Schnippeldisko: Es hämmert der Bass, es duftet die Suppe

20.01.2020 - Slow Food Youth und Partner haben am vergangenen Freitag zur neunten Schnippeldisko in die Cabuwazi-Zirkuszelte auf dem Tempelhofer Feld eingeladen. Zwei Tonnen gerettetes Gemüse galt es zu schrubben und zu schnippeln, bevor es schließlich in den großen Kesseln der Fläming Kitchen zu feiner Suppe verkocht wurde - für die Schnippler*innen und für all die Teilnehmer*innen der „Wir haben es satt!“-Demonstration am darauffolgenden Tag. Eindrücke eines bewegten Abends.

Schnippeldisko 2020 (c) Nick JaussiBereits zum achten Mal ist der Koch der Fläming Kitchen dabei und bereitet hunderte Liter brodelnde Suppe in den hüfthohen Kesseln zu. Klar, es ist immer ein riesiges Chaos,“ sagt er. „Man fragt sich auch manchmal, muss ich zugeben: Warum tue ich mir das jedes Jahr aufs Neue an? Aber wie soll man es nennen? Idealismus? Ein besseres Wort gibt es nicht wirklich.“

Oder man spricht von Aktivismus, wie Louise Duhan, Koordinatorin von Slow Food Youth, die den Leuten mit der Schnippeldisko zeigen möchte, „dass man Spaß haben kann, wenn man aktivistisch unterwegs ist“. Und der Politik beweist, „wie unsere Bewegung ganz viele verschiedene Akteur*innen der Lebensmittelwertschöpfungskette zusammen an einen Tisch bringt. Die sich austauschen, die teilweise schon einen Wandel auf den Weg bringen, die aber die Unterstützung der Politik brauchen, um weiterarbeiten zu können“. Von der Politik wünscht Louise sich ein offenes Ohr und die Bereitschaft anzupacken. „Und wir brauchen Budget, um Wandel zu schaffen.“

Schnippeldisko 2020 (c) Nick Jaussi

Rote Hände, rote Gesichter, rote Zeltwände.

Das Schnippelzelt ist voller Menschen, Musik und Gemüse. Mehrere hundert Helfer*innen sitzen an Biertischen, schneiden die nicht-marktfähigen Roten Beeten in Würfel und spenden sich gegenseitig Wärme. „Ich finde es sehr schön, dass wir alle zusammen etwas tun, mit Menschen, die man gar nicht kennt. Man kommt einfach ins Gespräch, schließlich sind wir alle für die selbe Sache hier,“ erzählt eine junge Frau. Für beziehungsweise gegen die selbe Sache: Lebensmittelverschwendung nämlich.

Schnippeldisko 2020 (c) Nick JaussiAll die Kartoffeln, Kürbisse, Karotten und Kohlrabis, die sich auf dem Cabuwazi-Gelände in Kisten türmen, haben es nicht in den Handel geschafft, weil sie zu klein, zu groß, zu krumm oder zu hubbelig waren. Oder weil es nicht genügend Äpfel gab, wie im Fall der Roten Beete. Louise erzählt, ein Bauer hätte eine ganze Tonne davon übrig gehabt, weil die Äpfel für den geplanten Apfel-Rote-Beete-Saft nicht reichten. Draußen auf dem Zeltplatz werden im Duft der Suppe die deutschen Kürbisse geschrubbt, die sich gegen das günstigere Sortiment aus Polen nicht durchsetzen konnten.  

Schnippeldisko 2020 (c) Nick JaussiEiner der Helfer erzählt, auch privat würden er und seine Frau Lebensmittel retten: „Wir sind ganz aktiv bei Foodsharing. Das heißt, wir versuchen uns zum größten Teil von Lebensmitteln zu ernähren, die sonst im Müll gelandet wären. Das macht einen super kreativ, man fängt an, Sachen zu benutzen, die man vorher vielleicht gar nicht verkocht hätte. Und wir brauchen natürlich überhaupt das auf, was wir zuhause haben statt es wegzuschmeißen.“ 

Raum für Dialoge und Kleinkunst bietet die Manege des Showzelts, wo verschiedene NGOs ihre Arbeit präsentieren, Slamtexte vorgetragen werden und Podiumsdiskussionen stattfinden. Wie kann ich zu besserer Landwirtschaft beitragen? „Indem ich mich zum Beispiel für Bioland, Demeter oder Naturland entscheide, entscheide ich mich gegen den Rest,“ erklärt der Herr auf der Bühne, auch er ist Koch. „Mein Bon ist mein Stimmzettel,“ sagt er auf den Beat des Basses aus dem Schnippelzelt gegenüber, wo sich langsam die Tanzfläche füllt.

Mein Bon ist mein Stimmzettel

Schnippeldisko 2020 (c) Nick JaussiWie sich gerettete Lebensmittel verarbeiten lassen, kann man im Workshopzelt lernen, wo beispielsweise Kurse zur Fermentation oder zum Thema Nachhaltigkeit in der Küche stattfinden. Dass eine vom Wunsch des Handels und vieler Verbraucher*innen abweichende Form dem Gemüse geschmacklich keinerlei Abbruch tut, ist hier für alle klar. Und das sieht man sofort, wenn man in die zufriedenen Gesichter der Leute schaut, die nach getaner Arbeit ihre Suppe genießen. Die Besucher*innen der Schnippeldisko decken vier Generationen ab - ein bewussterer Umgang mit Lebensmitteln ist für Jung und Alt also durchaus ein Thema. „Mal zu gucken, wo die Sachen herkommen, wie die Tiere gehalten wurden“, wünscht sich der Koch der Fläming Kitchen von noch mehr Menschen.

Text: Marianne Rennella

Weitere Eindrücke von der Schnippeldisko:

Schnippeldisko 2020 (c) Nick Jaussi

Schnippeldisko 2020 (c) Nick Jaussi

Schnippeldisko 2020 (c) Nick Jaussi

Schnippeldisko 2020 (c) Nick Jaussi

J20D0117WHES-Schnibbeldemo193634-12.jpg

Inhaltspezifische Aktionen