Weinjahrgang 2017: Ernte in kurzen Hosen

9.10.2017 – Die früheste Ernte seit 40 Jahren: In den deutschen Weinanbaugebieten ist der Jahrgang 2017 schon Anfang Oktober fast komplett im Keller. Die Winzer berichten von guten Qualitäten bei magerer Ausbeute. Der extrem warme März und der frostige April drückten dem Jahrgang den Stempel auf. Von Manfred Kriener.

Deutsche Weinlese 2017: Ernte in kurzen Hosen

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Schon wieder eine Weinlese mit neuen Rekorden: In den 13 deutschen Anbaugebieten blubberten bereits zum Nationalfeiertag die Moste im Keller, der größte Teil der Trauben war geerntet. „Es war die früheste Lese seit 40 Jahren“, sagt der Pfälzer Topwinzer Hansjörg Rebholz, es könnte sogar eine der frühesten in der langen Geschichte des deutschen Weinbaus gewesen sein.

„Schön, wenn man in kurzer Hose arbeiten kann“, flachst Schwabenwinzer Rainer Schnaitmann. Er hatte zum ersten Mal seit Bestehen seines Betriebs schon Ende August die ersten Trauben geholt: einen gut ausgereiften Frühburgunder. „Eigentlich“, so Schnaitmann, „sind wir ja Oktoberernter“, aber diese Zeiten sind mit der Klimaveränderung wohl vorbei. Mit der Qualität des Jahrgangs sind die Winzer zufrieden: reife Trauben, lebendige Säuren, gute, aber nicht zu hohe Mostgewichte. Nur die Menge liegt deutlich unter dem langjährigen Schnitt.

Der ungewöhnlich warme März, der wärmste seit Ewigkeiten, hatte die Rebstöcke zeitig aufgeweckt und für frühen Austrieb gesorgt. So hatte sich der gesamte Vegetationszyklus um drei bis vier Wochen vorverschoben. Die Quittung kam mit polaren Luftmassen in der Nacht zum 20. April, als ein strammer Frost die bereits ausgetriebenen Reben packte. Franken, Saale-Unstrut und Sachsen blieben weitgehend verschont, in den übrigen Anbaugebieten gab es teilweise verheerende Frostschäden. Der Aprilfrost ist auch der Hauptgrund für die kräftigen Ertragseinbußen, die landesweit gegenüber dem Vorjahr ein Minus von 18 Prozent brachten.

Bild oben: Reifes Lesegut – Trollinger-Lese im Kreis Ludwigsburg

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Glücklich in Bürgstadt

Juniorchef Sebastian Fürst vom fränkischen Spitzenweingut Rudolf Fürst in Bürgstadt freut sich über „sehr aromatische Trauben“ und einen „zum Glück fast normalen Ertrag“. Nach weitgehend trockenen Lesephasen hatte Fürst schon am 27. September seinen Spätburgunder, die wichtigste Traube des Weinguts, komplett im Keller. Nasse und trockene Phasen seien in diesem Jahr gut zu bewältigen gewesen, „ich glaube, wir können mit dem Jahrgang glücklich werden“, bilanziert Fürst.

In Rheinhessen, dem größten deutschen Anbaugebiet, sind die Frostschäden extrem unterschiedlich verteilt. „Den Norden hat’s richtig gebeutelt, wir waren in unseren Lagen frostfrei“, sagt Weinmacher Jochen Dreissigacker in Bechtheim. Auch in seinem Betrieb gab’s „die früheste Lese ever, Wahnsinn!“ Nach holprigem Beginn und etlichen Regentagen brachte Dreissigackers Leseteam bei Riesling und Weißburgunder am Ende sogar einige spektakuläre Qualitäten auf die Kelter: hochreifes gesundes Lesegut mit idealen Säurewerten.

Schwabenwinzer Rainer Schnaitmann musste vor allem beim Lemberger erhebliche Mengeneinbußen hinnehmen. Der Frost hatte einige seiner besten Lagen erwischt, anfangs habe er einen Totalschaden befürchtet. Doch erstaunlich viele Rebzeilen hätten die Frostschäden relativ gut verdaut. „Eigentlich ein kleines Wunder, wie viel Trauben wir bekommen haben!“ Schnaitmanns Jahrgangsfazit: ein schneller hektischer Herbst und rund ein Drittel weniger Menge, dafür aber „gute saftige Trauben, schöne Säuren und keine übertriebenen Mostgewichte“.

Bild oben: Kritische Traubenannahme – vor der Verarbeitung wird die Qualität der Trauben geprüft.

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Ängstlich in Siebeldingen

Das gilt so auch für die Pfalz. Dort hatte Hansjörg Rebholz im September allerdings noch eine Angstperiode zu überstehen, als kräftige Niederschläge die reifen Trauben in Gefahr brachten. Danach hätten erste Fäulnisnester den Lesehelfern Beine gemacht. Rebholz hat durchgehend Trauben um die 90 Oechsle gelesen. Um die Traubengesundheit zu erhalten, sei allerdings viel Laubarbeit nötig gewesen, „es hat sich gelohnt“.

Auch Konrad Salwey im badischen Oberrotweil gehörte dieses Jahr zu den Früh- und Schnellerntern. Der 28. August war der erste Lesetag und der früheste in der Geschichte des Weinguts, der 18. September schon der letzte. Im Badischen war der Sommer trockener als im übrigen Deutschland, entsprechend klein und konzentriert waren die Beeren. Salwey: „Wir hatten traumhaftes Lesegut, es würde mich überraschen, wenn das kein toller Jahrgang wird.“ Bei minimalen Frostschäden war die Menge dennoch um zehn Prozent reduziert.

Bild oben: Sonnige Neckarschleife – Terrassen-Steillage der schwäbischen Winzergenossenschaft Besigheim

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Goldgelb in Winningen

Im Rieslingtal der Mosel zieht sich die Weinlese, ähnlich wie im Rheingau, nicht selten bis in den November hinein. Dieses Jahr war auch hier Anfang Oktober der größte Teil der Hänge abgeerntet. „Wir haben goldgelbe reife Trauben, schönes geht’s nicht“, sagt Terrassenwinzer Reinhard Löwenstein aus Winningen, selten hätte ihm schon der Traubensaft so gut geschmeckt. Auch Löwenstein beklagt leichte Frostschäden und reduzierte Erträge. Er konnte aber als edelsüße Kür mal wieder eine Beerenauslese einbringen: Zarte Edelfäule hatte etliche Beeren zu den gewünschten Rosinen einschrumpfen lassen. Löwensteins Bilanz: „Ein harmonischer Jahrgang, vergleichbar vielleicht mit 2012.“

Die landesweit kleine Erntemenge könnte den Weintrinkern leicht erhöhte Preise bringen. Dafür bringt der Jahrgang eine gute Konzentration und Qualität mit. Die ersten Moste dürften schon durchgegoren sein.

Bild oben: Schöne Schufterei – mit der 60 Kilo schweren Bütte im Kreuz geht's 300 Trepple runter.

Mehr Informationen:

Orangewein: Das Ende der nassen Socken (27.9.2017)

Slow Food Rebstockpatenschaften

Alle Bilder:  © Ernst Büscher / Deutsches Wein Institut

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