Baden-Württemberg: Großer Erfolg für Trägerkreis des Bienen-Volksbegehren

19.12.2019 - Aus den Eckpunkten ist ein tragbarer Gesetzentwurf entstanden: Die Halbierung der Pestizide, deutlich mehr Öko-Landbau und mehr Lebensräume - Baden-Württemberg hat einen ambitionierten Gesetzentwurf gegen das Arten- und Höfesterben auf den Weg gebracht.

Bienen am Flugloch (c) volksbegehren-artenschutz BW.jpgZu diesem Ergebnis kommt der Trägerkreis des Volksbegehrens Artenschutz – „Rettet die Bienen“, zu dem 13 Verbände und Organisationen, darunter Slow Food Deutschland, gehören. Deswegen hat der Trägerkreis einstimmig beschlossen, den von den Ministern präsentierten Gesetzentwurf für mehr Artenschutz als Alternative zum ursprünglich gestarteten Volksbegehren zu akzeptieren. Die Mobilisierung für das Volksbegehren, die seit dem 15. Oktober ruht, wird nicht wieder aufgenommen. „Wir wollten von Beginn an nicht nur ein Signal für mehr Artenschutz und damit eine lebenswerte Zukunft für unsere Kinder setzen, sondern auch konkrete Ziele gegen das Artensterben erreichen. Dieses Signal und einige Ziele der Zivilgesellschaft haben die Landesregierung und die Bauernverbände nun aufgenommen. Trotzdem heißt es für alle dranbleiben an der Rettung der Bienen“, sagt Volksbegehrens-Initiator und proBiene-Geschäftsführer Tobias Miltenberger. „Der jetzige Gesetzentwurf der Landesregierung ist zwar keine Traumlösung für den Umweltschutz, weil er aber den gewünschten Konsens zwischen Politik, Landwirtschaft und Umweltschutz erreicht hat, sehen wir ihn als guten Kompromiss, um schnelle Schritte gegen das Artensterben einzuleiten“, sagt Volksbegehren-Sprecher und Initiator David Gerstmeier.

„Das Volksbegehren war ganz eindeutig die Initialzündung für die Debatte zum Thema Artenschutz in den vergangenen Wochen“, sagt Volksbegehrens-Sprecher und NABU-Landeschef Johannes Enssle. „Sie hat aber auch zu einer Polarisierung zwischen einigen Vertretern der Landwirtschaft und der Gesellschaft geführt, die wir durch den jetzigen Kompromiss hoffentlich beilegen können.“ Für die Entscheidung des Trägerkreises waren zwei Punkte entscheidend: Zum einen hat die Landesregierung in einem ungewöhnlich offenen Arbeitsprozess in kurzer Zeit aus den recht allgemeinen Eckpunkten zum Artenschutz einen konkreten Gesetzentwurf geformt. Zum anderen tragen die wesentlichen Landwirtschaftsverbände diesen Entwurf mit. „Die eigentliche Arbeit beginnt aber jetzt erst“, sagt Volksbegehrens-Sprecherin und BUND-Landesvorsitzende Brigitte Dahlbender. „Wir werden sehr nachdrücklich darauf achten, dass die Zusage der beiden Minister und der Landtagsfraktionen eingehalten und aus diesem Gesetzentwurf jetzt schnellstmöglich und ohne weitere Verwässerungen ein Gesetz wird.“ Dazu werden die Organisationen des bisherigen Trägerkreises weiter zusammenarbeiten. „Wir werden“, sagt Brigitte Dahlbender, „die Landesregierung im Frühjahr daran messen, ob sie den heutigen Entwurf in seiner jetzigen Substanz durchs Parlament gebracht hat.“

