Nachbericht Tour zu Schaf und Ziege

3.12.2015 - Es war ein Tag der Einblicke in andere Welten, die man sonst nicht bekommt. Wo der Verbraucher genau erfahren kann, wo Lebensmittel herkommen. „Ganz besonders wenn sie vier Füße haben und laufen können!“, bemerkt Britta Schiffer aus Vallendar. Sie ist eine von 24 Teilnehmerinnen und Teilnehmern am 2. Tag der Aktion „Zu gut für die Tonne“. Heute besucht man Schaf und Ziege. Ein Bericht von Rose Schweizer.

Schaf und Ziege geben Einblicke in fremde Welten

Vom Koblenzer Hauptbahnhof geht die Busfahrt direkt in die unberührte Natur zum Schäfer Helmut Reuter auf die Gemarkung Lutzerath. Auf der einstündigen Fahrt dorthin werden die Teilnehmer vom Schäfer der Schäfer, Günther Czerkus in das Thema eingestimmt.

„Schafe hüten das, was wir so lieben!“

Langer, grüner Lodenmantel, Schlapphut, zwei wache Augen – der Chef des deutschen Berufsschäferverbandes ist eine leibhaftige Urgestalt – und ein begnadeter Geschichtenerzähler. Es geht um die artgerechte Haltungsweise der Schafe, in stationärer Hütehaltung und um die Wanderschäferei, die immer seltener wird. „Schafe steigern den Erholungswert einer Landschaft. Sie beweiden die Wiesen und Almen, sodass dort wieder eine Artenvielfalt an seltenen Tieren und Pflanzen entstehen kann!“, erklärt er den intensiven Naturschutz der Tiere. „Sie hüten das, was wir so lieben!“. Denn Schafe sind Natur-Taxis, die in ihrem Fell Samen und auch kleinste Lebewesen, wie Grashüpfer, weiter transportieren. So können sich Wilde Orchideen, der seltene Enzian, die verschiedensten Wildkräuter urplötzlich an Orten ausbreiten, wo sie sonst selbst der Wind nie hingetragen hätte. Kein anderes Tier auf der Welt tut diesen Dienst an der Biodiversität. „Wir sind stolz auf dieses Alleinstellungsmerkmal!“, erklärt Czerkus. Aber die Kehrseite der Medaille gibt es auch. Gerade mal 10 bis 20 Lehrlinge pro Jahr deutschlandweit lassen sich zum Schäfer ausbilden. Czerkus sorgt sich um seinen Berufsstand.

aktuelles-aktuelles_2015-nachbericht_schweizer_2_288.jpg

Hautnaherlebnisse mit den vierbeinigen Mäh-Maschinen

Rund 300 Merinos vom Schäfer Helmut Reuter aus Alflen beweiden 30 Hektar Grünland. Es ist Mittagszeit und so bitter kalt, dass der Tau gefroren auf dem Gras liegen bleibt. Hinter Nebelschwaden verschwindet die Herde. Man sieht die Hand vor den Augen nicht. Schnell macht ein Vorurteil die Runde: „Die armen Schafe, so kalt und erst die Hunde... !“„Frieren die nicht bei diesem Wetter?“, fragt Adele Frensel (im Bild mit grüner Jacke) besorgt.

Die Gruppe umringt den Schäfer. Reuter stützt sich auf seinen Schäferstab und schmunzelt erst Mal in sich hinein: „Schafe sind lieber in der Herde und draußen, auch im Winter!“. Nur, wenn ein Schaf krank oder ein Lamm zu schwach sei, würde er das Tier von der Herde trennen und in den Stall bringen. Das bedeute für das Schaf oftmals mehr Stress als bei der Herde zu bleiben. Leider herrsche allgemein ein falsches Bild von der Schafhaltung. Reuters Merinos sind noch bis Ende Januar auf den Feldern von Lutzerath unterwegs. Das sei ganz normal. Dann beginne die Schafschur und die Tiere sind für einige Wochen im warmen Stall.

Einmal Schäfer, immer Schäfer

Seit 40 Jahren betreibt Reuter Schafhaltung. „Ich habe noch nie länger als vier Tage Urlaub gemacht“, das glaubt man ihm aufs Wort. Umso mehr ist es verständlich, dass Schäfer sehr viel Wert darauf legen, dass bei der Schlachtung das ganze Tier verwertet wird. Aber leider, die Nachfrage regle das Angebot. Nur die edlen Teile wie Kottelets, Nacken oder Filets gehen weg, der Rest wird nicht selten zu Hundefutter oder landet in der Tonne. „Es geht darum, den Wert eines Lebensmittels schätzen zu lernen!“, resümiert Martin Fuchs, Convivienleiter von Slow Food Rhein-Mosel. Auch Elke Menne zieht aus dem Besuch beim Schäfer Reuter für sich eine Entscheidung: „Hier kommt man ins Nachdenken, ich werde ab sofort ganz anders einkaufen!“.

Vulkanhof – das Paradies für Ziegen

Jetzt geht es weiter zum Vulkanhof. Dort, in Gillenfeld, wartet bereits Inge Thommes-Burbach und ihre Tochter Manuela samt ihren 220 deutschen Edelziegen auf die Besucher. Der Vulkanhof zählt zu den besten Käsereien Deutschlands. Dafür gibt es einige Gründe. Es duftet nach Heu – und nicht etwa nach Ziege. 200 edelrassige Paarhufer liegen oder stehen wiederkäuend in ihren großen Boxen und beäugen neugierig die Besucher. Hell ist es im Stall. Man merkt sofort, die Ziegen werden artgerecht gehalten und ernährt. Es heißt, mit sauberem, naturbelassenen Futter von den Wiesen um den Hof und frischem Quellwasser – die Familie achtet peinlichst darauf, dass das Futter nicht die Milchmenge, sondern die Milchqualität steigert. „Wir melken unsere Ziegen zwei Mal am Tag, morgens und abends“, erklärt Manuela Holtmann. „Die Milch wird sofort in unserer Käserei zu Käse weiterverarbeitet und wird nicht alt“. Je frischer die Milch desto frischer der Käse, so lautet das Motto auf dem Vulkanhof. 40 bis 50 Variationen an Frischkäse aus drei bis vier Grundsorten machen das Käse-Sortiment aus. Je ein Drittel wird über den Hofladen, die Gastronomie und die Wiederverkäufer vermarktet. Selbst in Berlin im berühmten Kaufhaus des Westens (KADEWE), wo nur die allerbesten Erzeuger ihre Ware verkaufen dürfen, gibt es den Ziegenkäse vom Vulkanhof. Vielleicht hat Frau Merkel auch schon davon gekostet!

Bild oben: © Rose Schweizer

Zurück zur Aktionsseite "Koblenz rettet Lebensmittel!"

Inhaltspezifische Aktionen