Fordere Gerechtigkeit im Handel mit Lebensmitteln

"What's the Deal? Fordere Gerechtigkeit im Handel mit Lebensmitteln" ist die neue digitale Kampagne von Slow Food, die die versteckten Kosten des globalen Lebensmittelhandels auf Mensch, Tier und Umwelt aufzeigt - und die Möglichkeiten, über die wir verfügen, um diesen zu verändern und gerechter zu gestalten. Während das heutige globale Ernährungssystem Ungerechtigkeit, Marktkonzentration für Großbetriebe und Umweltzerstörung begünstigt, gibt es noch überall auf der Welt diejenigen Bäuer*innen, die Lebensmittel in kleinteiligen, lokalen und widerstandsfähigen Systemen erzeugen und gerechtere Alternativen aufzeigen, die die Menschen- und Planetengesundheit bewahren. Verbraucher*innen informieren wir in den nächsten Wochen vor allem in den sozialen Medien und auf der Webseite über die aktuellen Probleme mit dem globalen Lebensmittelhandel, und warum dieser dringend überdacht werden und nachhaltiger gestaltet werden sollte, vor allem auch aus hiesiger Verbrauchersicht und im Kontext der Menschen- und Planetengesundheit. Von der Politik fordern wir, den globalen Handel mit Lebensmitteln nachhaltiger und gerechter zu gestalten, vor allem für Mensch und Natur in Produktionsländern des globalen Südens.

Das Problem: Handelsbestimmungen und -abkommen, die Verbraucher*innen, Landwirt*innen und dem Planeten schaden

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Der globale Lebensmittelhandel ist ein komplexes, hochgradig vernetztes System, das von Industriegiganten dominiert und von einer Politik angetrieben wird, die Effizienz und Profit über Gerechtigkeit und Planetengesundheit stellt. Heute werden Lebensmittel in einem noch nie dagewesenen Ausmaß über Grenzen hinweg transportiert und global gehandelt, doch viele Gemeinschaften - vor allem im globalen Süden - sind mit Hunger und Landnahme konfrontiert, während Ökosysteme geschädigt und Landarbeiter*innen hoch giftigen Pestiziden ausgesetzt werden, die z.B. in der EU verboten sind: all das, um Lebensmittel für den Export anzubauen - anstatt Subsistenzkulturen, um ihre eigenen Gemeinschaften zu ernähren. Enorme Landflächen und Regenwälder werden gefällt und müssen für den Anbau von "Cash crops" wie Palmöl und Soja weichen. Die Folge: indigene Völker werden vertrieben, Biodiversitätsverlust und Klimawandel werden verstärkt.

Gleichzeitig haben Kleinbäuer*innen auf der ganzen Welt - vor allem diejenigen, die nach agrarökologischen Prinzipien arbeiten - damit zu kämpfen, mit den niedrigen Preisen der industriell hergestellten Lebensmittel zu konkurrieren. Diese „billigen“ Produkte bringen versteckte ökologische und soziale Kosten mit sich: Zerstörung der biologischen Vielfalt, Landraub, Pestizidvergiftungen für Mensch und Tier sowie Kontamination natürlicher Ressourcen wie Boden und Wasser, Ausbeutung von Arbeitskräften und Erosion lokaler Esskulturen. Dieses industriell dominierende System untergräbt die nachhaltige, lokale, in Kreisläufen gedachte Produktion und verdrängt die Kleinbäuer*innen vom Markt, bzw. macht den Zugang zu Exportmärkten erst gar nicht möglich, da die Anforderungen und Kosten - etwa für Zertifizierungen und andere bürokratische Prozesse - meist nur von Großbetrieben zu stemmen sind.

Nicht nur für Bäuer*innen bringt die derzeitige Art und Weise, mit Lebensmitteln global zu handeln, Nachteile mit sich. Auch für Verbraucher*innen gibt es wenig Transparenz darüber, wie importierte Lebensmittel aus EU-Drittstaaten transportiert und angebaut werden - ob sie sicher, fair oder umweltfreundlich sind. Dies erschwert Verbraucher*innen im Supermarkt, sich für nachhaltige Alternativen zu entscheiden. Die Handelsregeln bevorzugen die industrielle Landwirtschaft: das hat mehr Pestizide in unseren Lebensmitteln, mehr Antibiotika im Fleisch und weniger Kontrolle über unsere Ernährung zur Folge.

