit der Branche, die es innerhalb von 20 Jahren geschafft habe, das Bio-Siegel aus der Nische zu führen und dauerhaft Vertrauen aufzubauen. Er hob den wachsenden Bio-Anteil in der Außer-Haus-Verpflegung – etwa in Schulen, Mensen und Kindertagesstätten – als zentralen Hebel hervor, um gesunde und genussvolle Lebensmittel für breite Bevölkerungsschichten sichtbar und zugänglich zu machen. Gleichzeitig bedauerte er, dass derzeit zu wenige Höfe den Schritt in die ökologische Landwirtschaft wagen, und sprach sich dafür aus, Landwirtinnen und Landwirte von übermäßiger Bürokratie zu entlasten. Humorvoll bemerkte er, dass ausgerechnet er – Vegetarier und muslimisch sozialisiert – mehr Geld für eine tiergerechte Schweinehaltung bereitgestellt habe als jeder Landwirtschaftsminister vor ihm!

Kooperation als Schlüssel für eine starke Bio-Bewegung

Ein zentrales Ergebnis der Vorträge und Diskussionen war die Erkenntnis, dass die Akteurinnen und Akteuren der Bio-Branche künftig noch enger kooperieren müssen. Das betonten insbesondere Eberhard Räder, Präsident von Naturland, Jan Plagge, Präsident von IFOAM Organics Europe und Bioland, sowie die Demeter-Ko-Vorständin Nancy Schacht. Barbara Riegler, Obfrau von Bio Austria, pflichtete ihnen bei und erinnerte daran, dass in Österreich bereits vor 20 Jahren 16 Verbände zu einer gemeinsamen Organisation fusionierten – ein Beispiel dafür, wie Kooperation Zukunft schaffen kann.

Verzicht auf Agrochemie ist zu wenig 

Dr. Rupert Ebner brachte in seinem Vortrag die Sicht von Slow Food Deutschland ein. Er warnte eindringlich davor, Bio-Produkte zu bewerben, die den eigenen Ansprüchen nicht standhalten. Für eine zukunftsfähige Bio-Branche reiche es nicht aus, ökologische Kriterien zu erfüllen oder darauf zu verweisen. Verbraucherinnen und Verbraucher erwarteten bei solchen Lebensmitteln ebenso Geschmack, handwerkliche Herstellung, Transparenz sowie faire Arbeitsbedingungen

Die Ehrlichkeit hinter einem Produkt ist ein ganz zentraler Aspekt. Die Bio-Branche sollte zeigen, dass sie mit wenigen Mitteln ein gutes Lebensmittel anbieten kann – ohne aufwendiges oder gar trügerisches Marketing.

Transparente Qualitätskriterien statt Schein-Marketing

Damit schlug Ebner die Brücke zum zentralen Thema der Qualität. Er schilderte, wie intensiv bei Slow Food um Qualitätsdefinitionen gerungen wird, mit Kriterien, die weit über gesetzliche Standards hinausgehen, und wie wichtig es sei, dass auch die Bio-Verbände gemeinsame, anspruchsvolle Qualitätsmaßstäbe entwickeln und verteidigen. Als Beispiel nannte er die jährliche Slow Food Messe in Stuttgart:

Bei der Auswahl der Aussteller steht seit nunmehr 15 Jahren nicht die vermietbare Fläche im Vordergrund, sondern klare Kriterien und echte Produktqualität.

Agrarökologie ist mehr als Ökolandbau

Ein weiterer Kernpunkt seines Vortrags war die Notwendigkeit, den Blick über die klassische „Bio-Lehre“ hinaus zu weiten. In vielen Ländern des Globalen Südens wirtschaften Landwirtinnen und Landwirten gänzlich ohne Agrochemie und erzielen dennoch hohe Erträge und herausragende Lebensmittelqualität.

Wenn wir ihnen sagten, sie müssten nun eine Zertifizierungsgesellschaft beauftragen, stießen wir auf vollkommenes Unverständnis. Ohne unsere westlichen Kriterien über Bord zu werfen, müssen wir dennoch über sie hinausdenken. Deshalb lautet unsere Überschrift ‚Agrarökologie‘ – um Ökologie, traditionelles Wissen, Bio-Gedanken und soziale Aspekte eng miteinander zu verbinden.

Auf diesen Prinzipien basiert das internationale Format, das Slow Food derzeit aufbaut: Slow Food Farms. Es fördert die Vernetzung und den Wissensaustausch zwischen Bäuerinnen und Bauern weltweit – vom Erdnussbauern in Togo bis zum Landwirt in Oberbayern.

Allianz für Qualität, Transparenz und Fairness

Zum Ende seines Vortrags sprach Ebner die Verantwortung großer Handelsunternehmen an. Nachhaltiges Engagement sei dort nur möglich, wenn Menschen, die sich innerhalb der Organisationen für Qualität, Transparenz und Fairness einsetzen, Rückhalt erfahren und Verbündete finden. Slow Food Deutschland setze sich weiterhin dafür ein, handwerkliche Erzeugerinnen und Erzeuger, verantwortungsvolle Händlerinnen und Händler und bewusst konsumierende Bürgerinnen und Bürger enger miteinander zu vernetzen. Nur durch eine solche Allianz könne es gelingen, die Ernährungssouveränität der Verbraucherinnen zu stärken und die Bio-Bewegung in ihrer gesellschaftlichen Bedeutung weiter wachsen zu lassen.


Text von Elisabetta Gaddoni

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