Herdenmanagement

Der siebte und letzte Workshop des Projekts zur nachhaltigen Rindfleischwirtschaft am Beispiel Rind beschäftigte sich mit dem Thema Herdenmanagement. Die Bedeutung des stressarmen Herdenmanagements für eine ganzheitlich betrachtete und nachhaltige Rinderhaltung rückte in unserem Projekt zunehmend in den Fokus. Anlass genug, das Thema in einem zusätzlichen Workshop auf dem Gut Haidehof nahe Hamburg aufzunehmen. Referent Ruven Hener von Gut Temmen gab den Teilnehmenden wertvolle Einblicke in seine Arbeit mit den Rindern und die Praktik des low-stress-stockmanship.

Die Arbeit mit Tieren und insbesondere mit Rindern ist häufig von großer Kontrolle seitens der Tierhalter*innen und von nur geringer Beachtung der natürlichen Gewohnheiten seitens der Tiere geprägt. Nicht selten entsteht dadurch in der täglichen Arbeit Stress für Mensch und Tier.

Fleischprojekt (c) Marion Hunger.jpgMit viel Energie, Leidenschaft und der ein oder anderen Schweißperle hat Ruven Hener, Standortleiter des Betriebsteils Stegelitz, vor einigen Jahren begonnen, den eigenen Umgang mit seinen Rindern zu hinterfragen, da es immer wieder zu gefährlichen und anstrengenden Situationen gekommen war. Er lernte den Ansatz des „low stress stockmanship“ kennen, den Philipp Wentz aus den USA nach Brandenburg gebracht hatte. „Meine Arbeit mit den Rindern ist heute entspannt, egal ob Tiere aus der Herde entnommen werden oder eine tierärztliche Untersuchung ansteht.“ Berichtet Ruven Hener. Die Grundvoraussetzung dafür sei Vertrauen und Respekt. Bewege sich das Verhältnis zwischen Rind und Mensch nicht im Rahmen dieser Polarität, so könne es im besten Fall unangenehm und stressig und im schlimmsten Fall sehr gefährlich werden.

Der Weg hin zu einer guten Kommunikation mit den Tiere ist lang und benötigt viele Stunden an Training. Eine der größten Herausforderungen auf dem Weg zu einem stressarmen Umgang mit Rindern ist, laut Hener, nicht die Herde sondern der Mensch selbst. Im Gegensatz zu uns Menschen verfolgen Tiere jeden Tag immer nur jeweils eines ihrer grundlegenden, lebenserhaltenden Ziele, wie Fressen und Trinken. Wir Menschen sind dagegen Multi-Tasker, haben häufig mehrere Dinge gleichzeitig - im Sinn und in der Planung und gestalten entsprechend mehrdimensional unsere Handlungsabläufe.

Beim Versuch, die aus Sicht der Menschen wesentlichen Ziele und Notwendigkeiten der Tierhaltung, wie Milchproduktion oder das Wiegen der Tiere, zu erreichen, passiert es schnell, dass die Abläufe im Produktionsprozess nicht auf die Bedürfnisse der Tiere abgestimmt sind, sondern den Tieren entgegen ihren Gewohnheiten diese mehrdimensionalen Handlungsabläufe aufgezwungen werden. Stress auf beiden Seiten ist vorprogrammiert.

Daher ist es vorrangig, dass der Mensch die „Sprache“ der Tiere lernt und verinnerlicht, um so eine Form der dem Tier angemessenen Kommunikation zu finden. Täglich ist zu fragen: Was habe ICH falsch gemacht im Umgang mit den Rindern? Was kann ich tun, damit es funktioniert? Dabei steht immer die Herde im Zentrum, sie gibt den Tieren die notwendige Sicherheit und nur dann kann das stressarme Herdenmanagement als Grundlage für die Rinderhaltung genutzt werden.

Warum wenden erst wenige Betriebe diese Erkenntnisse des low-stress-stockmanship an? Die Teilnehmenden des Workshops berichten, dass kleinere Betriebe häufig schon ohne gezieltes Training vieles gut machen. Je größer jedoch die Betriebsstruktur und damit die Herden sind ist, desto mehr geht die Sensibilität für die Tiere verloren. Die Umsetzbarkeit aber auch die Notwendigkeit für einen stressarmen Weg wird weniger gesehen. Der Betrieb von Ruven Hener zeigt jedoch, dass low stress-stockmanship auch mit einer Herdengröße von 300 Tieren und mehr praktikabel und erfolgreich sein kann.

 

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