Interview mit Nele Witt

Ute im Bikini, so heißt das Lokal, das Chef Alliance Köchin und Küchenmeisterin Nele Witt mit ihrer Familie am Falckensteiner Strand am Westufer der Kieler Förde betreibt. Es ist, wie der Name erahnen lässt – eine Strandbar. Aber wer ist Ute? Luka Lübke hat nachgefragt: Ute, das sind wir alle. Sie steht für Wohlfühlen, denn das sollen sich unsere Gäste bei uns. Sie ist ein bisschen dicker und trägt einen Bikini, sie signalisiert: jeder Mensch ist hier willkommen, ob groß, ob klein und egal ob mit Schlips und Kragen oder mit Sand an den Füßen.

Ihr seid ein Familienbetrieb, in dem alle mitmachen?

Nele Witt (c) Luka Lübke.jpgJa. Auch mein Mann und Geschäftspartner Konrad, der Veranstaltungskaufmann ist, ist Ute. Meine Eltern sind Ute, größtenteils in der Form, dass sie uns mit den Kindern unterstützen. Aber wenn es nötig ist, stellen sie sich auch mal an die Spüle, Waschmaschine oder Kasse. Und die Kinder helfen auch – in dem sie damit zurechtkommen, dass unser Sonntagsauflug nicht sonntags, sondern montags oder dienstags stattfindet. Anders könnte man mit einem gastronomischen Betrieb keine Familie ernähren.

Wer sind Eure Gäste? Hauptsächlich kommen sie aus der Kieler Umgebung, dieser Strand ist der der Innenstadt am nächsten Gelegene, die meisten kommen mit dem Rad, mit dem Strandbus oder mit der Strand-Fähre, die die Innenstadt mit den Ufern der Förde verbindet. Seit Corona haben wir aber auch Feriengäste aus anderen Bundesländern, ein Teil unserer Brunch-Stammkunden sind inzwischen Hamburger. Hier ist es anders als im gegenüberliegenden Laboe - nicht so schick, dafür echter und natürlicher.

Du hast bei unserem Chef Alliance Kollegen Jochen Strehler gelernt. Wie war das so? Das war richtig gut und ich würde es jederzeit wieder genauso machen. Wir waren viele Auszubildende dort, Jochen war immer da und hat uns alles gezeigt, was er kann, wir haben einander geholfen, wo es ging – damals hatten Jochen und Anja ja selbst noch kleine Kinder und es war nicht immer einfach, aber immer ein guter Zusammenhalt.

Dann muss das ganz schön lange her sein, die Kinder sind ja jetzt größer als wir! Ja! Köchin war mein erster Berufswunsch – ich habe schon mit 16 angefangen – mein Abi habe ich später erst gemacht.

Du bist auch Küchenmeisterin. Wie ist es dazu gekommen und was fängt man damit an?

Es ist kein Geheimnis, dass berufliches Kochen nicht nur körperlich anstrengend, sondern auch familiär unpraktisch ist. Darum habe ich darüber nachgedacht, ob ich Berufsschullehrerin werden könne, hatte aber bisher noch keine Motivation, noch mal zu studieren. Vom Abschluss als Küchenmeisterin erhoffe ich mir, auch mit über 40 noch gute Chancen am Arbeitsmarkt zu haben – optimalerweise tagsüber – er ist mein mis-en-place fürs zukünftige Berufsleben, denn bis 70 werde ich nicht am Herd stehen können.

Wie verdient man Geld mit einer Strandbar? Unbeständig! Vieles hängt vom Wetter ab und einen Teil des Umsatzes machen bei uns über Veranstaltungen wie Hochzeiten oder Geburtstage aus. Wenn wir die nicht hätten, würde es in manchen Wintern dünn. Sehr erfolgreich ist unser Brunch, das Besondere daran ist, dass wir nicht mit dem Überfluss spielen, sondern pro Tisch nur eine moderate Menge ausgeben – von dem, was die Gäste sich dann mehr wünschen, gibt es Nachschlag.

