Warenkunde Schlehe

Die dornigen Schlehenbüsche sind nicht nur hübsch anzuschauen und wichtig für die Artenvielfalt. Die blauen Früchte sind zudem gesund, selbst wenn sie roh nicht unbedingt schmecken. Aber Luka Lübke hat einige Tipps, was sich mit dem heimischen Superfood alles anstellen lässt.

IMG_8989.jpgDer Schlehdorn oder Schwarzdorn, lateinisch Prunus spinosa genannt, ist von Natur aus ein dorniger Strauch, wird aber manchmal auch als Baum kultiviert. Ab März, noch bevor er Blätter bekommt, blüht er weiß; ab September trägt er kleine, blaue Steinfrüchte, die zwar sehr gesund, aber zunächst auch sehr bitter sind. Geerntet werden die Schlehen deshalb erst nach dem ersten Frost, denn der sorgt dafür, dass enzymatische Vorgänge die Gerbstoffe abbauen und die Früchte dadurch süßer werden. So geerntet werden Schlehen dann meist zu Marmelade oder Sirup verarbeitet oder mit hochprozentigem Alkohol und Zucker »aufgesetzt«.

Der Name kommt vom indogermanischen Wort »Sli« für »bläulich«, aus dem auch das slavische »Sliwa« für Zwetschge kommt. Wer schon einmal selbst Schlehen geerntet hat, weiß, dass das Pflücken kein sommerlicher Gartenspaß ist, sondern eine Herausforderung für die kalten Hände, die selten unbeschadet ihren Weg durch die Dornen finden. Dafür schmeckt das Ergebnis nach getaner Arbeit ganz besonders köstlich – und gut für die Abwehrkräfte ist es obendrein.

Paradies für Insekten und Vögel

Schlehdorn wächst in ganz Europa, Vorderasien und im nördlichen Afrika. Die Büsche vermehren sich durch Aussaat, aber auch durch Wurzelschösslinge, sodass sie nicht nur über, sondern auch unter der Erde ein undurchdringliches Gestrüpp ausbilden. Eine Hecke aus Schlehdorn ist ein Paradies für Insekten und Vögel. An den frühen Blüten erfreuen sich Käfer, Motten und Schmetterlinge genauso wie 20 Wildbienenarten, die sonst im März noch nicht viel finden. Blattkäferarten dagegen bevorzugen, wie der Name schon andeutet, die Blätter. Eine Käferart, der Schlehen-Blütenstecher, lebt sogar ausschließlich in Schlehenbüschen. Die reifen Früchte schließlich bilden Nahrung für über 20 Vogelarten. Nicht nur deswegen fühlen sich Meisen, Grasmücken und die seltenen Neuntöter in diesen Hecken wohl, sondern auch weil sie ein gutes, windgeschütztes Versteck für die ganze Vogelfamilie sind.

Selbst Menschen suchten früher manchmal Schutz hinter ihren Dornen. Schlehen würden nicht nur Füchse, sondern auch Hexen abhalten, so der Aberglaube. Entsprechend häufig wurden Schlehen um Haus und Grund gepflanzt. Das Holz der Schlehe, das sehr hart ist, diente zur Herstellung von Peitschenstielen, aus der Rinde machten Mönche Tinte zum Schreiben. Heutzutage spielt die Schlehe für Ingenieure die Schlehe eine wichtige Rolle, denn durch ihre Windbeständigkeit und Wurzeldichte macht sie jede Böschung sicher. Und auch in den traditionellen Gradierwerken für die Salzherstellung finden wir ihre schwarzen Äste.

Blaues Gesundheitswunder

Schon in der Steinzeit wurden Schlehen gesammelt und konserviert, das belegen Funde aus neolithischen Amphoren. Sie sind von der Antike an als Heil- und Stärkungsmittel bekannt: Die Blüten sollen als Tee den Darm anregen, Schweiß treiben und Fieber senken. Die Beeren haben viel Vitamin C und Antioxidantien, stärken also nicht nur das Immunsystem, sondern halten auch jung. Die Gerbstoffe unterstützen die Verdauung und den Anthocyanen werden positive Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System nachgesagt: Sie sollen den Blutdruck senken können. Auch bei Erkältungskrankheiten und Entzündungen der Harnwege spricht man den Früchten heilende Wirkung zu. Hildegard von Bingen kochte neben Weinen, Toniken und Oxymels gegen Magenleiden und Schlehen-Honigen gegen Rheuma auch ein Pulver mit Schlehenholzasche, dass gegen Gicht helfen sollte und so teuer wie Gold gehandelt wurde. In den 1970-er Jahren erfreute sich ein »Schlehenfeuer« genannter Likör großer Beliebtheit – ob er es wegen der gesunden Schlehe oder eher wegen des immens hohen Zuckergehaltes nicht bis in die Gegenwart geschafft hat, sei dahingestellt.

