Milch-Workshop: direkt und fair

Der Schwerpunkt des ersten Workshops lag bei der Analyse von drei Vermarktungssystemen, die jeweils durch drei Betriebsleitende vorgestellt wurden:

Workshop 1: „Direkt und fair“ - Neue und alte Wege der Vermarktung am 7. Dezember 2017, Kattendorfer Hof in Schleswig-Holstein

1. Solidarische Landwirtschaft (SoLaWi) des Kattendorfer Hofes: Die Mitglieder holen ihren Anteil aus drei vom Hof selbst betriebene Läden in Hamburg ab. Zusätzlich werden in den Läden eigene und zugekaufte Produkte für Laufkundschaft angeboten. Die Milch wird in der eigenen Hofmolkerei zu Käse, Joghurt, Quark und Sahne verarbeitet. Dies wurde vom Vertreter des Hofes als unabdingbar für eine wirtschaftliche Milchviehhaltung angesehen. Die Entscheidung eine SoLaWi zu betreiben, begründete er mit den geringen Kosten dieses Vermarktungssystems: Der Verwaltungs- und Buchungsaufwand ist geringer. Die Transportkosten sind niedriger im Vergleich zu Einzelhandels- oder Haus-zu-Haus-Belieferungen. Die Vermarktungskosten sind gering. Außerdem schafft die SoLaWi eine relative Unabhängigkeit vom Preisdiktat des Handels, der Großmolkereien oder anderer Verarbeiter. Als bisher nicht zufriedenstellend wurde nur der Absatz der Produkte an die Laufkundschaft genannt.

2. Gründung einer Molkereigenossenschaft durch die Ökomelkburen und Direktbelieferung des Einzelhandels durch die Horster Molkerei: Nachdem die Horster Molkerei fusionieren und als Produktionsstätte aufgegeben werden sollte, haben sich mehrere an die Molkerei liefernde Milchviehbetriebe zusammengetan und mit Hilfe einer neugegründeten Erzeuger-Verbraucher-Genossenschaft die Weiterbewirtschaftung der Molkerei ermöglicht. Seitdem vermarkten sie konventionelle und Bio-Milch sowie Joghurt hauptsächlich direkt an den Einzelhandel, einen kleinen Teil auch an den Großhandel und Cafés. Durch die eigene Genossenschaft und Molkerei haben die Landwirte mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten und größere Unabhängigkeit in der Preisgestaltung. Der Verkauf der Milch unter eigenem Namen fördert den Absatz als regionales Produkt. Allerdings hängt der Verkaufserfolg im Einzelhandel stark von den Inhabern sowie von gut geschultem Personal ab. Ein guter Umsatz wird nur in denjenigen Läden erzielt, die „hinter der Milch stehen“, d.h. den Milchtüten einen günstigen Platz im Laden geben und sie mit Regionalität und Nachhaltigkeit bewerben. Als Vermarktungshemmnis wird das Mindesthaltbarkeitsdatum MHD gesehen, welches bei Qualitätsmilch kürzer ist als bei der „länger haltbaren“ ESL-Milch. Der Vertreter der Molkerei plädierte daher dafür, lieber das Produktionsdatum anzugeben, um als Wettbewerbsvorteil die größere Frische der Qualitätsmilch erkennbar machen zu können.

3. Haus-zu-Haus-Lieferservice und Hofladen des Familienbetriebes Rieckens Landmilch: Die anwesende Betriebsleiterin berichtet über den Aufbau der eigenen Hofmolkerei und des Lieferservices. Zweimal wöchentlich werden Privatkunden und Kindergärten mit der eigenen Milch, Joghurt, Frischkäse sowie Schnittkäse beliefert. Der Schnittkäse wird von einer mobilen Käserei hergestellt. Weiterhin aber geht ein Drittel der erzeugten Milch an eine Molkerei. Die Entscheidung für den Einstieg in die Direktvermarktung konnte getroffen werden, als die Kinder größer wurden und damit die Arbeitskraft der Bäuerin „freier“ wurde. Man hätte auch den Betrieb vergrößern können – aber die Familie entschied sich für den Weg, die Wertschöpfung aus der Milch zu erhöhen. Bestärkung in diesem Weg kommt für sie aus der Wertschätzung der Kunden. Auch die Unabhängigkeit von Zwischenhändlern und Großmolkereien wird als positiv erlebt.

Alle Landwirte betonten, wie wichtig es für die Wirtschaftlichkeit ist, dass ihre Betriebe auf mehreren Standbeinen aufgebaut sind. Der Vertreter der SoLaWi plädierte dafür, die Betriebe in ihrer Gesamtheit zu betrachten, da der Milchsektor meist allein nicht überlebensfähig ist. Vor einem Einstieg in die Direktvermarktung und der Auswahl der Form ist zu beachten, welche anderen Anbieter es schon in der Region gibt. Ein weiterer Aspekt, den es vorher zu bedenken gilt, ist die Frage, ob man als Landwirt der Typ dafür ist, den häufigen direkten Kontakt zu den Kunden und damit die persönliche Präsentation des Hofes auf Dauer zu tragen.

Weitere Workshop-Berichte:

Workshop 2 | „Gute Milch von gesunden Tieren“: nachhaltiges Wirtschaften in regionalen Kreisläufen
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Workshop 3 | „Die gute Milch“: Rohmilch, Vorzugsmilch und ihr neuer Vertriebsweg der Milchautomaten
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Workshop 4 | „Das gute Milchprodukt“ “: Käse und handwerkliche Milchverarbeitung
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