Wird das nicht missbraucht? Nein, es funktioniert gut und fast alle verstehen es. Die Menschen bis 35 besser als die Älteren, die gern unendlich Fisch nachbestellen… dabei sollten es doch die besser wissen, dass es nicht immer alles von allem geben kann.

Bist du eine autoritäre Gastgeberin? Manchmal ja, manchmal nein. Aber die Erfahrung hat gezeigt, dass ich es sein muss – gerade bei Veranstaltungen muss klar vorab geregelt sein, was möglich ist und was nicht möglich ist. Auf der einen Seite sind Veranstaltungen unsere ökonomische Sicherheit, andererseits muss man schaffen, dass sie sich ins normale Geschäft einfügen, an einem heißen Freitagnachmittag fällt es schon schwer, die Strandgäste früher wegzuschicken, weil gleich eine Gruppe kommt.

Du kommst von hier. Was bedeutet das Meer? Fr

eiheit, Entspannung und Fernweh.

Fernweh? Wohin geht Deine Köchinnen-Sehnsucht? Manchmal träume ich davon, genau das hier ganz woanders zu machen. Wo die Sonne immer scheint. Dann aber richtig auf dem Sand!

Nicht ein Chefposten im Mandarin Oriental in Singapur oder ein Fine Dining in Hamburg Eppendorf?

Mmmmmm, warte…. nö.

Man sagt, bei Ute gäbe es die besten Pommes des Westufers. Wie kommt es, dass die Pommes Frites bei Euch so präsent sind?

Weil es logisch ist. Jeder mag Pommes Frites und wenn Du im Sommer einen Tag am Strand gespielt hast, dann willst Du genau das: Salz und Fett und vor allem nichts Kompliziertes. Was nicht heißt, dass man Pommes nicht auch in schön machen kann, in dem man ohne Fertigsachen arbeitet, und bei den Toppings und beim Anrichten die Fantasie spielen lässt und die guten Produkte aus der Kieler Umgebung zum Einsatz – und damit auch in Gespräch bringt. Im Kieler Raum gibt es inzwischen eine Vielzahl kleiner Lebensmittelproduzenten, die auf Nachhaltigkeit statt Masse aus sind. Die Honig und Eis machen, Mikrogemüse, Milchprodukte und richtig gute Brote, Getränke und Gemüse sowieso.

Hast du einen Lieblingsproduzenten? Ja, Karsten von Forelli mit seinen Fischen. Da muss ich die Ware noch selbst vom Hof abholen - das ist jedes Mal eine kleine Auszeit vom Alltag! Ich habe mit dem Geschäft und drei Kindern wenige Momente allein. Darauf habe ich mir vorgenommen, besser zu achten. Und darauf, die Pause dann auch als Pause zu leben. Das Unvermögen dazu ist eine Berufskrankheit von uns, oder? Wir haben als Köchinnen gelernt und verinnerlicht, dass jeder Leerlauf keine Option ist. In der Küche muss so viel wie möglich gleichzeitig passieren, keine Herdplatte und kein Topf dürfen frei bleiben, kein Pfanne ungespült herumstehen, kein Posten ist nicht aufgefüllt und jede Sekunde wird genutzt. Das macht ruhige Minuten für uns schwer zu zelebrieren, denn man könnte doch noch schnell Insta machen oder diese eine Mail beantworten.

Ist das wichtig, Social Media?

Das spielt eine größere Rolle, als mir lieb ist. Wenn auf Insta was passiert, passiert auch mehr im Laden, wir werden oft darüber überhaupt erst gefunden. Leider schaffe ich das momentan nicht alles, ich hoffe, es im Winter wieder aufzuholen.

Und outsourcen? Nein, man würde sehen, wenn es von einer Werbeagentur käme, es wäre zu glatt, das wäre dann nicht Ute.

Wem willst Du was beweisen mit dem, was Du tust?

Allen, die daran gezweifelt habe, dass ich das ich KOCH durchziehe. Den Lehrern, die mich belächelt haben und gesagt, „Warum willst du so einen Scheißjob machen?“. Ich mache das für mich, weil es mir Freude macht und wir leben von etwas, was wir gerne tun – wenn auch ohne große Sprünge – das ist mir was wert.

