Kommentar: Syngenta hat das Gift fürs Volk

28.2.2017 – Syngenta, der Weltmarktführer für Pestizide, bewirbt ein Unkrautvernichtungsmittel mit dem Slogan „Axial 50 – das Volksherbizid“. Das Mittel fürs Volk ist allerdings keinesfalls ungefährlich und für Haus und Garten auch gar nicht zugelassen. Ein Kommentar von Manfred Kriener.
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Was, bitteschön, ist eigentlich ein „Volksherbizid“? Der Agrarkonzern Syngenta, weltweiter Marktführer bei Pestiziden, wirbt für die „Unkraut- und Ungrasbekämpfung“ mit dem Slogan „Axial 50 - das Volksherbizid!“. Axial 50 ist der Name des Produkts: ein Gift mit dem Wirkstoff Pinoxaden, das häufig im Getreideanbau eingesetzt wird, vor allem gegen die Beigräser Windhalm und Ackerfuchsschwanz. Diesen Gräsern soll es mit dem Gift für „die breite Masse“ – so die Wikipedia-Definition für das Volk – an den Kragen gehen. Volksherbizid – das klingt nach chemischer Keule für alle! Oma, Opa, Mutti, Onkel und Enkel – jeder darf mal ein bisschen durch die Gegend sprühen, mit vollautomatischer Düsenkontrolleinrichtung, mit Präzisionsanwendung und digitalem Farming 4.0.

Bild oben: Unerwünscht – der Windhalm im Getreidefeld. | © By Petr Filippov - Own work, CC BY 3.0

Wir sind das Volk!

Volksherbizid – das klingt aber auch nach einem Einsatz im heimischen Vorgärtlein. Dort nisten sich zwischen Tulpen und Osterglocken immer wieder Unkräuter und Ungräser ein. Was haben die dort zu suchen? Nichts! Da hat Syngenta was für Sie: Schutzkleidung anziehen, die Axial 50-Giftemulsion ansetzen und – wir sind das Volk!

Auch zuhause im Wohnzimmer könnte das Volksherbizid, wenn der Gummibaum neben dem Fernseher mal schlapp macht, wirksicher feindlichen Beigräsern im Blumentopf den Garaus machen. Aber ernsthaft: Welches Beigras hat die Werbeagentur eigentlich geraucht, die sich diesen Werbespruch ausgedacht hat? Volk und Schädlinge – seit den Nazis markieren diese Begriffe ein schwieriges Gelände und sind weitgehend tabu. Hat irgendjemand nachgedacht, bevor der Slogan unters Volk gebracht wurde?

Die massenhafte Anwendung von Herbiziden ist übrigens aus vielerlei Gründen kritisch zu bewerten. Nicht nur weil dabei eine toxische Chemikalie in die Umwelt ausgebracht wird, die für Mensch, Tier und Ökosystem gefährlich ist. Auch die Bildung von Resistenzen sind ein gravierendes Problem gerade bei Herbiziden, also Unkrautvernichtungsmitteln. Viele Mittel wirken nach einigen Jahren der Anwendung nicht mehr zuverlässig. Das Unkraut oder Ungras, das man bekämpfen will, ist resistent gegen das Gift geworden. Je häufiger die Mittel angewendet werden, desto größer ist die Gefahr, dass sich Resistenzen bilden. Eine breite Anwendung, wie sie der Begriff Volksherbizid nahelegt, ist der direkte Weg zur Unwirksamkeit.

Unkräuter entwickeln Resistenzen gegen das Gift

In Niedersachsen und Hessen haben Wissenschaftler die Resistenzentwicklung von Herbiziden untersucht und dabei festgestellt, dass der Wirkstoff Pinoxaden gegen den Gemeinen Windhalm zunehmend weniger ausrichtet. „Auch gegen Axial 50 (...) zeigen erste Windhalmpopulationen eine multiple Resistenz“, heißt es in einer der Studien und: „Auf fast allen Ackerbaustandorten in Niedersachsen ist Windhalm gegen mindestens eine Wirkstoffgruppe resistent.“ Hinzu kommt, dass das Volksherbizid zu allergischen Reaktionen, Ausschlägen und Hautreizungen führen kann. Es ist auch „giftig für Wasserorganismen“, wie es in der Online-Datenbank des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit heißt. Das Volk sollte in jedem Fall Augen- und Gesichtsschutz tragen, Handschuhe und Schutzkleidung anlegen und notfalls schnell ärztliche Hilfe hinzuziehen.

„Ein vollkommen deplatzierter Begriff“

Susanne Smolka vom Pestizid-Aktionsnetzwerk PAN findet die Marketing-Bezeichnung "Volksherbizid" in Zeiten von Minimierungsstrategien für solche Gifte und von immer mehr pestizidfreien Kommunen „vollkommen deplatziert und nicht nachvollziehbar“. Das Mittel sei keinesfalls ungefährlich und in Deutschland für die Anwendung in Haus und Garten auch gar nicht zugelassen. Smolka: „Das Volk darf es gar nicht anwenden!“ Slow-Food-Vorsitzende Ursula Hudson bezeichnete den Syngenta-Slogan als „Werbeprosa der besonders üblen Sorte“ und forderte den Konzern auf, die Faltblätter zu Axial 50 umgehend dem Reißwolf zu übergeben. Hudson: „Der Versuch einer volksnahen Werbebotschaft ist gründlich danebengegangen, die adressierten Bürgerinnen und Bürger brauchen kein Volksherbizid, sondern eine nachhaltige Landwirtschaft, die auf Umwelt und Natur mehr Rücksicht nimmt.“

Mehr Informationen:

Zur Syngenta-Produktbroschüre "Axial 50 – das Volksherbizid für alle" (PDF)

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