Zu kaufen gibt es Schlehen vor allem getrocknet oder konserviert. Sie in frischem Zustand auf dem Markt zu finden, ist in Deutschland eher ein seltenes Glück. Daher: rein in die Stiefel, raus in den Winter und selber pflücken. Wer nicht weiß, wo in der Nähe ein Schlehenbusch wächst, kann auf der Webseite www.mundraub.org Tipps finden: Sie stellt eine Karte zur Verfügung, welches Obst und welche Kräuter oder Nüsse gerade wild wachsen und für alle zur Verfügung stehen. Aber bitte nicht alles abpflücken, sondern immer einen Teil für die Vögel übrig lassen. Leute mit Garten können natürlich auch einen Schlehdorn pflanzen und so für einen Vorrat an eigenen Früchten sorgen – wenn nicht gerade die Meisen frecherweise die ganze Ernte auffressen.

Möglichkeiten ohne Zahl für Marmelade und Sirup

Schlehen lassen sich gut einfrieren, so dass sie auch erst später im Winter verarbeitet werden können. »Wie bekomme ich den Kern da heraus?« Diese Frage, die sich bei der Zubereitung stellt, ist leicht zu beantworten: nach dem Kochen. Für eine Marmelade oder ein Gelee kochen Sie die Schlehen einige Minuten mit Wasser, bis die Früchte aufplatzen. Mit dem Kartoffelstampfer die Schlehen gut zerdrücken und die Masse dann durch ein Sieb streichen. Die Kerne verbleiben im Sieb. Das Mus anschließend mit Gelierzucker zu Marmelade verarbeiten. Für Sirup ist die Vorgehensweise ähnlich: Die Schlehen mit kochendem Wasser übergießen, einige Stunden stehen lassen, dann durch ein Sieb gießen. Die aufgefangene Flüssigkeit wieder zum Kochen bringen, erneut über die Früchte gießen und über Nacht stehen lassen. Je nach Geschmack noch Zimtstange, Vanilleschote oder Nelken zugeben. Ruhig am nächsten Tag noch einmal wiederholen, das intensiviert den Geschmack. Abschließend alles durch ein Haarsieb abseihen, Schlehen dabei gut ausdrücken. Der Saft kann nun mit normalem Zucker zu Sirup (Verhältnis ca. 2:1) aufgekocht und in heiß ausgespülte Flaschen abgefüllt werden.

Mit der Marmelade lassen sich nicht nur Brot und Kuchen bestreichen. Wenn man den Gedanken freien Lauf lässt, vermehren sich die Möglichkeiten wie Schlehenbüsche: Sie eignet sich beispielsweise wunderbar, um sie unter den Milchreis zu ziehen, über den Grießpudding zu kleckern, Windbeutel oder Berliner zu füllen oder den Weihnachtsbraten-Fonds zu verfeinern. Der Sirup überrascht das Jahr hindurch als Aromakick für Limo oder Sekt, im Joghurtmixgetränk oder Smoothie, in Cocktails oder eingefroren als Sorbet, als fruchtiger Eiswürfel, zur Entensauce, im Dressing zu Wild oder sogar zu Räucherforelle. Je nachdem, wo die Reise hingehen soll, können Sie frei mit Rosmarin, Balsamico, Rotwein, Orangenschale, Nelke, Zimt, Kardamom oder Wacholder kombinieren, sogar Chili und Ingwer funktionieren geschmacklich dazu – als eine wärmende Wintervariante mit oder ohne Glühwein.

Getrocknete Variante
Schlehen können im Dörrautomat getrocknet werden. Als Tee aufgegossen stärken sie das Immunsystem, als Kaugummi gekaut sollen sie bei Zahnentzündungen helfen. Aber: den Kern nicht zerbeißen, denn er enthält eine Substanz, die sich im Körper zu Blausäure umwandelt.

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