Die Bedeutung der EU im Lebensmittelhandel

Die Europäische Union (EU) spielt eine wichtige Rolle im weltweiten Lebensmittelhandel. Sie kauft und verkauft riesige Mengen an Lebensmitteln in der ganzen Welt und gestaltet die Regeln für den Lebensmittelhandel mit, insbesondere durch ihre Rolle in der Welthandelsorganisation (WTO). Aufgrund dieser Macht beeinflussen die Entscheidungen der EU nicht nur die Geschehnisse in Europa, sondern auch die in Ländern außerhalb der EU, aus denen wir Lebensmittel importieren. Deshalb ist es wichtig, darauf zu achten, welche Handelsregeln und -abkommen die EU unterstützt, bzw. welche Import-Standards sie für Import-Lebensmittel vorgibt - und sie zur Rechenschaft zu ziehen, wenn diese Politik nicht den Werten entspricht, die sie innerhalb der eigenen Grenzen vertritt, wie Fairness und Umweltschutz.

Gegenwärtig verfügt die EU über einige Standards zum Schutz von Landwirt*innen, Arbeitnehmer*Innen und der Umwelt innerhalb Europas. Aber diese Regeln gelten oft nicht für importierte Lebensmittel aus EU-Drittstaaten. Dadurch wird mit zweierlei Maß gemessen: Lebensmittel können auf eine Art und Weise produziert werden, die den EU Standards nicht entsprechen und Mensch, Tier und dem Planeten schadet - solange dies außerhalb Europas geschieht. Als Import-Lebensmittel landen diese Produkte, die oft mit für Regenwaldabholzung, Pestizidvergiftungen und Land Grabbing verantwortlich sind, dann aber trotzdem auf unserem Teller oder im Trog der Tiere in der hiesigen industriellen Tierhaltung.

>> Mehr Informationen zu den Doppelstandards der EU in verschiedenen Berichten inklusive Standardsvergleich für verschiedene Lebensmittel wie Rindfleisch, Soja, Äpfel und Reis.

Unsere Vision: Lebensmittel sollten Menschen ernähren, nicht zur Profitgenerierung von Marktgiganten dienen

Deshalb fordern wir eine grundlegende Veränderung der Art und Weise, wie Lebensmittel produziert, gehandelt und konsumiert werden:

  • Slow Food Deutschland fordert die EU auf, die Doppelstandards für Importwaren zu beenden und durch so genannte “Spiegelmaßnahmen” equivalente Standards für alle Lebensmittel umzusetzen - für Mensch, Tier und Umwelt in Produktionsländern, sowie für mehr Transparenz und Gesundheit für Verbraucher*innen hier. 
  • Die Handelspolitik muss mit agrarökologischen Prinzipien und globaler Gerechtigkeit in Einklang gebracht werden, um sicherzustellen, dass wir auch Verantwortung für globale Lieferketten und unsere Import-Lebensmittel übernehmen: Es darf nicht egal sein, ob Menschen in Drittländern vergiftet, indigene Völker vertrieben wurden oder Ökosysteme kollabieren, um Lebensmittel für uns hier zu produzieren. Wir brauchen eine Politik, die Landwirt*innen bei der Umstellung auf nachhaltige Praktiken unterstützt, ländliche Gemeinden schützt und sicherstellt, dass die Lebensmittelproduktion die Menschen und den Planeten respektiert.
  • Übergreifend fordern wir eine Relokalisierung der Lebensmittelsysteme und die Stärkung kurzer Lieferketten. Das bedeutet, den hiesigen Landwirt*innen faire Preise zu sichern, die Abhängigkeit von langen, verschwenderischen und von Unternehmen dominierten Handelswegen zu verringern und den Zugang zu frischen, gesunden Lebensmitteln für alle Verbraucher*innen zu erleichtern.

>> Mehr Hintergrundwissen inklusive Berichte zum Thema: Doppelstandards der EU im Hinblick auf Import-Lebensmittel aus EU-Drittstaaten


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