Warenkunde Sauerkirsche

Sie ist nur kurz, die Saison im Sommer für Kirschen – die für die empfindlichen Sauerkirschen sogar noch kürzer. Luka Lübke, Mitglied der Chef Alliance von Slow Food, legt sie uns deshalb besonders ans Herz.

Kirschsorbet (c) Luka Lübke.jpgDie Sauerkirsche (lat. prunus cerasus), auch häufig Weichselkirsche genannt, entstammt der Familie der Rosengewächse und ist eine Kreuzung aus Vogelkirsche und Steppenkirsche. Ihre ursprüngliche Heimat ist die Landschaft rund um das schwarze Meer. Heute wird sie auf der gesamten Nordhalbkugel angebaut, von Finnland bis in die Zentralalpen, Hauptanbaugebiete in Deutschland sind Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen. Sie wird später reif als ihre hellere Schwester, die Süßkirsche (lat. Prunus avium), nämlich erst ab Juli.

Von der beliebten, hellroten Süßkirsche gibt es inzwischen über hundert Arten, die bekanntesten sind wohl die Herz- und die Knorpelkirsche, die wir am liebsten roh und direkt vom Baum essen und mit den Kernen um die Wette spucken.

Sauerkirschen sind dunkler und werden in Weichseln und Amarellen unterteilt, die sich folgendermaßen unterscheiden: die Weichseln haben färbenden Saft und entwickeln ihr Aroma am besten beim Garen, daher finden wir sie meistens in Gestalt von Saft und Kompott oder auf Kuchen. Ein zweiter Umstand spielt hier eine Rolle: sie ist dünnhäutiger als ihre frühe Schwester, demnach weniger lange transportabel oder lagerbar. Die Amarellen unter den Sauerkirschen haben helles Fruchtfleisch und klaren Saft, darum sind sie beliebt für Brände, Geiste und Likörchen. Insgesamt gibt es über 400 Kirschensorten, die schöne Namen tragen wie Großer Gobet, Königin Hortensie, Westfälische Braune Leber oder Minister von Podbielski. 46 davon - allein aus dem Mittelrheintal - haben Zuflucht in der Slow Food Arche des guten Geschmacks gefunden. Hier gab es früher über 90 Kirschensorten und Generationen von Menschen lebten hier vom Kirschanbau. Aber dann kam die Industrie - und mit der war nicht gut Kirschen essen! Sie verlangte nach stabileren, gleichförmigeren und transportableren Sorten, sodass die Artenvielfalt fast verschwunden wäre, hätte nicht der Zweckverband Welterbe Oberes Mittelrheintal sich für dieses kulinarische Erbe stark gemacht.

Nicht gut Kirschen essen?

Diese Redensart kennen wir alle, die meisten von uns werden sie auch schon öfter mal ausgesprochen haben. Aber wissen Sie, wo sie herkommt? Aus dem Mittelalter. Kirschen waren ein schwer zu bekommendes Gut, denn die Bäume standen in den Gärten der Bessergestellten, denen es ein gängiges Vergnügen war, sie dort auch zu verspeisen. Kam ein ungeladener Gast, wurde der sogleich mit Kirschkernen bespuckt, um ihn in die Flucht zu schlagen und so sagte man: „Mit hohen Herren ist nicht gut Kirschen essen, denn sie spucken einem die Kerne direkt ins Gesicht.“ So wurde der eingekürzte Satz zur subtilen Warnung für Untergebene vor den Launen ihrer Herren.

Von Liebe und Tod

Schon seit dem Altertum gilt die Kirsche als Symbol für Leidenschaft und Liebe, aber auch für Tod und Wiedergeburt. In der Traumdeutung sagt man, dass im Traum Kirschen zu essen für Küsse in der Wachwelt stünde. Das berühmteste Kirschen-Lied der europäischen Geschichte ist wohl die französische Protesthymne der Pariser Commune, „Les temps des Cerises“, die eigentlich nichts Politisches, sondern ein Liebeslied war, dessen Protagonist von seiner Traurigkeit sang, verlassen worden zu sein und zugleich Mut machte, nicht aufzugeben, und den Glauben an die Liebe nicht zu verlieren. Auch in Japan hat die Kirsche Kultcharakter. Hier steht sie für den Anfang des Frühlings (Sakura) und damit für Schönheit, Aufbruch und Vergänglichkeit. Zelebriert wird in Japan also nicht das Essen der Frucht, sondern das bloße Betrachten der zahlreichen blühenden Kirschbäume, man erfreut sich an freundlicheren Temperaturen und trifft sich zum Picknick im Park, nicht selten mit reichlich Bier oder Sake. Zehn Tage dauert jedes Frühjahr das Kirschblütenfest, Hanami genannt.


Sauerkirschen in der Küche

Da ihre Erntezeit nur ein kurzes Glück ist, kommen sie meistens gefroren oder im Glas zum Einsatz – bestenfalls haben Sie sie im letzten Sommer selbst eingemacht oder von einem Nachbarn geschenkt bekommen, der einen Sauerkirschbaum im Garten hat. Sie schmecken einfach so, im Joghurt, Pudding, Quark oder Milchreis, schon morgens in der Frühstücksbowl, in Torten oder Kuchen aber auch zu dunklem Fleisch, wie Wild oder Ente, zum Schweinsbraten oder in jeglicher Kombination mit Bitterschokolade. Chef Alliance Köchin Katharina Bäcker macht es auf den folgenden Seiten vor, sogar ein Sorbet mit aufgeschlagener Vanillesauce hat sie für uns gemacht und damit das berühmte Eis mit heißen Kirschen auf den Kopf gestellt.


Und gesund sind sie auch noch!

Durch ihren hohen Wassergehalt haben ungesüßte Sauerkirschen nur 50 Kalorien, Süßkirschen immerhin 60 Kalorien. Kirschen sind prall gefüllt mit Vitaminen und Vitalstoffen: Vitamine A, B1, B2, C, E, Kalium, Calcium, Folsäure, Phosphor, Eisen und Zink. Aber sie haben noch etwas Besonderes, nämlich den rotvioletten Pflanzenfarbstoff Anthozyan, der das Enzym Cyclooxigenase hemmen soll, das Wissenschaftler mit Entzündungen und Schmerzen in Verbindung bringen. Schon in der Antike nutzte man Kirschen bei Störungen der Darmfunktion, heutzutage kommen sie bei Gicht und Arthritis- Therapie zum Einsatz, denn Kirschen wirken harnsäureausleitend. Auch bei Schlafstörungen sind Kirschen eine gute Wahl, denn sie enthalten bis zu 13,3 ng Melatonin. Sogar Muskelkater sollen sie lindern können und auch in der Osteoporose-Prävention sind sie im Gespräch. Also: genießen Sie die Kirschenzeit!

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https://www.slowfood.de/aktuelles/2021/mit-slow-food-gut-kirschen-essen-46-traditionelle-kirschsorten-aus-dem-oberen-mittelrheintal-stehen-unter-dem-schutz-der-arche

https://www.youtube.com/watch?v=OYNJbuBoMIA

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