Performen Köche besser als Köchinnen?

Auf keinen Fall. Es ist nur so, dass viele Männer von berufstätigen Frauen sich zu Hause immer noch sehr auf das Engagement der Frauen verlassen.

Und nach außen, also darstellerisch? Ahh, ja das glaube ich schon, zumindest ungehemmter.

Was ist mit den Ausnahmen unter den Köchinnen? Ist denen weniger peinlich als uns? Oder sie wollen so unbedingt ins Rampenlicht, dass ihnen das von unqualifizierten Blicken Betrachtet-Werden, zum Beispiel im Fernsehen, egal ist.

Was ist schwieriger: das Privatleben daheim zu lassen oder das Arbeitsleben nicht mit nach Hause zu tragen? Es wäre eine Lüge, zu behaupten, dass unser Arbeitsalltag ganz und gar konfliktfrei wäre - natürlich nehmen wir uns selbst und unsere Stimmungen mit. Wir überlegen uns aber zeitliche und räumliche Modelle, wie wir uns gut aufteilen können, damit wir im Gesamtergebnis auch was schaffen und nicht immer unterbrochen werden durch das hin- und her zwischen Unternehmen und Familie. Schlimmer ist, wenn man nachts aufwacht und fragt: Du hast doch an die Stoffservietten für Freitag gedacht?

Was ist ein gutes Essen? Ein Einfaches, ein alltägliches. Ohne Schaum, Gel und Punkte. Mit Salz und Pfeffer.

Was isst Du nicht? Garnelen, Flusskrebse, Muscheln und Schnecken, ich glaube das ist eine Frage der Konsistenz. Innereien würde ich auch gern lieber mögen, weil es logisch ist, sie auch zu essen.

Aber Krabben? Krabben gehen!

Was macht denn die Schleswig-Holsteinische Küche aus? Krabben! Und Fisch mit Gräten. Und die ganzen Kombinationen aus Süßem wie Backobst mit Salzigem, wie Speck. Und Rauchgeschmack ist ganz wichtig!

Was verbindet Dich mit Slow Food und was machst Du in der Chef Alliance?

Sich nachhaltig und klimabewusst zu ernähren ist im Privaten gar nicht schwer umzusetzen, wenn man aufmerksam und direkt einkauft, mit ein bisschen Fantasie am Herd funktioniert das auch mit dünnem Geldbeutel. In der Gastronomie ist es aber eine erheblich größere Herausforderung, denn es soll am Ende wirtschaftlich erfolgreich sein, so unromantisch das auch klingt. Die Chef Alliance ist diesbezüglich eine gute Plattform des Austausches zwischen kochenden Menschen, die nicht nur „gut, sauber und fair“ draufschreiben, sondern es konsequent umsetzen. Als ich in Berlin lebte, war ich im lokalen Netzwerk sehr aktiv – hier in Kiel noch nicht so sehr, wie ich es mir wünsche, aber das soll kommen, sobald die Kinder nicht mehr ganz so viel Zeit in Anspruch nehmen. Ich finde es gut, dass wir in der Chef Alliance unsere Ideen teilen, wie man nachhaltig und wirtschaftlich zugleich arbeiten kann und freue mich auf alle kommenden gemeinsamen Aktivitäten.

Worauf bist Du stolz?

Darauf, dass wir Ute im Bikini aufgemacht haben. Darauf, dass wir mit Ute im Bikini Corona überlebt haben, ich denke das macht uns gegen jede kommende Krise sehr stark. Und dass wir drei Kinder haben, die uns auch nicht seltener sehen als andere Eltern, obwohl wir Gastronomen sind. Es ist nicht auf jedem Zentimeter perfekt, aber wir kriegen es hin.

Was ist der perfekte Ruhetag?

Ein schöner Ausflug mit gutem Essen. Es gibt so viele schlechte Pommes auf der Welt.

Und mal selber baden gehen und nicht nur zuschauen!

Gibt es ein Rezept für ein glückliches Leben?

Wenn ja, dann möge man mir das mal geben!

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