Die Gastronomie braucht Transparenz und Fairness - von Manuel Reheis

Dass die Speisen auf unseren Tellern nachhaltig sein sollten, müsste mittlerweile bei allen angekommen sein. Dafür müssen wir Köche und Köchinnen in unserer Vorbildfunktion Nachhaltigkeit richtig verstehen und auch die soziale und ethische Nachhaltigkeit in der Gastronomie ernst nehmen und leben. Wir haben eine umfassende moralische Verantwortung. Leider ist dies bei vielen Kolleg*innen, Mitarbeitenden und Gästen noch nicht angekommen. Es ist die Aufgabe von uns allen, die Gastronomie wieder zu einem attraktiven und nachhaltigen Arbeitsplatz zu machen.

Die Rücknahme des reduzierten Steuersatzes leuchtet mir ein. Es war eine Unterstützung, die sehr geholfen hat, aber nicht unendlich weitergehen konnte. Allerdings war ich vor der Pandemie der Auffassung, dass Restaurants als Ort des Austauschs und Miteinanders für alle Menschen anerkannt und mit nur sieben Prozent Mehrwertsteuer besteuert werden sollten. Der Steuersatz allein aber ist nicht das Problem.

Durch die Pandemie ist ein großer Teil der Arbeitskräfte abgewandert – zu verlockend sind Arbeitszeiten, Bedingungen und Verdienstmöglichkeiten in anderen Berufen. Wir müssen es schaffen, Vertrauen zurückzugewinnen und einen krisensicheren Arbeitsplatz zu gewährleisten. Mit Erschrecken stelle ich jedoch fest, dass viele Kollegen und Kolleginnen sich nicht damit beschäftigen, wie sie das schaffen und ihrer sozialen Verantwortung ansatzweise nachkommen können. Der Kosmos Gastronomie schwebt, abgehängt von vielen anderen Berufsfeldern, in seiner eigenen Galaxie. Genau das können wir uns nicht leisten. Wir müssen unseren Mitarbeitenden Zukunft und Perspektive bieten, indem wir sie beteiligen: Monetär wie strukturell, durch Gewinnbeteiligung wie durch Einbindung in Prozesse. Das heißt: teambildende Maßnahmen und gemeinsame Produzentenbesuche organisieren, individuelle Bedürfnisse berücksichtigen und für körperliche und mentale Energie sorgen. Dazu gehört auch die betriebliche Altersvorsorge, die gesetzlich verpflichtend ist, aber in den wenigsten Betrieben angeboten wird. Sowohl die Bezahlung als auch das Miteinander müssen fair sein.

Das Wirtshaussterben auf dem Land zeigt uns, dass auch die familiäre Ausbeutung in vielen Betrieben nicht so weitergehen kann. Dabei benötigen wir als Gesellschaft besonders auf dem Land diese gastronomischen Räume zum Austausch. Wo sonst sitzen so unterschiedliche Menschen aus verschiedensten Kulturen friedlich zusammen?

In unserem Restaurant gehen wir bewusst und hoffentlich vorbildlich voraus: Wir schließen Diskriminierung aus und Diversität ein. Gerade wir Köche und Köchinnen, Gastronomen und Gastronominnen profitieren täglich von der Vielfalt der Kulturen. Wir bieten betriebliche Fortbildung an, gehen kollegial aufeinander zu, hören uns zu und leisten Hilfe. Ich bin überzeugt, dass wir die Gäste auf dem Weg, der vor uns liegt, mit ins Boot holen können. Wir haben einen Bildungsauftrag und sollten unser Tun aktiv nach außen kommunizieren. Wir sollten den Gästen Einblick in unsere Einkaufspolitik, Netzwerke und Personalsituation geben; ihnen mit breiter Brust zeigen, dass wir ein Team aus Individuen sind – mit Fehlern, die man haben darf, aber vor allem mit Stärken, die wir hervorheben wollen. Transparenz und Fairness sollten wir uns auf die Fahne schreiben.

Seit geraumer Zeit überlege ich, unsere Arbeitsweise, die Kosten und den Gewinn offen zu legen. Ich bin überzeugt, dass es das Verständnis der Gäste für die Kalkulation und die Wertigkeit unserer Arbeit enorm steigern würde. Gute Lebensmittel, gute Behandlung und faire Bezahlung haben ihren Preis. Und ja, das bedeutet, dass ein Restaurantbesuch teurer ist, aber auch glaubhaft nachhaltiger. Wir haben kein Recht auf unser tägliches Fleisch und auch nicht auf ein beliebig oft leistbares Essen in einem Restaurant. Essen zu gehen ist kein Grundrecht; und wenn man es mit gutem Gewissen macht, zehrt man länger davon. Es sollte eine Belohnung für uns alle sein. Ich bin fest überzeugt, Nachhaltigkeit auf dem Teller geht nur, wenn alle Glieder der Kette nachhaltig sind: der Betrieb mit seinen Mitarbeitenden, Zuliefernden und Produzent*innen sowie auch die Gäste, die sich ihrer Entscheidung sehr wohl bewusst sind, wo und zu welchem Preis sie zum Essen gehen.

Autor: Manuel Reheis, Mitglied der Chef Alliance von Slow Food, Geschäftsführer und Küchenchef im Restaurant Broeding in München

Erschienen im Slow Food Magazin 02/2024

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