Schon jetzt hat sich die Landesregierung in einigen bislang immer umstrittenen Punkten eindeutig positioniert. Bei Themen wie Pestizidreduktion oder Ausbau der Öko-Landwirtschaft kann Baden-Württemberg dank der Volksbegehrens-Initiative zum Muster-Ländle werden – und das zusammen mit den Landwirten, die auf dem Weg dahin durch Förderprogramme und eine intensiveren staatlichen Pflanzenschutz-Beratung unterstützt werden sollen. „Das Land hat das Versprochene vor Weihnachten geliefert. „Schon jetzt sind zur Umsetzung des Eckpunktepapiers im kommenden Doppelhaushalt zusätzlich etwa 43 Millionen Euro für die landwirtschaftlichen Themen und zusätzliche 19 Millionen Euro für die Themen des Umweltministeriums bereitgestellt. Das ist ein wichtiger Erfolg für die Artenvielfalt und die bäuerliche Landwirtschaft“, sagt der geschäftsführende Demeter-Landesvorstand Tim Kiesler. „Klar ist aber auch: Der heutige Tag und das Bekenntnis des Sektors zum Eckpunktepapier besiegeln nicht das Ende, sondern den Anfang eines lange überfälligen Dialogprozesses zwischen Landwirtschaft, Umweltschutz, Politik und Verbrauchern.“

Mehr Lebensräume, weniger Pestizide – die Eckpunkte im Überblick

Ausgehend von einem Eckpunktepapier, das die Landesregierung im Oktober vorgestellt hat, sollen bis Frühjahr nun unter anderem diese Punkte in Gesetze umgesetzt werden:

  • Mehr Rückzugsflächen: Damit gefährdete Arten sichere Rückzugsräume haben, soll auf zehn Prozent der Landesfläche ein zusammenhängender Schutzraum („Biotopverbund“) entstehen. Streuobstwiesen, die besonders wichtig für die Artenvielfalt sind, werden besser geschützt und dort erwirtschaftete Produkte besser vermarktet.
  • Schutz in Schutzgebieten: In baden-württembergischen Schutzgebieten gibt es künftig nur noch Integrierten Anbau oder Öko-Anbau. In Naturschutzgebieten, das sind etwa zwei Prozent der Landesfläche, werden Pestizide ganz verboten. In allen anderen Schutzgebieten müssen Landwirt*innen künftig nach dem Integrierten Anbau arbeiten – also zum Beispiel Pestizide nur noch einsetzen, wenn bestimmte Schädlinge nachgewiesen sind oder auf resistente Sorten setzen.
  • Mehr Öko-Anbau: Die Landesregierung steigt deutlich beherzter als bisher in die Förderung des Bio-Anbaus und die Vermarktung regionaler Bio-Lebensmittel ein. Ökolandbau ist nachweislich nicht nur besser für die Artenvielfalt – sondern stärkt auch die wirtschaftliche Situation vieler Betriebe. Das Land nimmt nun mehr Geld als bisher vorgesehen in den Haushalt, um das zu fördern. Zudem stellt das Land seine eigenen Landwirtschaftsbetriebe schnellstmöglich auf Öko-Anbau um.
  • Weniger Gifte: Das Land bekennt sich zu einer verbindlichen Pestizidreduktion. Bis 2030 sollen 40 bis 50 Prozent der chemisch-synthetischen Pestizide im Land eingespart werden. Indem Landwirt*innen beim Einsatz von Spartechniken unterstützt werden, aber auch indem Kommunen, Privatgärtner und Industrie künftig auf solche Gifte verzichten.
  • Grün statt Grau: Privatgärtner werden angehalten, statt Schottergärten wieder sinnvolle Gärten anzulegen. Zudem wird die Lichtverschmutzung bekämpft.

In Baden-Württemberg gelten mehr als ein Drittel der etwa 50.000 vorkommenden Arten als bedroht. So sind fast die Hälfte der 460 hier vorkommenden Wildbienenarten gefährdet. In einer Studie hat die Max-Planck-Gesellschaft im September aufgezeigt, dass allein am Bodensee die Zahl der Vögel um ein Viertel in nur drei Jahrzehnten zurückgegangen ist. Auf der Schwäbischen Alb sank die Zahl der Arten im vergangenen Jahrzehnt um ein Drittel.

Und nun?

Der Trägerkreis des Volksbegehrens wird nicht mehr aktiv für das laufende Volksbegehren „Rettet die Bienen“ mobilisieren. Allerdings läuft aus formal-juristischen Gründen das Volksbegehren weiter. Bis zum 23. März nehmen Wahlbüros in den baden-württembergischen Kommunen die Unterschriftenformulare entgegen.

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